Erfolgsfaktoren von Umnutzungskonzepten im Immobilienbestand der Textilbranche

Umnutzung historische Industriearchitektur


Masterarbeit, 2014

103 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Abschnitt: Umnutzung von Bestandsimmobilien
A. Vorgehensweise in der Projektentwicklung
I. Phasenmodell in der Projektentwicklung
a) Phase 1: Projektinitiierung
b) Phase 2: Projektkonzeption
c) Phase 3: Projektkonkretisierung
d) Phase 4: Projektmanagement
e) Phase 5: Projektvermarktung
II. Analysemethoden in der Immobilienprojektentwicklung
a) Standort- und Marktanalyse (STOMA)
b) Wettbewerbsanalyse
c) Nutzungskonzeptanalyse
d) Risikoanalyse
e) Wirtschaftlichkeits- und Renditeanalyse
B. Umnutzungen im Bestand
I. Historische und aktuelle Dynamik bei der Umnutzung im Bestand
II. Bedeutung von Umnutzungen im Bestand
III. Motive für Umnutzungen
a) Leerstehende Substanz
b) Wirtschaftlichkeit
c) Ökologische Gründe
d) Architektonische Herausforderung
e) Revitalisierung der Innenstädte
f) Zeugniswert
C. Umnutzung historischer Industriearchitektur
I. Geschichtlicher Hintergrund der Sächsischen Industrie
II. Historische Betrachtung der Textilindustrie in Sachsen
III. Die Anfänge der Industriearchitektur in Sachsen
a) Die Entwicklung der Industriearchitektur im Textilbereich
1. „Palasttyp“ (ca. 1800 bis 1840)
2. „Zweckbau“ (ca. 1835 bis 1865)
3. „Großfabrik“ (ca. 1865 bis 1900)
b) Umnutzungseigenschaften von historischen Fabrikanlagen

2. Abschnitt: Analyse umgenutzter Bestandsimmobilien
A. Selektion der Analyseobjekte
B. Analyse der fünf Untersuchungsobjekte
I. Industriestandort Leipzig
a) Sächsische Wollgarnfabrik Tittel & Krüger AG in Leipzig
1. Historische Entwicklung der Sächsischen Wollgarnfabrik
2. Baukonstruktion der Sächsischen Wollgarnfabrik
3. Nachnutzungskonzept der ehem. Wollgarnfabrik Tittel & Krüger
4. Qualitative Bewertung der Nutzungsstrategie “Buntgarnwerke“
b) Leipziger Baumwollspinnerei
1. Historische Entwicklung der Leipziger Baumwollspinnerei
2. Baukonstruktion der Leipziger Baumwollspinnerei
3. Nachnutzungskonzept der ehem. Leipziger Baumwollspinnerei
4. Qualitative Bewertung der Nutzungsstrategie “Kunstfabrik“
II. Industriestandort Region Chemnitz
a) Baumwollspinnerei Clauß in Flöha
1. Historische Entwicklung der Baumwollspinnerei Clauß
2. Baukonstruktion der Baumwollspinnerei Clauß
3. Nutzungskonzept der ehem. Baumwollspinnerei Clauß
4. Qualitative Bewertung der Nutzungsstrategie “Alte Baumwolle“
b) Tuchfabrik der Gebrüder Pfau in Crimmitschau
1. Historische Entwicklung der Tuchfabrik Gebr. Pfau
2. Baukonstruktion der Tuchfabrik Gebr. Pfau
3. Nutzungskonzept der ehem. Tuchfabrik Gebr. Pfau
4. Qualitative Bewertung der Nutzungsstrategie “Textilmuseum“
c) Sächsische Webstuhlfabrik Schönherr & Seidel in Chemnitz
1. Historische Entwicklung der Sächsischen Webstuhlfabrik
2. Umbauten und Baukonstruktion der Sächsischen Webstuhlfabrik
3. Nutzungskonzept der ehem. Webstuhlfabrik Schönherr & Seidel
4. Qualitative Bewertung der Nutzungsstrategie “Schönherr Fabrik“
C. Identifikation der Erfolgsfaktoren von Umnutzungskonzepten
I. Generelle Objektstrategien für Bestandsimmobilien
II. Erfolgsfaktoren von Nachnutzungsstrategien
a) Standortmerkmale
b) Objekteigenschaften
i) Bausubstanz
ii) Bewahren der architektonischen Besonderheit
iii) Drittverwendbarkeit
c) Projektentwicklungsprozess
1. Qualität der Projektidee
i) Anwendung von Analysetools
ii) Anwenden von Arbeitstechniken
2. Nutzerorientierte Planung
3. Marktpositionierung
4. Realisierungszeitpunkt
5. Optimierung
6. Kommunikationspolitik
i) Werbung
ii) Öffentlichkeitsarbeit
7. Zusammenarbeit mit Behörden
III. Bewertung der identifizierten Erfolgsfaktoren

3. Abschnitt: Anwendung identifizierter Faktoren auf Fallbeispiel
A. Historie des Untersuchungsobjekts Evans Fabrik
B. Eigenschaften des Untersuchungsobjekts Evans Fabrik
C. Problematik des Untersuchungsobjekts Evans Fabrik
D. Qualitative Bewertung des Umnutzungspotentials
E. Auswirkung auf die Umnutzung durch fiktiven Standortwechsel

Schlussbemerkung

Anhang

Abstract

Quellenverzeichnis

Index

Vorwort

Sachsens Entwicklung zum hochmodernen Industriestaat beginnt mit der Industriellen Revolution. Insbesondere die Textilbranche mit ihren beeindruckenden Fabrikgebäuden festigt die Rolle der Region als bedeutendster deutscher Wirtschaftsstandort des 19. und 20. Jahrhunderts. Auch heute noch prägen diese einzigartigen Baudenkmale Sachsens ländliche und urbane Räume, wobei nur wenige nach wie vor ihrem originären Zweck dienen.

Unter anderem durch die voranschreitende Globalisierung und die damit verbundene Abwanderung der Produktionen in Billiglohnländer kommt es zum radikalen Strukturwandel in Deutschland. Einstige Produktionsstätten werden stillgelegt und erfahren einen schädigenden Leerstand, der nicht selten zum Abriss der Gebäude führt. Statt die wertvolle Bausubstanz umzunutzen, entstehen neue Industrie- und Gewerbeanlagen auf der „grünen Wiese“. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, hat der Denkmalschutz in den vergangenen Jahren große Dienste geleistet. Statt Abriss forciert dieser die Nachnutzung der Immobilien. Obgleich diese neue Ausrichtung nicht in allen Fällen Fuß gefasst hat, gibt es in Sachsen bereits eine große Anzahl historischer Industriebauten, die durch neue Objektstrategien dem Verfall oder gar Abbruch entgangen sind. Nutzungen wie Wohnen, Gewerbe oder Kreativwirtschaft finden immer häufiger Einzug in historische Industriedenkmale. Welche Faktoren tatsächlich zum Erfolg dieser Umnutzungskonzepte führen und welche Effekte die Revitalisierung hat, soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.

Im ersten Teil der Untersuchung wird die Projektentwicklung in die Disziplin der Immobilienwirtschaft eingeordnet und Analysemethoden aufgezeigt, die vor einer Nutzungsfindung angewendet werden. Darauf folgend wird auf die heutige Bedeutung von Umnutzungen historischer Baudenkmale eingegangen, wobei der Fokus auf den Bestandsimmobilien der Textilbranche in Sachsen liegt.

Im zweiten Abschnitt der Arbeit werden fünf bereits entwickelte Industriebauten der Textilbranche auf ihre Umnutzungskonzepte hin analysiert. Für diesen Zweck werden Experteninterviews geführt und Vor-Ort-Begehungen vorgenommen. Neben Erkenntnissen über den geschichtlichen Hintergrund der Anlagen und die Gebäudeeigenschaften geben die Befragungen und die weiterführende Literaturrecherche Aufschluss über die Erfolgsfaktoren der jeweiligen Umnutzungskonzepte. Hierbei geht es um die Einflüsse, welche maßgeblich zum Erfolg von Umnutzungen bei Industrieimmobilien der Textilbranche beitragen. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird ein Ablaufschema erstellt, das zukünftigen Entscheidungsfindungen bezüglich Umnutzungen als Hilfestellung dienen soll.

