Die Bertelsmann AG


Hausarbeit, 2004

41 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


I Inhaltsverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was sind eigentlich Familienunternehmen?

3. Unternehmensgeschichte
3.1. Woher stammt die Familie?
3.2. Der Firmengründer: Carl Bertelsmann (1791-1850)
3.3. Heinrich Bertelsmann (1827-1887)
3.4. Johannes Mohn (1856-1930)
3.5. Heinrich Mohn (1885-1955)
3.6. Reinhard Mohn (1921- )
Die Bertelsmann AG und ihr Aufstieg zum größten Medienunternehmen der Welt

4. Der Konzern heute
4.1. Gesellschafter
4.2. Top-Management
4.3. Konzernstruktur und Corporate Divisions
4.4. Geschäftsentwicklung
4.5. Ausblick für das Geschäftsjahr 2003

5. Pluralistisches Ve rlagshaus der Alternativen

6. Konkurrenz

7. Generationswechsel

8. Schluss bzw. Zusammenfassung

III. Anlagen
Anlage 1: Genealogie
Anlage 2: Organigramm
Anlage 3: Personal- und Umsatzentwicklung

IV. Abbildungsverzeichnis

V. Anlagenverzeichnis

VI. Literaturverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die Idee, sein Firmenreich an seine genetischen Nachkommen zu vererben, ist verständlich. Sie ist jedoch ebenso gefährlich. Denn zu häufig endet die dynastische Nachfolge in der Krise, manchmal gar in der Pleite. Denn nicht umsonst heißt es: "Der Vater erstellt ‘ s, der Sohn erhält ‘ s, beim Enkel zerfällt ‘ s!" Das zeigen auch Zahlen aus Deutschland, denn laut Institut für Mittelstandsforschung werden nur 32 Prozent aller Familienunternehmen den Weg in die dritte Generation schaffen, in die vierte gar nur 16 Prozent.

Deshalb wählte ich im Rahmen meiner Hausarbeit über Familienunternehmen die Firma Bertelsmann, denn diesem Unternehmen ist es geglückt, die Nachfolge erfolgreich bis in die fünfte Generation weiter zugeben.

An dieser Stelle sei gleich erwähnt, dass es schwierig war, an Geschäftszahlen (Mitarbeiterzahlen, Umsatz, etc.) aus den Anfangsjahren des Verlages ran zukommen. Trotzdem hoffe ich aber, dass die gesammelten Daten ein Bild der Vergangenheit der Unternehmung wiederspiegeln können. Außerdem sei angeme rkt, dass diese Hausarbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat. Aufgrund der Tatsache des umfangreichen Datenmateriales das zur Bertelsmann AG existiert.

Die vorliegende Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Am Anfang wird eine kurze Definition für Familienunternehmen gegeben und der Frage nachgegangen: Was sind eigentlich Familienunternehmen? Nachdem diese Frage geklärt ist, beleuchtet der nächste Abschnitt eingehend die Geschichte des Unternehmens. Dabei wird erläutert woher die Familie stammt, wer der Firmengründer war und wie sich die Unternehmung im Wandel der Zeit bis in die Gegenwart entwickelt hat. Hierbei werden ausführlich die Firmeninhaber mit den wirtschaftlichen Problemen ihrer Zeit betrachtet.

Der nachfolgende Abschnitt skizziert kurz wie die heutige Unternehmung aussieht. Es wird auf die Gesellschafter, das Top-Management und die derzeitige Geschäftsentwicklung eingegangen.

Im vierten Abschnitt, das Pluralistische Verlagshaus der Alternativen, wird das Problem beleuchtet, ob der Medientycoon Bertelsmann nicht eine Gefahr für unsere Gesellschaft darstellt.

Danach folgt eine Konkurrenzbetrachtung, die auf der Untersuchung "Wer beherrscht die Medien?" der Kölner Medienforscher Lutz Hachmeister und Günther Rager basiert.

