Der Vorrang des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Jugendkriminologie


Hausarbeit, 2013

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Was versteht man unter Jugenddelinquenz?

3 Allgemeine und grundlegende Erkenntnisse der Jugendkriminologie

4 Verbreitung und Entwicklung von Jugenddelinquenz in Deutschland
4.1 Tatverdächtige Jugendliche und Heranwachsende und ihr Anteil an der Gesamtkriminalität in Deutschland
4.2 Geschlechterverteilung in der Jugenddelinquenz
4.3 Der Deliktcharakter jugendlicher Delinquenz
4.4 Intensiv- und Mehrfachtäter
4.5 Jugenddelinquenz – Ein Resümee der wichtigsten Befunde

5 Empirische Belastungs- und Risikofaktoren für die Entwicklung von Delinquenz
5.1 Biologische Faktoren
5.2 Familiäre Faktoren
5.3 Soziales Milieu
5.4 Delinquente Freundesgruppen
5.5 Bildungsdefizite
5.6 Drogenkonsum
5.7 Defizite in der sozialen Informationsverarbeitung
5.8 Persönlichkeitsmerkmale
5.9 Situative Delinquenzbedingungen

6 Die wesentlichen Ziele des Erziehungsstrafrechts an Hand der Reglungen im Jugendgerichtsgesetz (JGG) im Überblick

7 Neuerungen im Jugendgerichtsgesetz vom 14.06.2012

8 Vorrang des Erziehungsgedankens versus tat-orientiertes (repressives) Jugendstrafrecht

9 Resümee

10 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Delinquenz im Jugend- und Heranwachsendenalter ist ein Thema, welches konstant sowohl öffentliches, als auch wissenschaftliches Interesse weckt. Dabei ist es allgemein bekannt, dass Jugendliche im Verlauf ihrer Pubertät Grenzen testen und überschreiten, sowie Verhaltensformen entwickeln, die von der Gesellschaft als problematisch angesehen werden können. Führt dieses abweichende Verhalten zu einer Schädigung Dritter oder einschneidenden Problemen in der Zukunft des Jugendlichen selbst, so spricht man von einem „sozialem Problem“. Da die „Jugend von heute“ die Zukunft der Gesellschaft symbolisiert, ist es nachvollziehbar, dass die auftretenden Probleme nicht selten verstärkt wahrgenommen und mit diffusen gesellschaftlichen Ängsten vermischt werden. Dem gegenüber steht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema, welche sich mit (realistischen) Erkenntnissen aus der Jugendkriminologie, den Ursachen, sowie der Entwicklung von jugendlicher Delinquenz beschäftigt. Ziel der vorliegenden Ausarbeitung ist es, mit Hilfe dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Jugendkriminologie eine Grundlage zu bilden, unter deren Berücksichtigung die wesentlichen Ziele des Jugendstrafrechts betrachtet werden können. Des Weiteren werden kürzlich durchgeführte Neuerungen im Jugendgerichtsgesetz erörtert. Anschließend steht die Frage im Vordergrund, ob der Vorrang des Erziehungsgedankens weiterhin Gültigkeit besitzt oder ob ein tat-orientiertes (repressives) Jugendstrafrecht angemessener wäre.