Im dritten Abschnitt wird ein brachliegendes Industriedenkmal anhand von Experteninterviews und einer Vor-Ort-Begehung auf seine Umnutzungspotentiale hin untersucht. Anhand eines Ablaufschemas wird aufgezeigt, welche Nutzungsmöglichkeiten für das Objekt bestehen und welche Faktoren dabei ins Gewicht fallen.

Ziel dieser Arbeit ist es, Eigentümern und Projektentwicklern von historischen Industrieimmobilien Faktoren aufzuzeigen, die erfolgsversprechend für eine Umnutzung sind. Darüber hinaus sollen die analysierten Positivwirkungen dazu beitragen die Bedeutung des Erhalts von solchen Baudenkmalen zu verdeutlichen.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Auswirkungen des brachliegenden und des umgenutzten Gebäudebestands Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Stengler, Weiternutzung, 2012, S. 50.

Abbildung 2: Beispiele für den Bautyp “Palasttyp“ Quelle: Vgl. Stengler, Weiternutzung, 2012, S. 132.

Abbildung 3: Beispiele für den Bautyp “Zweckbau“ Quelle: Vgl. Stengler, Weiternutzung, 2012, S. 135.

Abbildung 4: Beispiele für den Bautyp "Großfabrik" Quelle: Vgl. Stengler, Weiternutzung, 2012, S. 138.

Abbildung 5: Darstellung der fünf Untersuchungsobjekte Quelle: Theresa Hayessen, Eigene Aufnahmen, Leipzig | Flöha | Crimmitschau | Chemnitz, 2014.

Abbildung 6: Makrolage der Untersuchungsobjekte in Sachsen Quelle: Eigene Darstellung, i.V.m. google.maps Die Anhänge 1 bis 20 veranschaulichen die Mikrolagen der Untersuchungsobjekte. Zudem gewähren sowohl die Lagepläne der Industriekomplexe mit dazugehörigen Bilderdokumentationen der Vor-Ort-Begehungen als auch die Aufnahmen aus der „Vogelperspektive“ und die historischen Ansichten der Fabriken einen Gesamteindruck der fünf Fabriken.

Abbildung 7: Bewertung der Erfolgsfaktoren (6 sehr wichtig, 0 gar nicht wichtig) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Experteninterviews (Rangfolge der Erfolgsfaktoren), 2014

Abbildung 8: Ablaufschema zur erfolgreichen Konzeptfindung und -umsetzung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Experteninterviews, 2014.

Abbildung 9: Vergleich Ist-Soll Zustand Evans Fabrik (6 = sehr positiv zu bewerten, 0 = sehr mangelhaft) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Experteninterviews und Vor-Ort-Begehungen, 2014

Abbildung 10: Auswirkungen auf Faktoren mit Standortwechsel (6 = sehr positiv, 0 = sehr mangelhaft) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Experteninterviews und Vor-Ort-Begehungen, 2014

Anhang 1: Mikrolage der „Wollgarnfabrik Tittel & Krüger“ in Leipzig Quelle: Bing.maps

Anhang 2: Vogelperspektive der „Wollgarnfabrik Tittel & Krüger“ in Leipzig Quelle: Bing.maps

Anhang 3: Ansicht der Sächsischen Wollgarnfabrik AG vormals Tittel & Krüger, Firmenkopf um 1910 Quelle: Buhl, Leipzig Plagwitz, 2003, S.323.

Anhang 4: Lageplan der „Buntgarnwerke“ in Leipzig mit Bilderdokumentation der Vor-Ort-Begehung

Anhang 5: Mikrolage der „Baumwollspinnerei Leipzig“ in Leipzig Quelle: Bing.maps

Anhang 6: Vogelperspektive der „Baumwollspinnerei Leipzig“ in Leipzig Quelle: Bing.maps

Anhang 7: Historische Ansicht der „Baumwollspinnerei Leipzig“ in Leipzig Quelle: o.V., Spinnerei Lage, 2014.

Anhang 8: Lageplan der „Spinnerei Leipzig“ in Leipzig mit Bilderdokumentation der Vor-Ort-Begehung Quelle: Theresa Hayessen, Eigene Aufnahmen, Leipzig, 2014 / Lageplan: Leipziger Medien-Service, Spinnerei-Galerien, 2010, S.10.

Anhang 9: Mikrolage der „Baumwollspinnerei Clauß“ in Flöha Quelle: Bing.maps

Anhang 10: Vogelperspektive der „Baumwollspinnerei Clauß“ in Flöha Quelle. Bing.maps

Anhang 11: Historische Ansicht der „Baumwollspinnerei Clauß“, o.J. Quelle: Clauß, Jahrhundert Baumwollfeinspinnerei, 1909, S. 5.

Anhang 12: Lageplan der „Baumwollspinnerei Clauß“ in Flöha mit Bilderdokumentation der Vor-Ort-Begehung Quelle: Theresa Hayessen, Eigene Aufnahmen, Leipzig, 2014 / Lageplan: Hörmann, Christian / Torge, Stefanie, Einzelhandelsentwicklungskonzept, 2007, o.S

Anhang 13: Mikrolage der „der “Tuchfabrik Gebr. Pfau“ in Crimmitschau Quelle: Bing.maps

Anhang 14: Vogelperspektive der “Tuchfabrik Gebr. Pfau“ in Crimmitschau Quelle. Bing.maps

Anhang 15: Historische Ansicht der Tuchfabrik Gebr. Pfau, Briefkopf um 1900. Quelle: Streicher / Scholz in: www.ibug-art.de, o.J.

Anhang 16: Lageplan der “Tuchfabrik Gebr. Pfau“ in Crimmitschau mit Bilderdokumentation der Vor-Ort-Begehung Quelle: Eigene Aufnahmen, Crimmitschau Vor-Ort-Begehung, 2014

Anhang 17: Mikrolage der “Sächsischen Webstuhlfabrik Schönherr & Seidel“ in Chemnitz Quelle: Bing.maps

Anhang 18: Vogelperspektive der “Sächsischen Webstuhlfabrik Schönherr & Seidel“ in Chemnitz Quelle: Bing.maps (Aufnahmen vor 1999)

Anhang 19: Historische Ansicht “Sächsischen Webstuhlfabrik Schönherr & Seidel“ in Chemnitz, o.J. Quelle: o.V., Künstlerhaus K 40, o.J., o.S.

Anhang 20: Lageplan der “Sächsischen Webstuhlfabrik Schönherr & Seidel“ in Chemnitz mit Bilderdokumentation der Vor-Ort-Begehung Quelle: Theresa Hayessen, Eigene Aufnahmen, Chemnitz, 2014 / Lageplan: Schönherr.fabrik, Vielfalt, 2009, o.S.

Anhang 21: Interview-Leitfaden für Experteninterviews Quelle: Theresa Hayessen, Eigener Entwurf, 2014.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Abschnitt: Umnutzung von Bestandsimmobilien

Bevor das Augenmerk auf die Erfolgsfaktoren von Umnutzungskonzepten1 gelegt wird, soll der Tätigkeitsbereich der übergeordneten Immobilien-Projektentwicklung definiert und der Disziplin der Immobilienwirtschaft zugeordnet werden. Der Fokus liegt dabei auf der Projektentwicklung von Bestandsimmobilien.

Folgend wird der Begriff „Umnutzung“2 näher beschrieben und die Motive untersucht, die eine Nachnutzung im Bestand rechtfertigen. Im letzten Teil des Abschnitts liegt der Fokus auf der Umnutzung von Industriegebäuden der Textilbranche in Sachsen und deren grundsätzlichen Eigenschaften.