Im vorletzten Abschnitt Ge nerationswechsel wird auf die jüngsten Querelen im Management eingegangen und die Frage aufgeworfen, ob dadurch nicht Gefahr besteht das Reinhard Mohn sein Lebenswerk zerstört.

Zum Schluss der Hausarbeit erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse über das betrachtete Familienunternehmen Bertelsmann.

Danksagungen

Hier an dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich bei den netten Damen aus dem Bertelsmann Unternehmensarchiv bedanken, die mich in meiner Recherche hilfreich unterstützt haben. Ebenso möchte ich mich bei meinen WG-Mitbewohnern bedanken, die diese Arbeit Korrektur gelesen haben.

2. Was sind eigentlich Familienunternehmen?

Um der Frage auf den Grund zu gehen was eigentlich ein Familienunternehmen ausmacht, stellte ich nach eingehenden Recherchen am Anfang meiner Hausarbeit fest, dass keine verbindliche, einheitliche oder allgemeingültige Definition für Familienunternehmen existiert. Stattdessen können Familienunternehmen jedoch durch eine Reihe von Definitionsmerkmalen abgegrenzt werden.

Dabei kristallisierten sich folgende Abgrenzungsmerkmale heraus:

- Die enge Kopplung einer Familie mit einem Unternehmen durch Eigner- und ggf. Führungsverantwortung, d.h. die Kapitalmehrheit und ggf. die Führungsverantwortung liegen entweder bei einem oder mehreren Familienmitgliedern.
- Der prägende Einfluss der Familien, d.h. das Unternehmen befindet sich im Eigentum einer Familie oder eines Familienverbandes, die/der einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens ausübt.
- Der generationenübergreifende Anspruch, das Unternehmen als Familieneigentum zu erhalten und die Entwicklung des Unternehmens zu gestalten, d.h. das Eigenkapital liegt in den Händen weniger Kapitalgeber, von denen mindestens einer die Unternehmung führt, mit dem Willen, sie dem kleinen Personenkreis zu erhalten. Dies beinhaltet auch den Einfluss auf die Ernennung des Nachfolgers. die ein Familienunternehmen ganz gut umschreiben und zur Abgrenzung dieser herangezogen werden können.

3. Unternehmensgeschichte

3.1. Woher stammt die Familie?

Die Wurzeln der Familie Bertelsmann lassen sich bis weit ins Hochmittelalter zurück verfolgen. Um 1265 ist bei Osnabrück ein Bauernhof urkundlich erwähnt, dem das Geschlecht entstammen soll. Im dunklen liegt jedoch die Herkunft des Namens, der vielleicht auf den heiligen Bartholomäus zurückgeht, den Schutzpatron der Kirche, oder der vielleicht auch von dem sächsischen Namen Berthold herstammen könnte, was soviel heißt wie »Nachkomme« oder »Sohn« des Berthold. Beides sind nur Vermutungen, genaues weiß man nicht. Eins weiß man jedoch genau, dass um ca. 1775 Johann Friedrich Bertelsmann (1757-1793), der Vater des späteren Firmengründers Carl Bertelsmann, sich in Gütersloh ansiedelte. Er brachte seine vielköpfige Familie als Bierbrauer durch und war obendrein Kaufmann, wie seine Verwandten und Vorfahren in Bielefeld und Osnabrück, die dem Leinenhandel nachgingen.

Geografisch gesehen liegt der Ort, wo sich die Familie ansiedelte, im Minden- Ravensbergischen südwestlich von Bielefeld und war umgeben von den großen katholischen Bistümern Münster, Osnabrück und Paderborn. Es zählte zu den Hochburgen der neupietistischen Frömmigkeitsbewegung. Außerdem war Gütersloh zum damaligen Zeitpunkt ein armes Dorf mit nicht einmal 300 Häusern und weniger als 2400 Bewohnern. Befestigte Straßen gab es noch nicht. Die Einheimischen lebten von der Flachsspinnerei und vom Handel mit Garn,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Historische Karte von 1789 Speck, Schinken und Schnaps. Nur wenige

widmeten sich dem Ackerbau, die Zahl der Gewerbetreibenden aber wuchs stetig. Frachtfahrer und Fuhrleute brachten Gütersloher Waren bis nach Berlin, Breslau und Krakau, was den Ort an der Dalke ein wenig über die ostwestfälischen Provinz hinaus bekannt machte.

