Stichwort: Mediendemokratie - Politische Kommunikation im Medienzeitalter


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

26 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. a) Der Begriff der politischen Kommunikation
b) Der Begriff der Mediendemokratie

3. Die Rolle der Medien in der Demokratie (Soll-Zustand)

4. Die gegenwärtige Situation (Ist-Zustand)
a) Ökonimisierung
b) Konzernjournalismus
c) Mediatisierung
d) Amerikanisierung im Wahlkampf

5. Lösungsansätze in der Debatte um die politische Kommunikation

6. Fazit und Ausblick

1. Einleitung

Die Gesellschaft der Bundesrepublik hat sich seit dem 2. Weltkrieg stark verändert. Die damals bestehenden traditionellen Bindungen gelten heute weniger, gesellschaftliche Institutionen wie Parteien und Kirche verlieren immer mehr an Einfluss. Die Gesellschaft individualisiert sich immer weiter und stellt damit das politische System vor andere Bedingungen. Doch wie sehen diese Bedingungen genau aus? Kann die Vermittlung von Politik heute noch genauso vor sich gehen wie vor 20 Jahren oder muss das politische System heute im Bereich der Kommunikation neue Wege gehen? Und inwieweit ist dies mit den Rahmenbedingungen der politischen Vermittlung, welche im Grundgesetzverankert sind, vereinbar? Stellt die veränderte Situation vielleicht sogar eine Gefahr für die Demokratie dar?

Diesen Fragen wird in dieser Hausarbeit nachgegangen. Um Antworten auf diese Fragen zu finden wird zunächst dargelegt, wie der Gesetzgeber die Rolle der politischen Vermittlung durch die Parteien vorgesehen hat. Danach wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich die deutsche Gesellschaft verändert, um daraufhin das Mediensystem zu analysieren. Hinsichtlich des Mediensystem wird der Schwerpunkt auf die Einführung des Privatfernsehens und dessen Auswirkungen gelegt und inwiefern man hier von einer „Macht der Medien“ sprechen kann. Danach wird betrachtet, inwieweit das politische System auf die neuen Bedingungen in den anderen Teilsystemen reagiert. Was sind die Antworten der politischen Parteien auf die Trends in ihrem Umfeld? Was hat es auf sich mit neuen Techniken des Politmarketings? Gibt es hier Rückkopplungen auf das inhaltliche Programm der Parteien? Dies führt dann gleich zu der weiterführenden Frage inwieweit sich Chancen und Risiken aus den neuen Techniken und Bedingungen der politischen Kommunikation für das demokratische System ergeben.

In einem Fazit wird dann versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, ob sich nachhaltige Politik überhaupt noch unter den gegenwärtigen Bedingungen realisieren lässt. Auch einige Lösungsvorschläge für eventuell entstandene Problemlagen werden versucht zu geben. Außerdem wird sich noch einmal mit der Frage beschäftigt, wie weit die Rahmenbedingungen des Gesetzgebers von aktueller politischer Kommunikation eingehalten werden oder ob der Gesetzestext ein „Muster ohne Wert ist“. Wenn dies zutrifft, was sind die Gründe dafür und wo genau hat sich etwas verändert?

2. Der rechtliche Rahmen für politische Kommunikation in Deutschland

Um herauszufinden, inwieweit neuere Entwicklung in der modernen Gesellschaft zu einem Problem für die Demokratie werden könnten, muss erst einmal die ursprüngliche Aufgabe der Parteien geklärt werden. In dem die Aufgaben der Parteien betreffenden Artikel 21 des Grundgesetzes heißt es hierzu unter anderem:

„Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit“[1]

Dies sollen sie unter anderem tun, indem sie auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, politisches Personal ausbilden, sich an den Wahlen beteiligen, auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss nehmen, die von ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozess der staatlichen Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischen Volk und Staatsorganen sorgen. Parteien sind nach dem Parteiengesetz „Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen.“[2]

Weiter ausgeführt wird der verfassungsrechtliche Auftrag an die Parteien in der Urteilsbegründung zur Parteienfinanzierung vom 9. April 1992. Hier heißt es unter anderem:
Den Parteien obliegt es, politische Ziele zu formulieren und diese den Bürgern zu vermitteln, sowie daran mitzuwirken, dass die Gesellschaft wie auch den einzelne Bürger betreffende Probleme erkannt, benannt und angemessene Lösungen zugeführt werden.[...]“[3] In der Urteilsbegründung werden die Parteien explizit dazu aufgefordert, auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen. Sie sollen im Wettbewerb mit anderen „Einrichtungen und Verbänden die Bürger von der Richtigkeit ihrer Politik zu überzeugen versuchen.“[4]

Dies alles diene dazu, dem Bürger die politischen Ziele der Parteien zu vermitteln und ihn so für sich zu gewinnen. Man kann hier also einen klaren Auftrag des Gesetzgebers zur Erarbeitung inhaltlicher Vorstellung durch die Gremien der Parteien erkennen, für die dann um Mehrheiten gekämpft werden soll.

