"Credit Default Swaps" und die Eurokrise


Bachelorarbeit, 2012

40 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung in die Thematik

2. Derivat
2.1. Begriffserklärung
2.2. Derivatausführungen
2.3. Kreditderivate

3. Funktionen von CDS
3.1. Standardisierte Verträge
3.2. Einsatz der Credit Default Swaps
3.2.1. Hedging und Risikosteuerung durch CDS
3.2.2. Spekulation und weitere Einsatzmöglichkeiten
3.3. Informationsgehalt des CDS-Spread
3.4. Makroökonomische Relevanz der CDS

4. Kritik an Credit Default Swaps
4.1. CDS und die Eurokrise
4.1.1. Gegenparteirisiko
4.1.2. Naked CDS
4.1.3. Einfluss der CDS auf die Anleihen-Spreads
4.1.4. Fehlende Unabhängigkeit
4.2. CDS und die Griechenland-Krise

5. Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 - Erwartetes Wachstum Kreditderivate

Abbildung 2 - CDS Marktvolumen

Abbildung 3 - CDS Spreads europäischer Banken und Länder

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung in die Thematik

Der Derivathandel nimmt in der Finanzwelt schon seit vielen Jahren einen großen Stellenwert ein. Das Volumen des Derivathandels ist so enorm, dass die Bruttoinlandsprodukte von Industriestaaten wie den USA im Vergleich dazu marginal wirken. Sein hoher Stellenwert bietet aber auch Anlass für viele Kritikpunkte. Seien diese berechtigt oder nicht, kaum ein Thema der Finanzwelt wird zurzeit so häufig diskutiert wie dieses. In Zeiten der Eurokrise standen besonders Credit Default Swaps (CDS) in der Kritik. Diese Derivate stellen Versicherungen gegen Zahlungsausfall eines Schuldners dar. CDS wurden oft als Mitschuldiger für hohe Staatsverschuldung verantwortlich gemacht.1 Sie werden zudem als großer Eskalationsfaktor in Krisen dargestellt, sollte ein Händler dieser Finanzinstrumente insolvent gehen. Dies wurde zumindest durch die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008 und den daraus folgenden Konsequenzen bewiesen.2 In diesem Fall spielten CDS eine tragende Rolle. Auch in Medienberichten zur Eurokrise finden diese oft Erwähnung. „Credit Default Swaps – Hedge Fonds greifen weitere Krisenländer an“ titelte das Handelsblatt Anfang 2010 und stellt damit die öffentliche Meinung zu diesen Finanzinstrumenten sehr prägnant dar.3

Es drängt sich die Frage auf, was wirklich hinter den zahlreichen Kritikpunkten an Kreditderivaten steckt, und wie berechtigt diese sind. Als stärkstes Argument gegen diese Finanzinstrumente wird meist das Gegenparteirisiko aufgeführt, welches auftritt, wenn ein großer Marktteilnehmer im CDS Handel zahlungsunfähig wird.4 Forderungen aus fällig werdenden CDS Zahlungen anderer Marktteilnehmer können dann nicht mehr beglichen werden. Hierdurch würden auch diese in finanzielle Bedrängnis geraten und eine Kettenreaktion auslösen. Ein weiterer Kritikpunkt an diesen Verträgen ist der Einfluss auf die Verzinsung von Staatsanleihen. Besonders Staaten der Eurozone sollen während der herrschenden Eurokrise dieser Ansicht nach durch steigende Refinanzierungskosten unter Druck geraten sein.5 Auch die anscheinend fehlende Unabhängigkeit der International Swaps and Derivatives Association (ISDA), welche in den meisten Fällen entscheidet, ob die Versicherungssummen aus den CDS ausgezahlt werden muss, wird bemängelt.6 Des Weiteren wurde der Handel mit sogenannten Naked CDS stark kritisiert.7 Sie beschreiben solche Verträge, die von Händlern abgeschlossen wurden, welche gar kein Risiko aus entsprechenden Krediten tragen und sie damit nur zu Spekulationszwecken halten. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf Griechenland. Das am stärksten von der Eurokrise betroffene Land hat Anfang 2012 einen Schuldenschnitt durchgeführt, ein Ereignis welches durch CDS abgesichert wird.