3.2. Der Firmengründer: Carl Bertelsmann (1791-1850)

In diesem ärmlichen Dorf wurde am 11.Oktober 1791 Carl Bertelsmann geboren. Er war das jüngste von sechs Kindern die Frederike Luise Bertelsmann, geborene Schürmann, zur Welt brachte. Mit anderthalb Jahren verliert er den Vater und wächst in ärgster Not auf. Es war die Zeit der großen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen in Europa. So erwachte mit Napoleon das Nationalgefühl in Mitteleuropa und James Watt legte mit seiner Erfindung der Dampfmaschine (1769) den Grundstein für die Industrielle Revolution, die alles bis dato da gewesene veränderte.

Wie sein älterer Bruder lernte Carl Bertelsmann das Buchbinderhandwerk. Nach seiner Lehrzeit fand er eine Anstellung als Sekretär des Maire von Gütersloh, was sich später als lebensrettend erwies. Denn dadurch erfuhr er rechtzeitig von den bevorstehenden Rekrutierungen für den Russlandfeldzug und floh im Februar 1812 vor den Eintreibern Napoleons. Im Jahre 1815, als er nach dreijähriger Wanderschaft durch Brandenburg und Schlesien zurückkehrte, zu diesem Zeitpunkt war Napoleon bereits besiegt und auf die Atlantikinsel St. Helena verbannt, war ein Bruder in Russland gefallen und der andere, wie er gelernter Buchbinder, betrieb im Haus der Eltern in der Münsterstraße 1 eine Werkstatt. So konnte er sich vorerst nicht wieder in Gütersloh ansiedeln und musste sich in Vlotho und Bielefeld als Buchbinder verdingen. Als jedoch 1819 auch dieser Bruder starb, ließ er sich wieder in seiner Geburts- und Heimatstadt nieder und übernahm den Gewerbebetrieb des verstorbenen Bruders.

Harte Arbeit, Sparsamkeit und vielleicht auch ein wenig Inspiration durch seine Wanderjahre ermöglichen es ihm, in den Folgejahren eine der ersten Steindruckereien in Westfalen zu gründen, welche am 10. Dezember 1829 die offizielle Konzession der königlich-preußischen Regierung erhält. Das Geschäft mit dem Drucken, insbesondere von theologische Literatur, wie Bibeltexte, Katechismen, Gesang- und Gebetsbücher, schien von Anfang an zu florieren, denn wenige Jahre später konnte er sich für 1500 Reichstaler ein respektables Wohn- und Geschäftshaus leisten und verlegte die Druckerei von der Münsterstraße zum Kirchplatz.

Doch der Drucker Carl Bertelsmann gab sich mit dem zu diesem Zeitpunkt erreichten noch nicht zufrieden und kündigte zum 1. Juli 1835 mit dem Werk »Theomele«1 von Friedrich Eickhoff die Aufnahme seiner Verlegertätigkeit an. Offiziell bekam er jedoch die Konzession schon am 18. März 1835 von der Abteilung des Inneren der königlich preußischen Regierung erteilt. (Hier lag auch die Geburtstunde des späteren Weltunternehmens C. Bertelsmann.)

Das Programm des Verlages beschränkte sich in den Anfangsjahren zunächst auf religiöse und allgemeinbildende Bücher wie z. B. »Der Jugendfreund für Schule und Freund« oder »Die kleine Missionsharfe« sowie auf die Herausgabe von zwei Zeitungen (Öffentlichen Anzeiger für den Kreis Wiedenbrück, Evangelische Monatsblatt für Westfalen).