Allerdings schränkt der Gesetzgeber diesen Auftrag auch wieder ein, indem er fordert, dies solle nicht unabhängig von den „im Volke vorhandenen Meinungen, Interessen und Bestrebungen“[5] geschehen. Die Parteien werden vielmehr aufgefordert, diese „zu sammeln, in sich auszugleichen und zu Alternativen zu formen, unter denen die Bürger auswählen können.“[6] Außerdem sollen sie den Bürgerwillen artikulieren und gegenüber den Staatsorganen zur Geltung bringen, denn „nicht zuletzt über die Parteien nimmt das Volk auch zwischen den Wahlen Einfluß auf die Entscheidungen der obersten Staatsorgane.“[7]

Zusammenfassend kann hier die Forderung nach Ausarbeitung von Programmen zur Lösung der Zukunftsprobleme der Gesellschaft erkannt werden, die aber nicht völlig abgetrennt von den momentanen Befindlichkeit der Bürger entstehen sollen. Vielmehr muss ein Ausgleich gefunden werden, zwischen Zukunftsentwürfen, für die erst noch die Zustimmung der Bürger eingeworben werden soll und einer Vertretung ihrer gegenwärtigen Interessen.

Inwieweit dieser Verfassungsauftrag von den Parteien zur Zeit noch ausgefüllt wird, soll im weiteren Teil der Arbeit geprüft werden. Hierzu werden erst die grundlegenden Veränderungen in Gesellschaft und im Mediensystem sowie die Reaktion des politischen Systems darauf darlegen, die dazu geführt haben, dass sich diese Frage überhaupt stellt.

3. Bewegung in der Gesellschaft

Wie verändert sich die Gesellschaft? Muss sich die politische Kommunikation überhaupt neuen Bedingungen anpassen? Dieser Frage soll im folgenden Abschnitt nachgegangen werden. Das Wort von der „Individualisierung“ macht die Runde. Nach Sarcinelli[8] sind individualisierte Verhaltensweisen dann gegeben, „wenn die Zugehörigkeit zu sozialstrukturellen Kategorisierungen ihren systematischen Einfluß auf das alltägliche menschliche Handeln verliert.“ Die Entwicklungen der Individualisierungen sind in allen gesellschaftlichen Institutionen, ob das nun Ehe, Familie, Religion oder eben auch die Parteien sind, drastisch spürbar. Für die Parteien bedeutet das: Der Stammwähler ist eine aussterbende Spezies[9].

Der Anteil der parteigebundenen Wähler in Westdeutschland nimmt seit Jahrzehnten ab. So ist der Stammwähleranteil seit den 70er Jahren kontinuierlich gesunken. Während früher relativ leicht aus der sozialen Herkunft erkennbar war, wer was wählte, so sind heutzutage solche Prognosen wesentlich schwieriger zu treffen. „Aus relativ festgefügten Milieus und Parteibindungen, die Wahlentscheidungen der Bürger durch sozialstrukturelle Variablen relativ gut prognostizierbar machten, sind stärker marktförmige Strukturen geworden, auf deren Basis 'volatile' Wähler ihre Optionen kurzfristig, situationsgebunden und spontan realisieren.“[10] Dies bedeutet nicht, dass der norddeutsche, evangelische Arbeiter nicht mehr bei der SPD sein Kreuz macht, nur kommt er immer seltener vor. Es gibt eine zunehmende 'Pluralisierung und Fragmentisierung' der Gesellschaft[11] Deshalb verlieren die Parteien und Organisationen des politischen Systems an gesellschaftlichem Einfluss. Die Wähler wenden sich von ihnen ab, entscheiden immer später, ob und wen sie wählen. Die lebensweltliche Entkoppelung von Parteien und Bürgern schlägt sich in gesunkenen Mitgliederzahlen und einem Wegbrechen des Vorfeldes nieder. Zwar bleibe die Gesellschaft mobilisierbar[12], aber der Erfolg der klassischen Mitgliederorganisationen ist dabei ereignisabhängig.So kann zum Beispiel eine Unterschriftenaktion gegen das Staatsbürgerecht von Rot-Grün großen Erfolg haben, eine dauerhafte Bindung der Bürger an die Organisationen, die dahinter stehen hat das aber nicht zur Folge. Auch wehren sich viele Bürger gegen universelle Lösungsansätze der Parteien. So können Wähler heute den WWF unterstützen aber trotzdem eine neue Landebahn haben wollen, gegen Atomkraft sein aber Kampfeinsätze der Bundeswehr befürworten[13]. Sympathiewerte für Parteien und Politiker orientieren sich dann daran, welchem Thema persönlich größere Priorität eingeräumt wird. Wie weit diese Entwicklung fortgeschritten ist, darüber wird in der Literatur aber noch gestritten. So sieht Malte Ristau, Mitarbeiter der Wahlkampfzentrale der SPD, den Kernbestand des SPD-Potentials gerade einmal noch bei 13 %, dem er dann noch 12 % Randwähler hinzufügt, also Wähler, die sich zwar der SPD verbunden fühlen, aber auch schon einmal eine andere Partei gewählt haben[14].

