Vom Naturzustand zum Staat. Freiheit und Recht in der politischen Philosophie bei Hobbes, Locke und Rousseau


Hausarbeit, 2011

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Natur, Kultur und Freiheit

3. Determinismus und Indeterminismus, Trieb-und Vernunftwesen

4. Der Naturzustand in der politischen Philosophie

5. Hobbes
5.1.1 Freiheit im Naturzustand
5.1.2 Recht und Gesetz im Naturzustand
5.2.1 Recht und Gesetz im staatlichen Zustand
5.2.2 Freiheit im staatlichen Zustand

6. Locke
6.1.1 Freiheit im Naturzustand
6.1.2 Recht und Gesetz im Naturzustand
6.2.1 Recht und Gesetz im staatlichen Zustand
6.2.2 Verhältnis von Staat zu Bürger: Freiheit im staatlichen Zustand

7. Rousseau
7.1.1 Freiheit im Naturzustand
7.1.2 Recht und Gesetz im Naturzustand
7.2.1 Freiheit im staatlichen Zustand
7.2.2 Recht und Gesetz im Staat

8. Das Gefangenendilemma im Naturzustand

9. Staatsgründung als Ausweg
9.1.1 Sicherheit (Leib und Leben) als Staatsaufgabe
9.1.2 Freiheit (Freiheitssicherung) als Staatsaufgabe
9.2 Grenzen staatlichen Einflusses

10. Konstitutionelle Grundbedingung eines Staates: Gewaltmonopol

11. Fazit

12. Bibliographie

1. Einleitung

Für eine allgemeine Betrachtung der politischen Philosophie und deren Einordnung sind philosophische Grundlagen wie die aristotelische Logik Vorbedingung. Denn um klare Begrifflichkeiten schaffen zu können, muss man zunächst einmal ausdifferenzieren. Das geht zu Beginn über die Bildung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel zum Begriff Freiheit. Was ist das Gegenteil von Freiheit? Die Antwort laut aristotelischer Logik ist einfach die Nicht-Freiheit. Zudem benötigen wir für die Betrachtung der Entwicklungslinien der politischen Philosophie der Neuzeit, beginnend mit Hobbes, eine Unterscheidung Kultur Natur. Oder was ist Kultur? Und was ist das gemeinsame oder unterscheidende Prinzip von Natur und Kultur? In diesem Bereich stütze ich mich auf die in unserem Seminar und in Dr. Michael Gertens Skript entwickelten Ideen.

Wie hat sich die Gedankenkonstruktion zur Notwendigkeit und Legitimation von Staaten mit Hobbes verändert? Worin äußern sich diese Entwicklungen? Und gibt es seit Hobbes eine stete Weiterentwicklung oder lassen sich auch Rückschritte erkennen?

Diese Konstruktionen bauen aufeinander auf und ergänzen sich teilweise. Hobbes machte den ersten Schritt mit seiner Theorie eines Vertrages, aufgrund dessen ein Staat entsteht. Locke veränderte seine Auffassung des Naturzustandes - also den vorstaatlichen Raum, in dem sich die Menschen bewegen. Rousseau entwickelt ausgehend von seinen Vorgängern seine eigene Art des Naturzustandes. Ferner sind die wesentlichen Merkmale der (Weiter-)Entwicklungen in den daraus folgenden Konstruktionen eines Staates zu suchen. Die Rolle, welche die Menschen in ebensolchen einnehmen, ist oftmals die Folge des Menschenbildes und der Umstände des Naturzustandes.

In der folgenden Arbeit sollen die Theorien von Hobbes, Locke und Rousseau hinsichtlich der Bedeutung von Recht, Gesetz und Freiheit im Naturzustand sowie im staatlichen Zustand betrachtet werden. Und was ist das höchste Gut, das zu schützen Aufgabe der Politik ist/sein sollte?

2. Natur, Kultur und Freiheit

Eine Frage, die der Arbeit voranzustellen ist, ist die der grundlegenden Differenzierung der Gegebenheiten oder Grundpfeiler, auf die man in der politischen Philosophie sein Gedankengerüst und seine Theorie baut. Was ist Natur, was ist Kultur? Ist Natur gleich Kultur und wie kann man diese beiden Bereiche voneinander unterscheiden?