Am 17. Dezember 1850 stirbt der Firmengründer Carl Bertelsmann an den Folgen eines Gehirnschlages. So endet ein Leben, das in äußerster Armut begonnen hatte und in Wohlstand und Ansehen gipfelte, resultierend aus einer „Dreifachkarriere“ als Verleger, Kommunalpolitiker und Mann der Kirche. Am Ende seines Erdendaseins hatte Carl Bertelsmann eine florierende Firma mit 14 Mitarbeitern2, er besaß mehre Häuser und Grundstücke, und neben den vielen Ehrenämtern, die er bekleidete, trug er seit 1833 das preußische Ehrenzeichen. Aus einem armen Wanderburschen war ein arrivierter Bürger geworden.

3.3. Heinrich Bertelsmann (1827 -1887)

Nach dem Tod von Carl Bertelsmann übernahm im Jahre 1850 der erst 23 jährige Sohn Heinrich Bertelsmann den Betrieb. Zeitgenossen schilderten ihn als verschlossen, schwierig, kühl und von ausgesprochen nüchternem Charakter. Dennoch war er selbstbewusst genug, um für die Vergrößerung des Unternehmens zu sorgen. Unter seiner Leitung wuchs der Verlag von gerade einmal 14 Mitarbeitern in den Folgejahren auf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Heinrich Bertelsmann

70 Mitarbeiter3 an, so dass Heinrich den Firmensitz vomrund Kirchplatz in einen modernen Neubau in die Bahnhofstraße (später Eickhoffstraße) verlegen musste. Dort wurden die Maschinen nicht länger von Hand bedient, sondern liefen mit Dampfkraft. Sein allzeit wacher Verstand ließ Heinrich rasch alle möglichen Neuerungen einführen, so zum Beispiel die Stereotypie, die eine große Erweiterung der Druckkapazitäten mit sich brachte. Dadurch erfuhren die Auflagehöhen unter ihm eine gewaltige Steigerung, so erschienen neunmal soviel Bücher wie zu Zeiten seines Vaters, nämlich genau 554 Titel, und jede Menge Zeitschrifte n. Das meiste Theologie, aber auch 123 Sachbücher und 23 belletristische Werke. So befinden sich Werke darunter wie zum Beispiel: Friedrich Rückert, »Sieben Bücher morgenländischer

Sagen und Geschichten«; Gustav Schwab, »Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums«; Lord Byron, »Dichtungen« (aus dem Englischen von Gustav Pfizer); Diesterweg und Henser, »Methodisches Handbuch für den Gesamtunterricht im Rechnen«. Viele dieser Titel stammen aus dem eigenen Verlag, andere hatte Heinrich mit dem N. R. Friedrich Verlag in Elberfeld (1852), dem S. G. Liesching Verlag in Stuttgart (1861/1869), dem G. Löhe Verlag in Nürnberg (1878), dem J. Remak Verlag in Berlin (1886) und dem ebenfalls in Berlin ansässigen Verlag Ferdinand Dümmler (1887) übernommen. Mit diesen Neuerwerbungen begann auch die Expansion des Hauses Bertelsmann. Durch diese Zukäufe bereicherte Heinrich Bertelsmann sein Verlagsprogramm nicht nur um einige illustre Autoren, sondern er erweiterte es neben dem Schwerpunkt Theologie, um die Gebiete Philologie, Geschichte und Jugendliteratur. Neben der Erweiterung der Buchproduktion wurde auch die Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften vorangetrieben. So hatte er auch Erfolg als Zeitungsverleger: Der »Konservative Volksfreund«, 1862 gegründet, erschien 30 Jahre lang.