In dieser Arbeit soll der Fragestellung nachgegangen werden, ob wirklich ein gefährlicher Einfluss von Credit Default Swaps auf die Eurokrise unter Berücksichtigung folgende Kritikpunkte ausgeht: Das Gegenparteirisiko, der Einfluss auf die Refinanzierungskosten der Staaten, also auf die Zinshöhe ihrer Staatsanleihen, der Handel mit Naked CDS und die Unabhängigkeit der ISDA als leitende Organisation. Einflüsse bei Entstehung der Krise sollen in dieser Arbeit nicht behandelt werden.

Der Aufbau der Arbeit unterliegt folgender Gliederung: In Kapitel 2 werden zunächst grundlegende Begriffe, wie beispielsweise Derivate, erklärt und es wird auf die besondere Rolle der CDS am Markt der Kreditderivate eingegangen. Im darauf folgenden Kapitel wird insbesondere ein Blick auf Credit Default Swaps, deren Funktionen und der Beschaffenheit des Marktes dieser Finanzinstrumente, geworfen. Es folgt ein Überblick über die Kritik an CDS und deren Einfluss auf die Eurokrise mit Fokus auf Griechenland innerhalb dieser Arbeit. Abschließend folgt eine Zusammenfassung mit einem Fazit und einem Ausblick.

2. Derivat

Dieses Kapitel soll mit dem Begriff „Credit Default Swap“ vertraut machen, indem erst grundlegende Begriffe und Mechanismen der derivativen Finanzinstrumente erklärt werden. Darauf folgend soll insbesondere auf die Rolle der CDS innerhalb dieser Finanzinstrumente eingegangen werden.

2.1. Begriffserklärung

Durch die internationalen Rechnungslegungsvorschriften International Financial Reporting Standards (IFRS) wurde festgelegt, dass drei Merkmale erfüllt sein müssen, um das als Derivat bezeichnete Finanzinstrument zu definieren. Zum einen muss es an ein Basiswert (Underlying) gekoppelt sein, was beispielsweise ein Zinssatz, der Preis eines Finanzinstrumentes, ein Rohstoffpreis oder eine andere Variable sein kann. Zum anderen sollte es „keine Anfangsauszahlung oder eine, die im Vergleich zu anderen Vertragsformen, von denen zu erwarten ist, dass sie in ähnlicher Weise auf Änderungen der Marktbedingungen reagieren, geringer ist“8 erfordern. Das dritte Merkmal, welches gegeben sein muss, ist, dass es erst zu einem späteren Zeitpunkt beglichen wird.9 Auch durch den Wortursprung „derivare“ aus dem Lateinischen, was übersetzt „ableiten“ bedeutet, kann der Begriff treffend erklärt werden.10 Es ist ein vom Underlying abgeleitetes Finanzinstrument, welches für das Hedging entwickelt wurde. Hedging bedeutet das Absichern von Investitionen, indem beispielsweise durch bestimmte Derivate Preise, Zinssätze oder anderes abgesichert wird. Sehr viel genutzt werden Derivate jedoch auch, um auf den Verlauf des Underlyings, also beispielsweise auf Preise oder Zinssätze, zu spekulieren.

2.2. Derivatausführungen

Derivate können in verschiedene Kategorien unterteilt werden. Zum einen können sie in Form von Optionen auftreten. Eine Option ist das Recht, das Underlying an den Verkäufer der Option, je nach Ausgestaltung, zum Strikepreis entweder zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option).11 Der Strikepreis bezeichnet den in der Option festgelegten Preis, zu dem das Underlying erworben oder verkauft werden kann. Der Verkäufer der Option ist hierbei verpflichtet, die Entscheidung des Optionsinhabers, ob er sie wahrnimmt oder nicht, anzunehmen. Um festzulegen, zu welchem Zeitpunkt eine Option wahrgenommen werden kann, wird zwischen europäischen Optionen und amerikanischen Optionen unterschieden. Europäische Optionen bieten das Recht, sie zu einem bestimmten Zeitpunkt wahrzunehmen, meist dem Verfallstag. Amerikanische Optionen hingegen können während der gesamten Laufzeit wahrgenommen werden.12 Diese Bezeichnungen sagen jedoch nichts über den Handelsort der Option aus. Eine Option kann an folgendem Beispiel treffend erklärt werden: Vertragspartei A kauft bei Vertragspartei B eine Option, in einem Jahr 100 Unzen Gold zum heutigen Preis zu erstehen. Partei A kann sich so gegen steigende Goldpreise absichern bzw. auf diese spekulieren. B wird auf einen gleichbleibenden oder sinkenden Goldpreis hoffen.

