Konzepte rechter Ökologie - am Beispiel der Debatte über die Überbevölkerung


Magisterarbeit, 1998

125 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Gegenstand der Arbeit
1.2. Vorgehensweise
1.3. Der Stand der Forschung

2. Konservatismus und (Neue) Rechte in Deutschland
2.1. Kurze Ideengeschichte des Konservatismus
2.2. Die Neue Rechte
2.2.1. Die Strategie der Neuen Rechten

3. Ökologie - zwischen Wissenschaft und Bewegung
3.1. Kurze Wissenschaftsgeschichte der Ökologie
3.2. Die Ö kologiebewegung und ihre ideengeschichtlichen Vorgänger
3.2.1. Von der Romantik zur Naturschutzbewegung
3.2.2. Die ökologische Protestbewegung
3.2.3. Von der Bewegung zur Partei
3.3. Von der Teildisziplin zur Weltanschauung

4. Zentrale Denkfiguren der rechten Ökologie
4.1. Im Vaterland
4.1.1. Ablehnung des Gleichheitsprinzips
4.1.2. Dekadenz und Verweichlichung in der Moderne
4.2. Im Mutterland
4.2.1. Naturalisierung von Volk und Gesellschaft
4.2.2. Technik- und Fortschrittskritik als Zivilisationskritik
4.2.3. Die Lösung: Bioregionalismus
4.3. Im Vater- und Mutterland

5. Die Debatte um die Überbevölkerung
5.1. Die ‘Ü berbevölkerung ’ - Entwicklung eines schillernden Begriffs
5.2. Der (über-)Bevölkerungsdiskurs von rechts
5.2.1. Die Überbevölkerung von Deutschland
5.2.1.1. Ökologie als vormoderner ‘Völkerschutz’
5.2.1.2. Ökologie als ökonomischer ‘Heimatschutz
5.2.2. Die globale Überbevölkerung
5.2.2.1 Der demographische Nord-Süd-Konflikt
5.2.2.2. ‘Volkstod’ und ‘Lebensschutz’ - der Kampf um Lebensraum
5.2.3. Die Lösung: Ethnopluralismus

6. Schluss

7. Literatur

1. Einleitung

1.1. Gegenstand der Arbeit

In der öffentlichen Debatte und in den Massenmedien wird Ö kologie in Deutschland zumeist als linkes, emanzipatorisches Anliegen wahrgenommen. Wichtigste Ursache dafür ist das Aufkommen einer „Ökologiebewegung“ in den 70er Jahren, die sich im Anschluss an die linke Protestbewegung formierte, sich selbst überwiegend als links wahrnahm und auch entsprechend rezipiert wurde. Die hieraus entstehenden Organisationen und v.a. die Partei Die Grünen werden folgerichtig bis heute dem linken politischen Lager zugerechnet, auch wenn seit den zunehmenden Wahlerfolgen und Regierungsbeteiligungen ab Mitte der 80er Jahre von verschiedenen Seiten die Etablierung im bürgerlichen Staat oder ein Rechtsruck der Grünen festgestellt und kritisiert wurde.1

Diese Sichtweise verstellt den Blick für die konservativen Aspekte der Ökologiebewegung, die bereits in den Anfangsjahren von Bedeutung waren und zumindest in der Binnenbetrachtung entsprechend wahrgenommen wurden. Dies wurde jedoch durchaus nicht grundsätzlich negativ eingeschätzt, da die Vorläufer der Grünen ein möglichst breites Bündnis ökologisch orientierter Kräfte anstrebten. Deren politische Herkunft galt als sekundär, da man sich in nach grünem Selbstverständnis außerhalb des etablierten und als überkommen angesehenen Links-rechts-Schemas bewegte.2 Bezüglich der rechten und konservativen Anteile der frühen Ökologiebewegung lassen sich zunächst zwei Ebenen aufgrund ihrer Ausprägung und Reichweite unterscheiden:

1) Personell und organisatorisch waren konservative und rechte Kräfte gerade in den Vorläuferorganisationen und in den Anfangsjahren der Grünen präsent.3 Deren Ziele und Ideale waren durchaus „bewegungskompatibel“, ihr Einfluss innerhalb der Grünen und ihre Außenwirkung war jedoch spätestens ab Mitte der 80er Jahren gering. Dies gilt um so mehr, da Leitfiguren wie Herbert Gruhl die Partei frühzeitig enttäuscht verließen und der Versuch der Unterwanderung der Grünen von rechts gescheitert war.4

2) daneben gab und gibt es zentrale, personenunabhängige Diskurselemente, die ideengeschichtlich konservative bzw. rechte Positionen repräsentieren, und die sowohl in der Ökologiebewegung als auch gesamtgesellschaftlich Attraktivität und Wirkungsmacht besitzen, ohne dass deren Herkunft und Charakter sowohl innerhalb der Ökologiebewegung als auch in der öffentlichen Ökologiedebatte stets mitrezipiert werden.

Das Herausarbeiten und die Darstellung dieser Denkfiguren, die, mit aktuellen ökologischen Deutungsmustern angereichert, an traditionelle konservative Bestände des 18. und 19. Jahrhunderts und der ‘Konservativen Revolution’ der Weimarer Republik5 anknüpfen, bilden den Schwerpunkt dieser Arbeit.

Über den trivialen Ansatz hinausgehend, dass Naturschutz und -bewahrung ohnehin genuin konservative Anliegen seien, sind diese Denkmuster weniger interessant als neutral zu verstehende Lösungsansätze von „ökologischen Problemen“, sondern als Ideologieprodukte, deren Vertreter hegemoniale Deutungsmacht der gesellschaftlichen Verhältnisse anstreben.