Trotz aller geschäftlichen Erfolge hatte Heinrich finanzielle Sorgen, die aber nicht auf seine starke Expansionspolitik zurückzuführen waren, sondern eher auf die Erbauseinandersetzungen mit seinem einzigem Bruder Wilhelm. Denn 1856 zog sich die Mutter Friederike Bertelsmann als Firmeninhaberin aus der aktiven Geschäftsführung zurück und Heinrich musste seinen jüngeren Bruder auszahlen. Dies war eine schwere Last für das junge Unternehmen. Sein Bruder Wilhelm ging dann nach Bielefeld, wo er ein eigenes Verlags- und Druckhaus gründete, das noch heute existiert.4 Es dauerte fünf Jahre, bis Heinrich den durch die Erbauseinandersetzung verursachten Kapitalabfluss verwunden hatte.

Fest steht jedoch, dass sich unter seiner Leitung der Verlag C. Bertelsmann zu einen der größten theologischen Verlagshäuser neben Herder, J.C.B. Mohr und Deichert entwickelte. So schrieb damals 1885 der Börsenverein der deutschen Buchhändler über die Firma Bertelsmann: "Der Begründer Ihrer Firma hat es verstanden, sich durch die Ehrenhaftigkeit seiner Grundsätze einen im Deutschen Buchhandel weit und breit hochgeachteten Namen zu verschaffen.", was die damalige herausragende Stellung in Deutschland bestätigen dürfte.

Im Jahre 1886 zieht sich Heinrich Bertelsmann aus der Verlagsleitung zurück und stirbt schließlich am 3. März 1887.

3.4. Johannes Mohn (1856-1930)

Ein Jahr nach dem Tod des alten Bertelsmann übernimmt im Jahre 1887 Friederikes Ehemann Johannes Mohn die Leitung des Verlages. Da die beiden Söhne der Eheleute Bertelsmann im Säuglingsalter gestorben waren, ging das Unternehmen auf die Tochter Frederike über, mit der auch die Linie Bertelsmann endet.5 Trotzdem Johannes Mohn schon 1874 bei Heinrich Bertelsmann als Buchhändler in die Lehre ging und

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Johannes Mohn

1881 als Prokurist bei Bertelsmann tätig war, misstraute die alteseit Witwe Bertelsmann den jungen verlegerischen Fähigkeiten ihres Schwiegersohnes. Und so soll sie wohl noch eine ganze Weile im Unternehmen mitregiert haben, bevor Sie die Leitung des Unternehmens ganz in seine Hände legte. Stärker als sein Schwiegervater knüpfte Johannes bei der Gestaltung des Verlagprogramms an die Anfangszeit an. Während sein Vorgänger noch danach getrachtet hatte, das Programm um Sach-, Schul-, und Jugendbücher zu erweitern, orientierte er sich stärker auf die theologisch-wissenschaftliche und religiös-praktische Literatur. Natürlich wurde das Verlagsprogramm aber auch von der aufkommenden imperialistischen Politik des Deutschen Reiches beeinflusst. Das Missionsschriftentum fand die volle Unterstützung des Firmenchefs und so wurde ein ganze Reihe von Zeitschriften neu gegründet, wie »Die evangelischen Missionen«, »Saat und Ernte auf dem Missionsfelde« oder »Die ärztliche Mission«. Als das Deutsche Reich 1884 Südwestafrika einnahm, gab der Verlag C. Bertelsmann auch Schreibfibeln und Katechismen in Eingeborenensprache heraus. Auch Johannes Mohn hatte der wilhelminische Zeitgeist angesteckt und so veranlassten ihn missionarische und geschäftliche Interessen dazu, sich in Deutsch-Ost-Afrika wirtschaftlich zu arrangieren. Mit einem Stammkapital von 8000 Mark und 206 ha Land gründete er 1907, gemeinsam mit dem ehemaligen Stabsarzt Philipps zu Philippshof, die Westfälische Pflanzungsgesellschaft GmbH. Zusammen mit seinem Kompagnon fungierte er als Geschäftsführer einer Plantage in den Usambarabergen. Der karge Boden dort muss kaum Ertrag abgeworfen haben, denn 1912 wurde die Gesellschaft sang- und klanglos wieder aufgelöst.

