Die europäische Perspektive bzw. Dimension in deutschen Schulgeschichtsbüchern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

24 Seiten, Note: keine Benotung


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Auswirkungen der europäischen Integration auf den Bildungsbereich

3 . Die europäische Dimension in deutschen Schulgeschichtsbüchern der achtziger Jahre
3.1 Problematik der Einordnung Europas- Was gehört zu Europa?
3.2 In welchen Kontexten erscheint Europa?
3.3 Methodische Problematiken und weitere Erscheinungsformen europäischer Inhalte im SGB
3.4 Westeuropäische Perspektive und allgemeiner Eurozentrismus

4. Veränderung des SGB am Beispiel von „Forum Geschichte“

5. Alternativen

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In dieser Arbeit soll es um die so genannte europäische Dimension bzw. Perspektive im Schulgeschichtsbuch gehen. Dabei ist danach zu fragen, was dieser Begriff genau bezeichnet. Außerdem muss geklärt werden, inwieweit das Einfordern bzw. die Betonung der europäischen Dimension im Schulgeschichtsbuch eine Berechtigung hat bzw. welches Ziel damit erreicht werden soll. Die gängige Auffassung besteht darin, dass europäische Inhalte im Schulgeschichtsbuch zu wenig Berücksichtigung finden. Dabei geht es nicht allein um den Umfang europäischer Themen, sondern auch um die Art und Weise der Darstellung und die Verknüpfung mit Themen der jeweiligen nationalen, regionalen und globalen Geschichte.

Einleitend soll erläutert werden, warum eine Diskussion über die europäische Dimension bzw. Perspektive im Schulgeschichtsbuch von Interesse war und ist. Dazu wird ein Überblick der bildungspolitischen Entscheidungen und Appelle auf nationaler und europäischer Ebene deutlich machen, dass ein breiter Konsens bezüglich der Notwendigkeit der Umgestaltung der Schulgeschichtsbücher angesichts der stetig voranschreitenden europäischen Integrationsbestrebungen besteht.

Anschließend werden die wesentlichen Ergebnisse diverser Schulbuchstudien, die sich mit der Frage nach dem Vorhandensein europäischer Inhalte in Schulbüchern der EU beschäftigt haben, vorgestellt und diskutiert. Dazu sollen einige Beispiele aus den untersuchten Schulbüchern zum besseren Verständnis herangezogen werden. In der Hauptsache wird es in dieser Arbeit um die Betrachtung der deutschen Schulgeschichtsbücher gehen. Die zentralen Befunde sind aber m. E. repräsentativ für die meisten SGB aus westeuropäischen Ländern des Untersuchungszeitraumes. Trotz der Möglichkeit der Generalisierbarkeit einiger Aussagen, ist zu berücksichtigen, dass es zwischen den einzelnen Schulgeschichtsbüchern z.T. erhebliche Unterschiede gibt.

Für diese Arbeit ist ferner eine Darstellung der Entwicklung der Schulgeschichtsbücher ab den neunziger Jahren wesentlich. Hierbei soll danach gefragt werden, inwieweit Ergebnisse und Folgerungen aus den Schulbuchanalysen und die Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) aufgegriffen wurden. Weiterhin sollen anhand der Vorstellung einiger Verbesserungsvorschläge Alternativen zu bisherigen Themenkonzeptionen präsentiert werden.

Abschließend folgt eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse sowie eine kritische Betrachtung derselben. Mögliche Gefahren und Chancen der eingeforderten stärkeren Betonung der europäischen Perspektive bzw. Dimension in den Schulgeschichtsbüchern sollen u.a. an dieser Stelle der Arbeit näher beleuchtet werden.