Eine weitere Form von Derivaten sind Futures. Im Gegensatz zu einer Option beinhaltet ein Future für beide Vertragsparteien die Pflicht, das im Vertrag festgehaltene Underlying zu einem festgelegten Zeitpunkt zu handeln.13 Die Verträge solcher Termingeschäfte sind standardisiert, was sie an Börsen handelbar macht.14 Ein möglicher Future wäre beispielsweise ein Kontrakt, in dem festgehalten wird, dass Vertragspartei A seine Reisernte im nächsten Jahr zum heutigen Preis an Vertragspartei B verkauft. A kann sich dadurch vor sinkenden Reispreisen absichern, B kann seinen Reisbedarf für das nächste Jahr absichern oder auf steigende Reispreise spekulieren.

Ein Swap ist eine weitere Ausführung eines Derivats. Es beschreibt die Vereinbarung zweier Vertragsparteien in Zukunft Cashflows auszutauschen. Dies kann mehrere Zeitpunkte beinhalten, die Cashflows beziehen sich meist auf zukünftige Werte von Marktvariablen.15 Dies kann beispielsweise ein fester Zinssatz sein, den Vertragspartei A jährlich an B leistet und ein am Markt gemessener variabler Zinssatz, den Vertragspartei B jährlich an A leistet. So würde sich Vertragspartei A durch den Tausch eines variablen Zinssatzes in einen festen Zinssatz gegen schwankende Zinssätze die A an Dritte zu leisten hat absichern. Vertragspartei B würde hier auf sinkende Zinssätze spekulieren.

2.3. Kreditderivate

Unter dem Begriff Kreditderivate werden alle Derivate zusammengefasst, deren Auszahlung vom Kreditrisiko des Underlyings abhängen.16 Mit ihnen werden also das Ausfallrisiko und das Bonitätsrisiko des Kreditnehmers gehandelt. Das Ausfallrisiko beschreibt den Default, also nicht erbrachte Kreditleistungen des Kreditnehmers, wobei das Bonitätsrisiko eine Erhöhung des Risikoaufschlages durch sinkende Bonität bedeutet.17 Die meist verbreitete Form von Kreditderivaten ist der Credit Default Swap (CDS). Ein CDS legt fest, dass der Sicherungsnehmer regelmäßige Zahlungen in Form einer Prämie (Spread) an den Sicherungsgeber abtritt und dieser im Falle eines Kreditereignisses, wie beispielsweise Zahlungsausfall, Ausgleichszahlungen an den Sicherungsnehmer leistet.18 Der CDS ähnelt also stark einer Put-Option oder einer klassischen Versicherung. Eine weitere Form eines Kreditderivates ist der Total Return Swap, bei dem sowohl Zinsen als auch Wertänderungen des Underlying an den Sicherungsgeber, dafür ein Spread an den Sicherungsnehmer geleistet wird.19 In Form einer Option können Kreditderivate beispielsweise als Credit Default Swaption auftreten. Es ist eine Put-Option auf ein CDS zu einem festgelegten Spread, es wird also auf den Spread gehandelt, den der Sicherungsnehmer für ein CDS zahlen muss.20 Wird der Spread größer als in der Credit Default Swaption vereinbart, sollte die Option wahrgenommen werden.

Laut einer Befragung von Fitch Ratings (2010) unter 29 der größten Institutionen im Derivathandel nahmen Ende 2009 trades mit single name CDS und CDS Indices einen Marktanteil von über 90% ein.21 Index trades sind beispielsweise auf den iTraxx bezogen, das heißt ein Index aus CDS mit großen Referenzschuldnern.22 Aus der gleichen Befragung von Fitch Ratings (2010) geht hervor, dass kompliziertere Kreditderivate, wie beispielsweise Collateralized Debt Obligations (CDOs), immer weiter an Bedeutung und Handelsumfang verlieren werden.23 CDO’s sind über eine Zweckgesellschaft verbriefte Kreditforderungen. Nach IFRS Definition sind dies keine Derivate.24 Bei synthetischen CDOs aber wird nur das Risiko der CDOs gehandelt, wodurch sie zu der Gruppe der Kreditderivate gezählt werden können.25 Folgende Abbildung zeigt die Meinung der 29 von Fitch Ratings befragten Institute, unter welchen Kreditderivaten in Zukunft Wachstum zu erwarten ist. Diese Abbildung soll verdeutlichen, dass auch künftig mit einer steigenden Bedeutung einfacher single name CDS und Index Produkten gerechnet wird.