A. Vorgehensweise in der Projektentwicklung

Die Immobilien-Projektentwicklung bezieht sich auf Neubauten und Bestandsimmobilien. Mit ihr beginnt der Lebenszyklus einer Immobilie. Die Projektentwicklung beeinflusst diesen jedoch kontinuierlich. Beispielsweise kann sie durch Umstrukturierungsmaßnahmen Phasen des Lebenszyklus verlängern.3

Grundsätzlich bestehen keine definitorische Abgrenzung oder normative Regelungen für die Immobilien-Projektentwicklung. Die Begriffsbestimmung von Diederichs findet in der Wissenschaft und Praxis jedoch große Anerkennung: „Durch Projektentwicklungen sind die Faktoren Standort, Projektidee und Kapital so miteinander zu kombinieren, dass einzelwirtschaftlich wettbewerbsfähige, arbeitsplatzschaffende und -sichernde sowie gesamtwirtschaftlich sozial- und umweltverträgliche Immobilienprojekte geschaffen und dauerhaft rentabel genutzt werden können.“4 Bone-Winkel ergänzt diese Definition um den Faktor „Zeit“ und die daraus resultierenden Veränderungen.5

Bei der Immobilien-Projektentwicklung im Bestand geht es darum, einen vorhandenen Standort mit performanceschwacher bzw. brachliegender Immobilie mit einer neuen Projektidee und nötigem Kapital zu versehen. Ziel ist es, mit diesem Vorgang den Standort und das veraltete Objekt erneut einzelwirtschaftlich wettbewerbsfähig und nachhaltig rentabel nutzbar zu machen. Gesamtwirtschaftlich wird gefordert, dass sowohl Standort als auch Bestandsimmobilie nach der Projektentwicklung den öffentlichen Anforderungen und aktuellen Umweltbelangen Sorge tragen.6

I. Phasenmodell in der Projektentwicklung

Der Projektentwicklungsprozess umfasst alle Aktivitäten, um ein Vorhaben von der Initiierung bis hin zur Nutzungsübergabe heranzubilden. In der Literatur gibt es verschiedene Modelle zur Erklärung von Projektentwicklungsprozessen. Darunter fallen Institutionsmodelle, Gleichgewichtsmodelle, Strukturmodelle und Phasenmodelle.7 In der vorliegenden Arbeit wird sich jedoch ausschließlich auf das letztere bezogen.

Das fünfphasige Modell von Bone-Winkel baut auf dem Phasenmodell der School for Advanced Urban Studies der University of Bristol (SAUS) auf. Der ursprüngliche Projektentwicklungsprozess teilt sich in vier Hauptkomponenten auf: die Projektinitiierung, die Projektkonzeption, die Projektkonkretisierung und das Projektmanagement. Das Facility-Management, welches sich mit dem ganzheitlichen Betreiben der Objekte beschäftigt, schließt sich dem Vierphasen-Modell an. Die Projektvermarktung stellt im weiterentwickelten Modell die fünfte Phase dar. Sie begleitet sowohl den erläuterten Projektentwicklungsprozess als auch das Facility-Management.8

Festzuhalten bleibt, dass das Phasenmodell eine vereinfachte Form des komplexen Entwicklungsprozesses darstellt. In aller Regel kommt es in der Realität zu parallelen Abläufen und Überlappungen. Diese Dynamiken können durch das Modell nicht hinreichend dargestellt werden.

a) Phase 1: Projektinitiierung

Zu Beginn einer Projektentwicklung lassen sich die bereits beschriebenen Grundbausteine: Standort, Kapital und Projektidee zu verschiedenen Szenarien kombinieren.9 In der Projektentwicklung von Bestandsimmobilien geht es in der Regel um das Szenario „Standort sucht Projektidee“ zu. Das Ziel der ersten Phase ist es, für einen gegebenen Standort mit performanceschwacher bzw. brachliegender Bestandsimmobilie frisches Kapital und eine neue Projektidee zu generieren. Der Entwickler strebt danach für das Objekt eine tragfähigere Nutzung zu finden.10 „Die genaue Kenntnis der aktuellen Marktsituation (Angebot und Nachfrage), der soziokulturellen, politisch-rechtlichen, makroökonomischen und technologischen Rahmenbedingungen sowie der spezifischen Anforderungen potentieller Mieter/Nutzer an Grundstücken und Objekt ist zur Erreichung dieser Zielsetzung eine unbedingte Voraussetzung.“11 Demzufolge spielt sich die Projektinitiierung zum einen auf der Ebene von Analysen (z.B. grobe Standortanalyse) und Fakten, und zum anderen auf der Ebene von Inspiration und Vision ab. Anhand der analysierten Daten und Erfahrungen mit ähnlichen Projekten muss der Projektentwickler eine geeignete Immobiliennutzung herausarbeiten. Dieses grobe Nutzungskonzept muss sowohl der gegenwärtigen Lage auf dem Immobilienmarkt, dem Standort, als auch den Bedürfnissen der Nutzergruppen gerecht werden.12

b) Phase 2: Projektkonzeption

Die zweite Phase soll die Realisierungsfähigkeit des grob umrissenen Projekts der Projektinitiierung nach zu prüfen. Insbesondere weiteren Beteiligten wie Investoren, Nutzern oder Financiers wird durch die Machbarkeitsstudie die Realisierbarkeit des Projekts dargelegt. Unter diese sogenannte „Feasibility Study“ fallen verschiedene Analysemethoden: Standort- und Marktanalysen, Analyse des Nutzungskonzeptes, Wettbewerbsanalyse, Risikoanalysen, Wirtschaftlichkeitsanalysen. Obgleich das Ziel der Machbarkeitsstudie darin liegt, Entwicklungsrisiken aufzudecken und zu werten, ist der Erfolg einer Projektentwicklung nicht garantiert.13 Die aufgelisteten Analysemethoden der Machbarkeitsstudie werden im späteren Verlauf der Arbeit genau dargestellt.

Auch nach dieser Phase der Projektentwicklung ist eine Exitmöglichkeit gegeben. Im Vergleich zu Phase 1 sind aufgrund der umfangreichen Analysetätigkeit in diesem Stadium jedoch erhöhte Kosten mit dem Abbruch verbunden.14

c) Phase 3: Projektkonkretisierung

Zeigt die Machbarkeitsstudie aus Phase 2 ein unter vertretbaren Risiken attraktives Ergebnis, tritt die Entscheidungsphase ein. In diesem Stadium wird die Durchführungsentscheidung für das erarbeitete Nutzungskonzept getroffen. Alle an der Projektentwicklung beteiligten Akteure treten spätestens in dieser Phase in den Prozess mit ein. Tätigkeiten wie die Grundstückssicherung, die Vergabe der Bauleistungen und der Abschluss der Finanzierung gehen mit der Projektkonkretisierung einher.15

d) Phase 4: Projektmanagement

In der vierten Phase werden die Ergebnisse der Projektinitiierung und Projektkonzeption in konkrete Pläne umgesetzt. Der Projektentwickler übernimmt die Aufgabe des Bauherrn, womit die bauliche Umsetzung begonnen wird (Projektrealisierung). Seine Aufgabe besteht darin während der gesamten Projektdurchführung die Sicherung von Qualität und Kosten und die Einhaltung von Terminen zu überwachen.16

e) Phase 5: Projektvermarktung

Die Projektvermarktung läuft gewissermaßen parallel zu allen vorangegangenen Phasen ab. Ziel ist es, eine funktionsgerechte Vollvermietung oder Veräußerung des Objekts zu gewährleisten und durch frühzeitige Vermarktung Projektrisiken zu minimieren. Der „Neubaueffekt“ der Bestandsimmobilie sollte dabei als Unique Selling Proposition (USP) dienen, um neue Mieter zu finden bzw. ehemalige Nutzer zu binden.17

Der Projektentwicklungsprozess endet mit der Fertigstellung, Übergabe und Verwertung des Projekts. Anschließend folgt die Objektmanagementphase, die den Anfang des Lebenszyklus der Immobilie darstellt.18

