Medizin im Nationalsozialismus


Seminararbeit, 2004

21 Seiten, Note: 1-2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Die Geschichte der deutschen Medizin bis 1933

2 Eugenik – eine kurze Einführung

3 Die Rolle der Ärzte im „Dritten Reich“

4 Das Studium der Medizin

5 Das Schicksal jüdischer Ärzte

6 Das Schicksal jüdischer Medizinstudenten

7 Opposition und Widerstand in der Ärzteschaft und bei den Medizinstudenten

8 Zwei Ärztekarrieren

Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

„Ich werde niemandem, nicht einmal auf ausdrückliches Verlangen, ein tödliches Medikament geben, und ich werde auch keinen entsprechenden Rat erteilen; ebenso werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel aushändigen. (...)

In wie viele Häuser ich auch kommen werde, zum Nutzen der Kranken will ich eintreten und mich von jedem vorsätzlichen Unrecht und jeder anderen Sittenlosigkeit fernhalten, auch von sexuellen Handlungen mit Frauen und Männern, sowohl Freien als auch Sklaven.“

Auszug aus dem Hippokratischen Eid

(Quelle: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerhip.htm; vom 16.06.2004)

„Ratten, Wanzen und Flöhe sind auch Naturerscheinungen, ebenso wie die Zigeuner und Juden. Sie sind daher gleichfalls gottgewollte Wesen, aber man kann sie ebenso wenig durch rücksichtsvolle Behandlung bessern oder beim Zusammenleben von uns fernhalten wie entartete Asoziale und unnormale ichsüchtige, kriminell-hemmungslose Menschen. Alles Leben ist Kampf. Wir müssen daher alle diese Schädlinge biologisch allmählich ausmerzen.“

K. Hannemann, Arzt: Willensfreiheit oder Erbschicksal? In: „Ziel und Weg“ (Organ des NS-Ärztebundes). Zitiert in: Bastian, Furchtbare Ärzte, S. 36

Diese beiden Zitate verdeutlichen die Problematik, mit der sich diese Arbeit beschäftigt. Der Beruf des Arztes war (wie es der Auszug aus dem Hippokratischen Eid zeigt) von jeher ein Heilberuf. Der Arzt sollte seinem Patienten kein Leid zufügen, sein Vertrauen nicht missbrauchen und er sollte immer zum Wohle des Patienten und der Gesellschaft allgemein arbeiten. Dies ist auch das Bild, das wir auch heute noch vom idealen Arzt haben. Der Beruf des Mediziners war schon immer ein sehr geachteter, dies ist bis heute noch so. Die Begriffe „Halbgott in Weiß“ oder „Onkel Doktor“ zeigen uns einerseits den Respekt und andererseits das Vertrauen, das man gemeinhin dem ärztlichen Beruf entgegenbringt. Wie es diese Arbeit allerdings zeigt, ist dieses weitläufige Bild des ärztlichen Berufes in der Geschichte nicht immer richtig gewesen. Kann man noch von einem „Halbgott in Weiß“ sprechen, wenn dieser seine Fähigkeiten und sein Wissen zum Töten aus ideologischen Gründen verwendet? Kann das Kind den Arzt noch vertrauensvoll „Onkel Doktor“ nennen, wenn dieser das ihm entgegengebrachte Vertrauen rücksichtslos missbraucht?

