Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug


Seminararbeit, 2000

22 Seiten, Note: 16 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Grundlagen
1. Begriff „Sicherheit und Ordnung“
2. Sicherheitsbegriffe
a) Instrumentelle Sicherheit
b) Kooperative Sicherheit
c) Administrative Sicherheit
d) Soziale Sicherheit
3. Spannungsverhältnis
4. Prinzipien des §81 StVollzG
a) Prinzip der Selbstverantwortung, §81 I StVollzG
b) Prinzip der Subsidiarität, §81 II StVollzG
c) Übermaßverbot, §81 II StVollzG
5. Generalklausel (sog. Angstklausel), § 4 II 2 StVollzG
a) Aufrechterhaltung der Sicherheit
b) Schwerwiegende Störung der Ordnung der Anstalt
c) Fehlende anderweitige gesetzliche Regelung

III. Verhaltensvorschriften, §§82, 83 StVollzG
A. § 82 StVollzG
B. § 83 StVollzG

IV. Sicherungsmaßnahmen
A. Allgemeine Sicherungsmaßnahmen
1. Durchsuchung, §84 StVollzG
2. Sichere Unterbringung, §85 StVollzG
3. Erkennungsdienstliche Maßnahmen, §86 StVollzG
4. Festnahmerecht, §87 StVollzG
B. Besondere Sicherungsmaßnahmen
1. Arten
2. Anordnungsvoraussetzungen
3. Zuständigkeit der Anordnung
4. Besonderheiten der Durchführung
5. Möglichkeiten der Unterbringung aus Sicherheitsgründen
a) Schlichtzelle
b) Sichtspion
c) Gemeinschaftsunterbringung mit zuverlässigen Mitgefangenen
6. Einzelhaft, § 89 StVollzG
7. Fesselung, § 90 StVollzG

V. Situation in der Justizvollzugsanstalt Tegel
1. Spezielle Probleme bei der Sicherheit
a) Ausländer
b) Überbelegung
2. Besondere Sicherungsmaßnahmen für inhaftierte Drogendealer
3. Andere erwähnenswerte Sicherungsmaßnahmen

VI. Ersatzansprüche, § 93 StVollzG
1. Aufwendungsersatz, § 93 I 1 StVollzG
2. Schadensersatz, § 93 I 2 StVollzG, § 823 BGB

Referat

Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug

I. Einleitung

Der Begriff Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug lässt sich in zwei große Bereiche gliedern. So wird dieser Komplex einerseits im Strafvollzugsgesetz [StVollzG] behandelt, anderseits in den allgemeinen Regeln und Vorschriften des Umweltschutzes, der Unfallverhütung, des vorbeugenden Brandschutzes.

Diese Aufzählung ist in keiner Weise vollständig, soll jedoch deutlich machen, dass eine Strafvollzugsanstalt gleichzeitig eine Betriebsstätte darstellt und als solche der einschlägigen Gesetzgebung unterliegt.

Auch der im StVollzG behandelte Begriff der instrumentellen Sicherheit hat seine Entsprechungen in der Freigeländesicherung, Zutrittskontrolle oder Einbruch- und Überfallmeldetechnik in der privaten Wirtschaft. Wie sich aus Gesprächen mit der Anstaltsleitung ergab, hat auch der Begriff der Sicherheit in der Informationstechnik – im Sinne des gleichnamigen Bundesamtes – dergestalt Eingang in die Praxis der Sicherheit im Strafvollzug gefunden, dass den Inhaftierten der Besitz von Personal Computern nicht erlaubt wird. Ausnahmen werden nur zum Zweck der Ausbildung gestattet.

Nachfolgendes Referat wird sich auf die Ausführungen des Strafvollzuggesetztes und seine Umsetzung in der Justizvollzugsanstalt Tegel beschränken.

II. Grundlagen

Nachfolgend wird der Begriff von Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug anhand der Ausführungen im §§ 81 ff StVollzG behandelt.

1. Begriff „Sicherheit und Ordnung“

Das Begriffspaar „Sicherheit und Ordnung“ im Strafvollzug darf nicht mit der Sicherheit und Ordnung im Polizeirecht gleichgesetzt werden. Im Strafvollzug wird der Begriff im sozialstaatlichen Sinn verstanden. Sicherheit bedeutet die Abwendung von Gefahren die von der Anstalt sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis ausgehen. Sicherheit meint aber auch den Aufenthalt der Gefangenen zu gewährleisten und auch die Abwendung von Gefahren in der Anstalt selbst.

Gleichzeitig dient sie auch dem Schutz der Allgemeinheit, die von einer Justizvollzugsanstalt ausgehen könnte[1].

Dem entgegen und unter dem Begriff „Ordnung“ nicht unmittelbar zu vermuten, soll die Ordnung das geordnete und vor allem menschenwürdige Zusammenleben in der Institution regeln[2]. Dabei steht der Begriff der Selbstverantwortung des Inhaftierten im Vordergrund. Der §811 I StVollzG verlangt ausdrücklich, dass im Rahmen des Strafvollzuges der Gefangene diese Selbstverantwortung lernen (und einüben) soll[3].