Abbildung 1 - Erwartetes Wachstum Kreditderivate

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Fitch Ratings (2010), S. 8)

Die in Abbildung 1 aufgeführten single name Corporate CDS, Municipal CDS und Sovereign CDS sind Produkte, deren Underlying die Anleihen einzelner Unternehmen, Kommunen oder Länder sind. Das Underlying von Loan CDS sind durch Finanzinstitutionen begebene Darlehen. Nur noch wenige der befragten Institutionen glauben an ein Wachstum bei strukturierten Finanzinstrumenten unter den Kreditderivaten, wie beispielsweise CDO’s oder Credit linked notes. Letzteres sind Mischform aus Anleihen und CDS.26

Credit Default Swaps stellen demnach den Großteil des Marktes für Kreditderivate, weswegen der Fokus im Folgenden auf CDS Produkte gelegt wird. Im anschließenden Kapitel soll ein vertiefender Blick auf CDS Verträge und der Einsatz dieser Finanzinstrumente geworfen werden. Außerdem werden der Informationsgehalt, den CDS liefern und die Gesamtwirtschaftliche Relevanz dieses Derivates behandelt.

3. Funktionen von CDS

3.1. Standardisierte Verträge

Der Credit Default Swap war seit jeher unter den Kreditderivaten von größter Bedeutung, was vor allem der hohen Standardisierung und der niedrigen Transaktionskosten zu verdanken ist.27 Die International Swap and Derivatives Association hat durch ihre Rahmenverträge stark zur Standardisierung von CDS beigetragen. Mit 830 Mitgliedsinstitutionen gehört dieser fast jeder Teilnehmer am Derivatmarkt an.28 Im ISDA Master Agreement 2002 wurde festgelegt, dass der standardisierte Vertrag auf folgende Inhalte basieren muss: Referenzschuldner, das besicherte Kreditereignis, Startzeitpunkt, Laufzeit, Nominalwert, Spreadhöhe, Leistung des Sicherungsgebers bei Eintritt eines Kreditereignisses und ob diese in physischer Lieferung oder in Form eines Barausgleiches stattfinden soll.29 Bei dem Barausgleich wird eine Zahlung des Sicherungsgebers in Höhe des Underlyings abzüglich des Wertes des Underlyings nach dem Kreditereignis geleistet.30 Bei der physischen Lieferung erhält der Sicherungsnehmer die zugrunde liegende Forderung an den Sicherungsgeber in Höhe des vereinbarten Betrages. Er tritt das Underlying, also die Forderung an den Schuldner auf den das CDS abgeschlossen wurde, dafür an den Sicherungsgeber ab.31 Das Kreditereignis kann eine Insolvenz, ein Zahlungsversäumnis, eine Schuldenrestrukturierung oder die bewusste Verweigerung von Zahlungsverpflichtungen des Schuldners sein.32 Auch ein Herabstufen des Ratings, welches die Zahlungsfähigkeit des Schuldners bewertet, auf ein bestimmtes, vorher festgelegtes Level kann ein Kreditereignis darstellen.33 Solch ein Fall ist aber nicht mit dem ISDA Rahmenvertrag vereinbart und müsste in einem separaten Vertrag festgehalten werden.34 Die Prämienhöhe wird in Basispunkten gemessen und variiert je nach Bonität des Schuldners.35 Bei einer Prämienhöhe von beispielsweise 100bp muss der Sicherungsnehmer bei einem Wert des Underlyings von 1 Mio. Euro eine jährliche Prämie von 10.000 Euro (1,00%) für den CDS zahlen.36 Unter den Laufzeiten sind Fünfjahreskontrakte mit rund 85% die gängigsten.37 Das Underlying bei einem Single-name CDS ist ein einzelner Kredit bzw. eine Anleihe. In Form eines Basket CDS kann das Underlying jedoch auch aus einem Portfolio von mehreren Krediten oder Anleihen bestehen.38 Bei Index Trades besteht das Underlying aus einem CDS-Index wie dem iTraxx.39 Unter Anwendung eines ISDA Rahmenvertrages können beide Vertragsparteien jederzeit von der ISDA überprüfen lassen, ob bestimmte Vorfälle als Kreditereignis gelten. Diese Entscheidung muss von beiden Vertragsparteien akzeptiert werden und gilt für alle laufenden CDS Verträge dieser Art. Gehandelt werden CDS-Kontrakte over-the-counter (OTC), das bedeutet außerbörslich direkt zwischen den Vertragspartnern über ein Netzwerk der größten Banken und Versicherer.40 Erst seit wenigen Jahren wurde das Clearing von CDS als Reaktion auf die Finanzkrise ab 200741 vorangetrieben um den Handel zu zentralisieren und besser regulieren zu können.42 Nach Schätzungen der Bank for International Settlements (BIS) werden etwa neun Prozent aller CDS Kontrakte über ein zentrales Clearing abgewickelt.43 Eine weitere Entwicklung in diese Richtung sollte demnach zu einem kontrollierbareren Markt führen.

Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels soll auf die verschiedenen Einsatzgebiete und Nutzungsmöglichkeiten von Credit Default Swaps eingegangen werden.

3.2. Einsatz der Credit Default Swaps

3.2.1. Hedging und Risikosteuerung durch CDS

Ursprünglich wurden CDS für das Hedgeaccounting von Banken entwickelt. Das bedeutet, dass diese durch solche Kontrakte andere Finanzinstrumente abgesichert haben, also Forderungen aus Krediten.44 Wenn ein Kreditereignis auftrat, ist den Sicherungsnehmern dank des Hedging durch CDS kein Schaden entstanden, sondern den Sicherungsgebern. Auch in Industrieunternehmen ist das Hedging durch CDS möglich, ein Beispiel hierfür ist die Absicherung des Ausfalls eines Großkunden durch solch einen Vertrag als Sicherungsnehmer auf dessen Kredite.

Jedoch steckt in der Trennung des Kreditrisikos von seinem Underlying mehr Potential als die reine Absicherung des einen Underlyings. Wenn nach Oriwol (2005) einem hohen Kreditvolumen relativ wenige Schuldner gegenüberstehen, so steigt die Portfoliokonzentration. Ist das Volumen jedoch gleichmäßig auf viele Schuldner verteilt, sinkt die Portfoliokonzentration. Dadurch sinkt die Höhe eines unerwarteten Verlustes durch geringeres Konzentrationsrisiko.45 Anstatt einer größeren Anzahl an Schuldnern kann dieses Risiko aber auch durch Absicherung, entweder vollständig oder teilweise, durch CDS reduziert werden.46 Ein weiteres, von Eller/Heinrich (2004) beschriebenes Risiko welches auf die Kundenstruktur zurückzuführen ist, tritt besonders im Sparkassen- und Genossenschaftssektor auf. Diese weisen oft eine hohe Konzentration an Kreditnehmern aus bestimmten Branchen oder Regionen auf. Um das daraus entstehende Risiko aus zu großer Konzentration zu diversifizieren, kann das Kreditinstitut als Sicherungsnehmer CDS auf Kredite mit hoher Branchen- oder Regionskonzentration abschließen.47 Nach Fabozzi et al. (2004) kann die zu zahlende Prämie auf eben beschrieben CDS gespart werden, wenn im gleichen Umfang CDS auf Branchen- und Regionsfremde Schuldner als Sicherungsgeber abgeschlossen wird. Durch eine möglichst geringe Korrelation zwischen den Schuldnern, bei denen das Kreditinstitut durch den CDS als Sicherungsgeber auftritt, und den Schuldnern, bei denen das Kreditinstitut durch den CDS als Sicherungsnehmer auftritt, wird eine hohe Diversifikation des Risikos erreicht.48 Kreditderivate ermöglichen auf diese Weise Investitionen in fremde Märkte, deren Erschließung ohne diese Derivate mit hohen Kosten verbunden wäre.49 Das gesamte Kreditrisiko, welches eine Institution über verschiedene Kreditderivate handelt, kann in einem Kreditrisikoportfolio zusammengefasst werden, welches durch den Einsatz von CDS versucht wird möglichst gering zu halten. Eine gezielte Kreditrisikoportfoliooptimierung kann mittels Kreditderivate erreicht werden, da diese im Vergleich zu Direktanlagen als effizienter und flexibler angesehen werden. Effizienter gegenüber den Direktanlagen sind Derivate, da durch sie das Portfolio ohne weitere Refinanzierungskosten erweitert werden kann. Als flexibler werden Derivate definiert, da jeder Vertragsbestandteil je nach individueller Zielsetzung variiert werden kann.50 Durch die fehlenden, beziehungsweise sehr geringen, Refinanzierungskosten eignen sich CDS jedoch auch sehr treffend, um auf die Entwicklung des jeweiligen Underlyings zu spekulieren. Hierauf soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden.