Dieses Vorgehen entspricht dem Konzept der Metapolitik, von Alain de Benoist und anderen Vertretern der Neuen Rechten6 entwickelt, durch das aktuelle gesellschaftliche Probleme und Diskussionen von rechts besetzt werden, ohne explizit auf altrechte, durch die NS-Zeit diskreditierte Begriffe und die herkömmliche politische Praxis der Rechten zurückzugreifen. Grundlegend für die Beschäftigung mit diesem Phänomen ist dabei die Annahme, dass Ökologie und Umweltschutz sowohl strategisch als auch ideologisch besonders gut in Übereinstimmung mit den mittel- und langfristigen Zielen der (Neuen) Rechten zu bringen sind.

Zu untersuchen ist daher, welche Aspekte der Ökologiediskussion besonders attraktiv für diese Vorgehensweise sind, wo sich folglich rechte Positionen möglichst problemlos an ökologische Krisenphänomene andocken lassen, bzw. umgekehrt, an welchen Punkten das Konzept der politischen Ökologie besonders anfällig für rechtskonservative Deutungsmuster ist, diese möglicherweise sogar konstitutiv für eine „ökologische Sicht von Gesellschaft“ sind.

An der Debatte über die Überbevölkerung soll dies schließlich exemplarisch gezeigt werden. Dieser Themenbereich nimmt spätestens seit Mitte der 70er Jahre einen zentralen Platz bei der Diskussion zukünftiger Krisenphänomene ein.7 Das Beispiel wurde gewählt, weil sich hier, so die Vorannahme, neben der unbestrittenen globalen Bedeutung des Themas besonders anschaulich die Vermischung verschiedener politischer, sozialer und ökologischer Diskurse mit traditionell rechtskonservativen Ideologiefragmenten aufzeigen lässt.

1.2. Vorgehensweise

Aufgabe dieser Arbeit ist es nun zunächst, die rechtsökologischen Denkfiguren einzeln und in ihrem Zusammenhang darzustellen und zu untersuchen, welche Ideologeme jeweils größere oder geringere Deutungsmacht besitzen. Dabei ist v.a. zu untersuchen, auf welches ideengeschichtliche Fundament diese Denkfiguren aufbauen. Zentrale Frage hierbei ist, ob diese Denkfiguren in der Ökologiediskussion und in der Folge in der öffentlichen Überbevölkerungsdebatte eine Rolle spielen bzw. dort schon hegemonial wirken und als unhinterfragbare Tatsachen kursieren.8

Geschehen soll dies durch die Sichtung und Einordnung sowohl der explizit rechten als auch einer sich neutral gebenden Ökologie sowie der kritischen Lektüre der mit diesem Komplex befassten soziologischen und politikwissenschaftlichen Forschung.

Da sowohl die Ökologiebewegung als auch der Diskurs der globalen Überbevölkerung, die ohnehin nicht voneinander zu isolieren sind, erst seit Anfang der 70er Jahre zumindest in

Deutschland öffentlich von großer Bedeutung sind, liegt die primäre Beschäftigung mit diesem Zeitabschnitt nahe. Um jedoch der Gefahr der Geschichtslosigkeit zu entgehen,9 gilt es insbesondere bei der Aufarbeitung der Neuen Rechten in Kapitel 2 und des wissenschaftlichen und politischen Ökologiebegriffs in Kapitel 3 weitaus ältere Publikationen zu sichten, ohne die die Besonderheit der aktuellen Entwicklung und die Fragestellung dieser Arbeit überhaupt nicht zu erfassen wären.

Um das umfassende Gebiet der rechten Ökologie und der damit befassten Forschung einzugrenzen und zu strukturieren, gilt es, die zentralen ideengeschichtlichen Wesensmerkmale und Stereotype aufzuzeigen, die historisch und aktuell in der Ökologie von rechts von Bedeutung sind, oder anders gesagt, herauszuarbeiten, an welchen Punkten die Ökologiediskussion von rechten Diskursen genutzt und instrumentalisiert wird, um weitergehende gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen. Schlagwortartig seien hier bereits folgende Denkfiguren genannt:10

- die Naturalisierung der Gesellschaft, eine organizistische und totalitäre Beschreibung und Deutung politischer Zusammenhänge; gleichzeitig die Personalisierung von ‘Natur’ als eigenständig handelndem Subjekt
- die Vorstellung eines natürlichen Gleichgewichts bzw. einer ‘natürlichen Ordnung’, die aus dem Gleichgewicht geraten sei
- hieraus folgend eine Technik- und Fortschrittskritik, die Forderung nach der Zurückwendung zu eben diesem Gleichgewicht
- die Ablehnung eines universellen Gleichheitsprinzips als Verstoß gegen die natürliche Ordnung
- häufig die Zurückweisung humanistischer und aufklärerischer Prinzipien überhaupt, die Hinwendung zu einem vormodernen, oft spirituell begründeten Gesellschaftsmodell
- antidemokratische, autoritäre Ordnungs- und Herrschaftsvorstellungen, der Wunsch nach einem starken Staat, womöglich einer ‘Ökodiktatur’
- Kritik am Materialismus und Industrialismus und der daraus folgenden „Entfremdung“ des Menschen von seiner natürlichen Umgebung, die als Verursacher der ökologischen Krise angesehen wird
- die Ablehnung einer als ‘flach’ und ‘rein äußerlich’ angesehenen Massenkultur sowie
materiellem Gewinnstreben, daraus folgend häufig Antiamerikanismus und Antisemitismus
- der absolut positive Bezug auf ‘Volk’, ‘Heimat’ und ‘Nation’, wobei diese wiederum naturalisiert werden
- daraus folgend eine statische Beschreibung von Gesellschaft, die den ‘Völkern’ einen festen Platz zuweist, Migration und ‘Multikulturalismus’ daher als ökologische Probleme begreift
- die Vorstellung einer ‘Überbevölkerung’ der Erde im allgemeinen und Deutschlands im besonderen

Selbstverständlich treffen nicht alle Aspekte in gleichem Maße für alle Varianten des (Neo)Konservatismus, der Alten und Neuen Rechten oder des Neofaschismus zu. Ein in sich geschlossenes und homogenes rechtsökologisches Weltbild existiert nicht.11 Trotzdem ergänzen diese Punkte sich häufig bzw. bedingen einander und bilden in ihrer Gesamtheit Merkmale einer totalitär-rechten Ideologie. Der Versuch einer exakten Bestimmung und Strukturierung wird in Kapitel 4 unternommen.