II. Analysemethoden in der Immobilienprojektentwicklung

Die erwähnte Machbarkeitsstudie (Feasibility Study) wird in der Phase der Projektkonzeption durchgeführt und findet in der Praxis der Immobilien-Projektentwicklungen große Anerkennung und Einsatz. Ziel ist es, anhand der parallellaufenden strategischen Analysen, Chancen und Probleme in Bezug auf den Standort, Umwelt und Gebäude zu hinterfragen und die Wirtschaftlichkeit eines Projekts zu überprüfen. In der Praxis werden aus zeitlichen, personellen oder finanziellen Gründen nicht notgedrungen alle Analysearten durchgeführt. Da die Untersuchungen jedoch den Grundstein für die Realisierungsentscheidung eines Vorhabens darstellen, kann deren Nichtdurchführung zu einem erhöhten Realisierungsrisiko führen.19

Im Folgenden werden einige ausgewählte Analysemethoden grob beschrieben.20

a) Standort- und Marktanalyse (STOMA)

Jede Immobilie verfügt über einen speziellen Standort und dazugehörige Nutzergruppen. Die Realisierungsentscheidung eines Projekts muss sich mit beiden Faktoren auseinandersetzen, um frühzeitig Chancen und Risiken aufzudecken. Der Verzicht auf eine qualifizierte STOMA kann daher zu fatalen Fehleinschätzungen und unnötigen Kosten führen. Muncke/Dziomba/Walther definieren die Analyse als „objektive, systematisch aufgebaute, fachlich und methodisch fundierte Untersuchung der räumlichen und marktseitigen Rahmenbedingungen einer Immobilieninvestition.“21

Ziel der Marktanalyse ist es, jegliche marktwirksamen quantitativen und qualitativen Komponenten des Angebotes und der Nachfrage der relevanten Teilmärkte zu erheben. Wichtig ist dabei, dass vor der Angebots- und Nachfrageanalyse bereits eine Auswahl bezüglich denkbarer Nutzungssegmente für das Projekt getroffen wird. Damit kann der Vermietungs- und Verkaufserfolg eines Nutzungskonzepts von Projekten beurteilt werden. Der Erfolgsfaktor einer Marktanalyse liegt neben der präzisen Analyse vor allem in der richtigen Schlussfolgerung und Einschätzung über die mittelfristig zu erwartenden Markttendenzen des Nutzungssegments.22

In der Standortanalyse werden die räumlichen Rahmenbedingungen eines Projekts begutachtet. Dies geschieht auf der Ebene des Mikro- und Makrostandorts, sprich der unmittelbaren Umgebung der Immobilie (z.B. Stadtteil) und der großräumigen Verflechtung des Standorts (z.B. Stadt, Region, Gemeinde). Auf beiden Ebenen werden die Standortfaktoren erfasst und analysiert und jeweils in „harte“ Faktoren (z.B. Geographische Lage) und „weiche“ Faktoren (z.B. Standortimage) unterteilt.23

b) Wettbewerbsanalyse

Die Wettbewerbsanalyse ist eine Sonderform der beschriebenen Marktanalyse. Sie untersucht die direkten Konkurrenzimmobilien des Entwicklungsobjekts, indem sie seine relative Marktposition im jeweiligen Marktsegment bestimmt. Aufgabe ist es, die Konkurrenzobjekte zu identifizieren, deren Grunddaten zu erfassen, Vergleichskriterien herauszuarbeiten und anhand einer Rangliste alle Objekte einschließlich des eigenen Objekts zu bewerten. Anhand der Ergebnisse können Stärken und Schwächen des geplanten Konzepts herausgearbeitet und evaluiert werden. Gegebenenfalls können Modifikationen des Nutzungskonzepts vorgenommen werden, die darauf abzielen, eine weitere Abgrenzung von den Konkurrenzobjekten zu schaffen und sich bestmöglich an die Kundenbedürfnisse anzupassen.24

Ein gutes Image verleiht einer Bestandsimmobilie beispielsweise einen besonderen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Konkurrenzobjekten. Dieses Alleinstellungsmerkmal kann die Realisierungsentscheidung positiv beeinträchtigen.25

c) Nutzungskonzeptanalyse

Basierend auf den Ergebnissen der STOMA und der Wettbewerbsanalyse sowie den Erkenntnissen über die Bedürfnisse der avisierten Nutzergruppen, wird durch die Analyse des Nutzungskonzepts analysiert, ob die Immobilie den aktuellen und zukünftigen Anforderungen entspricht. Fragen, wie beispielsweise: „Besteht langfristig ein Bedarf an Büroflächen“ oder „Ist das Konzept ökonomisch effizient realisierbar in der Bestandsimmobilie“ muss nachgegangen werden. Werden diese Fragen bejaht wird die Entscheidungsfindung meist ebenfalls positiv beeinflusst. Die Sinnhaftigkeit eines Nutzungskonzepts spiegelt sich auch in der ökonomischen Effizienz des Projekts wider.26

d) Risikoanalyse

Aufgrund der hohen Kapitalbindung, dem relativ kleinen Marktsegment und der unsicheren Nachfrage gehört die Projektentwicklung zu den risikoreichsten unternehmerischen Tätigkeiten. Ziel der Risikoanalyse ist es sowohl die damit verbundenen beeinflussbaren als auch die außerhalb des Einflusses liegenden Risiken systematisch zu identifizieren und zu bewerten. Folgende Risiken sind im Rahmen einer Immobilien-Projektentwicklung zu berücksichtigen:27

Entwicklungsrisiko: Das Risiko entsteht meist durch die Unerfahrenheit des Projektentwicklers, der sich etwa in einem ihm unbekannten Marktsegment, Standort oder Größenordnung bewegt. Meist treten spätestens bei der Vermarktung Probleme auf, da das Projekt nicht nutzungs- und standortadäquat geplant wurde.

Prognose-/Planungsrisiko: Hierbei handelt es sich um das Risiko, das auftritt wenn die Realität anders ausfällt als im Planungsprozess prognostiziert wurde. Das Planungsrisiko hingegen bezieht sich auf die verlorenen Aufwendungen der Initiierungs- und Konzeptionsphase, sollte die Entscheidung letztendlich auf eine Exit Strategie hinauslaufen.

Zeitrisiko: Wird der für eine wirtschaftliche Objektvermarktung geplante Zeitrahmen überschritten, spricht man von einem Zeitrisiko. Zeit zählt zu den größten Risikofaktoren in der Projektentwicklung. Beispielsweise führt eine Überschreitung der Entwicklungs- oder Vermarktungsdauer zu zusätzlichen Zinsbelastungen.

Genehmigungsrisiko: Es besteht ein gewisses Risiko, dass das konzipierte Projekt von den öffentlichen Stellen nicht genehmigt wird. Es kann durch eine frühe Zusammenarbeit mit den Stellen reduziert werden.

Finanzierungsrisiko: Das existentiellste Risiko besteht darin, dass die notwendigen Kapitalmittel nicht oder nicht in ausreichendem Umfang erbracht werden können.

Boden- und Baugrundrisiko: Kontamination, Baulasten oder ungünstige Baugrundverhältnisse können zu Bauzeitverzögerungen, Nutzungseinschränkungen und Zusatzkosten führen. Umfangreiche Baugrunduntersuchungen und entsprechende Versicherungen und vertragliche Regelungen sind empfehlenswert.