3.2.2. Spekulation und weitere Einsatzmöglichkeiten

Ein Spekulationsmotiv liegt vor, wenn das Institut die Absicht trägt, Gewinne aus kurzfristigen Preisschwankungen des Kreditrisikos zu erzielen, und bestimmte Positionen nur zu diesem Zweck eingeht.51 Kreditderivate eignen sich hierfür sehr gut, da sie eine Risikoübernahme ohne Liquiditätseinsatz und Refinanzierungskosten bieten.52 Eine weitere durch CDS gegebene Voraussetzung zum Erzielen von kurzfristigen Spekulationsgewinnen sind niedrige Transaktionskosten.53 Durch diese Bedingungen haben sich Kreditderivate zu beliebten Spekulationsobjekten entwickelt. Besonders durch die Tatsache, dass sich durch Credit Default Swaps, aufgrund des fehlenden Liquiditätseinsatzes, Leverage-Effekte54 erzielen lassen, die jedoch auch Verlustrisiken enorm steigern.55

Eine weitere Möglichkeit, Vorteile aus der Nutzung von CDS zu generieren, ist Banken bei der Eigenkapitalunterlegung von Krediten möglich. Nach den in der Europäischen Union (EU) für Kreditinstitute anzuwendenden Eigenkapitalvorschriften Basel II reicht eine geringere Eigenkapitalunterlegung von Krediten aus, wenn diese durch CDS besichert sind, solange diese den Anforderungen von Basel II gerecht werden.56 Auf diese Weise kann die Freigabe von weiterem Eigenkapital erreicht werden.57 Auch bei der Erschließung neuer Kundschaft sind CDS den Kreditinstituten dienlich. So können sie Neukunden bedenkenlos Kredite gewähren, obwohl diese möglicherweise nicht dem Risikoprofil entsprechen und eine zu hohe Ausfallwahrscheinlichkeit haben. Dieses Risiko kann mittels CDS ohne Weitergabe der Kundendaten transferiert werden. Des Weiteren kann ein CDS zur Generierung von simplen Arbitragegewinnen eingesetzt werden, sofern Bewertungsunterschiede des Kreditrisikos am Markt vorliegen.58 Aufgrund des undurchsichtigen OTC-Marktes, an dem solche Kontrakte gehandelt werden, sollte diese Bedingung gegeben sein. Ein weiteres Arbitragepotential bietet die Tatsache, dass Anleihen- und CDS Spreads in der Realität nicht perfekt negativ korreliert sind.59 Wenn beispielsweise der CDS Spread geringer ist als die Cashflows aus einer Anleihe, werden theoretisch Arbitragegewinne generiert, indem eine Anleihe gehalten wird, und diese durch einen günstigeren CDS abgesichert ist. Jedoch wird in dem Fall weiterhin das Gegenparteirisiko getragen.

Im dritten Abschnitt dieses Kapitels wird auf den vom CDS Spread gelieferten Informationsgehalt eingegangen. Dies soll einführend das Verständnis in die Interdependenz zwischen CDS Spread und den entsprechender Staatsanleihen erleichtern.

