Fontanes Darstellung der Lebensformen des Bürgertums. Aufgezeigt an ausgewählten Romanbeispielen


Seminararbeit, 2004

22 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Aufbau und Ziel der Untersuchung

2. Grundlagen
2.1 Definition des Begriffs Bürger Das Bürgertum im 19. Jahrhundert

3. Fontanes Darstellungen der Lebensformen des Bürgertums an ausgewählten Werken
3.1 Der Roman „Irrungen und Wirrungen“
3.1.1 Die Thematik
3.1.2 Darstellung der Lebensformen des Kleinbürgertums
3.1.3 Die Gesellschaftskritik Fontanes
3.2 Der Roman „Frau Jenny Treibel“
3.2.1 Die Thematik
3.2.2 Darstellung der Lebensformen des Besitz und Bildungsbürgertum
3.2.3 Die Gesellschaftskritik Fontanes

4. Schlussbemerkungen
4.1 Abschließende Wertung der bürgerlichen Gesellschaft in den Romanen Fontanes

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Aufbau und Ziel der Untersuchung

Im Rahmen der Facharbeit werde ich mich mit der Darstellung der Lebensformen in Werken Theodor Fontanes auseinandersetzen. Dabei beschränken sich meine Untersuchungen auf die Romane „Irrungen und Wirrungen“ und „Frau Jenny Treibel“. Die Auswahl dieser beiden Romane erfolgte, da in ihnen die Lebensform des Bürgertums besonders gut zu erkennen ist. In dem wohl bekanntesten Roman „Effi Briest“ steht der Adel im Vordergrund. „Schach von Wuthenow“ hat als Hintergrund die soziale Struktur und Geschichte Preußens. Der letzte Roman Fontanes „Der Stechlin“ befasst sich auch mit dem Bürgertum, aber ich habe mich für die beiden anderen Romane entschieden, da in ihnen einerseits das Kleinbürgertum in „Irrungen und Wirrungen“ und andererseits das Bildungs- und Besitzbürgertum in „Frau Jenny Treibel“ genau beschrieben werden. So erfährt man näheres über die niedrigste, die mittlere und höchste Gesellschaftsschicht im Bürgertum. Bürgerliche Frauen stellen in beiden Romanen die Protagonistin dar. In „Irrungen und Wirrungen“, einer Berliner Alltagsgeschichte, versuchen die Hauptpersonen sich gar nicht erst gegen die gesellschaftlichen Konventionen aufzulehnen. Ebenso in „Frau Jenny Treibel.“ Während in „Irrungen und Wirrungen“ Gesellschafts- und Moralkritik nur unterschwellig zu spüren sind, ist „Frau Jenny Treibel“ ein Meisterstück gesellschaftsanalytischer, gesellschaftskritischer Kunst. Es ist Fontanes Roman über das Bürgertum, was in diesem Fall heißt gegen das Bürgertum, vor allem das Besitzbürgertum.

Dem Hauptteil vorangestellt sind die sogenannten Grundlagen, in denen der Begriff des Bürgers im allgemeinen und das Bürgertum im 19. Jahrhundert erläutert wird. Dies ist notwenig, um das Kernthema bearbeiten und verstehen zu können. Dabei sind die Zeitumstände zu berücksichtigen.

Das Hauptaugenmerk der Facharbeit liegt auf Fontanes Darstellung der Lebensformen des Bürgertums. Im Mittelpunkt stehen dabei die bereits erwähnten Romane. Auf eine Biografie Fontanes wird verzichtet, da sein Leben zwar stark mit den Zeitumständen in Verbindung steht, die Kenntnis seiner privaten Lebensverhältnisse jedoch nicht für das Verständnis der Darstellung des Bürgertums in seinen Werken erforderlich ist.

2. Grundlagen

2.1 Definition des Begriffs Bürger

Bürger waren ursprünglich die Bewohner einer Burg oder einer mittelalterlichen Stadt. Es waren fast ausschließlich Handwerker und Kaufleute, im Gegensatz zum bäuerlichen Dorfbewohner. Durch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der beginnenden Neuzeit erweiterte sich der Begriff. Bürger war, wer nicht zum Adel oder Bauernstand zählte. Der Sieg des Bürgertums, des 3. Standes, in der Französischen Revolution und ihre geschichtliche Auswirkung setzten die politische Gleichheit durch, beseitigte Schranken zwischen Stadt und Land und prägten in Deutschland den politischen Begriff Staatsbürger.