2. Auswirkungen der europäischen Integration auf den Bildungsbereich

Anfang der neunziger Jahre führten die Auflösung des so genannten Ostblocks sowie der Ausbau und die Erweiterung der Europäischen Union ( bis zum Maastrichter Vertrag EG) zu Forderungen nach einer stärkeren Betonung der europäischen Perspektive/ Dimension im Geschichtsunterricht sowie in den entsprechenden Lehrmitteln. Dahinter stand einerseits die Vorstellung, dass es notwendig sei, die Wurzeln und die Zukunftschancen des europäischen Integrationsprozesses zu vermitteln, um ein Verständnis dafür entwickeln zu können, dass europäische Organe zunehmend Entscheidungen fällen werden, die bis dahin national getroffen wurden.[1] Andererseits ging es –vor allem von Seiten des Europarats- um die Betonung der Gemeinsamkeiten der Geschichte der europäischen Staaten, um das nach dem Ende der Teilung Europas möglich gewordene Zusammenwachsen Ost- und Westeuropas zu forcieren.[2] Formuliert wurden die o.g. Forderungen u.a. durch den Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft seit Beginn der achtziger Jahre, von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) unter dem Titel „Europa im Unterricht“ und vom Europarat 1993 in der „Wiener Deklaration“.[3] Die daraus hervorgehenden primären Ziele bestehen zum einen in der Einbettung der nationalen Geschichte und Kultur in übergeordnete Zusammenhänge, ferner in der Förderung eines gemeinsamen europäischen Geschichtsbewusstseins sowie in der Herausbildung einer europäischen Identität. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass das Verständnis des europäischen Integrationsprozesses allein nicht ausreichend sei, sondern eine historische Verankerung erfordere. Außerdem wird in den Vorschlägen für eine Aufbereitung der Themen in historischer Perspektive und mit einem Gegenwartsbezug zur europäischen Lebenswelt plädiert. Sachfragen sollten in einem übergreifenden Zusammenhang behandelt werden, der die globale, europäische, nationale und regionale Ebene nach Möglichkeit berücksichtigt. Die Forderungen der KMK waren gleichzeitig ein Auftrag für den Bildungsbereich. Daraus sollte u.a. ein Niederschlag in den Schulbüchern resultieren. Inwieweit die genannten Forderungen in den neunziger Jahren tatsächlich in den Schulgeschichtsbüchern wiederzufinden sind, soll beispielhaft im weiteren Verlauf der Arbeit geklärt werden. Die Diskussion um die europäische Dimension/ Perspektive im Schulgeschichtsbuch war zunächst Anlass für eine umfassende Untersuchung des Georg-Eckert-Instituts für Schulbuchforschung, in der Schulbücher einiger Länder der Europäischen Gemeinschaft auf das Vorhandensein und die Ausgestaltung der europäischen Dimension/Perspektive überprüft wurden.[4] Bezüglich der o.g. Forderungen wird zwar einerseits deren Notwendigkeit anerkannt, aber gleichzeitig wird vor einer künstlichen Überhöhung des Europa-Gedankens bzw. vor einer Europa-Ideologie zur Verdeckung von politisch-wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Integrationsprozesses gewarnt.[5] Die 1988 vom EG-Ministerrat bereits postulierte „europäische Identität“ verdeutlicht diese Problematik recht anschaulich, da sich die Frage stellt, ob die beabsichtigte europäische Identität nicht erst mit Leben gefüllt werden müsse.[6] Der Wunsch nach einem gemeinsamen europäischen Bewusstsein bzw. nach einer europäischen Identität dürfe nicht zu einer Konstruktion derselben führen, sondern müsse sich vielmehr „natürlich“ entwickeln.[7] Um dieses zu realisieren, könne man Identifikationsangebote machen. Diese unterschieden sich von Identifikationsstiftungen, die „von oben“ verordneten Vorgaben gleichkämen. Die Identifikationsangebote hingegen würden dann auch dem Überwältigungsverbot des so genannten Beutelsbacher Konsenses entsprechen und der Gefahr einer Indoktrination vorbeugen.[8] Wenn man die Schulbuchanalysen zu dieser Problematik betrachtet, dann stelle man fest –so Westheider in seiner Untersuchung deutscher Schulgeschichtsbücher-, dass die Europadarstellung im Grunde auf zwei Ebenen stattfinde. Entweder treffe man sie als historische Beschreibung an oder als eine mit politisch-pädagogischem Anspruch. Die Unterscheidung zwischen beiden Ebenen sei häufig nicht eindeutig.[9] Bei der prospektiven Verwendung der europäischen Dimension müsse dann aber eine teleologische Geschichtsbetrachtung zur Förderung aktueller politischer Ziele unbedingt verhindert werden.[10] Dass die Bürger im zusammenwachsenden Europa ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln sollten, ist aufgrund der konfliktreichen Geschichte und im Hinblick auf die angestrebte intensivere Zusammenarbeit und die stabile Einigung Europas sicherlich eine notwendige Voraussetzung. Die Frage ist, in welcher Weise bildungspolitische Vorgaben im o.g. Sinne diesen Prozess unterstützen und untermauern sollten. Solange die oben skizzierte „Offenheit“ der Identifikationsangebote gegeben ist und aus der geforderten europäischen Identität außerdem kein Eurozentrismus entsteht, sind die vorgestellten Vorhaben sicherlich zu begrüßen.