Kostenrisiko: Zusatzkosten ergeben sich hauptsächlich aus einer verlängerten Entwicklungsdauer, die eine exakte Kostenprognose erschwert. Alle zuvor genannten Risiken wirken sich zudem negativ auf den Kostenpunkt und damit auf den Gewinn aus.28

e) Wirtschaftlichkeits- und Renditeanalyse

Diese Analyseart hat zur Aufgabe, die wirtschaftliche Attraktivität des Projekts in Form von Investitionsanalysen zu beschreiben. Diese Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Ergebnissen aller vorangegangenen Analysen dienen als Entscheidungsgrundlage für oder gegen die Umsetzung des Entwicklungskonzepts.29

B. Umnutzungen im Bestand

Eine Immobilie ist „von Nutzen“, soweit sie einem bestimmten Zweck dient. Liegt ein Objekt jedoch brach, droht es zu verkommen bzw. muss abgerissen werden, um neuen Konzepten zu weichen. Viele historische Gebäude wurden auf diese Weise bereits unwiderruflich zerstört, was nicht nur einen irreparablen kulturellen Schaden, sondern auch einen konkreten materiellen Verlust bedeutet. Unter den Leitsätzen der Charta von Athen30 wurde nach 1945 beispielsweise mehr historische Bausubstanz zerstört als im Zuge des Zweiten Weltkrieges.31

Seit der Charta von Venedig (1964), welche die Basis der Denkmalpflege bildet, wird bis heute das Ziel des Erhalts brachliegender Objekte durch ihre Wiedereingliederung in den Wirtschaftskreislauf und das Stadtgefüge angestrebt. Mit wachsendem Bewusstsein für die Denkmalpflege und dem Wissen um die Wichtigkeit unseres kulturellen Erbes gewinnt das Thema „Umnutzung im Bestand“ aktuell immer mehr an Bedeutung. Schon heute sind die Erfolge des Umdenkens ersichtlich. Während der Anteil von Neubauten stetig zurückgeht, beläuft sich das „Bauen im Bestand“ in manchen Regionen sogar schon auf ca. 70 Prozent des Gesamtvolumens.32

I. Historische und aktuelle Dynamik bei der Umnutzung im Bestand

Bis zum Beginn des 20. Jh. stand die Umnutzung von Gebäuden in der Bedeutung weit hinter neuen Bauaufgaben zurück. Erst Ende des 20. Jh. erfuhr die Gebäudeumnutzung größeren Zuspruch durch die Öffentlichkeit. Auslöser dafür war die zunehmende Dynamik in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, welche die Planungspolitik der Städte, Gemeinden und Unternehmen unter Druck setzte. Der Gebäudebestand musste in kurzen Abständen den neuen Funktionen und Nutzungen gerecht werden.33 Zu dieser Zeit konzentrierten sich die wachsende Industrie und das Gewerbe zunehmend auf kostengünstige Standorte in den Randgebieten der urbanen Räume. In Kombination mit der gesteigerten Mobilität der Bürger kam es so zur Funktionstrennung von innerstädtischem Wohnen und Arbeiten „auf der grünen Wiese“. Diese Isolierung führte unter anderem zur wachsenden Flächenzersiedlung und zunehmendem Leerstand innerstädtischer Gebäudekomplexe. Aufgrund dieser Missstände für Städte, Bevölkerung und Umwelt, kam es seit den siebziger Jahren des 20. Jh. zu einem Umdenkungsprozess in der Gesellschaft.34 Das gesteigerte Umweltbewusstsein und der Wunsch nach Nutzung vorhandener Gebäuderessourcen sowie einer behutsamen Stadterneuerung und einer Stadtentwicklung, die der gewachsenen Sensibilität gegenüber der gebauten Geschichte gerecht werden sollte, spielte zunehmend eine Rolle.35 Die Antwort auf diese Dynamik war die Entstehung zahlreicher Bürgerinitiativen mit gesteigerter Aufmerksamkeit auf die Innenentwicklung der Städte. Das Städtebaufördergesetz, das Richtlinien städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen festlegte, fand hier seinen Ursprung.36

Bis zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 unter dem Motto „Eine Zukunft der Vergangenheit“ war der Stadtumbau als kommunales Vorhaben durch Flächensanierung im Zusammenhang mit Abriss und Neubau geprägt. Bis dahin begrenzte sich die Wertschätzung und Sensibilität gegenüber der gebauten Geschichte vorerst auf klassische Baudenkmale wie Schlösser, Burgen und Kirchen. Substanzerhaltung und Umnutzungen galten nicht als Leitmotiv, sondern blieben die absolute Ausnahme. Die ehemalige Munitionsfabrik (seit 1972 „Kulturzentrum Fabrik“) in Hamburg-Altona war beispielsweise ein Pionierprojekt auf dem Gebiet der Umnutzung von Industriegebäuden.37 Im Verlauf war das internationale Denkmaljahr Symbol für die gewachsene Wertschätzung gegenüber dem Erhalt und der behutsamen Erneuerung von Gebäuden z.B. ehemaligen Fabriken und historischen Lagerhallen. Diese Aufgabe wurde nicht länger als denkmalpflegerische Angelegenheit gesehen, sondern vielmehr als Schlüsselfaktor für ein verbessertes Stadtbild und Stadtstruktur sowie der Steigerung der Wohn- und Arbeitsqualität der Bürger.38 Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ im Umgang mit Landschaft und dem Gebäudebestand hielt im Nachgang zur internationalen Umweltkonferenz in Rio de Janeiro (1992) und Istanbul Einzug in die stadtentwicklungspolitischen Strategien.39

Laut Jessen und Schneider lässt sich die Entwicklung bis zum heutigen Städtebau, der sich am Erhalt und an der nachhaltigen Umnutzung im Bestand orientiert, in Deutschland in drei Phasen zusammenfassen. Anfang der siebziger Jahre fand Stadterneuerung und Umnutzung ausschließlich in Altstadtkernen und innenstadtnahen Wohnquartieren des 19 Jh. statt. Vorrangige Ziele waren dabei die Stadtbildpflege, Verbesserung der Versorgungsverhältnisse für die Bewohner und der Denkmalschutz. Seit Beginn der neunziger Jahre kam es zur Stadterneuerung in weiteren Teilen von Siedlungsflächen, wie etwa in Dörfern und Industriebrachen. Innenentwicklung hatte immer mehr das Ziel einen ökonomischen und ökologischen Beitrag zu leisten. In der jüngeren Zeit hat die nachhaltige Siedlungsentwicklung als Strategie einen festen Platz erhalten.40 Diese Entwicklungen lassen erkennen, dass Umnutzung im Bestand über die Zeit immer mehr an Bedeutung hinzugewonnen hat und nicht mehr länger nur im Interesse der Denkmalpflege stattfindet.

II. Bedeutung von Umnutzungen im Bestand

Die städtebauliche Innenentwicklung stellt Kommunen, Bauherren und Bürger vor eine wesentliche Herausforderung. Ein großes Potential zur Bewältigung dieser Aufgabe birgt die Instandsetzung, Ergänzung und Weiterentwicklung von historischem Gebäudebestand. Die Strategie der Umnutzung im Bestand wird im Städtebau zunehmend der bloßen Ausweisung von Flächen auf der „grünen Wiese“ vorgezogen.41 Nebst monetären Vorteilen sind damit auch kulturelle und gesellschaftliche Nutzen verbunden, die im Weiteren näher erläutert werden.

Durch die Umnutzung von Bestandsimmobilien kann das materielle Erbe wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden und trägt damit gleichzeitig zur Attraktivitätssteigerung der urbanen und ländlichen Wohn- und Arbeitslagen bei. Städtebauliches Potential besteht vor allem in der Revitalisierung ehemals genutzter Militär- und Industriebrachen, die bisher als „Sorgenkinder“ der Stadtentwicklung galten, heutzutage aber aufgrund ihrer Eigenschaften und zentralen Standorte großen Zuspruch finden. Darüber hinaus schafft der personalintensive Erhalt der Bausubstanz neue Arbeitsplätze und trägt gleichzeitig zur Einsparung von wertvollen Rohstoffen, Energie, Bauschutt und Flächen bei. Im Vergleich zu den Varianten Abbruch und Neubau ist der Erhalt historischer Objekte durch neue Nutzungen sowohl in Hinblick auf Ökologie, als auch im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit sinnvoller.42 Auch Baudenkmale, die sich nicht zur Vermarktung eignen, können durch ihre Bewahrung helfen, den unverwechselbaren Charakter einer Kulturlandschaft zu erhalten. Damit können beispielsweise Touristenattraktionen geschaffen und eine Identifikationsmöglichkeit für die Bevölkerung kreiert werden.43 Durch den Erhalt historischen Baubestands kann also ein wertvolles Erbe nicht nur in Hinsicht auf seinen künstlerischen Wert, sondern ebenso in Bezug auf seine Einmaligkeit und seinen Zeugniswert, der durch seinen historischen Informationsgehalt bestimmt ist, angetreten werden.44

Um diese Vorteile für die Zukunft zu nutzen, bedarf es einer engen Zusammenarbeit von öffentlicher Hand, privater Seite und Bürgerinitiativen. Das Ziel besteht darin, alle Parteien von der Bedeutung der Nachnutzungsstrategien zu überzeugen und gemeinsam ökonomisch sinnvolle und ökologisch nachhaltige Konzepte zu entwickeln, welche die Revitalisierung und Umnutzung von brachgefallenen Objekten deren Abbruch und Neubau vorziehen.45 Abbildung 1 verdeutlicht die Auswirkungen des brachliegenden und des genutzten Gebäudebestandes auf den urbanen Wert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Auswirkungen des brachliegenden und des umgenutzten Gebäudebestands

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Stengler, Weiternutzung, 2012, S. 50.