3.3. Informationsgehalt des CDS-Spread

Der Spread eines CDS Kontraktes stellt im Wesentlichen seinen Preis dar, also die Zahlungen, die für die Ausfallversicherung aufgebracht werden müssen. Gemessen wird er an der Bonität des abzusichernden Schuldners. Jedoch ist aus dem Spread mehr abzulesen, als der reine Preis eines CDS. Denn die Bonität des Schuldners ist nicht die einzige Variable, die den Spread beeinflusst. So sollte sich nach Alexander/Kaeck (2008) bei einer Erhöhung des risikofreien Zinssatzes am Markt die Wahrscheinlichkeit eines Kreditereignisses verringern. So sind niedrige Zinsraten meist während einer Rezession zu beobachten. In solchen Perioden mehren sich Kreditereignisse aufgrund des wirtschaftlichen Abschwunges.60 Eine weitere den CDS Spread beeinflussende Determinante ist der Firmenwert des Schuldners. Bei einem sinkenden Firmenwert wird der Eintritt eines Kreditereignisses wahrscheinlicher.61 Gleiches sollte für ein sinkendes Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes bei Staatsanleihen gelten. Auch eine hohe Volatilität des Firmenwertes oder BIPs des Schuldners sollte durch erhöhtes Risiko zu einem höheren Spread führen. Viele der eben genannten Faktoren führen dazu, dass CDS-Spreads Solvenzprobleme ihrer Referenzschuldner meist früher anzeigen als vergleichbare Anleihenspreads.62 Eine meist höhere Liquidität des CDS Marktes im Vergleich zum Anleihenmarkt, vor allem bei risikoreichen Krediten, ist ein weiterer Grund, weshalb der CDS Spread ein guter Indikator für Kreditwürdigkeit ist.63

Alle Informationen die den Emittenten, das heißt der Schuldner, und dessen Zahlungsfähigkeit direkt betreffen werden im Rating zusammengefasst, welches von Ratingagenturen bestimmt wird.64 Nur etwa 17,5% aller CDS werden auf nicht geratete Anleihen abgeschlossen.65 Die Ratings selber können zwar kein Kreditereignis auslösen, jedoch haben die von ihnen verbreiteten Informationsstände großen Einfluss auf den Markt und den CDS Spread. Wenn sich eine steigende Insolvenzgefahr des Schuldners in der Herabstufung seines Ratings widerspiegelt, wirkt sich dies negativ auf seine Anleihenkurse aus und lässt den Spread für dementsprechende CDS steigen.66

Die Spreads dienen auch zur Erstellung von Ratings. Sogenannte „Market-Implied-Ratings“, ein Ratingmethode bei der ausschließlich Marktinformationen herangezogen werden, basieren auf den CDS-Spreads.67

Um die Auswirkungen, welche CDS auf eine Volkswirtschaft haben, besser verstehen zu können, sollte ein Überblick über die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Credit Default Swaps geschaffen werden.

[...]


1 Vgl. Coudert/Gex (2010), S. 162

2 Vgl. Wang/Moore (2012), S. 2

3 Vgl. Handelsblatt (2010), http://www.handelsblatt.com/finanzen/fonds/nachrichten/credit-default-swaps-hedge-fonds-greifen-weitere-krisenlaender-an/3374770.html

4 Vgl. Weistroffer (2010), S. 1

5 Vgl. Delatte et al. (2012), S. 481

6 Vgl. Doll (2012), S. 139

7 Vgl. Daniel/Lhabitant (2012), S. 186

8 IAS 39.9 (2010)

9 Vgl. IAS 39.9 (2010)

10 Vgl. Bloss/Ernst (2008), S. 10

11 Vgl. Bloss/Ernst (2008), S. 28

12 Vgl. Müller-Möhl (1999), S. 51

13 Vgl. Müller-Möhl (1999), S. 29

14 Vgl. Bloss/Ernst (2008), S. 77

15 Vgl. Hull (2006), S. 192

16 Vgl. Wagner (2008), S. 10

17 Vgl. Heidorn (2009), S. 285

18 Vgl. Lautscham (2006), S. 38

19 Vgl. Choudhry (2002), S. 146

20 Vgl. Heidorn (2009), S. 288

21 Vgl. Fitch Ratings (2010), S. 1

22 Vgl. Heidorn (2009), S. 291. iTraxx sind eine Gruppe von CDS Indices für Europa und Asien

23 Vgl. Fitch Ratings (2010), S. 9

24 Es liegt keine Übereinstimmung vor mit IAS 39.9: Definition eines Derivats (b): „es erfordert keine Anfangszahlung oder eine, die im Vergleich zu anderen Vertragsformen, von denen zu erwarten ist, dass sie in ähnlicher Weise auf Änderungen der Marktbedingungen reagieren, geringer ist“ sowie (c): „es wird zu einem späteren Zeitpunkt beglichen“.