Wenn Natur gleichbedeutend mit Kultur ist, wozu gibt es dann diese beiden Begriffe? Und wo ist der Platz des Menschen in diesem Konstrukt anzusiedeln? Sollten die Begriffe wirklich gleichbedeutend sein, ist dann der Mensch und alle seine Errungenschaften oder Taten im Bereich der Natur anzusiedeln?

Unter dem Begriff Natur versteht man den Bereich, in dem sich Prozesse frei von äußeren Einflüssen notgedrungen, unveränderlich ereignen und zwangsweise ablaufen. Natürliche Prozesse stehen somit in kausaler Beziehung und beschreiben Ereignisse, welche als Summe wiederum den Bereich der Natur bilden.

Den Bereich Kultur - in Abgrenzung zu Natur - bilden die durch freie Vernunftwesen angestoßenen Prozesse mit den daraus folgenden Ergebnissen. Ergebnisse also sind allein der Begrifflichkeit nach die Folge einer Handlung, Entwicklung oder eines ablaufenden Prozesses, welcher (von einem Vernunftwesen) durch äußere Einflüsse entstanden ist. Im Gegensatz zur Natur, in der alles unverändert und determiniert ist, entwickeln sich die Ergebnisse als geistige Akte von Vernunftwesen frei und deren Ergebnisse sind veränderbar. Der äußere Einfluss eines Vernunftwesens, also zum Beispiel die Weiterentwicklung eines in der Natur vorkommenden Dinges ist Merkmal der Kultur. Diese Akte selbst machen die Natur erst zu einem Teil der Kultur und das spezifische ist weiterhin die freie und veränderbare Art wie das vonstatten geht.

Sieht man nicht alle Dinge in der Natur als bloße Geschehnisse, sondern gesteht man u.a. einem Vernunftwesen wie dem Menschen eine gewisse Freiheit in seinem Handeln zu, mit dem er frei die Naturgeschehnisse beeinflussen und verändern kann, so entsteht dadurch Kultur. Deterministen gehen davon aus, dass die gesamte Wirklichkeit von vornherein bestimmt und festgesetzt, sprich determiniert ist. Dabei wird der Mensch mit all seinen Handlungen und Willensakten in diese von außen bestimmte Ebene eingeordnet. Die Vorstellung eines freien Willens stellt demgemäß eine bloße Illusion dar.

Natur mag durchweg determiniert, d.h. vorbestimmt und eine naturkausal abhängig bestehende Summe von Geschehnissen sein. Dem gegenüber ist der Mensch als Vernunftwesen allerdings fähig, durch freie Akte, oder freie Handlungen als Ausdruck von Willensfreiheit in die Natur einzugreifen und individuell zu schaffen. Diese Ansicht bezeichnet die philosophische Strömung des Indeterminismus, welcher als zentralen Aspekt und Unterscheidungskriterium dem Menschen als Vernunftwesen die Freiheit zuschreibt, selbstbestimmt handeln zu können.

Geht man nun davon aus, dass alle Objekte und Gegenstände in der Natur determiniert ablaufen und Kultur als Folge von freien Einflüssen von Vernunftwesen auf den Bereich der Natur jedoch nicht in den Bereich der determinierten Natur gehört und ferner Handlungen von Vernunftwesen frei und indeterminiert sind, dann bedeutet das, dass erst durch die den Vernunftwesen zugestandene Freiheit (Willensfreiheit und Handlungsfreiheit) und den daraus folgenden Veränderungen an der Natur Kultur überhaupt möglich ist.

3. Determinismus und Indeterminismus, Trieb-und Vernunftwesen

In der Philosophie gibt es zwei sich grundlegend gegenüberstehende Lager über die Sicht der in der Welt ablaufenden Prozesse und der Möglichkeit auf diese einzuwirken. Die eine Gruppe sieht alle in der Welt ablaufenden Prozesse als vorherbestimmt und naturkausal - und zwar gleich welcher Art, also Geschehnisse in der Natur (ob also ein Baum umfällt, ein Vulkan ausbricht etc.) aber auch bei aller Lebewesen (egal ob Tier oder Vernunftwesen). Anhänger der oben vorgestellten Denkrichtung werden gemäß ihrer Vorstellung, dass alles nach einem äußeren Einfluss vorherbestimmt, also determiniert sei, Deterministen genannt. Die Anhänger dieser Thesen verneinen jegliche Möglichkeit eines freien Willens und gehen so davon aus, dass alles, was geschieht, sich aufgrund von äußeren (gegebenen) Einflüssen ereignet.