Das 5. Kapitel versucht schließlich zu zeigen, wie die einzelnen diskursiven Bausteine der rechten Ökologie in die konkrete Diskussion um die ‘Überbevölkerung’ Eingang finden. Analog zur Darstellung der Ökologiegeschichte in Kap. 3 erscheint es auch hier sinnvoll, zunächst zwischen der wissenschaftlichen und der öffentlichen Debatte, bzw. dem realen Problem, soweit dies rekonstruierbar ist, und dessen ideologischem Widerhall zu trennen, und zwar aus zwei Gründen:

1) um der Gefahr zu entgehen, die Kritik der rechten Ökologie als reine Ideologiekritik zu betreiben und die realen Auswirkungen einer globalen Bevölkerungszunahme aus den Augen zu verlieren;
2) um methodisch die verschiedenen Interessen und Motivationen der Diskursteilnehmer genauer differenzieren zu können.

Motiv für diese Fokussierung ist die Annahme, dass sich an der Überbevölkerungsdebatte besonders prägnant die diskursive Strategie von konservativer und rechter Ökologie aufzeigen lässt, anhand von zukunftsgerichteten Debatten Deutungsmacht über gesellschaftliche Probleme zu erringen. Da sich dieses Vorgehen innerhalb der Überbevölkerungsdiskussion leicht mit der Sorge um „das Wohl der Menschheit“ oder „der Natur“ verknüpfen bzw. ummanteln lässt, ist, so die These, gerade hier die Ökologiebewegung besonders anfällig für die unzureichend reflektierte Übernahme rechtsökologischer Ideologeme. Inwieweit dies zutrifft, soll abschließend in Kapitel 6 erörtert werden.

1.3. Der Stand der Forschung

Bei der Untersuchung des oben beschriebenen Gegenstands liegt nahe, dass dieser erst unter der Zusammenführung verschiedener Teilaspekte an Schärfe gewinnt. Neben der, wenn auch rudimentären, Berücksichtigung unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen wie Ökologie, Biologie oder Verhaltensforschung (‘Ethologie’) bedeutet dies vor allem die Kenntnisnahme diverser soziologischer, philosophischer und politologischer Theorien und Diskurse zum Konservatismus und Rechtsextremismus bzw. Rechtsradikalismus.12 Entsprechend breit und heterogen ist das bearbeitete Material einzuordnen, neben wissenschaftlichen Untersuchungen unterschiedlicher Qualität gibt es populäre Darstellungen, philosophische Abhandlungen, aber auch politische Pamphlete und Selbstdarstellungen rechter Gruppierungen, Flugblätter u.ä., die von Bedeutung sein können. Dass im Rahmen dieser Arbeit nicht das gesamte zur Verfügung stehende Material gesichtet, geschweige denn bearbeitet werden konnte, liegt auf der Hand. Allein die seriösen Darstellungen zum Rechtsextremismus nach 1945 füllen Bibliotheken, ähnlich verhält es sich mit Untersuchungen zu unterschiedlichen Aspekten des Konservatismus oder des Umweltschutzes.

Um trotzdem ein möglichst umfassendes Bild zu liefern, wurden daher jene Darstellungen in den Mittelpunkt gerückt, die wiederum bei anderen Autoren als positive oder kritische Belege besonders häufig herangezogen werden, denen man folglich ungeachtet ihres realen Gehaltes Einfluss auf den entsprechenden Diskurs unterstellen kann. Dies gilt vor allem für die Darstellung der Ökologiegeschichte und -bewegung sowie des Konservatismus und der (Neuen) Rechten, wobei gerade bei Randaspekten dieser Komplexe die Darstellung unscharf bleiben muss.

Die Auswahl an Publikationen, die sich selbst explizit und ausschließlich mit rechter Ökologie bzw. der ‘ökologischen Rechten’ beschäftigen, ist begrenzt, wenn auch mit den parlamentarischen Erfolgen der extremen Rechten seit Ende der 80er Jahre ein erhöhtes Interesse von Seiten der Sozialwissenschaft festzustellen ist. Zu nennen sind v.a. die diversen Publikationen des Institutes für sozial-ökologische Forschung (ISOE, Frankfurt/M.) und dessen Mitarbeitern, insbesondere die fundierte Untersuchung von Jahn/Wehling (1991), die kenntnis- und materialreich die Bedingungen und Chancen einer Ö kologie von rechts darstellen. Erwähnenswert sind weiterhin die ideologiekritischen Untersuchungen von Geden (1996) und Wüst (1993), sowie der mehr phänomenologische Ansatz von Großheim (1995), der selbst dem konservativen Lager zugerechnet werden kann. Daneben gibt es eine große Zahl von Aufsätzen, die unterschiedliche Aspekte einer konservativen oder rechten Ökologie bzw. des ökologischen Konservatismus und Rechtsradikalismus betrachten.