Interessant ist es nun herauszufinden, in welcher Art und Weise europäische Inhalte Bestandteil der Schulgeschichtsbücher sind, um einschätzen zu können, inwieweit ein Umgestaltungsbedarf bezüglich der oben skizzierten Anforderungen, die Stärkung der europäischen Dimension in den Geschichtsbüchern betreffend, besteht. Dazu sollen im folgenden Abschnitt die wesentlichen Ergebnisse der bereits erwähnten Schulbuchuntersuchungen dargestellt werden. Da sich die hauptsächlich verwendeten Untersuchungen mit Schulbüchern aus den achtziger Jahren beschäftigen, soll zunächst nur auf sie eingegangen werden. Anschließend folgt die beispielhafte Darstellung eines neueren Geschichtsbuchs, um die Veränderungen deutlich zu machen, die sich aufgrund der beschriebenen veränderten bildungspolitischen Anforderungen ergeben haben und deshalb offensichtlich vorgenommen wurden.

3. Die europäische Dimension in deutschen Schulgeschichtsbüchern der achtziger Jahre

Generell lässt sich sagen, dass der Umgang mit dem Thema Europa in deutschen Schulgeschichtsbüchern[11] selten explizit stattfindet. Europa ist in den SGB in den wenigsten Fällen ein eigenes Thema und erscheint nicht als eigenständige Größe.[12] Das liegt offensichtlich daran, dass es nicht als erklärungsbedürftiges Phänomen gilt.[13] Man könnte aber vermuten, dass entweder ein gewisser Europabegriff vorausgesetzt wird, oder aber, dass es für die Autoren selbst nicht eindeutig ist, wie eine Europadefinition aussehen könnte. Wenn man von letzterem ausgeht, dann verwundert es auch nicht, dass Europa –nicht einmal epochenbezogen- als historisches Ganzes auftaucht, sondern nur „versatzstückhaft“.[14] Solange die Umrisse eines Europabildes unklar bleiben, kann auch in den SGB ein entsprechendes Bild nicht auftauchen. Nichtsdestotrotz könne man aber- so Gies- trotz der Tatsache, dass eine eindeutige Bestimmung Europas in räumlicher, ethnischer und kultureller Hinsicht nicht möglich sei, eine gemeinsame Geschichte und die daraus hervorgehende gemeinsame Tradition und Zivilisation Europas ausmachen.[15] Offensichtlich fehlt es aber –wenn man die Schulbuchanalysen heranzieht- überwiegend an einer entsprechenden klaren Darstellung in der beschriebenen Weise.[16] Als positiv erweist sich hingegen die Tatsache, dass offensichtlich in den meisten Texten der SGB ein Bewusstsein europäischer Kultur geweckt wird. Dieses sei, im Gegensatz bspw. zu den 50er und 60er Jahren, ein deutlicher Fortschritt, da mittlerweile versucht würde, über-greifende, historisch gewachsene Europa-Vorstellungen zu etablieren. Andererseits werde selten eine Verbindung eines historisch gewachsenen Europa-Gedankens zur gegenwärtigen Situation in Europa hergestellt. Zumeist bleibe die Beschreibung in reiner Institutionenkunde stecken.[17]

[...]