2.2 Das Bürgertum im 19. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert war gekennzeichnet von einem gesellschaftlichen Wandel. Dieser, begünstigt durch Aufklärung und Industrielle Revolution, bedeutete den Übergang von der adeligen Feudalgesellschaft[1] zu einer durch das Bürgertum dominierten marktwirtschaftlich-orientierten Gesellschaft. Vor allem durch die Französische Revolution 1789 und die Anerkennung der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte in der Unabhängigkeitserklärung der USA wurde eine Grundlage für den Beginn des „bürgerlichen Zeitalters“ geschaffen. Es fand ein Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus, von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft statt.[2]

Von der Zeit des Absolutismus an gewannen die Prinzipien der bürgerlichen Welt- und Lebensauffassung allgemeine Resonanz und entwickelten sich zur Grundlage der Gesellschafts- und Staatsordnung. Das Bürgertum umfasste 3 höchst unterschiedliche soziale Gruppen:

1. Das Großbürgertum bzw. das Besitzbürgertum bestand aus Kaufleuten, Industriellen und Bankiers.
2. Das Bildungsbürgertum setzte sich aus der höheren Beamtenschaft, den Hochschul- und Gymnasiallehrern, Richtern, evangelische Geistlichen, sowie freien akademischen Berufen wie Künstlern, Schriftstellern, Journalisten, Ärzten und Rechtsanwälte zusammen.
3. Als Klein- und Kleinstbürgertum verstanden sich Handwerker und Kleingewerbetreibende[3]

Die Zuordnung zu einem Berufs-, Bildungs- oder Besitzstand führte zu Überschneidungen. Trotzdem entwickelte jeder Stand eine Art Standesgefühl.[4] Dies trat besonders im gesellschaftlichen Verkehr und bei Eheschließungen zutage. Die Kinder aus Unternehmerfamilien (Besitzbürger) traten fast ausschließlich in die väterlichen Fußstapfen. Diese erbten oder bauten sich neue Betriebe auf. Der Hang zu bildungsbürgerlichen Karrieren bestand nicht. Man wollte Besitzbürger sein und bleiben. Auch ein Überwechseln des Bildungsbürgers in kaufmännische Berufe war nicht üblich. Dieser Austauschprozess hatte noch nicht begonnen.[5] Gesellschaftlicher Umgang zwischen Kleinbürgertum und Bildungs- bzw. Besitzbürgertum gab es nicht. Besonders das neureiche Besitzbürgertum vermied jeden Verkehr, da es meist in einer Generation aus dem Kleinbürgertum aufgestiegen war und sich selbstverständlich nach „oben“ orientierte. Kein gesellschaftlicher Verkehr jedoch mannigfache Abhängigkeitsverhältnisse verbanden z.B. Kleinbürgertum und Adel. Zwar fand ein Abbau der Adelsprivilegien auf politischer Ebene statt, aber der Adel war weiterhin dominant. Da der soziale Abstand zwischen Adel und Kleinbürger sehr groß war, lebte der Kleinbürger trotz Kontakt mit dem Adel bewusst nach seinen eigenen Normen. Innerhalb jedes Standes entwickelte sich ein soziales Bewusstsein und Empfinden verbunden mit Familienstolz. Über die Zugehörigkeit zur Oberschicht entschied aber nicht mehr allein Geburt und Stellung, sondern Besitz und Bildung traten als Kriterium hinzu.

Zwischen Großbürgertum und Aristokratie besteht zu Ende des 19. Jahrhunderts eine ausgesprochene Rivalität. Fontane erlebte dies äußerst intensiv mit.[6] Blieb auch der Adel politisch den Ton angebend, so nahm jedoch wirtschaftliche Führungspositionen die Klasse des Großbürgertums ein. Das Großbürgertum bzw. Besitzbürgertum, dass sich vormals noch als Teil des Gesamtbürgertums verstanden hatte, war nun bestrebt zur Spitze der gesellschaftlichen Pyramide aufzusteigen. Das Kleinbürgertum wurde unbedeutender. Es lebte und arbeitete meist unter elenden Bedingungen. Frauen und Kinder waren genötigt mitzuarbeiten.[7] Im Besitz- und Bildungsbürgertum war es nicht passend, dass die Frau arbeitete. Sie kümmerte sich um Haus und Familie.

Die bürgerliche Gesellschaft suchte sich aufzuwerten, indem sie aristokratisch-militärisches Verhalten nachahmte.[8] So versuchten sowohl Besitz- als auch Bildungsbürgertum durch eine dem Adel nachempfundene Ranghierarchie nichterblicher Titel ihren sozialen Status zu erhöhen. Waren bei den Besitzbürgern Titel wie "Kommerzienrat" und "Baurat" begehrt, so galten unter Bildungsbürgern staatliche Amts- und Ehrentitel wie "Regierungsrat", "Medizinalrat" oder "Studienprofessor" als erstrebenswert. Das neureiche Besitzbürgertum richtete seine Stadthäuser und neu erworbenen Landgüter nach adligem Vorbild ein, um auf diesem Wege seinen Reichtum äußerlich zu repräsentieren. Oberstes Ziel und Hoffnung all dieser Bestrebungen war stets eine Erhöhung in den Adelsstand, die aber nur den wenigsten Bürgern zuteil wurde.

