Erzählperspektive und Erzählmotivation in Günter Grass: Katz und Maus


Seminararbeit, 2004

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erzähltheorie und Novellentheorie
2.1. Der Erzähler bei Stanzel
2.1.1. Aspekte der Erzähltheorie
2.2. Novellentheorie

3. Der Erzähler in Katz und Maus
3.1 Pilenz und was er zu erzählen hat
3.2. Medialisierung, Perspektivierung
3.3.Dialektik
3.4. Ich, Er und Du
3.5. Schuld

4. Schlussfolgerung

1. Einleitung

In der Novelle Katz und Maus von Günter Grass geht es eigentlich, mag man dem Erzähler Pilenz Glauben schenken, nicht so sehr um ihn, sondern vor allem um die Figur die im Mittelpunkt seiner Erzählung steht: um Joachim Mahlke (461)[1]. Zweifellos hat die Beschäftigung mit der Erzählerfigur jedoch auf jeden Fall Ihre Berechtigung, will man eine Untersuchung zur Erzählperspektive in Katz und Maus durchführen. Darüber hinaus ist aber auch die Frage interessant, ob Pilenz, etwas überspitzt formuliert, denn nun recht hat, und es wirklich so wenig um ihn geht, oder ob diese Figur nicht vielmehr von zentraler Bedeutung ist und mehr ist als der bloße Übermittler einer Geschichte…

In meinen Betrachtungen zum Erzähler und zur Erzählperspektive in der Novelle Katz und Maus möchte ich von grundlegenden erzähltheoretischen Überlegungen ausgehen. Hierzu soll die von Franz K. Stanzel in seiner Romantypologie ausgearbeitete Kategorisierung verschiedener Erzähler dienen. Ziel ist es auf dieser Basis Betrachtungsebenen zu schaffen, welche noch dazu durch Eigenschaften angereichert werden sollen, welche der Novelle als typisch zugesprochen werden.

Anhand dieser Instrumente folgt daraufhin eine Analyse der Erzählperspektive in Katz und Maus, durch welche ein klareres Verständnis vom Zugang, der hierdurch für den Leser geschaffen wird, entstehen soll.

Erkenntnisse über die Bedeutung der Erzählerfigur sollen das Ziel sein, resultierend aus den verschiedenen Ebenen der Erzählperspektive. Von Interesse sind demnach zum einen die durch die Erzählhaltung bestimmten Eigenschaften des Textes als auch der Stellenwert des Erzählers.

Begonnen werden soll nun jedoch mit der Konstruktion eines theoretischen Hintergrundes aus dem Bereich der Erzähl- und Novellentheorie um die für die weitere Analyse notwendig erscheinenden Instrumente bereit zu stellen.

2. Erzähltheorie und Novellentheorie

2.1. Der Erzähler bei Stanzel

Die wohl bekannteste, jedoch keinesfalls unumstrittene Methode einer formalen Betrachtung von Erzählerfiguren und Erzählperspektive stammt von Franz K.Stanzel. In dieser als Romantypologie entwickelten Theorie unterscheidet er nach seinem ursprünglichen Schema drei verschiedene Vermittlungsformen, die er als drei unterschiedliche Erzähler bezeichnet. Diese sind der auktoriale Erzähler, der personale Erzähler sowie der Ich-Erzähler. Hierdurch soll eine Katalogisierung jeder Mischform einer Erzählsituation möglich werden, indem sie sich auf dem Typenkreis auf dem die drei Grundformen Stanzels angeordnet sind, einordnen lässt.

Nach Stanzel nimmt der auktoriale Erzähler eine Position zwischen der Welt des Romanes und dem Leser ein. Er äußert sich in Kommentaren, ist jedoch keinesfalls mit dem Autor gleichzusetzen sondern eine Gestalt, die vom Autor geschaffen ist. Der Ich-Erzähler gehört eindeutig zur Welt der Erzählung und berichtet aus dieser Position von Geschehnissen an denen er direkt oder indirekt beteiligt war oder von ihnen gehört hat. Der personale Erzähler bildet quasi eine Maske die der Leser anlegt, der Leser betrachtet das Geschehen durch die Augen des personalen Erzählers. Dies wird dadurch erreicht, dass der personale Erzähler soweit zurücktritt, dass beim Lesen eine gewisse Unmittelbarkeit des Erlebens entsteht.