Für die Zeit davor sind die von Peters herausgegebenen Textsammlungen zu nennen (Peters 1979a u. 1980a), in denen sehr früh auf die Gefahren einer „ökologischen Sicht der Gesellschaft“ und einer Unterwanderung der Ökologiebewegung von rechts hingewiesen, dabei jedoch das Problem, der Zeit entsprechend, weitgehend organisatorisch und personell betrachtet wird. Weiterhin hervorzuheben sind die Untersuchungen von Stöss (1980a, 1980b, 1989), Dudek (1983, 1984), Dudek/Jaschke (1984), sowie der von Schäfer herausgegebene Sammelband (1983), die alle unter unterschiedlichen Fragestellungen das Verhältnis der Ökologiebewegung und der Grünen zum Konservatismus bzw. das Verhältnis der Rechten zur Ökologie zum Gegenstand haben.

Als nur bedingt aufschlussreich erwiesen sich die Publikationen einer Gruppe, die es sich explizit zum Ziel gesetzt hat, rechte und konservative Positionen innerhalb der Ökologiebewegung und -diskussion aufzuzeigen und anzuprangern: der „Ökologischen Linken“ um Jutta Ditfurth und Manfred Zieran und deren Zeitschrift „Ökolinx“. Problematisch an deren Behandlung des Komplexes ist v.a. die Fokussierung auf Traditionsbestände der NS-Zeit innerhalb der Ökologiebewegung und ein damit verbundener „traditioneller“ Antifaschismus, der sich häufig auf das Auffinden ‘anstößiger’ Textstellen beschränkt. Dieser Logik folgend werden alle entsprechenden Erscheinungen der rechten Ökologie unter dem Schlagwort „Ökofaschismus“ subsumiert und eine notwendige Differenzierung bezüglich ideengeschichtlicher Herkunft und ideologischer Stoßrichtung damit erschwert. Darüber hinaus wird dieser „Ökofaschismus“ häufig allein organisatorisch und personell hergeleitet. Wenn dies auch sehr kenntnisreich und mit großem Detailwissen über strukturelle Verbindungen des „rechten Netzwerks“ geschieht, bleiben zwangsläufig jene diskursive Verschiebungen unberücksichtigt, die sich außerhalb des tradierten rechten Ideologiebestandes bewegen.

Überraschend war, dass sich nur wenige seriöse Monographien finden ließen, die sich ausschließlich mit dem Komplex der Überbevölkerung beschäftigen. Meist als Teilaspekt von Untersuchungen zu Migration oder ökologischer Krise abgehandelt, findet man hier eher Randbemerkungen oder kleinere Aufsätze bzw. Darstellungen von staatlichen Institutionen. Dieser Umstand wiederum könnte die These unterstützen, dass es sich um ein Thema handelt, dessen globale Bedeutung als erkannt gilt und dessen gesellschaftspolitische Dimension daher nur noch relational verhandelt wird, was zumeist auf zwischenstaatlicher Ebene geschieht. Akteure sind hier NGO’s, Regierungsorganisationen und die internationalen Organisationen, wobei Kritik an der bevölkerungspolitischen Praxis von letzteren v.a. von feministischer Seite geäußert wird. Gesondert bewertet werden müssen die explizit rechten Publikationen zur Bevölkerungspolitik, die sich v.a. mit der demographischen Entwicklung Deutschlands bei abnehmender Geburtenrate der „deutschstämmigen“ Bevölkerung und dem daraus resultierenden ‘Volkstod’ beschäftigen.

Eine grundlegende Darlegung einer rechten Position zu den ökologischen Implikationen der Überbevölkerung konnte nicht gefunden werden, ebenso wenig eine kritische Darstellung dieses Komplexes. Insofern Vorhandenes und Bekanntes unter einem anderem Gesichtspunkt zusammengeführt wird, betritt diese Arbeit Neuland.

2. Konservatismus und (Neue) Rechte in Deutschland

Bei vielen Autoren, die sich mit dem Phänomen des Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus oder der „Neuen Rechten“ in Deutschland beschäftigen, befindet sich ein per Definition unscharfer Bereich in der politischen Landschaft, der für diese Arbeit von besonderer Bedeutung ist: die sog. Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus.13 Diese wird organisatorisch irgendwo zwischen den etablierten konservativen Parteien und Verbänden (CDU/CSU, Deutschland-Stiftung e.V. u.v.a.) und den z.T. verbotenen neonazistischen Parteien und Splittergruppen verortet, ideologisch in jedem Fall jenseits der sog. „Auschwitzlüge“ und großdeutschem Imperialismus.

Im Kontext dieser Untersuchung ist dabei nur mittelbar von Interesse, welche Personen und Organisationen in diesem Bereich aktiv sind. Bedeutsamer ist, welche ideologischen Versatzstücke dort positioniert werden, deren Einordnung in entweder das konservative oder das rechtsextreme Lager offensichtlich so schwierig ist.

Notwendig dafür ist der Blick in die Geschichte, und dies aus verschiedenen Gründen. Zum Einen, um eine eindeutigere Bestimmung der Termini zu erreichen und transparenter zu machen, was gemeint ist, wenn von Rechtsradikalismus, (Neo-) Konservatismus und Neuer Rechter die Rede ist. Des weiteren, um der Gefahr des bloßen Reproduzierens traditioneller rechter Positionen und Diskurse zu entgehen, zumal Teil deren Strategie ist, alte Ideologiebestände als neue Erkenntnis zu verkaufen bzw. mit unbelasteten Begriffen zu ummanteln.14 Schließlich, um innerhalb der heutigen Situation einer Ökologischen Krise die historische Herkunft jener Argumentationsmuster schärfer in den Blick zu bekommen, mit denen die rechte Ökologie diese Krise beschreibt.