25 Vgl. Wu/Yang (2010), S. 817

26 Vgl. Burghof/Henke (2000), S. 23

27 Vgl. Wagner (2008), S. 17

28 Vgl. Arora et al. (2011), S. 282

29 Vgl. ISDA: 2002 Master Agreement Protocol (2003), Bloss/Ernst (2008), S. 168

30 Vgl. Terzi/Ulucay (2011), S. 984

31 Vgl. Trafkowski (2009), S. 120

32 Vgl. Cremers/Walzner (2007), S. 10

33 Vgl. Choundhry (2006), S. 4

34 Vgl. Niklowitz (2011), S. 25

35 Vgl. Cremers/Walzner (2007), S. 19

36 Vgl. Li/Mizrach (2010), S. 1529

37 Vgl. Jorion, Zhang (2007), S. 866

38 Vgl. Cremers/Walzner (2007), S. 21

39 Vgl. Barrett/Ewan (2006), S. 6

40 Vgl. Arora et al. (2011), S. 283

41 Als Finanzkrise ab 2007 wird im Folgenden die in den USA aus der Subprimekrise resultierende Banken- und Finanzkrise bezeichnet, während der die Investmentbank Lehman Brothers insolvent ging und mehrere Banken und Versicherer wie Bear Stearns, AIG und weitere durch staatliche Hilfen gerettet oder aufgekauft werden mussten. Vgl. Li/Mizrach (2010), S. 1529

42 Unter Clearing wird die zentrale Abwicklung, Besicherung und Regulierung von Kontrakten über ein Clearinghouse beschrieben, das als Zwischenhändler dient. (vgl. Bloss/Ernst, 2008, S. 20) Das erste Clearinghouse für CDS trat mit der Intercontinantal Exchange Mitte 2009 auf. (vlg. https://www.theice.com/productguide/ProductGroupHierarchy.shtml?groupSummary=&group.groupId=3)

43 Vgl. Bank for International Settlements (2011a), S. 24

44 Vgl. Wagner (2008), S. 16

45 Vgl. Oriwol (2005), S. 93

46 Vgl. Cremers/Walzner (2007), S. 41

47 Vgl. Eller/Heinrich (2004), S. 37

48 Vgl. Fabozzi et al. (2004), S. 69

49 Vgl. Wei/Vashkevich (2010), S. 23

50 Vgl. Cremers/Walzner (2007), S. 42

51 Vgl. Büschgen (1998), S. 471

52 Vgl. Oriwol (2005), S. 40

53 Vgl. Burghof/Henke (2000), S. 25

54 Leverage-Effekte sind Hebelwirkungen, die beschreiben, dass bei relativ geringem Mitteleinsatz relativ große Positionen im Underlying eingegangen werden können.

55 Vgl. Oriwol (2005), S. 40

56 Vgl. Johnston (2009), S. 1177

57 Vgl. Cremers/Walzner (2007), S. 49

58 Vgl. Oriwol (2005), S. 39

59 Vgl. Delatte et al. (2012), S. 84

60 Vgl. Alexander/Kaeck (2008), S. 1009

61 Vgl. Alexander/Kaeck (2008), S. 1010

62 Vgl. Weistroffer (2010), S. 10

63 Vgl. Zhu (2004), S. 15

64 Vgl. Wagner (2008), S. 33. Laut Berblinger (1996, S. 31) sind Ratings „Meinungen über die künftige Fahigkeit und rechtliche Verpflichtung eines Emittenten, Zahlungen von Zins und Tilgung einer von ihm begebenen Schuldverschreibung termingerecht und vollständig zu erfüllen“.

65 Vgl. Bank for International Settlements (2011b), S. 16

66 Vgl. Falck et al. (2011), S. 18

67 Vgl. Weistroffer (2010), S. 10

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
"Credit Default Swaps" und die Eurokrise
Hochschule
Universität Bremen  (Finanzwirtschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
40
Katalognummer
V298427
ISBN (eBook)
9783656947318
ISBN (Buch)
9783656947325
Dateigröße
753 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzwissenschaft, Finanzwirtschaft, CDS, Credit Default Swaps, Eurokrise, Finanzkrise, Schuldenkrise, Derivate
Arbeit zitieren
Felix Hinkelmann (Autor:in), 2012, "Credit Default Swaps" und die Eurokrise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298427

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