Versucht man nun eine Einordnung der Novelle Katz und Maus in das beschriebene Schema, so ist als dominante Erzählsituation die Ich-Erzählsituation zu nennen.

Den Ich-Erzähler bildet hier die Figur „Pilenz“. Ob parallel auch andere Momente des Erzählens bestehen soll später geklärt werden.

2.1.1. Aspekte der Erzähltheorie

Um den Erkenntnishorizont aufzuzeigen, den uns diese Einordnung ermöglicht scheint es sinnvoll, zu betrachten, welchen Zweck und Nutzen Stanzel seiner Methode zumisst und durch welche Gestaltungsmerkmale sich die Ich-Erzähler-Perspektive auszeichnen kann. Daraus soll dann geschlossen werden inwieweit diese Einordnung für unsere Betrachtungen von Bedeutung ist.

Man kann Stanzels Theorie vor allem auf zwei für uns wichtige Arten kritisieren.

Erstens kann man ihm seine Bezeichnung der Typen als „überzeitliche Konstanten“ vorwerfen. (Stanzel 1964: 8) Mit dieser Bezeichnung meint er eine Art utopischen Idealtypus im Gegensatz zu den konkreten Formen des tatsächlichen Romans. Hierdurch entsteht eine Vernachlässigung entscheidender Faktoren für die Interpretation, wie etwa historische und soziokulturelle Zusammenhänge in der Zeit in der das Werk entstand.

Zweitens ist auf die starke Konzentration Stanzels auf formale Eigenschaften des Romans hinzuweisen und somit eine Vernachlässigung des Inhaltlichen vorwerfbar. (vgl. Stanzel 1964: 4 ) Eine darauf basierende Kritik kann soweit führen, dass davon ausgegangen wird, dass sich „…nach Stanzel der Romaninhalt geändert hat, von der Wirklichkeit gelöst und auf artifizielle Gestaltmerkmale konzentriert“ ( Schröder 1986: 5)

Stanzel geht in seiner Theorie auf Besonderheiten des Ich-Erzählers ein, immer jedoch vom formalen Aspekt der Ich-Form ausgehend. Er geht dabei insbesondere so vor, dass er versucht die Ich-Erzählweise von der auktorialen Erzählweise abzugrenzen, und damit auf Kritik zu reagieren, die die Unterscheidung dieser beiden Formen für müßig hält. Auf diesem Wege gelangt er zu drei Charakteristika der Ich-Erzählung die speziell auch für diese Arbeit wichtig erscheinen.

Erstens sieht Stanzel in Romanen, in denen der Ich-Erzähler eine Stellung einnimmt die sich am Rande des Geschehens befindet als besondere Merkmale die Medialisierung und die Perspektivierung an. Hiermit ist gemeint, dass die Erzählung besonders durch die Stellung des Erzählers geprägt ist, und dadurch, dass das Entscheidende ist, wie die Geschehnisse vom Erzähler betrachtet und aufgenommen werden, welchen Blick der Erzähler auf das Geschehen hat.

Zweitens weist Stanzel auf eine Dialektik zwischen erlebendem Ich und erzählendem Ich hin. Dies sei das herausragende Gestaltungsmerkmal vor allem in „autobiographischen Romanen“. Mit dieser Dialektik ist eine Spannung gemeint, die oft mitunter daraus entsteht, dass der Erzähler einen mehr oder weniger drastischen Lebenswandel hinter sich hat. Er setzt sich somit in einer späteren Phase seines Lebens mit einer früheren Phase auseinander, auch die dazwischen liegende Zeit ist entscheidend für diese Dialektik. Die eigentliche Zuspitzung geschieht jedoch dadurch, dass dieser Konflikt in einer einzigen Person vereinigt ist.