Für Vogt liegt der Anteil der unpolitischen Wechselwähler hingegen bei weniger als 1/3 des Elektorats[15] und nach Schmitt-Beck wachse zwar der Anteil derjenigen, die sich keiner Partei zugehörig fühlen, dieser Anteil sei aber immer noch in der Minderheit[16].

4. Das Mediensystem

4.1 Die Einführung des Privatfernsehens und dessen Auswirkungen

Das Mediensystem hat sich in den letzten knapp 20 Jahren rasant verändert. Als wichtigstes Datum nach Einführung des Fernsehens dürfte in der bundesdeutschen Mediengeschichte der Start des Privat-Fernsehens und damit des Systems des dualen Rundfunks 1984 gesehen werden. Die Monopolstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde damit gebrochen. Die Monopolstellung „sorgte für jene 'anstaltsartige' Empfangssituation, in der das wahllose Publikum öffentlicher Rundfunkanstalten, gleichsam wie Jugendliche in der Schule, zu sehen und zu hören hatte, was die Anstaltsleitung ihm vorsetzte und insoweit am staatsbürgerlichen Unterricht teilnehmen musste, auch wenn sein primäres Programminteresse möglicherweise woanders lag."[17] Die Rundfunkstationen konnten also gewissermaßen auch gegen die „Publikumsinteressen" politische Sendungen zeigen und sich dabei hoher Zuschauerzahlen sicher sein. Heute kann der Fernsehzuschauer in der Regel zwischen Fernsehsendern wählen, die ihm im Idealfall immer genau das liefern, was er gerade sehen möchte[18]. In dieser Situation ist eine von oben verordnete „Staatsbürgerkunde" also gar nicht mehr möglich. Langweilt sich der Zuschauer, zappt er einfach weg.

4.2 Die Medienlogik und ihre Folgen

Die Medien, lange Zeit in der dienenden Rolle für die Gesellschaft gewesen und deshalb im Rundfunkbereich der Privatwirtschaft entzogen, gewannen durch die Liberalisierung an Autonomie und den Status eines eigenständigen Akteurs. Sie entwickelten im Wettbewerb untereinander nun eine eigene Handlungslogik, auch weil der Staat privaten Unternehmen nicht so einfach wie staatlichen Unternehmen Aufgaben erteilen konnte[19]. Die Handlungslogik des Mediensystem wird von einem einfachem Grundsatz geleitet: es gefällt, was Quote bringt.

[...]


[1] Artikel 21 GG

[2] Artikel 21, GG, Paragraf 2, Absatz 1, Gesetz über die politischen Parteien

[3] Auszüge aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.4.1992

[4] ebd.

[5] Auszüge aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.4.1992

[6] ebd.

[7] ebd.

[8] Geisler/Sarcinelli 2002, 52

[9] Schmitt-Beck 2002, 110

[10] Dörner 2002, 33

[11] Schmitt-Beck 2002, 110

[12] Geisler/Sarcinelli 2002, 54

[13] Stauss 2002, 227

[14] Ristau, 2002, 154

[15] Vogt 2002, 131

[16] Schmitt-Beck 2002, 110

[17] Marcinkowski 1998, 168

[18] Machnig 2002, 148

[19] Jarren 1998, 85

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Stichwort: Mediendemokratie - Politische Kommunikation im Medienzeitalter
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Institut für Sozialwissenschaften)
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
26
Katalognummer
V29674
ISBN (eBook)
9783638311304
ISBN (Buch)
9783640612802
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stichwort, Mediendemokratie, Politische, Kommunikation, Medienzeitalter
Arbeit zitieren
Natalie Kayani (Autor:in), 2003, Stichwort: Mediendemokratie - Politische Kommunikation im Medienzeitalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29674

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