III. Motive für Umnutzungen

Es gibt zahlreiche Gründe für die Umnutzung historischer Gebäude. Wie bereits erwähnt handelt es sich dabei nicht ausschließlich um monetäre Motive, sondern ebenfalls um denkmalpflegerische, ökologische und stadtplanerische Aspekte.

a) Leerstehende Substanz

Der anhaltende wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturwandel in Deutschland, insbesondere in den vergangenen zwanzig Jahren im Osten des Landes, zieht sowohl Veränderungen der Familien- und Wohnverhältnisse, der Arbeits- und Produktionsverhältnisse, als auch Mobilitätsverhältnisse nach sich. Dieser Wandlungsprozess hinterlässt auch bauliche Spuren in Form von Flächen und Gebäuden unterschiedlichster Qualität, Funktion, Alter und Größe.46 Objekte, die ehemals zu einem bestimmten Zweck erbaut wurden, verlieren aufgrund der sozialen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen und geänderten Bedingungen ihren Nutzen. Solange ihre angestammte Funktion nicht beibehalten oder ihnen keine neue Nutzung zugeführt wird, fallen die Objekte brach, was sich wiederum negativ auf das Umfeld auswirkt. Wird keine Nachnutzung gefunden, kommt es in den meisten Fällen zum Verfall oder Abbruch der historischen Bausubstanz.47 Aus diesem Grund stellt die Denkmalpflege einen essentiellen Baustein zum Erhalt dieser brachliegenden, aber historisch relevanten Bausubstanz dar.

b) Wirtschaftlichkeit

Wirtschaftliche Aspekte nehmen großen Einfluss auf die Motivation zur Umnutzung im Bestand. Laut Wüstenrot Stiftung: „... können potenzielle Bauherren davon ausgehen, dass eine sinnvolle und gut geplante Revitalisierung oder Ergänzung eine kostengünstige und oft auch flächensparende Alternative zu einem vollständigen Neubau darstellt.“48 Ferner sind bei denkmalgeschützten Bestandsimmobilien zusätzliche Kosteneinsparungen durch Subventionen und Denkmal Abschreibungen (z.B. Denkmal AfA) möglich. Das positive Image, das sich aus dem historischen Charakter in Verbindung mit einem innovativen Nutzungskonzept zusammensetzt, kann sich zudem vorteilhaft auf die Nachfrage auswirken.

c) Ökologische Gründe

Das gestiegene Umweltbewusstsein der Bevölkerung beeinflusst maßgeblich den veränderten Umgang mit historisch wertvoller Bausubstanz. Dem Wunsch nach Wiedereingliederung alter Bausubstanz in das Stadtgefüge und die Ausnutzung der vorhandenen Gebäuderessourcen statt Neubau wird verstärkt Ausdruck verliehen.49

Nach Sieverts bringt der Umbau von Bestandsimmobilien, die vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, im Vergleich zum modernen Neubau eine höhere ökologische Qualität, weil ihre technischen und baulichen Anlagen sowohl eine längere Lebenserwartung als auch eine positivere Ressourceneffizienz und Reparaturfähigkeit sowie eine einfache und wieder revidierbare Umbaufähigkeit aufweisen. Darüber hinaus können die Bauteile besser wiederverwertet werden und leichter getrennt und deponiert werden. Es können also Sondermüllprobleme vermieden werden, die beim Neubau auftreten.

Während den genannten Vorteilen des Altbaus in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wenig Beachtung geschenkt wurde, gewinnen diese Aspekte heute mit zunehmendem Umweltbewusstsein der Bürger immer mehr an Bedeutung.50

d) Architektonische Herausforderung

Bedingt durch die technologischen Entwicklungen, die neu einsetzbaren Materialien und die Mechanisierung in der ersten Hälfte des 20. Jh., dominierte bei Architekten oft die Faszination für das Neue. Das Interesse für Bestandsgebäude war meist nicht so groß: „... industrial buildings for them presented no singularity, constructive, aesthetic or structural.“51 Weil meist nur entweder Abriss oder Rekonstruktion erwogen wurde, erfuhr die Umnutzung im Bestand bis in die Nachkriegszeit keine besondere Beachtung. Erst in den siebziger Jahren wurde die Umnutzung historischer Bausubstanz „architekturfähig“, wobei auch der Denkmalschutz eine bedeutende Rolle einnahm.52

Umnutzung im Bestand fordert besondere Kreativität, da sich der Architekt nach Vorgaben bezüglich Material, Konstruktion und Gestalt richten muss. Je nach Gebäude besteht das Ziel darin eine ausgewogene Verbindung zwischen Neu und Alt zu schaffen, ohne dass der Respekt vor der historischen Bausubstanz verloren geht. Mandler beschreibt diese kreative Herausforderung wie folgt: „Geht man als Architekt nicht bis zu dieser Grenze, tut man zu wenig; überschreitet man sie, tut man dem Bauwerk Gewalt an.“53 Gleichsam stellen diese Vorgaben den kreativen Reiz für Architekten dar, sich bei der Umnutzung im Bestand behaupten zu können.

e) Revitalisierung der Innenstädte

In manchen Teilen Deutschlands ist noch heute das Phänomen der Suburbanisierung zu verzeichnen. Insbesondere in den neuen Bundesländern schreitet die Entwicklung der „grünen Wiese“ mit einhergehendem Attraktivitätsverlust der Innenstädte voran.54 Die innerstädtischen Gebäuderessourcen stellen Schlüsselfaktoren im Entgegenwirken dieser Dynamik dar.55 Durch die innovative und kreative Revitalisierung eben dieser brachliegenden und bislang imageschädigenden Gebäude und Flächen, werden gewachsene urbane Räume wieder aufgewertet und steigern so die Attraktivität der Ortsteile und der ganzen Stadt. Indem sich eine Region dadurch ein prägnantes eigenes Profil aufbaut, agiert die Bestandserhaltung (und -pflege) gleichzeitig als potentieller Faktor im internationalen Standortwettbewerb.56

f) Zeugniswert

„Das Denkmal bestimmt sich als eine von Menschen in der Vergangenheit geschaffene Sache, in der Wissen und Können, Nutzungsanforderungen wie auch wirtschaftliche, politische, soziale oder künstlerische Auffassungen früherer Generationen vergegenständlicht sind.“57 Geschichte wird damit anhand bestehender Denkmale greifbar und direkt erlebbar. Diesen Zeugniswert für spätere Generationen zu wahren, steht im Vordergrund jeglicher denkmalpflegerischer Tätigkeiten. John Ruskin beschreibt die Relevanz des Erhalts von historischer Bausubstanz wie folgt: „Kümmert Euch um eure Denkmäler, und ihr werdet nicht nötig haben, sie wiederherzustellen. [...]. Bewacht ein altes Bauwerk mit ängstlicher Sorgfalt, bewahrt es gut wie angängig und um jeden Preis vor dem Zerfall.“58

Diese Reihe an Motiven erklärt, wieso das Thema „Umnutzung im Bestand“ über die Zeit an Bedeutung zugenommen hat. Die finanzielle Belastung (z.B. Altlastenbeseitigung, Finanzierung etc.) sowie die durch den Denkmalschutz, die Bausubstanz und die Behörden auferlegten Vorgaben stellen allerdings bei der Umnutzung von Bestandsimmobilien Hemmnisse dar.59

C. Umnutzung historischer Industriearchitektur

Laut Sikora gibt es kein deutsches Bundesland, das über eine derart hohe Anzahl von technischen und industriellen Denkmalen verfügt, wie Sachsen. „Neben der Quantität ist es aber vor allem die Qualität, das heißt der historische und denkmalpflegerische Wert eines großen Teils der geschützten Objekte, welcher die historische Industrielandschaft Sachsens zu einem der weltweit bedeutendsten Standorte des industriellen Erbes der Menschheit macht.“60 Obwohl Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung als ein „Eldorado“ der Denkmalpflege gilt, wurde diesen Industriedenkmalen in der jüngsten Vergangenheit eine zu geringe Wertschätzung entgegengebracht. So wurden im Zuge des Rückbaus der ostdeutschen Wirtschaft und den damit einhergehenden Abriss- und Sanierungsprogrammen bereits zahlreiche historische Industrieanlagen und der damit verbundene Zeugniswert unwiderruflich zerstört.61 Weitere Denkmale der Industrie und Technik sind akut in ihrer Existenz gefährdet, sollten für sie keine Nachnutzungskonzepte gefunden werden.