Insgesamt übte die bürgerliche Staats- und Gesellschaftsordnung, sowie die bürgerliche Kultur, ihre Werte und Normen ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf die übrigen Bevölkerungskreise einen Sozialdisziplinierungs- und Integrationsdruck aus, dem sich zusehens weniger entziehen konnten. Bürgerliches Ideal war die nicht erwerbstätige Hausfrau. Das verbindliche Kulturmodell der Bürger erforderte über materielle Voraussetzungen hinaus eine ähnliche Art der Lebenshaltung im häuslichen Alltag, im Wohnen, in der Kleidung und im Essen, aber auch in der Art und Weise der Gestaltung der arbeitsfreien Zeit, des Konsums und des Luxus. Zur bürgerlichen Lebensweise gehörte ein System von gemeinsamen Werten und Normen wie Leistung und Erfolg, Fleiss und Arbeit,

Pflicht und Beruf. Sie gründete auf einer rationalen Lebensführung, auf Individualität und Selbstverantwortung, aber auch auf einer hohen Wertschätzung von Familie und Verwandtschaft sowie einer ausgeprägten geschlechtsspezifischen Rollenteilung.

3. Fontanes Darstellungen der Lebensformen des Bürgertums. Aufgezeigt an ausgewählten Romanbeispielen

3.1 Der Roman „Irrungen und Wirrungen“

3.1.1 Die Thematik

Der Roman „Irrungen und Wirrungen“ spielt in der Mitte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Schauplatz ist Berlin. In dem Roman werden zwei Lebenswelten gezeigt: die der „kleinen Leute“, in der die Büglerin Lene Nimptsch zu Hause ist, und die des Adels, in der sich ihr Liebhaber, der Baron Botho von Rienäcker, bewegt. Der Roman thematisiert eine innige, aber hoffnungslose Liebe über die Standesgrenzen hinweg. Lene Nimptsch ist sich von Anfang an bewusst, dass ihr Glück nicht halten wird. Botho fasst nicht den Mut, als Angehöriger des Adels eine Verbindung mit einem einfachen Mädchen einzugehen, und sagt sich von Lene los. Da Lene nie an die Dauer der Verbindung geglaubt hat, ist sie nicht enttäuscht. Botho wird angesichts seiner prekären finanziellen Lage zur Ehe mit Käthe von Sellenthin förmlich gezwungen. Somit beugt er sich dem Wunsche seiner Mutter und dem Druck der Gesellschaft und heiratet schweren Herzens Käthe. Doch auch nach drei Jahren ist er nicht ganz über die Gefühle Lene gegenüber hinweg, denkt ab und zu immer noch an ihre Natürlichkeit und Ehrlichkeit zurück, die ihm so gefallen haben. Lene indes führt ihr einfaches Leben fort, lernt unterdessen den ernsten Laienprediger Gideon Franke kennen, der die Wohnung neben der ihren inne hat. Nach dem Tod ihrer Pflegemutter heiratet sie ihn schließlich. Es ist eine Vernunftehe.

[...]


[1] Es herrschte ein soziales, wirtschaftliches System, in dem der Geburts- und grundbesitzende Adel weitgehende Hoheitsrechte genoss.

[2] vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Band 4, S. 208

[3] vgl. ebenda, S. 208

[4] vgl. Ellinger, Edeltraud: Das Bild der bürgerlichen Gesellschaft bei Theodor Fontane, S. 89

[5] vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Band 4, S. 135

[6] vgl. Poser, Wolfgang: Gesellschaftskritik im Briefwerk Fontanes, S. 113

[7] vgl. Wolters, Stefan: Lektürenhilfen Theodor Fontane „Frau Jenny Treibel“, S. 50f.

[8] vgl. Wucherpfennig, Wolf: Geschichte der deutschen Literatur: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, S. 174

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Fontanes Darstellung der Lebensformen des Bürgertums. Aufgezeigt an ausgewählten Romanbeispielen
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Veranstaltung
Die Romane Theodor Fontanes
Note
1,8
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V30010
ISBN (eBook)
9783638313773
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fontanes, Darstellung, Lebensformen, Bürgertums, Aufgezeigt, Romanbeispielen, Romane, Theodor, Fontanes
Arbeit zitieren
Christina Hundeshagen (Autor:in), 2004, Fontanes Darstellung der Lebensformen des Bürgertums. Aufgezeigt an ausgewählten Romanbeispielen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30010

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