Hannah Arendt. Vita Activa oder vom tätigen Leben


Praktikumsbericht / -arbeit, 2004

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zu den Einleitenden Bemerkungen

3. Erstes Kapitel – Die Menschliche Bedingtheit
3.1 Vita activa und Condition humaine

4. Viertes Kapitel – Das Herstellen
4.1 Die Dauerhaftigkeit der Welt
4.2 Die Verdinglichung
4.3 Die Rolle des Instrumentalen in der Arbeit
4.4 Die Rolle des Instrumentalen für das Herstellen

5. Sechstes Kapitel – Die Vita activa und die Neuzeit
5.1 Der Beginn der Weltentfremdung
5.2 Die Entdeckung des archimedischen Punkts
5.3 Die kosmische Universalwissenschaft im Unterschied zurNaturwissenschaft
5.4 Der Zweifel des Descartes
5.5 Selbstreflexion und der Verlust des Gemeinsinns
5.6 Die Umstülpung von Theorie und Praxis
5.7 Die Umkehrung innerhalb der Vita activa und der Sieg von Homo faber
5.8 Die Niederlage von Homo faber und der Glückskalkül
5.9 Der Sieg des Animal laborans

6. Schlussbemerkung

7. Anhang

8. Literaturverzeichnis

9. Angaben zum Verfasser

1. Einleitung

Vita Activa bedeutet soviel wie „tätiges Leben“ und ist die der Vita Contemplativa, das „beschauliche Leben“, entgegengesetzte Lebensform.

Schon in der frühen griechischen Literatur gibt es die Idee, dass der Mensch die Wahl hat zwischen einem Leben in politischer Tätigkeit und einem der „Betrachtung“ der Philosophie, der Wissenschaft und der Kunst gewidmeten Leben.

Aristoteles unterscheidet z.B. zwischen drei Lebensweisen. Als erstes benennt er das von Genuss bestimmte Leben, dann die politische Tätigkeit und zuletzt die philosophische Theorie. Die erste dieser Formen bewertet er negativ und die letzte wird am höchsten eingeschätzt[1].

Die Vita Activa und Contemplativa spielen immer wieder eine Rolle in den verschiedenen Philosophierichtungen.

Die politische Philosophie von Hannah Arendt baut auf einer an Aristoteles angelehnten Handlungstheorie auf[2]. In ihrem Werk „Vita Activa oder vom tätigen Leben“ das 1958 erstmals veröffentlicht wurde, geht sie von drei Grundtätigkeiten aus, nämlich der Arbeit, dem Herstellen und dem Handeln. „Was tun wir, wenn wir tätig sind?“[3]. Dieser Frage geht Arendt nach, da sie in Sorge auf die derzeitige Situation der Arbeitsgesellschaft schaut.

Arendt kritisiert die Reduktion des tätigen Lebens auf Arbeit und Konsum. Sie beharrt zudem auf dem Freihalten und der Erweiterung der Öffentlichkeit. „Dem Menschen den notwendigen Raum für die Politik, das heißt für das freie Handeln offen zu halten, dies war das wesentliche Ziel von Hannah Arendts politischer Theorie“ konstatiert Kurt Sontheimer[4].

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Einleitung, dem ersten Teil des ersten Kapitels und den Kapiteln Vier und Sechs der Vita Activa von Hannah Arendt. Als Textgrundlage dienen der Reader aus dem Proseminar „Technik und Kultur“, sowie das Buch „Vita Activa“ aus dem Piper Verlag. Als Grundlage für diese Arbeit dient das Referat aus dem Proseminar.

2. Zu den Einleitenden Bemerkungen

In den Einleitenden Bemerkungen werden die zentralen Themen und Bemerkungen geklärt.