Erfreulicherweise ist seit einigen Jahren eine wachsende Entschiedenheit zum Erhalt des industriellen Erbes zu verzeichnen. Zahlreiche internationale Kongresse für Experten des industriellen Erbes, die Etablierung des neuen Fachgebiets der „Industriearchäologie“ und die europaweit gegründeten Industriemuseen sind nur einige Beispiele dafür, dass die bisher unbeachtete Industrie-Epoche und deren Bauten wieder in den Mittelpunkt des geschichtlichen und gesellschaftlichen Interesses rücken.62

I. Geschichtlicher Hintergrund der Sächsischen Industrie

Das 19. Jh. war geprägt durch die industrielle Revolution, die den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft bewirkte. Handwerksbetriebe und spätere Manufakturen wurden zu wachsenden Industriebetrieben, die anstatt auf individuell auftragsbezogenen Anfertigungen auf Massenanfertigung ausgelegt wurden. Sowohl die straffe, arbeitsteilige Organisation der Betriebe, als auch die Mechanisierung und Spezialisierung der Tätigkeiten, verwandelte kleine Werkstätten in noch nie dagewesene Fabriken mit gewaltigem Produktionsvolumen. Diese Produktionsstätten waren bis zur Erfindung der Dampfmaschine an Wasserlagen und an Standorten mit einer hohen Verfügbarkeit an Arbeitskräften, Rohstoffen und Absatzmärkten gebunden. Aufgrund des urbanen Arbeitskräfteangebots und der verbesserten Infrastruktur, siedelten sich Industrieanlagen schließlich vermehrt an den Ausfallstraßen großer Städte an. Gegen Ende des 19. Jh. wurden schließlich ganze Stadtgebiete für die gezielte Ansiedlung weiterer Industrieanlagen und dazugehöriger Wohnsiedlungen bereitgestellt und infrastrukturell erschlossen.63

In Sachsen war das Erzgebirge dank seines frühen, technisierten Bergbaus auf Silber und anderen Metallen um 1800 Ursprung der Industrialisierung. Die Spezialisierung im Bergbau und später in der Textilverarbeitung steigerte den Bedarf von Maschinen. Die Region Sachsen entwickelte sich so Anfang des 19. Jh. unter anderem zum Mittelpunkt des Maschinen- und Musikinstrumentenbaus, der Papierherstellung und der Textil-, Druck- und Tabakindustrie. Die Erschließung der Braunkohlen- und Steinkohlenlagerstätten bildete die energetische Basis für die Weiterentwicklung alter und der Kreation neuer Industrien.64

Während der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde Sachsen industrielle Kernregion für die Automobil- und Flugzeugproduktion, den Werkzeugmaschinen- und des Kamerabaus, der Computer- und Mikroelektronikindustrie, sowie der Textilbranche. Die zentralstaatliche Wirtschaftslenkung der DDR und die zahlreichen Verstaatlichungen von Unternehmen trugen aber maßgeblich zur Stagnation der sächsischen Wirtschaft bei. Das fehlende Kapital verhinderte die Erneuerung und Modernisierung der Gebäude und der technischen Anlagen der Produktionsstätten, weshalb sich nach der deutschen Wiedervereinigung nur 10 Prozent der sächsischen Industrie als international konkurrenzfähig erwiesen.65 „Binnen weniger Jahre ging in Sachsen die Zahl der Beschäftigten in der Industrie von über einer Million (1989) auf 215.000 (2000) zurück.“66 Mit dieser Entwicklung verlor Sachsen seine herausragende Stellung als führende Industrieregion in Deutschland. Vom einstigen industriellen Reichtum zeugen heute nur noch vereinzelte Industriezweige, aber vor allem die unzähligen Industriebrachen, die ohne baldige Umnutzung dem Verfall preisgegeben sind.67

II. Historische Betrachtung der Textilindustrie in Sachsen

Die mitteleuropäische Textilindustrie konzentrierte sich ehemals im Westen auf die Region um Gent, Brüssel, St. Quentin und Lille und im Osten auf die Gebiete zwischen Leipzig, Dresden, Hof und Bayreuth.68 Insbesondere Sachsen besaß eine lange Tradition in der Textilherstellung. Bereits vor der Industrialisierung war Chemnitz für Baumwolle aus dem Nahen Osten Zwischenhandelsplatz, bevor die Ware auf der Leipziger Messe angeboten wurde. Die Textilverarbeitung war neben dem Bergbau und Hüttenwesen auch im Erzgebirge fest verwurzelt.69 Mit mehr als 40 Prozent aller Industriebeschäftigten in der Textilbranche erreicht die Sächsische Textilbranche Anfang des 20. Jh. ihren Höhepunkt.70

Vorreiter auf dem Gebiet der Textilindustrie waren jedoch die Engländer, lange bevor der Rest Europas aufholte. "Seit den siebziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts gilt für den Kontinent: Erfolg haben durch Nachahmen englischer Methoden, gleich gut wie England werden, und recht spät erst, England übertreffen.“71 In Großbritannien galt die Dynamik der Textilindustrie als Katalysator für die industrielle Revolution, weil damit die Produktion von 1770 bis 1850 auf das Neunfache gesteigert werden konnte.72 Für diese Entwicklung mitverantwortlich war James Hargreave, der in der zweiten Hälfte des 18. Jh. die sogenannte „Jenny-Maschine“ erfand, die das Spinnen effizienter machte. Diese Errungenschaft gelangte 1786 auch nach Sachsen und ermöglichte so dem Chemnitzer Kaufmann Kreißig erstmals in Sachsen einen Spinnereibetrieb mit Massenproduktion aufzubauen. Bereits 1769 schuf Richard Arkwright allerdings eine verbesserte, mit Wasserkraft betriebene Maschine, die wiederum wenige Jahre später durch Samuel Crompton in die Mule-Maschine, einer Kombination der beiden Vorgänger, weiterentwickelt wurde.73 Da die Ausfuhr dieser revolutionären Maschinen aus England verboten war, gewann Sachsen schlichtweg englische Werkmeister wie Evan Evans (sogenannter „Vater der sächsischen Baumwollspinnereien“), die diese im eigenen Lande reproduzierten.74

Um sich gegen die englische Konkurrenz zu behaupten, förderte die sächsische Landesregierung die neuen Unternehmen mit Darlehen und schützte sie durch ein zehnjähriges Privileg. Fast zeitgleich mit Ende dieser Frist verhängte Napoleon, der zuvor Berlin erobert hatte, in 1806 eine Kontinentalsperre. Die englische Einfuhr kam damit gänzlich zum Erliegen, was für die sächsischen Produktionen neue Absatzmärkte schuf und besonders im Vogtland und Erzgebirge zu zahlreichen Neugründungen im Textilbereich führte. Mit dem Sturz des Kaisers in 1814 und der damit einhergehenden Aufhebung der Einfuhrsperre verlangsamte sich diese Entwicklung allerdings vorerst wieder.75

Die Gründung des deutschen Zollvereins in 1833, durch den die innerdeutschen Zollgrenzen abgeschafft wurden, kurbelte das Bauvolumen von Spinnereien jedoch umgehend wieder an. In dieser Zeit entstanden neben zahlreichen anderen Unternehmen die namhaften Fabriken Himmelmühle bei Wolkenstein, Scharfenstein und Tannenberg bei Annaberg.76 Laut Sikora entwickelten sich parallel dazu „[...] die Weberei sowie weitere textilverarbeitende Branchen wie die Bandweberei und die Strumpfwirkerei. Mitte des 19. Jahrhunderts war Sachsen mit 600.000 Spindeln und 80.000 Webstühlen das unangefochtene Zentrum der deutschen Textilindustrie.“77

Auch wenn die deutsche Textilindustrie heute nicht mehr die dominierende Rolle von damals inne hat, gehört die Baumwollindustrie der Bundesrepublik zu den größten Verarbeitern der Welt und nimmt so nach wie vor einen bedeutenden Rang in der Welttextilwirtschaft ein.78

[...]