2. Sicherheitsbegriffe

Es können instrumentelle, kooperative, administrative und soziale Aspekte bei der Gewährleistung von Sicherheit unterschieden werden[4].

a) Instrumentelle Sicherheit

Die instrumentelle Sicherheit betrifft bauliche und technische Vorkehrungen im weitesten Sinne. Dazu zählen zum einen die passiven Einrichtungen der Sicherungs- und Überwachungsbereiche[5] wie Mauern, Wachtürme, Beobachtungssysteme, Alarmanlagen und dergleichen. Zum anderen die aktiven, durch das Personal ausgeübten Sicherheitsmaßnahmen.

Wie der einzelne Justizvollzugsbeamte zur Sicherheit betragen soll wird in den Anweisungen zum Allgemeine Vollzugsdienst (AVD) geregelt.

b) Kooperative Sicherheit

Unter der kooperativen Sicherheit wird die Zusammenarbeit aller im Strafvollzug beteiligter Personen – auch der Strafgefangenen - und Behörden verstanden.

c) Administrative Sicherheit

Die administrative Sicherheit wird durch strukturierende, in der Regel schriftliche Vorgaben der Anstaltsverwaltung und ihrer übergeordneten Behörden geregelt und sichergestellt.

Damit nimmt sie Einfluss auf die sicherheitsrelevanten Abläufe im Strafvollzug.

In der praktischen Umsetzung fällt darunter vor allem der Sicherheits- und Ordnungsdienst mit dem Sicherheits- und Ordnungsdienstleiter.

Seine Hauptaufgabe ist die Überwachung und das Herstellung von Ordnung und Sicherheit in der Anstalt. Dazu gehört unter anderem die Aufstellung von Sicherungs- und Alarmplänen, Anordnung von besonderen Sicherungsmaßnahmen und die Aufsicht über die ordnungsgemäße Verwaltung und Verwahrung der Waffen.

Dem Sicherheits- und Ordnungsdienstleiter obliegt ferner die Mitwirkung bei der Bearbeitung besonderer Vorkommnisse (z.B. Ausbrüche, Selbsttötungen) bis hin zur Einleitung gerichtlicher Verfahren gegen Inhaftierte.

Ihm obliegt das Genehmigungsverfahren von Anträgen für Sondereinkäufe , Sonderbesuche, für Rundfunk- und Fernsehgeräte ebenso fest wie für die Erledigung und Bearbeitung von Anträgen, Gesuchen und Beschwerden der Inhaftierten, um nur einiges zu nennen[6].

Schließlich untersteht dem Sicherheits- und Ordnungsdienstleiter der allgemeine Vollzugsdienst, der in direktem Kontakt zu den Inhaftierten steht.

d) Soziale Sicherheit

Als soziale Sicherheit werden die sozialen Beziehungen zwischen den in der Anstalt zusammenlebenden und –arbeitenden Menschen bezeichnet, also insbesondere die Art und Weise, in der die Gefangenen und Bediensteten ihren Umgang miteinander gestalten.

Diese soziale Sicherheit lebt in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen den gesellschaftlichen Anforderung an die Resozialisierung des Strafgefangenen, dem strafenden Charakters der Haftstrafe selbst und den Inhalten von Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug. Im folgenden Kapitel wird darauf weiter eingegangen.

3. Spannungsverhältnis

Von der in § 2 S.2 StVollzG ausdrücklich genannten Aufgabe des Strafvollzugs, die Sicherheit der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu gewährleisten, ist die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt, die § 81 StVollzG ausdrücklich regelt, zu unterscheiden.

Die Anstaltsordnung und –sicherheit geht gegenüber der in § 2 S.2 StVollzG genannten Aufgabe weiter, weil damit auch die Anstaltssicherheit allgemein und nicht nur die Verhinderung von weiteren Straftaten umfaßt ist[7].

Und gerade daraus ensteht dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Resozialisierungsauftrag im Sinne von § 2 S. 1 StVollzG und den Vorschriften zur Sicherheit und Ordnung nach §§81 II StVollzG[8]. Wobei jedoch keine grundsätzliche Priorität des Resozialisierungsauftrags besteht.

Das Spannungsverhältnis zwischen Resozialisierung und Sicherheit ist vielmehr im Einzelfall aufzulösen. Damit wird dem Vollzugsdienst die Entscheidung auferlegt. Der Vollzugsbeamte soll nun in Erwägung ziehen:

- Berücksichtigt die zu treffende Entscheidung das prioritäre Vollzugsziel?
- Wird ein notwendiger Eingriff die vollzugsorientierte Behandlung langfristig gefährden[9] ?

Falls eine dauerhafte Gefährdung der Behandlung zu befürchten ist, ist die Auferlegung von Pflichten und Beschränkungen in Anbetracht der in §§2-4 StVollzG geregelten Vollzugsgrundsätze zu unterlassen[10].