2 Was versteht man unter Jugenddelinquenz?

Unter dem Begriff der Delinquenz versteht man (in Deutschland) einen Verstoß gegen das Strafrecht. Dem entsprechend umfasst die Bezeichnung „Jugenddelinquenz“ die Verhaltensweisen strafmündiger Personen, die dem Jugendstrafrecht unterstehen und gegen die Strafrechtsnormen verstoßen.1 Dem Jugendstrafrecht unterstehend sind Jugendliche, die zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt sind, sowie Heranwachsende, welche zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt sind.2 Des Weiteren muss bei Jugendlichen die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach Maßgabe des §3 JGG geprüft werden, welcher besagt, dass ein Jugendlicher nur dann strafrechtlich verantwortlich ist, „wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“3 Die Prüfung der Verantwortlichkeit wird in der Regel von der Jugendgerichtshilfe vorgenommen, unter besonderen Umständen können auch Sachverständiger (z.Bsp. ein Jugendpsychologe / Jugendpsychiater) zur Klärung hinzugezogen werden. Heranwachsende sind dagegen immer strafmündig. Ihre Verfehlungen werden dennoch nach dem Jugendgerichtsgesetz geahndet, wenn nach Maßgabe des §105 Abs. 1 JGG „die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder es sich nach Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt“4 5.

3 Allgemeine und grundlegende Erkenntnisse der Jugendkriminologie

Der Jugendkriminologie liegen drei zentrale Befunde zu Grunde: Deren Ubiquität, Spontanbewährung und Bagatellcharakter. Auf den empirisch belegten Phänomenen der Ubiquität und Spontanbewährung der Delinquenz bei Jugendlichen „beruht die allgemeine kriminologische Erkenntnis, dass das Begehen von Straftaten bei den allermeisten Jugendlichen eine normale und episodenhafte, das heißt: sich selbst regulierende Erscheinung im Prozess der Normsozialisation darstellt“6 (Ubiquität). Bereits in der Altersklasse der 14 bis 18 Jährigen erreicht die Prävalenzrate ihren Höhepunkt und nimmt dann deutlich wieder ab und dies auch ohne den Kontakt zu formellen Sanktionsorganen (Spontanbewährung). Eine hohe Prävalenzrate weißen dabei die leichten, bzw. bagatellhaften Delikte wie Ladendiebstahl, Sachbeschädigung und Körperverletzung ohne Waffen auf7 (Bagatellcharakter).8

4 Verbreitung und Entwicklung von Jugenddelinquenz in Deutschland

Zur Erfassung der Verbreitung und Entwicklung von Jugenddelinquenz in Deutschland wird die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) von 2011 und 2012 herangezogen, welche bereits seit 1953 jährlich vom Bundeskriminalamt herausgegeben wird und alle Vergehen und Verbrechen nach dem Strafgesetzbuch erfasst, ausgenommen Verkehrs- und Staatsschutzdelikte, von denen die Polizei Kenntnis genommen hat.

4.1 Tatverdächtige Jugendliche und Heranwachsende und ihr Anteil an der Gesamtkriminalität in Deutschland

Die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahre) betrug einen Anteil von 9,6 % (in Zahl: 200.257) an allen Tatverdächtigen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Rückgang von 6,7 %. Dabei besaßen etwa 81,1 % der Jugendlichen die deutsche Staatsangehörigkeit. Relativ häufig sind sie dabei bei Diebstahldelikten (39,5 %) und Körperverletzungsdelikten (23,2 %) vertreten. Ein Großteil der Straftaten wurden in der Öffentlichkeit verübt. Der Anteil der tatverdächtigen Heranwachsenden (18 bis unter 21 Jahre) an allen Tatverdächtigen betrug 9,4 % (in Zahl: 196,255), was im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von -4,0 % ausmacht. Besonders häufig vertreten sind dabei Körperverletzungsdelikte (26,0%), Diebstahlsdelikte (23,6%), sowie Betrug (23,5%). Unter den tatverdächtigen Heranwachsenden besaßen 78,0% die deutsche Staatsangehörigkeit. Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil bilden die Jugendlichen die Gruppe mit der stärksten Delinquenzbelastung, dicht gefolgt von den Heranwachsenden. Zum Vergleich weisen Kinder unter 10 Jahren, so wie Erwachsene im Alter von 60 Jahren und älter, die geringste Belastung an delinquentem Verhalten auf.