1 „Strategie“ wird synonym für den Begriff „Konzept“ verwendet

2 „Nachnutzung“ und „Revitalisierung“ werden synonym für den Begriff „Umnutzung“ verwendet

3 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.69ff.

4 Diederichs, C.J., Führungswissen, 2005, S.46.

5 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.29.

6 Vgl. Zimmermann, Immobilienbestand, 2006, S.29.

7 Vgl. Held, strategisches Prozessmanagement, 2010, S.100.

8 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.37.

9 Vgl. Alda/Hirschner, Projektentwicklung, 2005, S.5ff.

10 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.37.

11 Zimmermann, Immobilienbestand, 2006, S.33.

12 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.37f.

13 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.41.

14 Vgl. Zimmermann, Immobilienbestand, 2006, S.33.

15 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.53.

16 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.54.

17 Vgl. Zimmermann, Immobilienbestand, 2006, S.35.

18 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.55.

19 Vgl. Zimmermann, Immobilienbestand, 2006, S.72.

20 Für weitere Informationen zu den Analysemethoden der Immobilienprojektentwicklung wird auf das Kapitel A Grundkonzeption der Projektentwicklung Teil 1 verwiesen, in: Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.41 - 53.

21 Muncke/Dziomba/Walther, Standort- und Marktanalysen, 2008, S.136.

22 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.43.

23 Muncke/Dziomba/Walther, Standort- und Marktanalysen, 2008, S.147ff.

24 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.47.

25 Vgl. Zimmermann, Immobilienbestand, 2006, S.82.

26 Vgl. Zimmermann, Immobilienbestand, 2006, S.88f.

27 Aufgrund des eingeschränkten Umfangs der Arbeit wird auf eine detaillierte Beschreibung der Risikofaktoren und notwendigen Maßnahmen verzichtet. Für vertiefende Informationen siehe Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.41 – 52.

28 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.42ff.

29 Vgl. Zimmermann, Immobilienbestand, 2006, S.91.

30 Der Leitsatz der Charta von Athen: „historische Bauten und auch ganze Stadtviertel können abgerissen werden, wenn sie nicht ‚gesunden Lebensbedingungen’ und ‚notwendigen Verkehrsmaßnahmen’ entsprechen (§ 67, 68)“ Brichetti, Historismus, 2009, S.149, in: Hilpert, Thilo, Le Corbursiers Charta von Athen –Texte und Dokumente, 1984, o.S.

31 Vgl. Kiesow, Denkmalpflege, 1989, S.33.

32 Vgl. Europäisches Haus der Stadtkultur e.V., Vom Nutzen, o.J, S.12f.

33 Vgl. Wüstenrot Stiftung, Umnutzung, 2000, S.8f.

34 Vgl. Jessen/Schneider, Programm, 2000, S.14.

35 Vgl. Wüstenrot Stiftung, Umnutzung, 2000, S.8f.

36 Vgl. Brichetti, Historismus, 2009, S.149.

37 Vgl. Jessen/Schneider, Programm, 2000, S.16f.

38 Vgl. Wüstenrot Stiftung, Umnutzung, 2000, S.9.

39 Vgl. Tietz, Strategien, 2008, S.10.

40 Vgl. Jessen/Schneider, Programm, 2000, S.18.

41 Vgl. Halder-Hass / Haspel / Lorenz, Denkmal als Immobilie, 2002, S.71.

42 Vgl. Europäisches Haus der Stadtkultur e.V., Vom Nutzen, o.J, S.12.

43 Vgl. Halder-Hass / Haspel / Lorenz, Denkmal als Immobilie, 2002, S.23.

44 Vgl. Karg, Gestaltwandel, 2000, S.123.

45 Vgl. Wüstenrot Stiftung, Umnutzung, 2000, S.235.

46 Vgl. Bone-Winkel/Schulte, Immobilien-Projektentwicklung, 2008, S.95.

47 Vgl. Wüstenrot Stiftung, Umnutzung, 2000, S.8.

48 Wüstenrot Stiftung, Umnutzung, 2000, S.9.

49 Vgl. Soltwedel, Strukturwandel, 2000, S.149.

50 Vgl. Sieverts, städtebaulicher Revitalisierung, 2000, S.99.

51 Casanelles, Industrial Heritage, 2012, S.228.

52 Vgl. Jessen/Schneider, Programm, 2000, S.29.

53 Mandler, Architektonische Aufgabe, 2000, S.132.

54 Vgl. Steinbrück, Lofts, 2000, S.6.

55 In manchen Teilen Deutschlands ist bereits eine Trendumkehr hin zur Urbanisierung festzustellen.

56 Vgl. Soltwedel, Strukturwandel, 2000, S.163ff..

57 Karg, Gestaltwandel, 2000, S.119.

58 Ruskin, Baukunst, 1900, S.367.

59 ARE / BUWAL, Entwicklungschancen, 2004, S.10.

60 Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.122.

61 Vgl. Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.122f.

62 Vgl. Schirmbeck, Bauten, 1986, S.7.

63 Vgl. Stengler, Weiternutzung, 2012, S.25ff.

64 Vgl. Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.118f.

65 Vgl. Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.118f.

66 Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.119f.

67 Vgl. Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.120.

68 Vgl. Wobst, Wirtschaft in Sachsen, 2008, S.165.

69 Vgl. Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.118.

70 Vgl. Karlsch / Schäfer, Wirtschaftsgeschichte, 2006, S.9.

71 Föhl / Hamm, Industriegeschichte, 1988, S.135.

72 Vgl. Föhl / Hamm, Industriegeschichte, 1988, S.158.

73 Vgl. Hentschel, Anfänge des Fabrikbaus, 1954, S. 347f.

74 Vgl. Guth / Heß / Krüger, Industriearchitektur in Leipzig, 1989, S.59.

75 Vgl. Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.118f.

76 Vgl. Hentschel, Anfänge des Fabrikbaus, 1954, S. 347f.

77 Sikora, Industriearchitektur, 2010, S.118f.

78 Vgl. Deutsche Bank Research, 2011, S.1ff.

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
Erfolgsfaktoren von Umnutzungskonzepten im Immobilienbestand der Textilbranche
Untertitel
Umnutzung historische Industriearchitektur
Hochschule
Universität Leipzig  (Immobilienmanagement)
Veranstaltung
Bau- & Planungsmanagement; Immobilienwirtschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
103
Katalognummer
V299761
ISBN (eBook)
9783656973317
ISBN (Buch)
9783656973324
Dateigröße
5636 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit enthält 5 Best-Practice Beispiele - Interviews wurden mit den Verantwortlichen geführt, analysiert und ausgewertet. hier geht es um historische Industrieanlagen/historische Bauten. Im Anhang befinden sich weitere Bilder und Graphiken. Die Arbeit beschreibt sehr schön die Geschichte und Entwicklung der Industriearchitektur in Europa v.a. Sachsen. im zweiten Teil beschreibt es 5 bereits umgenutzte Denkmale. Note 1,3, Stand November 2014
Schlagworte
Umnutzung, Industriearchitektur, Industriebrache, Industriedenkmal, Immobilie, Konzeptentwicklung, Erfolgsfaktor, Textilbranche, Sachsen
Arbeit zitieren
Theresa Hayessen (Autor:in), 2014, Erfolgsfaktoren von Umnutzungskonzepten im Immobilienbestand der Textilbranche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299761

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