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach dem Wesen des Menschen nicht uninteressant. Wie Tiere und Pflanzen ist auch der Mensch als bloßes Wesen Teil der Natur. Und als solcher geht der Mensch aus derselben hervor, er hat wie auch Tierwesen Triebe und Bedürfnisse, wie zum Beispiel Selbsterhaltung, Sexualtrieb etc. Merkmal solcher Triebe ist, dass man ihre Existenz nicht beeinflussen und steuern kann. Lediglich die Aktionen, zu welchen sie führen, kann man bis zu einem gewissen Maße steuern. Zu diesem Bereich zählen auch Reaktionen auf bestimmte Reize wie zum Beispiel der Reiz „Jucken“, welcher automatisch die Reaktion „Kratzen“ zur Folge hat. In diesem Bereich unterscheidet sich der Mensch also nicht vom Tier.

Allein durch die Freiheit, die man dem Menschen zuschreibt und welche in seinen Handlungen zum Vorschein kommen, unterscheidet er sich von bloßen Triebwesen Wesen. Durch seine Vernunft und seinen Verstand ist der Mensch fähig, seinem Willen Ausdruck zu verleihen und jenseits aller Vorgaben und Triebe frei zu handeln. So kann er zum Beispiel seine Triebe unterdrücken. Mithilfe seiner Vernunft kann der Mensch nicht nur seine Triebe steuern, sondern auch ein Rechtsbewusstsein und Moralität entwickeln. Allein mithilfe seines Verstandes.

4. Der Naturzustand in der politischen Philosophie

In der politischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts wurden erstmals Gedankenkonstrukte entworfen, welche den Ursprung zur Bildung von Staaten und die Beugung unter politische Herrschaft in der Unsicherheit der Menschen in einem vorstaatlichen Zustand sehen. Diese Unsicherheit bezeichnet allerdings nicht die aus der freien Wildnis entstehenden Gefahren, sondern Konflikte, welche aus der Gesetzeslosigkeit entstehen. Dieser vorstaatliche Zustand wird in der politischen Philosophie als Naturzustand bezeichnet. Der Naturzustand soll als „Kontrastfolie“ zur Legitimation politischer Herrschaft dienen und erklären, warum sich freie Menschen unter politische Herrschaft begeben und im Austausch ihre individuelle Freiheit einschränken. Dieser Ansatz kann neben den Begründungen wie Gottesgnadentum etc. zur wirkungsvollen und anschaulichen Erklärung politischer Herrschaft dienen.

5. Hobbes

5.1.1 Freiheit im Naturzustand

Hobbes konzipiert seinen Naturzustand als einen vorstaatlichen Zustand, in dem alle Menschen absolut frei und unabhängig von jedweder Instanz nach ihrem Willen handeln, schaffen und zerstören können. Alle Menschen haben hier die gleiche theoretische Ausgangssituation, was ihre Möglichkeiten im Naturzustand angeht - psychisch wie physisch. Doch da der Mensch nicht allein auf der Welt lebt, sondern einer unter vielen ist, und im Naturzustand alle Recht auf alles haben, ergibt sich ein Konfliktzustand erst, wenn mehrere Individuen aufeinandertreffen. Da jeder Anspruch auf alles hat, es keine übergeordnete Machtinstanz also auch keine Gesetze gibt, kommt es unweigerlich zu Konflikten, welche aus Knappheit der überlebenswichtigen Güter oder rein aus einfachen Interessensdivergenzen entstehen. Hobbes schreibt den Naturzustandsbewohnern zwar durchaus moralische Eigenschaften zu, welche aber aufgrund der möglichen gefährlichen Situationen meist nicht nach außen getragen werden können. Eine zentrale Rolle spielt bei Hobbes (das Recht auf) die Selbsterhaltung des Menschen. Da keine Gesetze vorhanden sind - also auch kein Unrecht möglich ist- bieten in einer solchen Situation Präventivmaßnahmen zur Vermehrung des eigenen Besitzes und Macht den effektivsten Schutz. Denn nur im Drang nach außen kann man sich möglichst gut vor Übergriffen anderer schützen: Man muss seine potentiellen Feinde ausschalten, bevor man selbst von ihnen angegriffen wird. Dieses Verhalten kann man auch mit der Hobbesschen Grundlehre erklären, nach der der Mensch radikal und absolut egoistisch für die eigene Nutzenmaximierung handelt.1

Hobbes‘ Beschreibung über die Notwendigkeit und Bildung eines Staates beginnt mit der Bildung natürlicher Gesetzen mithilfe der Vernunft, welche die Einhaltung des Friedens und damit einhergehender Harmonie verfechten und letztendlich zum Staat führen, welcher denselben (den Frieden) durch Gewalt sichern kann.