2.1. Kurze Ideengeschichte des Konservatismus

Eine verbindliche Definition des Konservatismus15 16 zu liefern, ist angesichts der Fülle von Interpretationen unmöglich. Nicht nur vermischen sich philosophische Modelle, ideengeschichtliche Deutungen und Elemente einer politischen Bewegung, historisierende, soziale und weltanschauliche Betrachtungen in diesem schillernden Begriff, auch ist innerhalb dieser Diskurse kaum eine konsistente Bestimmung zu erkennen. Abhängig von Standpunkt und Intention der Akteure lassen sich sehr heterogene Definitionen und Frontverläufe herausarbeiten, wozu Schoeps bemerkt:

„Es gibt kaum zwei Konservative, auch nicht Kritiker oder Gegner des Konservatismus, die sich über Ziele, Forderungen, Wertvorstellungen und Positionen des Konservatismus einig wären. Allenfalls stimmt man darin überein, dass der Konservatismus sich den üblichen Definitionsmustern entzieht, dass er im Vergleich zu den anderen großen politischen Strömungen der Neuzeit eine Sonderstellung einnimmt.“17

Keine der Definitionen und allgemeinen Darstellungen liefert eine hinreichende Beschreibung des Konservatismus, meist wird eine spezifische Sichtweise eingenommen, die einen Aspekt gegenüber anderen hervorhebt. Möglicherweise wäre es hilfreicher und zutreffender, von den Konservatismen zu sprechen, und diese je nach Intention auszuformulieren, ohne damit in zu große Beliebigkeit zu verfallen.18 Jedoch lassen sich einige grundlegende Merkmale einer konservativen Haltung und ideengeschichtlichen Entwicklung herausarbeiten, die zumindest im Kontext dieser Arbeit zur Erhellung des Phänomens beitragen können.

Wüst unterscheidet in seiner Untersuchung zu „Konservatismus und Ökologiebewegung“ in Anlehnung an Lenk19 drei Definitionen des Konservatismus, die sich hinsichtlich Reichweite, ideologischer Stoßrichtung und aktueller Relevanz unterscheiden lassen: eine historischspezifizierende, eine universalistisch-anthropologische und eine situationsspezifische Interpretation des Begriffs.20

Erstere bemüht einen geschichtlich-gesellschaftlichen Rahmen zur Herleitung. Der Konservatismus wird als Reaktion von Aristokratie und Klerus auf die Ereignisse der Französischen Revolution gedeutet, wobei weniger die Ideale der bürgerlichen Revolution als die realen Machtverschiebungen in deren Folge Gegenstand der konservativen Reaktion sind. Diese Definition sieht den Konservatismus an eine bestimmte Klasse gebunden, mit deren Untergang sowie der Aufweichung der Klassengesellschaft überhaupt auch der Begriff obsolet geworden ist. Kondylis vertritt beispielsweise diese Auffassung, indem er sowohl die politische Strömung als auch die philosophische Herleitung für überholt erklärt: „Der Konservatismus als konkrete geschichtliche Erscheinung, die von einer fest umrissenen Ideologie begleitet wurde, ist längst tot und begraben.“21 Das Festhalten an dem Terminus wäre nach dieser Definition nichts weiter als eine Hilfskonstruktion zur Beschreibung einer bestimmten Haltung, die eher einer Variante des bürgerlichen Liberalismus entspricht als dem historisch gewordenen Konservatismus.

Die universalistisch-anthropologische Definition versteht Konservatismus als „ewig gültiges System fundamentaler Werte“22, Erfahrungen und daher Wahrheiten über Mensch und Welt, die Ausdruck höherer, zumeist göttlicher Ordnung sind. Diese Interpretation dürfte das Selbstverständnis der größten Zahl der Konservativen repräsentieren, wohl auch, weil die Werte selbst nicht benannt werden, sondern nur deren Herleitung von einem höherem Prinzip, dass in letzter Konsequenz keiner Rechtfertigung mehr bedarf.

Dies führt direkt zur dritten, situationsgebundenen Definition. Konservatismus meint hier einen Pool von Diskurselementen, die in Krisensituationen abgerufen werden, um das (bedrohte) Althergebrachte zu bewahren. Je nach gesellschaftlicher und historischer Situation kann dies verschiedene inhaltliche Argumentationsmuster zur Folge haben, die jedoch alle als Indikator für sozialen Wandel bzw. gesellschaftliche Krisenlagen zu verstehen sind und nur den Zweck verfolgen, die heraufziehende Veränderung zu verhindern. Interessant in diesem Zusammenhang ist die von Erhard Eppler getroffene und häufig rezipierte Unterscheidung in „Struktur- und Wertkonservatismus“ bzw. „Struktur- und Wertkonservative“.23 Erstere wollen nach dieser Definition am bisherigen Status quo, insbesondere den Macht- und Herrschaftsstrukturen festhalten, ungeachtet deren Bewährung vor der sozialen Realität; Sie verfolgen eine Politik des Bewahrens um des Bewahrens willen. Diese politische Praxis dürfte im Bereich von Parteien und Verbänden wohl die Gängigste sein, wobei die Unterscheidung nach politischen Lagern eher zweitrangig ist. Der Wertkonservatismus dagegen, darin der universalistischen Definition sehr viel näher, beruft sich auf unwandelbare Ordnungsprinzipien, denen die Alltagspraxis tendenziell untergeordnet ist. Wenn „deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun“24, so findet man im Wertkonservativem den ideellen Gesamtdeutschen.