[1] Vgl. Pingel, Falk: Europa im Schulbuch- eine Bestandsaufnahme, in GWU Jg. 44/ H 9/ 1993, S. 550.

[2] Filser, Karl: Lernziel „Einheit und Vielfalt“. Neue Impulse des Europarats zur Revision des Geschichtsunterrichts in Europa, in: Deutschland in den internationalen Beziehungen des 19. und 20. Jahrhunderts, München 1996, S. 385-389.

[3] Vgl. Europa-Zentrum: Erfurter Kriterien für den Prüfaspekt „Europäische Dimension“ bei Lehr- und Lernmitteln, in: Internationale Schulbuchforschung Jg. 18/ H 1/ 1996, S. 81-84; Filser: a.a.O., S. 385-404; Pingel, Falk: Europa im Schulbuch – Einleitung, in: Pingel, Falk ( Hrsg.), Macht Europa Schule? Die Darstellung Europas in Schulbüchern der Europäischen Gemeinschaft, Frankfurt/ Main 1995, S. XI-XII.

[4] Pingel: Macht Europa Schule.

[5] Ebd.: S. XII; Paul, Ina Ulrike: Einheit, Vielfalt, Zwiespalt. Nationale Identität und europäisches Bewusstsein in Westeuropa, in: Gies, Horst ( Hrsg.), Nation und Europa in der historisch-politischen Bildung, Schwalbach/ Ts. 1998, S. 75, 76.

[6] Vgl. Pingel: Europa im Schulbuch, S. 550.

[7] Vgl. Gies, Horst: Nationalstaaten und Supranationalität in Europa als Themen historisch-politischer Bildung, in: Gies, Horst ( Hrsg.), Nation und Europa in der historisch-politischen Bildung, Schwalbach/ Ts. 1998, S. 51.

[8] Ebd.: S. 69.

[9] Westheider, Rolf: Europa ist nicht Europa- Zur Geschichte einer verhinderten Identität. Die Darstellung Europas in ausgewählten Geschichtslehrbüchern der Bundesrepublik Deutschland, in: Pingel, Falk, Befunde und Perspektiven ? Die Darstellung Europas in Schulbüchern der Europäischen Gemeinschaft, Frankfurt/ Main 1995, S. 17.

[10] Toepfer, Michael: Nation und Europa in Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht Deutschlands nach 1945 und in der Zukunft, in: Gies, Horst ( Hrsg.), Nation und Europa in der historisch-politischen Bildung, Schwalbach/ Ts. 1998, S. 182.

[11] In der Folge mit SGB abgekürzt.

[12] Vgl. Toepfer, a.a.O. , S. 169; Vgl. Westheider, Europa ist nicht Europa, S. 16.

[13] Vgl. Westheider, Europa ist nicht Europa., S. 16.

[14] Vgl. ebd., S. 16 f.

[15] Gies: a.a.O., S. 42.

[16] Vgl. Westheider: Europa ist nicht Europa, S. 15 ff.

[17] Pingel: Europa im Schulbuch, S. 552.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die europäische Perspektive bzw. Dimension in deutschen Schulgeschichtsbüchern
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Das Schulgeschichtsbuch
Note
keine Benotung
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V29980
ISBN (eBook)
9783638313537
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Näher beleuchtet wird die europäische Perspektive bzw. Dimension in deutschen Schulgeschichtsbüchern. Dabei geht es um zweierlei: Einerseits wird danach gefragt, inwieweit Aspekte europäischer Geschichte in SGB berücksichtigt werden (im Gegensatz zu Nationalgeschichte) und andererseits wird untersucht, inwieweit die sog. Eurozentrik im SGB vorzufinden ist. Anmerkung: Die Anlagen konnten aus urheberschutzrechtlichen Gründen nicht mit angefügt werden. Außerdem wäre die Datei zu groß geworden.
Schlagworte
Perspektive, Dimension, Schulgeschichtsbüchern, Schulgeschichtsbuch
Arbeit zitieren
Oliver Lilienthal (Autor:in), 2003, Die europäische Perspektive bzw. Dimension in deutschen Schulgeschichtsbüchern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29980

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