„Die Menschen, die Welt, die Erde und das All – davon ist in diesem Buch ausdrücklich nicht die Rede.“[5] Es geht vielmehr um die Beziehung zwischen Mensch und Welt. Einer der zentralen Begriffe ist Entfremdung – das heißt die „Menschen, der Erde müde, (haben) sich auf die Suche nach neuen Wohnplätzen im Universum begeben“[6]. Dies weißt schon auf den ersten Widerspruch hin, der sich ergibt. Der Mensch ist abhängig vom Lebensraum Erde und der Natur und trotzdem errichtet er sich eine künstliche Welt. Der Mensch will sich von seiner natürlichen Lebenswelt distanzieren. Dies will er durch die Wissenschaft erreichen – einem weiteren zentralen Begriff – „(d)enn die Wissenschaft hat nur verwirklicht, was Menschen geträumt haben“[7]. Bei der Erschaffung der künstlichen Welt handelt es sich nämlich nicht um den Wunsch einzelner Menschen, sondern um eine „Allerweltsvorstellung(…)“[8] wie Arendt feststellt, und auch kein rein neuzeitliches Phänomen. Allerdings begann der Mensch erst seit der Neuzeit die entsprechenden technischen Mittel zu entwickeln, die eine moderne, zukunftsorientierte Wissenschaft ermöglichen würden. Deshalb bezieht sich Hannah Arendts Argumentation auch vorwiegend auf die Neuzeit. Die Neuzeit setzt bei ihr, was die wissenschaftliche Entwicklung angeht, mit dem 17. Jahrhundert ein und endet bereits um die Jahrhundertwende. Im politischen Sinne endet sie allerdings mit der ersten atomaren Explosion auf der Erde. Die so genannte „moderne Welt“[9] bleibt bei Arendts Überlegungen außen vor.

Mit dem technischen und wissenschaftlichen Fortschritt ergeben sich aber auch Probleme.

Es besteht nicht nur die Gefahr eines unmenschlichen Einsatzes der Technik als Waffen und der eventuellen Selbstüberschätzung der Wissenschaft in Bezug auf die Schaffung eines künstlichen – perfekten Menschen. Das Problem besteht in der Erfassung der Neuerungen durch unseren Verstand. Sie lassen sich zwar logisch und mathematisch beweisen, aber es bereitet Probleme sie sprachlich und bildhaft zu erfassen. Es scheint, „dass es für erdgebundene Wesen, die handeln, als seien sie im Weltall beheimatet, auf immer unmöglich ist, die Dinge, die sie solcherweise tun, auch zu verstehen, d.h. denkend über sie zu sprechen“[10]. Scheinbar bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, „als nun auch Maschinen zu ersinnen, die uns das Denken und Sprechen abnehmen“[11]. Womit auf ein weiteres wichtiges Thema hingewiesen wird, die Maschinen und die damit verbundene Automation. In der Zukunft, so Arendt, wird wohl kein Mensch mehr in einer Fabrik tätig sein. Die Menschen werden sich „der uralten Bande, die sie unmittelbar an die Natur ketten“, entledigen, „der Last der Arbeit und des Jochs der Notwendigkeit“[12]. Allerdings hat sich die Gesellschaft zu einer Arbeitsgesellschaft entwickelt – also zum Gegenteil des eigentlichen Wunsches „nach dem leichten, von Mühe und Arbeit befreiten, göttergleichen Leben(s)“[13]. Selbst das Denken wird als Arbeit postuliert. „Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?“[14]. Die Menschen streben nach einem Leben ohne Arbeit, obwohl sie in einer Gesellschaft existieren, die Arbeit als einzige Lebensform ansieht. Dies drückt wieder den Widerspruch zwischen den Bedingungen der menschlichen Existenz, der Existenz in einer Gesellschaft und der Rebellion des Menschen gegen diese Abhängigkeiten aus.

Hannah Arendt will und kann in diesem Buch keine Lösungen und Antworten auf all diese Probleme und Fragen geben. Sie drückt es wie folgt aus:

„Was ich daher im Folgenden vorschlage, ist eine Art Besinnung auf die Bedingungen, unter denen, soviel wir wissen, Menschen bisher gelebt haben, und diese Besinnung ist geleitet, (…), von den Erfahrungen und den Sorgen der gegenwärtigen Situation. Solch eine Besinnung verbleibt natürlich im Bereich des Denkens und Nachdenkens, und praktisch gesprochen vermag sie nichts, als zu weiterer Besinnung anregen – was immerhin vielleicht nicht nichts ist (…). Wie immer es damit bestellt ist, was ich vorschlage, ist etwas sehr Einfaches, es geht mir um nichts mehr, als dem nachzudenken, was wir eigentlich tun, wenn wir tätig sind.“[15]

Sie beschreibt ihr Grundanliegen ihrer „Vita Activa“. Arendt erläutert nur die grundlegendsten Gliederungen in die man das Tätigsein zerlegen kann, also diejenigen, „die der Überlieferung wie unserer eigenen Meinung zufolge offenbar innerhalb des Erfahrungshorizonts jedes Menschen liegen sollte“[16]. Die Tätigkeit des Denkens wird aus diesem und anderen, teilweise später erläuterten Gründen, aus der Analyse dieses Buches ausgegrenzt.