5.1.2 Recht und Gesetz im Naturzustand

Da sich im Hobbesschen Modell alles um die Selbsterhaltung und Sicherheit dreht, beziehungsweise den durch immenses Misstrauen und fehlende Sicherheit entstehenden Kriegszustand aller gegen alle, kann es hier auch aufgrund fehlender übergeordneter Instanz, keine Gesetze und somit auch kein unrechtmäßiges Handeln geben. Hobbes sieht also das natürliche Recht oder Naturrecht - wenn man so will - im Anspruch aller auf alles und in der Verteidigung und Sicherung des eigenen Lebens. Da keine Gesetze vorhanden sind - also auch kein Unrecht möglich ist - ist die einzige und wichtigste Chance zu überleben die Flucht nach Vorne, d.h. durch Präventivmaßnahmen alle potentiellen Feinde auszuschalten, bevor man selbst von ihnen angegriffen wird. Somit herrscht als Konsequenz daraus das Recht des Stärkeren.

Zwar stattet er den Menschen im Naturzustand durchaus mit moralischen Eigenschaften wie Mildtätigkeit, Edelmut und Gerechtigkeitsbewusstsein2 aus, welche jedoch vor dem Hintergrund der Unsicherheit meist hintan gestellt werden beziehungsweise werden müssen. Denn spätestens Mittelknappheit lässt Konkurrenz(denken) entstehen. Der Mensch wird hier als Trieb- und Vernunftwesen beschrieben,3,4 dessen Leben sich zwischen Neigung und Krieg abspielt. Neigung kann als Ausdruck seiner moralischen Eigenschaften gesehen werden, was durch die unsichere Situation konsequenterweise in Krieg umschlagen muss. Das Triebhafte am menschlichen Wesen zeigt sich in Konkurrenzdenken, Gier, Neid und Missgunst, wohingegen die Vernunft dem Menschen die natürlichen Gesetze offenbart, aus deren Folge Frieden als das Beste und Erstrebenswerte erkennbar wird.5 Als Friede beschreibt er das Gut, unter dem alle subjektive Vernunft die größtmögliche Überlebensmöglichkeit erkennt.6 Die Gesetze der Natur sind das einzige im Naturzustand allgemeingeltende Element. Darunter fallen die Friedenspflicht und die Einhaltung von Verträgen („was andere dir nicht tun sollen, dass tue ihnen auch nicht“).7 Da kein gesundes Wesen sich selbst freiwillig ohne äußere Zwänge töten wird, ist das Recht auf Selbsterhaltung für Hobbes sogar mehr als nur ein Recht, es ist ein Gebot.

[...]


1 Schottky, Richard: Untersuchungen zu Geschichte der staatsphilosophischen Vertragstheorie im 17. Und 18. Jahrhundert, München/Zürich 1985. S. 21.

2 Hobbes, Thomas: Leviathan, Ditzingen (2007) Reclam, S. 135.

3 Ebd., S.113f.

4 Siehe auch Hobbes: Leviathan, S. 90f.

5 Ebd., S. 119.

6 Ebd., S. 140.

7 Hobbes: Leviathan, S. 120.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Vom Naturzustand zum Staat. Freiheit und Recht in der politischen Philosophie bei Hobbes, Locke und Rousseau
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für politische Theorie)
Veranstaltung
Entwicklungslinien der politischen Philosophie der Neuzeit von Hobbes bis Kant und Fichte
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V300147
ISBN (eBook)
9783656964032
ISBN (Buch)
9783656964049
Dateigröße
940 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
naturzustand, staat, freiheit, recht, philosophie, hobbes, locke, rousseau
Arbeit zitieren
Sebastian Voit (Autor:in), 2011, Vom Naturzustand zum Staat. Freiheit und Recht in der politischen Philosophie bei Hobbes, Locke und Rousseau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300147

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