Sicherlich ist das Bild vom „Halbgott in Weiß“ auch heute nicht richtig, denn auch Ärzte sind nur Menschen (der Verfasser dieser Arbeit kann dies durch seine dreijährige Tätigkeit im Klinikum Aschaffenburg im Rahmen einer Krankenpflegeausbildung bezeugen). Dies rechtfertigt allerdings keineswegs die Verbrechen, die in der Geschichte von Ärzten begangen wurden. Denn gerade nach rein menschlichen Maßstäben sind diese von Medizinern begangene Taten untragbar und in ihrem Ausmaß schier unerträglich.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Rolle der Mediziner in einem der dunkelsten Kapitel des vergangenen Jahrhunderts. Wie kam es dazu, dass die Kunst des Heilens dermaßen „entarten“ konnte? Um diese Frage näher zu beleuchten, wenden wir uns zunächst einer kurzen Geschichte der deutschen Medizin bis 1933 und der Begrifflichkeit der „Eugenik“ zu. Danach beschäftigen wir uns mit der Frage, welche Rolle die Mediziner im sog. „Dritten Reich“ spielten. Die anschließende Betrachtung des Medizinstudiums zeigt die Entwicklung der medizinischen Lehre an den Universitäten während der Herrschaft der Nationalsozialisten. In diesem Zusammenhang wird auch das Schicksal jüdischer Ärzte und Medizinstudenten kurz beleuchtet. Im Anschluss wird schließlich der Frage nachgegangen, inwieweit es Widerstand gegen das Unrechtsregime und den Gräueltaten der Nationalsozialisten unter der Ärzteschaft und den Medizinstudenten gab. Abschließend befassen wir uns mit zwei Ärztekarrieren. Werfen wir jedoch als erstes einen Blick auf die Geschichte der deutschen Medizin vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten.

1 Die Geschichte der deutschen Medizin bis 1933

Die Institutionalisierung der Medizin begann bereits im 16. und 17. Jahrhundert mit dem Kampf gegen die Pest. Man versuchte dieser Krankheit durch öffentliche Maßnahmen (Hygienemaßnahmen, Quarantäne)[1] Herr zu werden, „Gesundheit und Krankheit (...) wurden zu einer öffentlichen Angelegenheit[2] “. Durch diese Entwicklung geriet die Medizin immer mehr in den Einfluss der Obrigkeit.

Im 19. Jahrhundert verbreiteten sich immer stärker die Theorien des Sozialdarwinismus und der Eugenik. In der folgenden Zeit bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges radikalisierten sich die Schriften zu dieser Thematik[3].

Der 1. Weltkrieg war der ideale Nährboden für die zunehmende Radikalisierung der Medizin. Der Dienst an der Front bot vielen Ärzten (von denen der größte Teil „deutschnational gesinnt“ war und den Krieg begrüßte[4] ) die Gelegenheit, ihre unmenschlichen Praktiken an kriegstraumatisierten Soldaten auszuüben. So wurden diese sogenannten „Kriegszitterer“ einer Elektroschock“therapie“ (der sog. Kaufmann-Kur) unterzogen, um die Soldaten wieder zum Kriegsdienst zu zwingen[5]. Diese Methode fand erst im Dezember 1917 ihr Ende, als das Kriegsministerium diese Praktiken wegen mehreren Todesfällen verbot. Neben der Kaufmann-Kur gab es jedoch noch andere Möglichkeiten, kriegstraumatisierte Soldaten zur Rückkehr an die Front zu zwingen. So wurden kalte Duschen, Nahrungsentzug, Brechmittel und andere Methoden angewandt[6]. Zweck dieser Maßnahmen war es, den Soldaten den Aufenthalt im Lazarett so unangenehm wie nur möglich zu machen, um sie möglichst rasch wieder zum Einsatz zu zwingen.

Nach dem 1. Weltkrieg radikalisierten sich die Schriften der Eugeniker immer weiter. Ein wichtiger Grund für diese Radikalisierung war die Wirtschaftskrise, die die öffentlichen Haushalte stark überspannte. So tauchte die Frage auf, wie Kosten – auch im Gesundheitswesen – reduziert werden könnten. 1920 erschien die Schrift mit dem vielsagenden Titel „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ von Binding und Hoche. Die beiden Autoren sprechen in ihrem Buch von „Ballastexistenzen“ und von der Abstoßung „wertlos gewordener oder schädlicher Teile“[7]. Ein weiterer Grund war die Diskussion, in der den alliierten Siegermächten vorgeworfen wurde, einen „Rassenkampf“ gegen Deutschland zu führen[8].