4. Prinzipien des §81 StVollzG

a) Prinzip der Selbstverantwortung, §81 I StVollzG

Einen wesentlichen Aspekt der vorerwähnten sozialen Sicherheit bildet das Prinzip der Selbstverantwortung. Hierbei wird unterstellt, dass eine Ursache für die Straffälligkeit des Inhaftierten in seiner zu gering ausgebildeten Selbstverantwortung zu suchen ist. Um nach Ablauf der Haftzeit seine Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen, ist das Verantwortungs-bewusstsein des Inhaftierten für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt ist zu wecken und zu fördern, und damit seine Resozialisierung[11].

Bei der Auflösung des vorerwähnten Spannungssverhältnisses zwischen Resozialisierung und Sicherheit wird der Vollzugsbeamte immer zuerst an das Verantwortungsbewusstsein des Gefangenen appellieren, um ihn so zu einem ordnungsgemäßen und sozial verträglichen Verhalten zu veranlassen. Der Inhaftierte soll so seinen Beitrag leisten, damit in der Anstalt ein verantwortungsbewusster Umgang miteinander gewährleistet werden kann. Darunter fällt vor allem die ständige Konfliktvermeidung innerhalb der Wohn- und Behandlungsgruppen durch die Kommunikation mit den Inhaftierten. Die Mitarbeit des Inhaftierten zur Konfliktvermeidung innerhalb ihrer Umwelt bereitet ihn so auf ein Leben in der Gesellschaft vor.

Diesen Prinzipien folgt auch §81 I StVollzG, der besagt, dass die Sicherheit und Ordnung vor allem durch ein therapeutisch orientiertes Milieu zuallererst durch allgemeine und spezielle Behandlungsmaßnahmen herzustellen ist.

Nun zeigt die Lebenserfahrung, dass mit therapeutischen Maßnahmen und der Delegation von Verantwortung nicht immer der gewünschte Erfolg eintreten wird. Für diese Fälle soll laut §81 I StVollzG von Ordnungsmaßnahmen Gebrauch gemacht werden.

b) Prinzip der Subsidiarität, §81 II StVollzG

Das Subsidiaritätsprinzip gebietet es, dass die Ordnungsmaßnahmen erst dann zu ergreifen sind, wenn andere Maßnahmen der sozialen Sicherheit keinen Erfolg zeigen[12]. Ordnungsmaßnahmen dienen lediglich als Ultima ratio.

c) Übermaßverbot, §81 II StVollzG

Das Übermaßverbot gebietet es, dass die Pflichten und Einschränkungen immer unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zu betrachten sind[13]. Vor jeder Entscheidung im Vollzugsdienst ist zu fragen

- Rechtfertigen die rechtlichen Voraussetzungen die Intensivität der Ordnungsmaßnahme?
- Steht die Art der Ordnungsmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck?
- Ist die Dauer der Ordnungsmaßnahme angemessen?

5. Generalklausel (sog. Angstklausel), § 4 II 2 StVollzG

Die Generalklausel bildet einen Auffangtatbestand für Eingriffe, die nicht von einer besonderen Regelung erfasst sind. Nach ihr ist eine Freiheitsbeschränkung des Gefangenen ohne gesetzliche Einzelregelung unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Sie ist daher systematisch nach dem Grundsatz aus § 4 II 1 StVollzG zu prüfen.

a) Aufrechterhaltung der Sicherheit

Streitig ist, ob bei Einschränkungen zum Zwecke der „Aufrechterhaltung der Sicherheit“ die Sicherheit der Anstalt oder der Allgemeinheit gemeint ist. Für die Auffassung, dass die Sicherheit der Allgemeinheit gemeint ist, spricht, daß in allen anderen Fällen die Formulierung „Sicherheit und Ordnung der Anstalt“ gebraucht wird[14].

[...]


[1] Walter, StrafVZ 90er Jahre, S. 191, S. 196f.

[2] Calliess/Müller-Dietz, §81, Rdnr.1 f.; Laubenthal, Rdnr. 530.

[3] Calliess/Müller-Dietz, §81, Rdnr.3.

[4] Albrecht, S. 292.

[5] Walz, S. 3ff

[6] Schwind/Blau, S. 147.

[7] Baumann,FS f. Maurach, 1972, S.561ff.; Schüler-Springorum, S. 201f..

[8] Arloth, ZfStrVo 90, 329, 329 f.

[9] BT-Drucksache VII/3998, S 31.

[10] Calliess/Müller-Dietz, §81, Rdnr. 6.

[11] Calliess/Müller-Dietz, §81, Rdnr.2.

[12] BT-Drucksache VII/3998, S.31.

[13] Calliess/Müller-Dietz, §81, Rdnr.6.

[14] Kaiser/Kerner/Schöch, §4, Rdnr.25; Schwind/Böhm-Böhm, §4, Rdnr. 20.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Juristische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar zum Strafvollzug
Note
16 Punkte
Autor
Jahr
2000
Seiten
22
Katalognummer
V3010
ISBN (eBook)
9783638118132
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sicherheit, Ordnung, Strafvollzug, Seminar, Strafvollzug
Arbeit zitieren
Charlotte Schwarze (Autor:in), 2000, Sicherheit und Ordnung im Strafvollzug, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3010

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