TTIP. Das Transatlantische Freihandelsabkommen als Gefahr für die europäische Kultur?


Seminararbeit, 2014

13 Seiten, Note: 1,3

Simon Valentin (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Transatlantische Freihandelsabkommen
2.1.Grundlagen und Zielsetzung
2.2.Eckpunkte des Abkommens
2.3.Erwartungen

3. Einflüsse auf die Kulturpolitik in Europa
3.1.UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt
3.2 Mögliche Konfliktpunkte, Widersprüche
3.3 Konkrete Auswirkungen

4. Abschließende Betrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wirtschaftspolitik ist normalerweise nicht der Stoff aus dem große Schlagzeilen und öffentliche Debatten entstehen, und doch beherrscht dieses Jahr das Kürzel TTIP wie kaum ein wirtschaftspolitisches Thema zuvor die öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland.

Seit Monaten berichten die deutschen Medien, ungewohnt geschlossen, überwiegend kritisch über das geplante Freihandelsabkommen und unzählige Horrorszenarien werden entworfen. Eine unüberschaubare Anzahl an NGOs und Bürgerinitiativen engagiert sich und kämpft gegen die Verhandlung und Einsetzung des Abkommens, organisiert Kundgebungen und riesige Unterschriftenaktionen, während auf der anderen Seite von Seiten der Regierung, deutlich unkritischer, stets die Vorteile betont werden. Selten war ein Abkommen, das es noch nicht einmal gibt, so umstritten.

Es wäre nicht das erste Freihandelsabkommen der Welt, es wäre auch nicht das erste Freihandelsabkommen, das Europa mit anderen Partnern schließt. Bereits über fünfzig solcher Abkommen, bei denen die EU involviert ist, existieren, und doch ist es diesmal ein ganz besonderes Abkommen, da es zwischen den beiden großen Wirtschaftsräumen USA und Europa gelten würde. Was hier gilt hat größten Einfluss auf das weltweite Wirtschaftsgeschehen und den Weg der Fortentwicklung unserer globalisierten Welt.

Es ist also durchaus von Nöten, die Chancen und Risiken eines solchen Großprojektes genau zu untersuchen und jeder, vor allem aber die Bevölkerung der USA und Europa, sollte sich damit auseinandersetzen, da es sich hierbei nicht nur um die Neuordnung von wirtschaftspolitischen Kleinigkeiten handelt, sondern um Grundsatzentscheidungen zur Rolle der Wirtschaft in der Gesellschaft und wie diese das Leben jedes Einzelnen beeinflussen kann und wird.

Es geht hier um Grundsatzentscheidungen, die unter anderem auch das Verhältnis der Wirtschaft zur Kultur verändern und damit die Rolle der Kultur in unserer Gesellschaft neu definieren können. Nicht zuletzt aufgrund dieses Aspekts steht das geplante Freihandelsabkommen in der Kritik und viele Kulturschaffende sehen es als eine Bedrohung. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem geplanten Freihandelsabkommen, mit Hilfe der zum heutigen Zeitpunkt vorhandenen Informationen, mit dem Schwerpunkt auf die möglichen Auswirkungen in Bezug auf die Kultur, zu wagen, ist Ziel dieser Seminararbeit.

2. Das Transatlantische Freihandelsabkommen

2.1.Grundlagen und Zielsetzung

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, englisch Transatlantic Trade and Investment Partnership oder kurz TTIP, bezeichnet ein in der Verhandlungsphase befindliches Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Zusammen umfassen die Mitglieder 800 Millionen Menschen, ein Drittel des globalen Waren- und Dienstleistungshandels1 und 50 Prozent der Weltproduktion.2

Ohne auf die Geschichte von Handelsabkommen, deren historische Bedeutung und die jeweilige Vor- oder Nachteilhaftigkeit einzugehen3, ist festzustellen, dass vor allem internationale Konzerne seit Jahren auf ein derartiges Abkommen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten drängen,4 dessen Zweck primär sein soll, Handelshemmnisse abzubauen und Regulierungen, Standards und Gesetze in allen Bereichen der Wirtschaft anzugleichen, um somit einen einfacheren Austausch und Handel zu ermöglichen.

Seit Juli 2013 werden die konkreten Vertragsbedingeungen des TTIP von Vertretern der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten erarbeitet. Die Verhandlungen sind geheim, selbst die Parlamente der zukünftigen Mitgliedstaaten des Abkommens, wie zum Beispiel das EU-Parlament, erhalten so gut wie keinen Einblick in die laufende Arbeit, offiziell aus dem Grund, die jeweils eigene Verhandlungsposition nicht schwächen zu wollen.5 Ein großer Teil der Informationen über das Abkommen, auf die sich auch die Berichterstattung in den Medien stützt, sind unauthorisierte, geleakte, interne Positionspapiere, die im Internet veröffentlicht wurden.