Drittens ist noch das so genannte Verifikationsschema des Ich-Romans zu nennen. Dies kann entweder klassisch dazu führen, dass an eine Historizität des Romans geglaubt wird oder auch auf subtilere oft ironisierende Weise eher die subjektiven Gedankengänge des Erzählers tatsächlicher machen.

(Stanzel 1964: 29ff)

Als mögliche Antwort auf die kritischen Einwände zur Theorie Stanzels könnte in unserem Fall zuerst einmal der Hinweis auf die ausdrückliche, vom Autor selbst vorgenommene Einordnung von Katz und Maus in die Gattung Novelle hingewiesen werden. Inwieweit sich diese Gattung durch spezielle Eigenschaften auszeichnet, die eine Beschäftigung mit den fragwürdigen Aspekten in Stanzels Romantheorie, insbesondere der Eingeschränktheit der Ausgangslage von formalen Erzähltypen, hinfällig macht, soll später geklärt werden. Denn es könnte ja durchaus sein, dass beispielsweise durch die beschränkteren Ausmaße und durch die gradlinigere Ausrichtung der Novelle im Vergleich zum Roman eine Festlegung auf die Ausgangslage einer formalen Erzählperspektive weniger angreifbar erscheint.

Als davon unabhängige Antwort kann jedoch der Verweis auf eine für uns zweckmäßige Verwendung der vorgenommenen Einordnung dienen. Diese beruft sich ausdrücklich auch auf Hinweise Stanzels zu seiner Typologie:

Die bestimmte Erzählsituation soll ein erster Ausgangspunkt sein bei der genauen Analyse der Novelle. Ganz nach Stanzel sollen dadurch „Voraussetzungen und Bedingungen“ bestehen unter denen dann das Erzählte funktioniert. (Stanzel 1964: 10) So soll dies für uns also ein Bezugssystem sein anhand dessen die Erzählhaltung in „Katz und Maus“ näher bestimmt werden kann. Dies bedeutet nicht, dass lediglich von formalen Gesichtspunkten wie dem „Ich-Erzähler“ ausgegangen wird, sondern im Gegenteil anhand des gesetzten Rahmens vor allem auch untersucht werden kann, inwieweit sich die Erzählsituation in der Novelle Katz und Maus vom herkömmlichen Bild eines Ich-Erzählers abgrenzt, bzw. inwieweit die Betrachtung typischer Gestaltungsmerkmale der Ich-Perspektive in deren möglicher Ausgestaltung in Katz und Maus zu Erkenntnissen der Erzählerhaltung führen kann.

Zusammenfassend sind für uns alle drei genannten möglichen Aspekte

eines Ich-Erzählers relevant. Dies wären die Medialisierung und Perspektivierung, die Dialektik zwischen erzählendem und erlebendem Ich und schließlich das Verifikationsschema.

Bevor wir nun in Katz und Maus die Rolle des Erzählers analysieren, kommen wir noch zu Aspekten der Novellentheorie. Hieraus sollen weitere Impulse für die folgende Untersuchung

[...]


[1] Sämtliche Zahlenangaben in Klammern beziehen sich auf Seitenangaben in Grass (1996)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Erzählperspektive und Erzählmotivation in Günter Grass: Katz und Maus
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Die Blechtrommel
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V29797
ISBN (eBook)
9783638312288
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bei der Hausarbeit "Erzählperspektive und Erzählmotivation in Günter Grass: Katz und Maus" geht es um den Erzähler in der Novelle Katz und Maus, basierend auf erzähltheoretischen und Novellen-theoretischen Überlegungen.
Schlagworte
Erzählperspektive, Erzählmotivation, Günter, Grass, Katz, Maus, Blechtrommel
Arbeit zitieren
Andreas Schuster (Autor:in), 2004, Erzählperspektive und Erzählmotivation in Günter Grass: Katz und Maus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29797

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