Somit ergeben sich folgende Analyseschwerpunkte – die Arbeit, das Herstellen und das Handeln. Das letzte Kapitel der Vita Activa geht darauf ein, die drei Tätigkeiten in der Neuzeit zueinander in Bezug zu setzen.

3. Erstes Kapitel – Die Menschliche Bedingtheit

3.1 Vita activa und Condition humaine

Vita activa, das tätige Leben, umfasst die drei Grundtätigkeiten des menschlichen Lebens – das Arbeiten, das Herstellen und das Handeln. Sie werden als Grundtätigkeiten definiert, da sie je einer Grundbedingung des menschlichen Daseins entsprechen.

Die Grundbedingung des Arbeitens stellt das Leben selbst dar. Die Arbeit ist vergleichbar mit dem biologischen Prozess im menschlichen Körper, „der in seinem spontanen Wachstum, Stoffwechsel und Verfall sich von Naturdingen nährt, welche die Arbeit erzeugt und zubereitet, um sie als die Lebensnotwendigkeiten dem lebendigen Organismus zuzuführen“[17]. Die Arbeit sichert sozusagen das Überleben des Menschen, wird aber wiederum erst durch das Leben ermöglicht. Arbeit und Leben bilden einen Kreislauf. Die Arbeit richtet sich gegen die Mortalität des Menschen. Als Arbeitendes Wesen bezeichnet Arendt das Animal laborans. Dies kann man mit arbeitendes Tier übersetzen. Das Arbeiten unterscheidet den Menschen nicht vom Tier. Auch das Tier „arbeitet“ um sich das Überleben zu sichern. Es geht nur um die körperlichen Bedürfnisse – das „Animalische“. Das Animal laborans kann man als unterste Stufe der drei Grundtätigkeiten definieren.

Das Herstellen beschreibt die Abhängigkeit des Menschen von Dinglichkeit und Objektivität. Herstellen ist der Ausdruck der Weltlichkeit des Menschen. „Im Herstellen manifestiert sich das Widernatürliche eines von der Natur abhängigen Wesens“[18]. Der Mensch erschafft sich eine künstliche Welt, um der Natur etwas Dauerhaftes, Unvergängliches entgegenzusetzen. Er will seiner Sterblichkeit entfliehen. Das Herstellen dient im Gegensatz zum Arbeiten nicht dem Überleben, sondern soll ihn sozusagen „unsterblich“ machen. Hierin versucht sich der Mensch der Natur zu widersetzen, die sich durch Mortalität auszeichnet. Das herstellende Wesen tituliert Arendt als Homo faber. Hier ist im Gegensatz zum Arbeiten nicht mehr vom Tier die Rede, sondern vom Menschen. Der Unterschied zwischen arbeitendem Tier und herstellendem Menschen liegt darin, dass die vom Menschen hergestellten Dinge „eine künstliche Welt von Dingen (produzieren), die sich den Naturdingen nicht einfach zugesellen, sondern sich von ihnen dadurch unterscheiden, dass sie der Natur bis zu einem gewissen Grade widerstehen und von den lebendigen Prozessen nicht einfach zerrieben werden“[19].

Das Handeln stellt die dritte menschliche Grundtätigkeit dar. Die Bedingung für das Handeln ist die Pluralität, das heißt es müssen mehrere verschiedene Lebewesen vorhanden sein die untereinander agieren – Pluralität als Individualität. Darum ist Handeln möglich und notwendig. Das Individuum in der Gesellschaft ist das handelnde Wesen. „Das Handeln ist die einzige Tätigkeit der Vita activa, die sich ohne die Vermittlung von Materie, Material und Dingen direkt zwischen Menschen abspielt“[20]. Das Handeln bedarf keiner Werkstoffe um ausgeführt zu werden. Hierbei geht es nicht darum etwas zu erschaffen, jedenfalls nicht im Sinne von etwas „Handfestem“, Anschaubarem. Es geht einzig und allein um die Interaktion zwischen verschiedenen Menschen.