Vorraussichtlich bis Ende 2015 soll der Vertragsentwurf fertig vorliegen.6

Da sich diese Seminararbeit auf die möglichen Gefahren eines Freihandelsabkommens zwischen den USA und Europa für die Kultur konzentrieren soll, werden im Folgenden nur die Eckpunkte des geplanten Abkommens grob dargestellt. Zumal es für eine detailierte Beurteilung in vielen Bereichen schlicht an verlässlichen Informationen mangelt.

2.2.Eckpunkte des Abkommens

Grundsätzlich zielt das Abkommen auf eine möglichst umfassende Erweiterung von Marktzugang ab. Da die Zölle und Abgaben zwischen den Vertragspartnern schon jetzt nur eine geringe Rolle als Handelshindernisse spielen, sollen sie zwar nun möglichst vollständig abgebaut werden, der Fokus liegt aber viel mehr auf dem Abbau von sogenannten nichttarifären Handelshemmnissen.7 Diese sind protektionistische Maßnahmen, wie zum Beispiel Import- oder Exportbeschränkungen, Richtlinien, dass ein bestimmer Anteil der Wertschöpfungskette aus dem Inland stammen muss, oder eben technische Normen und Standards, wie die DIN-Normen, sowie Umweltauflagen und Sicherheitsbestimmungen.

Konkret bedeutet dies eine Reihe von wahrscheinlichen oder möglichen Übereinkünften:

Öffentliche Aufrtäge sollen mit Inkrafttreten des Abkommens im gesamten Wirtschaftsraum auszuschreiben sein. Eine lettische Firma wäre dann einer amerikanischen gleichberechtigt, mit gleichen einklagbaren Chancen, wenn es um den Bau einer neuen Brücke in Los Angeles ginge.

Weiter sollen Industriestandards, aber auch Standards für Handel, Gewerbe und Finanzdienstleistungen vereinheitlicht werden. Dies wird von Seiten der Industrie als größter gesamtwirtschaftlicher Vorteil von TTIP gesehen, könne dadurch doch doppelte Zulassungen und Prüfungen abgeschafft werden. Allerdings scheint es fraglich, ob die US-Regierung bereit ist, Eingriffe in ihre nationale Souveränität zuzulassen. Wenn es hier jedoch zu einer Einigung käme, hätten diese neuen Standards große Auswirkungen auf die weltweite wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung.

Auch Lebensmittelgesetze und Gesundheitsstandards könnten angeglichen werden, was einer der Hauptkritikpunkte europäischer TTIP-Gegner ist. In diesem Bereich klaffen die Regulierungen in Europa und in den USA sehr weit auseinander und gerade die Haltung gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln ist diametral verschieden. Auch wenn die Europäische Kommission erklärt hat, über den Marktzugang von gentechnisch veränderten oder mit Chlor desinfizierten Lebensmitteln nicht zu verhandeln,8 so befürchten doch viele eine Aufweichung europäischer Regelungen und eine Einigung auf dem jeweils niedrigeren Standard.

Ähnlich verhält es sich mit den bereits erwähnten Umweltstandards. Paradebeispiel ist hier die Erdöl- oder Erdgasfördermethode Fracking, welche in den USA gerade einen regelrechten Boom erlebt, in der EU ob der großen Umweltgefahren im Moment aber noch komplett verboten ist. Auch wenn es offiziell heißt, die Umweltstandards stehen nicht zu Debatte, so wird doch wohl in nicht-öffentlichen Verhandlungen darüber gesprochen.9

Es ist aber nicht ausschließlich die USA, die auf eine Auflockerung von Beschränkungen drängt. Die europäischen Staaten, besonders Großbritannien und Deutschland, erhoffen sich für ihre Banken eine Deregulierung des amerikanischen Finanzsektors in Form einer Rücknahme der strengeren Regeln des Dodd-Frank Act, den die USA nach der Finanzkrise im Jahr 2007 durchgesetzt hatte.10

Ein letzter heftig umstrittener Eckpunkt sind die mit dem Schlagwort Investitionsschutz begründeten Schiedsgerichtsverfahren (Investor-State Dispute Settlement (ISDS)), die Konzernen die Möglichkeit bieten, außerhalb der ordentlichen Gerichte, Staaten auf Schadenserstatz zu verklagen, wenn durch staatliche Eingriffe, wie zum Beispiel Umweltauflagen oder ein Moratorium für Fracking Gewinnerwartungen geschmälert werden. Die Bürger der jeweiligen Staaten hätten dann die zeche zu bezahlen. Diese Verfahren können eine langfristige Gefahr für die demokratische Ordnung darstellen, da sie außerhalb der Rechtsstaatlichkeit agieren und großen Konzernen im Interesse des Investitionsschutzes direkten Einfluss auf Politikentscheidungen ermöglichen.11

2.3.Erwartungen

Die Absicht, Handelshemmnisse abzubauen und Standards anzupassen und so einen einfacheren Handel zwischen den unterzeichnenden Staaten zu ermöglichen, zielt stets darauf ab, mit diesen Maßnahmen und Synergieeffekten das Wirtschaftswachstum in allen Staaten anzukurbeln.