In der Spätphase der Weimarer Republik sympathisierten viele Ärzte mit dem nationalsozialistischen Gedankengut. So wurde der Nationalsozialistische Deutsche Ärztebund bereits in 1929 gegründet. Die Mitgliederzahl stieg von anfangs 50 auf 11.000 in 1933 an. Ein großer Teil der Ärzteschaft begrüßte die nationalsozialistische „Machtergreifung“ im Januar 1933[9]. 45 % aller Ärzte traten nach 1933 in die NSDAP ein, 7,3 % in die SS[10]. Aber auch die Ärzte, die nicht direkt etwas mit den Nationalsozialisten zu tun hatten, wollten eine Wiederherstellung des Kaiserreiches, hatten eine konservative Einstellung und lehnten die Weimarer Republik ab.

2 Eugenik – eine kurze Einführung

„Eugenik = Verhinderung der Ausbreitung ungünstiger Erbanlagen“[11].

Der Begriff „Eugenik“ (von gr. eugenes = wohlgeboren) entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts und wurde vom britischen Anthropologen Francis Galton geprägt[12]. Ziel der Eugenik war, ungünstige Erbanlagen aus dem Genpool der Bevölkerung auszutilgen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen positiver und negativer Eugenik. Die positive Eugenik sollte ihr Ziel durch die geeignete Wahl des Ehepartners erreichen (also Förderung der „guten“ Gene). Dies sollte durch eine entsprechende Aufklärung der Bevölkerung geschehen[13]. Die negative Eugenik dagegen setzte auf Zwangsmaßnahmen wie Zwangssterilisationen oder, als besonders pervertierte Variante, die Ermordung der Träger „unerwünschter Gene“ (also Auslese der „schlechten Gene“). Übrigens wurde die Eugenik nicht in Deutschland zuerst in die Tat umgesetzt, auch in anderen Ländern gab es Bestrebungen, Erbkrankheiten durch Sterilisationen auszurotten. In Norwegen gab es Anfang der 30er Jahre bereits einen Gesetzentwurf eines „Sterilisationsgesetzes“, der eine Sterilisation erbkranker Menschen vorsah (jedoch mit Einwilligung des Betroffenen oder des Vormundes)[14]. In den USA war man bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts einen Schritt weiter, so wurden zum Beispiel in 1907 in Indiana ca. 60.000 erbkranke Menschen zwangssterilisiert[15].

Wie schon oben erwähnt, wurden die Maßnahmen der positiven und negativen Eugenik in Deutschland bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten heiß diskutiert. Die Autoren der Schriften waren sich in einem Punkt größtenteils einig und zwar dass Sterilisationen erbkranker Menschen notwendig sei[16]. Uneinigkeit herrschte darüber, ob dies freiwillig oder zwangsweise geschehen soll. Die gerade an die Macht gekommene nationalsozialistische Regierung entschied diese Frage mit dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (siehe nächsten Abschnitt), das im Juli 1933 erlassen wurde und am 1. Januar 1934 in Kraft trat.

[...]


[1] Bastian, Furchtbare Ärzte S. 16

[2] ebenda

[3] siehe Zitat 1 und 2 im Anhang

[4] Bastian, Furchtbare Ärzte S. 27

[5] ebenda

[6] ebenda S. 30

[7] ebenda S. 26

[8] Labisch, Heilkunde als Erhaltungslehre, Heilkunde als Vernichtungslehre S. 36

[9] siehe Zitat 3 im Anhang

[10] Bastian, Furchtbare Ärzte S. 34

[11] Universallexikon, RM Buch und Medien Vertrieb GmbH, Gütersloh 2003, Stichwort: Eugenik, S. 247

[12] http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik, am 27.06.2004

[13] Bastian, Furchtbare Ärzte S. 24

[14] In: Eugenik, Erblehre, Erbpflege, Januar 1933, S. 15f.

[15] http://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik, am 27.06.2004

[16] Vgl. mehrere der erschienenen Artikel in Eugenik, Erblehre, Erbpflege; Ausgaben 1-6 in 1933

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Medizin im Nationalsozialismus
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar - Die Universität im Nationalsozialismus
Note
1-2
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V29909
ISBN (eBook)
9783638313070
ISBN (Buch)
9783638789448
Dateigröße
588 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medizin, Nationalsozialismus, Proseminar, Universität, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Gergely Kapolnasi (Autor:in), 2004, Medizin im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29909

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