Schließlich lässt sich feststellen, dass die gesamte menschliche Existenz sich immer zwischen Natalität und Mortalität abspielt und Arbeiten, Herstellen und Handeln auch in diesem Bereich zu finden sind. Sie dienen dem Kampf gegen die Sterblichkeit, sollen den Tod verzögern und dem flüchtigen menschlichen Leben etwas Dauerhaftes verleihen. Die Grundtätigkeiten sorgen aber gleichzeitig für neue Generationen. Jede Geburt stellt einen Neubeginn dar. Jeder Neuankömmling kann einen Neuanfang setzen. „Was die Mortalität anlangt, so sichert die Arbeit das Am-Leben-Bleiben des Individuums und das Weiterleben der Gattung; das Herstellen errichtet eine künstliche Welt, die von der Sterblichkeit der sie Bewohnenden in gewissem Maße unabhängig ist und so ihrem flüchtigen Dasein so etwas wie Bestand und Dauer entgegenhält; das Handeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für Kontinuität der Generationen, für Erinnerung und somit für Geschichte“[21]. Die Tätigkeiten orientieren sich aber ebenso an der Natalität. Sie sorgen auch alle für die Zukunft bzw. dafür, „dass das Leben und die Welt dem ständigen Zufluss von Neuankömmlingen, die als Fremdlinge in sie hineingeboren werden, gewachsen und auf ihn vorbereitet bleibt“[22]. Allerdings ist das Handeln enger an die Natalität gebunden als die anderen beiden Tätigkeiten. Jeder Neuanfang ist die Grundlage für das Handeln, da die Fähigkeit selbst einen neuen Anfang zu machen die einzige Möglichkeit für den Menschen ist, selbst Geltung in der Welt zu erlangen.

Herstellen und Handeln stehen in enger Verbindung. Beide haben als Vorraussetzung die menschliche Existenz. Die Verbindung zwischen den beiden lässt sich z.B. auch an der Errichtung der Dingwelt, also der künstlichen Welt festmachen. Für das Handeln müssen mehrere verschiedene Menschen vorhanden sein. Beim Herstellen geht es darum der Mortalität durch etwas Dauerhaftes zu entfliehen. Allerdings – ist Pluralität nicht auch eine Vorraussetzung um Mortalität und Vergänglichkeit zu erkennen? Man kann doch nur die eigene Vergänglichkeit annehmen, wenn man diese bei anderen Menschen beobachtet hat.

Neben den „naturgegebenen“ Grundbedingungen gibt es noch die vom Menschen selbst geschaffenen Bedingungen seiner Existenz. Alles, was der Mensch anfasst, verwandelt sich zur Bedingung seiner Existenz. Die vom Menschen geschaffenen Gegenstände erhalten ihre Bedeutung erst durch den Menschen. „Die Welt, in der die Vita activa sich bewegt, besteht im Wesentlichen aus Dingen, die Gebilde von Menschenhand sind; und diese Dinge, die ohne den Menschen nie entstanden wären, sind wiederum Bedingung menschlicher Existenz“[23]. Die von den Menschen geschaffenen Bedingungen besitzen aber die gleiche Kraft auf den Menschen, wie die Naturgegebenen. „Die Objektivität der Welt – ihr Objekt- und Ding-Charakter – und die menschliche Bedingtheit ergänzen einander und sind aufeinander eingespielt; weil menschliche Existenz bedingt ist, bedarf sie der Dinge, und die Dinge wären ein Haufen zusammenhangloser Gegenstände, eine Nicht-Welt, wenn nicht jedes Ding für sich und alle zusammen menschliche Existenz bedingen würden“[24].

[...]


[1] www.lateinforum.de

[2] dtv-Atlas Philosophie

[3] Arendt Z u diesem Buch

[4] www.philo-forum.de

[5] Reader S. 7

[6] ebd.

[7] Reader S. 8

[8] ebd.

[9] Reader S. 12

[10] Reader S.10

[11] ebd.

[12] Reader S. 11

[13] ebd.

[14] Reader S. 12

[15] Reader S. 12

[16] ebd.

[17] Reader S. 14

[18] ebd.

[19] Reader S. 14

[20] ebd.

[21] Reader S. 15

[22] Reader S. 15

[23] Reader S. 16

[24] ebd.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Hannah Arendt. Vita Activa oder vom tätigen Leben
Hochschule
Universität Stuttgart
Veranstaltung
Proseminar Technik und Kultur
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V29927
ISBN (eBook)
9783638313223
ISBN (Buch)
9783638650502
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hannah, Arendt, Vita, Activa, Leben, Proseminar, Technik, Kultur
Arbeit zitieren
Marie-Christin Pollak (Autor:in), 2004, Hannah Arendt. Vita Activa oder vom tätigen Leben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29927

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