Ohne eine letztgültige Definition des Begriffes liefern zu können, haben alle drei Varianten eine Gemeinsamkeit, auf die der Konservatismus dann auch häufig reduziert wird: seine untrennbare Verbindung mit der Moderne, genauer deren Gegnerschaft. Rationalismus und Aufklärung sind zentrale Kategorien konservativer Kritik, die daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen - Industrialisierung, Verstädterung, Säkularisierung der Welt - wurden und werden vom Konservatismus traditionell abgelehnt. Hierin zeigt sich die dialektische Verschränkung von Konservatismus und Moderne, bzw. das, was Greiffenhagen als das „Dilemma des Konservatismus“25 bezeichnete: konservative Argumentationen bedienen sich des Rationalismus und rationaler Diskurse, um eben diesen Rationalismus zu kritisieren. Konservatives Denken wäre darüber hinaus ohne die Existenz sozialen Wandels seines Gegenstandes entzogen, da „erst durch das Neue das bisher Gültige bedroht ist und daher bewahrt werden muss.“26

Großheim nennt in seiner Untersuchung zum Konservatismus in der Moderne einige zentrale Momente einer konservativen „Mentalität“, die eher im vorpolitischen Raum zu verorten sind und sich in der Negation zu den Vorstellungen der Moderne manifestieren, die „unterhalb der Ebene der Doktrinen“27 angesiedelt sind, aber „erhebliche politische Konsequenzen“28 haben. Zu dieser Mentalität gehören:

„Der Sinn für das Konkrete, der Affekt gegen das Abstrakte; die Orientierung am Partikularen und das Interesse an seiner Bewahrung bzw. Erweiterung; das Interesse an Ordnung, Kontinuität, Tradition; das Bedürfnis nach Sicherheit, der Vorrang des Wirklichen vor dem Möglichen, der ‘Geworfenheit’ vor dem ‘Entwurf’; die Skepsis gegenüber dem Machbarkeitsoptimismus; ein Empfinden der Fatalität des Geschehens; die Ablehnung der Fortschrittsidee; das skeptische oder pessimistische Menschenbild; das Bewusstsein der Notwendigkeit von Institutionen; das Bedürfnis nach Einbettung nach Kontextualisierung der persönlichen Existenz, das weitgehende Desinteresse an Autonomie-Idealen; die Überzeugung der primären Sozialisiertheit der Menschen, die Ablehnung des radikalen Individualismus; die Abwehr der Verregelung der gemeinsamen Situationen; die Achtung des Vergangenen; der Affekt gegen Nivellierung von Unterschieden, das Interesse an einer gegliederten Gesellschaft; der generelle Sinn für Mannigfaltigkeit.“29

Großheims durchaus wohlwollende philosophische Einordnung bedeutet nicht, dass jedes dieser Elemente für sich genommen bereits konservativ sei, ebenso wenig wie konservatives Denken jede Zu- oder Abneigung teilen muss. Erst in der Verknüpfung entstehen eine konsistente Vorstellung der Wirklichkeit, die in letzter Konsequenz nicht mehr hinterfragbar ist und Züge einer Ideologie annimmt.

Zentrales Kriterium konservativen Denkens ist hier v.a. die Unterscheidung von „Geworfenheit“ und „Entwurf“, das „Empfinden der Fatalität des Geschehens“. Der Konservatismus glaubt nicht an die Machbarkeit gesellschaftlicher Veränderungen durch menschliches Wollen, die Schöpfung lässt sich nicht „verändern“, nur ertragen, wobei, abgeleitet aus dem pessimistischen Menschenbild, Leidenserfahrungen und „Schmerz“30 als unveränderliche Daseinsformen hingenommen werden müssen. Die menschengemachten, normativen Veränderungen der Moderne werden folgerichtig abgelehnt. Wandel, egal welcher Art, findet auf organische Weise statt, stets innerhalb der Grenzen, die die ‘Natur des Menschen’ gezogen hat. Ein Eingriff in das historische Geschehen unter Berufung auf eine bessere Zukunft ist unter diesen Umständen sinnlos, ja sogar schädlich. Dieser Gedanke des organischen Wachsens und Vergehens wird auf Staat und Geschichte übertragen, der historische Konservatismus ist demzufolge per Definition antirevolutionär.

Hieraus abgeleitet findet sich bei der Betrachtung der konservativen Ideengeschichte und der konservativen Bewegung ein weiterer dialektischer Widerspruch: die Konservative Revolution der Weimarer Republik. Aufgrund der Erkenntnis des Verlustes der erwünschten gesellschaftlichen Ordnung in der Folge des Ersten Weltkrieges entschlossen sich konservative Kreise zum bewussten Eingreifen in das historische Geschehen und die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Aufgrund der rückwärtsgewandten Ideologie und der reaktionären Intention der Akteure, deren Ziel die „zukünftige Rückgewinnung eines vergangenen Zustandes“31 war, müsste man eigentlich von einer revolutionären Restauration, oder in marxistischer Terminologie von einer Konterrevolution sprechen, auch wenn die vorherige Revolution ausblieb. Greiffenhagen bemerkt zu dieser Paradoxie:

„Weil der Konservatismus jedoch (...) einsehen musste, dass die Verbindung zu den gesellschaftlichen Zuständen, auf die er sich als die wahren und zu bewahrenden berief, längst abgerissen war, entschloss er sich zu einer Verzweiflungstat: er wurde revolutionär. Als revolutionärer Konservatismus macht er den Maßstab seiner Kritik am Rationalismus zum politischen Programm und wurde so, als revolutionäre Gegenideologie zum Liberalismus selber offen und vor aller Welt zur Ideologie.“32

Unterschiedliche Autoren werden der Konservativen Revolution der Jahre 1919 bis 1932 zugerechnet. Großheim nennt beispielsweise Ernst Jünger33, Ernst Niekisch34, Ludwig Klages35, Martin Heidegger und andere36 ; weitere Autoren nennen auch Moeller van den Bruck oder Oswald Spengler37, dessen Hauptwerk „Untergang des Abendlandes“ sicher für die nachhaltigste öffentliche Wirkung sorgte. Armin Mohler, selbst der Rechten zuzuordnen, nennt schließlich Dutzende von Autoren, die dem „Umkreis der Konservativen Revolution“38 zugeordnet werden; als „herausragende, systemsprengende Autoren“39 führt er Oswald Spengler, Thomas Mann, Carl Schmitt, Hans Blüher, Ernst Jünger und Friedrich Georg Jünger40 an.