4.2 Geschlechterverteilung in der Jugenddelinquenz

Im Jahr 2012 waren 74,5% aller Tatverdächtigen männlich, 25,5% weiblich. Diese wesentlich stärker ausgeprägte Delinquenzbelastung der Männer lässt sich dabei konstant in allen Altersstufen und Deliktsbereichen verzeichnen. Dabei fällt auf, dass die Delinquenzbelastung der weiblichen Tatverdächtigen bereits im Alter von 14 bis 16 Jahren, die der männlichen im Alter von 18 bis 20 Jahren ihren Höhepunkt erreicht.

4.3 Der Deliktcharakter jugendlicher Delinquenz

Im Vergleich der Struktur der Delinquenz von Jugendlichen und Heranwachsenden mit der Erwachsenenkriminalität lässt sich feststellen, dass die Jugendlichen vor allem bei den Raub-, Diebstahls- und Sachbeschädigungsdelikten stark vertreten sind. Auch ihr Anteil an Körperverletzungsdelikten ist nicht zu vernachlässigen. Die Heranwachsenden bedienen sich den gleichen Delikten, zusätzlich zu diesen verzeichnen sie aber auch bei Rauschgiftdelikten einen überdurchschnittlich hohen Anteil. Zusammen erreichen die beiden Gruppen bei den Raub- und Diebstahlsdelikten einen Tatverdächtigenanteil von über 50%. Zum größten Teil besteht das delinquente Verhalten Jugendlicher und Heranwachsender aus Delikten, die das Eigentum und Vermögen betreffend sind. Dabei ist zu beachten, dass mit zunehmenden Alter auch die Vielfalt an den Delikten zunimmt. Mit Ausnahme der Straftaten gegen die persönliche Freiheit, weisen die Jugendlichen und Heranwachsenden eine höhere Belastungsrate als die Erwachsenen auf. Dabei werden sie jedoch wegen weniger schwerwiegenden Delikten als Erwachsene registriert, der überwiegende Teil besteht dementsprechend aus leichten Straftaten.

Abbildung 1: Entwicklung Tatverdächtiger 2011 / 2012

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bundesministerium des Innern (2012): „Die Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland – Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2012“. S.6.

[...]


1 Vgl. Stimmer, Franz (Hrsg.) (1996): „Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit“. Ouldenburg Wissenschaftsverlag. München. S.272.

2 Vgl. §1 Abs. 2 JGG.

3 §3 S.1 JGG.

4 §105 Abs. 1 Nr. 1, 2 JGG.

5 Vgl. Längsschnittstudie Kriminologisches Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. seit 1998 / Querschnittsvergleich der bundesweiten Schülerbefragung 2007/2008.

6 Vgl. Boers, Klaus; Walburg, Christian & Reinecke, Jost (2006): „Jugendkriminalität. Keine Zunahme im Dunkelfeld, kaum Unterschiede zwischen Einheimischen und Migranten. Befunde aus Duisburger und Münsteraner Längsschnittstudien“. In: „Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform“. 89 (2). S.63-87. S.75.

7 Vgl. Boers, Klaus; Walburg, Christian & Reinecke, Jost (2006): „Jugendkriminalität. Keine Zunahme im Dunkelfeld, kaum Unterschiede zwischen Einheimischen und Migranten. Befunde aus Duisburger und Münsteraner Längsschnittstudien“. In: „Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform“. 89 (2). S.63-87. S.75.

8 Vgl. Bundesministerium des Innern (2012): „Die Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland – Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2012“. S.12-13.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Vorrang des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Jugendkriminologie
Hochschule
Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main
Veranstaltung
Jugendkriminologie
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V298903
ISBN (eBook)
9783656955443
ISBN (Buch)
9783656955450
Dateigröße
600 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vorrang, erziehungsgedankens, jugendstrafrecht, wissenschaftliche, erkenntnisse, jugendkriminologie
Arbeit zitieren
Elena Krug (Autor:in), 2013, Der Vorrang des Erziehungsgedankens im Jugendstrafrecht. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Jugendkriminologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298903

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