Seinen Kulminationspunkt erreichte der C. Bertelsmann Verlag unter Johannes Mohn kurz vor dem Ersten Weltkrieg. 1914 bezifferte der Verleger sein Gesamteinkommen in einer überschlägigen Rechnung auf knapp 100 000 Mark. Ein Besitzsteuerbescheid von 1917 über 1,5 Millionen Mark ist jedoch schwer zu verifizieren, da zu diesem Zeitpunkt bereits der kriegsbedingte Wertverfall der Mark eingesetzt hatte. Betrachtet man zu diesem Zeitpunkt auch die Belegschaftszahl des Verlages, die auf ungefähr achtzig Mitarbeiter angewachsen war, ist diese gemessen an den Zuwachsraten seiner beiden Vorgänger aus heutiger Sicht nicht sehr beeindruckend6. Insgesamt muss man feststellen, dass das Unternehmen unter seiner Leitung bedächtiger gewachsen ist.

Von Beginn an hatte die Unternehmensführung Johannes Mohn im Lichte der glanzvollen Selbstinszenierung preußisch-deutscher Macht gestanden. Der Zusammenbruch der Monarchie markierte folgerichtig deren Ende. Unter dem Druck der Erlebnisse, der Kriegsniederlage des Deutschen Reiches, entschloss er sich, dass Schicksal der Firma im Revolutionsjahr 1918/19 in die Hände seines Sohnes Heinrich zu legen. Er war da ein gebrochener Mann, was sich auch in seinem Gesundheitszustand wiederspiegelte.

Entgültig trat er jedoch erst 1921 zurück und zwar auf dringenden ärztlichen Rat. Und so gaben Vater und Sohn gemeinsam ihren Geschäftskunden bekannt, dass der Juniorchef, der bereits elf Jahre zuvor als Teilhaber in das Unternehmen eingeführt wurde, die künftige Leitung des Verlages übernehmen werde.

Am 2. November 1930 stirbt Johannes Mohn und er nimmt den Trost mit ins Grab, dass unter seiner Leitung der Verlag unbeschadet den Ersten Weltkrieg überstand und das er einen eingearbeiteten Nachfolger, sogar einen Sohn, der Firma in vierter Generation hinterlassen konnte.

3.5. Heinrich Mohn (1885 - 1955)

Als Heinrich Mo hn Firmenchef wurde, hatte der Verlag 84 Mitarbeiter, der Jahresumsatz lag bei knapp 700 000 RM. C. Bertelsmann war eine Personengesellschaft mit Mohn als persönlich haftendem Gesellschafter. Heinrich übernahm das väterliche Geschäft nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in einem Zustand tiefer Depression. Der Wert der Mark sank von Tag zu Tag. Als dann die schleichende Geldentwertung in der