Über den tatsächlichen Effekt, den ein Abkommen in der wahrscheinlichen Form haben wird, herrscht größte Uneinigkeit. Auf der einen Seite stehen die Zahlen von Studien, wie die des ifo-Instituts, auf die sich auch die Bundesregierung beruft. Demnach könnten in der EU rund 400000 neue Arbeitsplätze entstehen, 110000 davon allein in Deutschland, und das reale Einkommen pro Kopf könnte in der EU um rund 4,7%, in den USA sogar um 13,4% steigen.12 Eine Studie des Center for Economic Policy Research in London kommt zum Ergebnis, „in der EU wäre mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5% zu rechnen, in den USA würde es 0,4% betragen.“ 13

Auf der andern Seite stehen die Kritiker, die dem Abkommen kaum messbare gesamtwirtschaftliche Effekte attestieren. Wenn man bedenkt, dass die Zahlen der genannten Studien, wenn sie denn eintreffen, für den Zeitraum gelten, bis das Abkommen vollständig umgesetzt ist, womit im Jahre 2027 zu rechnen ist, so erscheinen die prognostizierten Werte, verteilt auf einen Zeitraum von 13 Jahren, deutlich weniger eindrucksvoll.

Selbst wenn man von einem tatsächlich positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum ausgeht, und nicht die Gewinne des einen die Verluste eines anderen Staates sind, so stellen sich immer noch zwei Fragen: Erstens, wem kommt das entstehende Wirtschaftswachstum zu Gute? Profitiert wirklich die Bevölkerung davon, steigt der Wohlstand aller, oder profitieren nur einige Wenige, wie viele Kritiker argumentieren?

Und zweitens ist da die Frage der Angemessenheit. Für welchen Preis erkauft man sich das entstehende Wachstum? Was opfert die Gesellschaft dafür in anderen Bereichen, wie zum Beispiel dem kulturellen, was speziell im nächsten Kapitel genauer betrachtet werden soll, um an diesem wirtschaftlichen Wachstumseffekt teilzuhaben? Und schließlich: Lohnt sich dieser Austausch?

[...]


1 Vgl. KLIMENTA, Harald (2014): Die Freihandelsfalle, S.7.

2 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg) (2013): Neue Chancen für Verbraucher und Unternehmen – Zehn gute Gründe für ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA, S. 11.

3 Siehe dazu: HERRMANN, Ulrike (2014): Freihandel – Projekt der Mächtigen, S. 7ff und DATTA, Asit (1993): Welthandel und Welthunger, S. 188ff.

4 Vgl. GLITZ, Andrea (2014): Freihandelsabkommen - Von gelegten und ungelegten Eiern, in: Reutlinger General-Anzeiger vom 23.08.2014, S. 9.

5 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hg) (2014): Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA – Fakten und Informationen, häufig gestellte Fragen und Antworten, S. 19.

6 Vgl. GLITZ, Andrea (2014): Freihandelsabkommen - Von gelegten und ungelegten Eiern, in: Reutlinger General-Anzeiger vom 23.08.2014, S. 9.

7 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg) (2013): Neue Chancen für Verbraucher und Unternehmen – Zehn gute Gründe für ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA, S.10.

8 Vgl. European Commission (Hg) (2014): EU-US-Handelsabkommen: Hier sind die Fakten, http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/december/tradoc_152030.pdf (04.09.2014).

9 Vgl. FRITZ, Thomas (2014): TTIP: Kapitulation vor den Konzernen, S. 30ff.

10 Vgl. HILARY, John (2014): Das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen – Freibrief zur Deregulierung, Angriff auf Arbeitsplätze, Ende der Demokratie, S. 26.

11 Vgl. HERRMANN, Ulrike (2014): Freihandel – Projekt der Mächtigen, S. 19ff.

12 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg) (2013): Neue Chancen für Verbraucher und Unternehmen – Zehn gute Gründe für ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA, S.19.

13 HERRMANN, Ulrike (2014): Freihandel – Projekt der Mächtigen, S. 13.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
TTIP. Das Transatlantische Freihandelsabkommen als Gefahr für die europäische Kultur?
Hochschule
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)  (ZAK | Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft)
Veranstaltung
Das Europa der Kulturen – Einführung in die europäische Kulturpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
13
Katalognummer
V299243
ISBN (eBook)
9783656955047
ISBN (Buch)
9783656955054
Dateigröße
609 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
TTIP, Kulturpolitik, Kulturförderung, Kulturelle Vielfalt, Transatlantic Trade and Investment Partnership
Arbeit zitieren
Simon Valentin (Autor:in), 2014, TTIP. Das Transatlantische Freihandelsabkommen als Gefahr für die europäische Kultur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299243

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