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Heinrich

Mohn galoppierenden Inflation von 1923 kulminierte, musste der Betrieb zum größten Teil stillgelegt werden. Bis auf sechs Mitarbeiter Ende 1923 wurden alle entlassen. Ein Zeitzeuge beschreibt die damalige Situation des Verlages folgendermaßen: "Der Verlag hatte seine Barmittel (Beträge in Millionenhöhe) durch die Inflation verloren. Während des Krieges war es nicht möglich gewesen, den Maschinenbestand der Druckerei zu ergänzen oder zu modernisieren. Auch die wichtigsten Investitionen waren unterblieben Nun musste die Modernisierung schleunigst nachgeholt werden, wenn man konkurrenzfähig bleiben wollte. Heinrich Mohn verfügte zum Glück über erhebliche Büchervorräte und Bestände an Druckbogen Es gelang, einen großen Teil des Lagerbestandes abzusetzen. Von dem Erlös wurden neue Maschinen gekauft." Hand in Hand mit der technischen Modernisierung ging eine Neuorientierung der Verlagsarbeit. Heinrich erkannte, dass er mit kirchlichen Publikationen allein das Unternehmen auf die Dauer nicht stabilisieren könne. Er musste neue Käuferschichten für das Buch gewinnen. Getragen vom allgemeinen Optimismus der sogenannten goldene n zwanziger Jahre, gelang es ihm in den Jahren 1924 bis 1929/30, sein Verlagsprogramm beträchtlich zu erweitern. So nahm er Publikationen für Kinder und Jugendliche in das Programm auf, wie zum Beispiel die Zeitschriften »Für unsere Kinder« und »Der Kindergottesdienst«, das »Taschenbuch für Leiter und Helfer im Kindergottesdienst« und das »Deutsche Kindergesangsbuch«. Aber es wurden auch neue wissenschaftlich- theologische Buchreihen und Zeitschriften in das Programm aufgenommen und traditionelle Schwerpunkte wie die Herausgabe von Gesangsbüchern ausgeweitet. Unter seiner Leitung vergrößerte sich so der Verlag von 1921-1930 von 84 Mitarbeiter 1921 auf 133 Mitarbeitern 1930, trotz der fast erfolgten Stillegung durch die Inflation 19237. Der endgültige Durchbruch zum breiten Lesepublikum gelang Mohn aber erst durch die Aufnahme von Unterhaltungsliteratur. Mit Hilfe seines Vertriebsgenies Fritz Wixforth, den er Anfang der zwanziger Jahre holte, setzte man auf neuartige Absatz- und Werbemethoden, wie z.B. auf Schaufensterdekorationen für Buchhandlungen, Romankassetten, Neuigkeitspakete und Preisausschreiben. Durch diese außergewöhnlichen Werbemaßnahmen konnten die Auflagen enorm gesteigert werden. Verbunden mit der Auflagensteigerung stiegen natürlich auch die Personalstärke (auf 440 Mitarbeiter 1939), der Umsatz (auf 3,1 Millionen RM 1939) und dementsprechend auch die Produktionskapazität8.

Diese stürmische Aufwärtsentwicklung des Verlages, die sich in den vorhergehenden Zahlen widerspiegelt, konnte sonderbarerweise auch die Weltwirtschaftskrise 1932 nichts anhaben.

Jedoch der unerhörte geschäftliche Erfolg für das Unternehmen begann erst mit dem Kriegsbeginn 1939.

[...]


1 Der erste Bestseller des Hauses C. Bertelsmann war eine mehrbändige Sammlung von christlichen Liedern in kombinierter Text- und Notenausgabe.

2 Siehe dazu Anlage 3: Personal- und Umsatzentwicklung auf S. 36.

3 Vgl mit S. 36.

4 W. Bertelsmann Verlag (Gegründet: 1864, Sitz: Bielefeld, Geschäftsführender Gesellschafter: W. Arndt Bertelsmann, Mitarbeiter: 105, Umsatz: 8,5 Mio. €, Verlagsschwerpunkte: Berufsbildung, Berufskunde, Politische Bildung, Formulardienst, Mediendienstleistungen) Vgl. dazu http:// www.wbv.de.

5 Siehe dazu Anlage 1: Genealogie auf S. 34.

Unternehmensgeschichte Seite 11

6 Vgl mit S. 36.

7 Vgl. mit S. 36.

8 Vgl. mit S. 36.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Die Bertelsmann AG
Hochschule
Fachhochschule Lausitz in Senftenberg
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
41
Katalognummer
V29817
ISBN (eBook)
9783638312424
ISBN (Buch)
9783656071686
Dateigröße
716 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Idee, sein Firmenreich an seine genetischen Nachkommen zu vererben, ist verständlich. Sie ist jedoch ebenso gefährlich. Denn zu häufig endet die dynastische Nachfolge in der Krise, manchmal gar in der Pleite.
Schlagworte
Bertelsmann
Arbeit zitieren
Robert Kaschke (Autor:in), 2004, Die Bertelsmann AG, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29817

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