Die Nennung der als wesentlich erachteten Autoren allein macht bereits die Heterogenität des Komplexes deutlich. Neben völkischen Nationalisten gab es „Jungkonservative“, „Nationalrevolutionäre“, „Bündische“ und Anhänger der Landvolkbewegung. Allen gemeinsam ist lediglich, und auch das in unterschiedlicher Auswirkung auf ihre politische Praxis, die Opposition gegen die Weimarer Demokratie. Der Wille zur Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung bzw. der Eskapismus aus der für unerträglich gehaltenen Moderne bewirkten eine Öffnung für eine originär anti-konservative revolutionäre Haltung. Viele Vertreter der Konservativen Revolution suchten folgerichtig die Nähe zur entstehenden nationalsozialistischen Bewegung, die ihrerseits zentrale Gedanken des Konservatismus und seiner verschiedenen Spielarten aufgriff. Auch wenn die meisten der prägenden Autoren in der Zeit nach der Machtergreifung auf Distanz zum faschistischen Regime gingen, war es doch diese Verbindung von revolutionärer Bewegung und konservativen Ideen, die die Konservative Revolution zum geistigen Wegbereiter des Faschismus prädestinierte.41 Dies gilt um so mehr, als sich die Distanz eher an formalen Aspekten wie dem Verhältnis zu Gewalt, Utopie und Massenbewegung festmachen lässt.42 Für die Ebene der Wertorientierung und Einstellungen, dem Verhältnis zu Familie, Autorität, Tradition und Militär gibt es jedoch weit mehr Einendes als Trennendes. In der historischen Konsequenz wurden auf diesem Weg viele der Konservativen zu Mithelfern der proletarischen Massenbewegung; Mohler zählt ihn zu den geistigen Vätern der Jungkonservativen; vgl. Schulz/Schulze- Marmeling (1980a) sowie Mohler (1989), S. 324f.; vgl. auch Kap. 4.2. weitgehenden Auflösung exakt jener Traditionen wie auch der ländlichen Kultur, dem Bauerntum oder der nationalen Einheit, um deren Bewahrung sie angetreten waren.

Nach dem Krieg war der deutsche Konservatismus aufgrund dieser ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus diskreditiert. Die indifferente Haltung und die Toleranz gegenüber dem Faschismus machten die Versuche einer konservativen Restauration in der BRD unglaubwürdig. Der historisch gewordene Konservatismus durchlief unter dem Druck der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse eine Spaltungsphase und trennte in eine Alte Rechte43 und gemäßigte (Neo-)Konservative, die einen Kompromiss mit der neu entstandenen Ordnung fanden. Man versöhnte sich zumindest mit dem bisher verhassten industriell-kapitalistischen Fortschritt, ohne jedoch dessen gesellschaftlichen Begleiterscheinungen zu akzeptieren. Als zentrale Erscheinungsformen der Moderne, die sich nach wie vor schärfster Ablehnung erfreuen und immer wieder Gegenstand von zähen Abwehrkämpfen sind, wären z.B. zu nennen: Demokratisierung der gesellschaftlichen Institutionen, Veränderungen im Geschlechterverhältnis, die Auflösung traditioneller Familienstrukturen, Egalitarismus, differenzierte Arbeitsteilung, in der Folge Funktionseliten statt ‘Kultureliten’, soziale Mobilität, schließlich die Trennung von Staat und Kirche bzw. der schwindende Einfluss der Großkirchen überhaupt. Habermas beschreibt die Konsequenzen dieser Haltung wie folgt:

„Der Kompromiss besteht darin, dass sie die gesellschaftliche Moderne nur unter Bedingungen akzeptiert haben, die ein ‘Ja’ zur kulturellen Moderne ausschlossen. Nach wie vor scheint der Industriekapitalismus auf dem Weg zur nachindustriellen Gesellschaft in einem Lichte, dass erklärt werden muss, wie die Zumutungen dieser Gesellschaft kompensiert werden können - sei es durch substantielle, nicht angreifbare Traditionen, sei es durch die autoritäre Substanz einer staatlichen Hoheitsgewalt oder durch die sekundäre Substantität von sogenannten Sachgesetzlichkeiten.“44

Die hieraus resultierende Aporie verweist wieder auf die dialektische Verschränkung von Konservatismus und Moderne, „der Widerspruch in der Haltung von Neokonservativen besteht darin, dass sie die Folgen einer Entwicklung beklagen, die sie gleichwohl für das Nonplusultra der Geschichte halten.“45

Inwieweit diese Haltung noch das Etikett konservativ tragen kann, bzw. ob der Terminus Neo-Konservatismus in dieser Hinsicht einen Erkenntnisgewinn bietet, ist Gegenstand heftiger Debatten.46 Im Zentrum der Kritik stehen dabei die als konservativ bezeichneten Parteien, denen der Bruch mit der Tradition vorgeworfen wird. Zu dieser Entwicklung bemerkt Kondylis:

„Es ist einfach unsinnig, zeitgenössische westliche politische Programme, Parteien oder Regierungen als >konservativ< zu bezeichnen, die sich dem technologischen Fortschritt, der sozialen Mobilität und somit dem neuzeitlichen Grundsatz von der Machbarkeit der Welt verschrieben haben und dadurch bei aller traditionellmoralisierenden Rhetorik eine Entwicklung fördern, die noch nicht übersehbare Umwälzungen in der Menschheitsgeschichte eingeleitet hat und vielleicht nicht einmal vor der biologischen Substanz der Spezies haltmachen wird.“47

Die kritische Einschätzung von Kondylis verweist auf die unter „echten“ Konservativen herrschende These, dass, bezogen auf die BRD, mit der CDU/CSU keine „geistig-moralische Wende“, geschweige denn eine Konservative Revolution machbar erscheint. Die Traditionsbewahrer des Konservatismus finden sich daher politisch in einer Randstellung wieder, die ihren eigenen Intentionen und ihrem Selbstverständnis nicht entspricht. Trotzdem führte diese Marginalisierung zu einer Annäherung an die politische Rechte, die ihrerseits eine Wandlung erlebte.

2.2. Die Neue Rechte

In der medialen Darstellung und der öffentlichen Wahrnehmung des Rechtsradikalismus48 und Neofaschismus prägt noch immer der gewaltbereite, dumpfe und ‘ewiggestrige’ Faschist das Bild des als typisch wahrgenommenen Repräsentanten dieser Ideologie. Idealtypisch im Bild vom „Biedermann und den Brandstiftern“ zusammengefasst, sind Figuren wie Günter Deckert49 oder Gerhard Frey50 sowie der S kinhead Gegenstand der konsensualen Ablehnung und Empörung der restlichen Bevölkerung, vor allem von deren demokratischen Vertretern.

Neben diesen Akteuren, die den herkömmlichen, erwarteten und damit auch leicht wahrnehmbaren rechten Diskurs repräsentieren, hat sich in der BRD seit den 70er Jahren jedoch eine andere rechte Strömung gebildet, die nicht durch Wahlkämpfe oder Gewaltaktionen in Erscheinung tritt oder in der Öffentlichkeit rassistisch, antisemitisch, revanchistisch oder völkisch-national argumentiert, die sogenannte Neue Rechte.

Bei der Beschäftigung mit dem Phänomen Neue Rechte ist zunächst einmal zu klären, was das hier spezifisch Neue ist, an welchen Punkten Unterschiede zu einer angenommenen Alten Rechten festzustellen sind.

Der Begriff „Neue Rechte“ ist zunächst einmal eine Selbstbeschreibung, die von deren Protagonisten gewählt wurde. Dies sagt noch nichts über reale inhaltliche Differenzen, könnte doch die Etikettierung auch eine rein rhetorische Distanzierung von der herkömmlichen Rechten sein, die sich aufgrund ihres relativ erfolglosen politischen Wirkens nach dem 2. Weltkrieg diskreditiert hatte.

Tatsächlich lassen sich weitgehende Übereinstimmungen hinsichtlich der politischen Ziele und des ideologischen Hintergrunds feststellen, so dass diesbezüglich von einer „Neuen“ Rechten kaum die Rede sein kann.51

Wesentliche Unterschiede finden sich jedoch hinsichtlich der Strategie, mit der diese Vorstellungen in politisches und gesellschaftlich wirksames Handeln umgesetzt werden sollen.

2.2.1. Die Strategie der Neuen Rechten

Das rechte Lager in der BRD war in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg traditionell vor allem darum bemüht, die Verbrechen der faschistischen Diktatur zu relativieren oder zu leugnen und die „guten Seiten“ der nationalsozialistischen Herrschaft hervorzuheben. ‘Alt’, das heißt sich am Vorbild der NSDAP orientierend, war hierbei nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form, in der man sich organisierte, argumentierte, die Hervorhebung der Feindbilder etc.

Für eine sich zunehmend liberal und demokratisch gebende Öffentlichkeit war die NS- Diktatur sehr schnell ein Relikt der Vergangenheit, der Blick galt der Zukunft, die größeren Wohlstand und soziale Sicherheit in Abwesenheit von totalitären Zwängen verhieß. Dies traf v.a. auf Westdeutschland zu, wobei auch die Präsenz der Alliierten, insbesondere der US- Amerikaner bei großen Teilen der Bevölkerung für eine Umorientierung sorgte. Bei den Rechten gilt dies bis heute als Beleg für die verschwörungstheoretisch unterfütterte „Umerziehung“ bzw. „Gehirnwäsche“ des deutschen Volkes; den Alliierten wird unterstellt, alles Positive der deutschen Geschichte, insbesondere der NS-Zeit, zu unterdrücken und einseitig und übertrieben die deutsche Kriegsschuld und die Verbrechen der Faschisten anzuprangern.52 Gleichzeitig wird mit dieser Begründung die eigene Bedeutungslosigkeit begründet, da die Medien und Parlamente fest in der Hand der „Umerzieher“ seien und die „Wahrheit“ über das Dritte Reich unterdrückten.53

Die organisierte Alte Rechte blieb, von einigen spektakulären Wahlerfolgen der NPD Ende der 60er Jahre abgesehen, politisch relativ erfolglos, ihr öffentlicher Einfluss war spätestens seit Beginn der 70er Jahre gering. Diese Erfolgs- und Ziellosigkeit war es letztlich auch, die für einen Strategiewechsel und die Neuetikettierung als „Neue“ Rechte sorgte:

„Die alte Rechte ist tot. Sie hat es wohl verdient. Sie ist daran zugrunde gegangen, dass sie von ihrem Erbe gelebt hat, von ihren Privilegien und ihren Erinnerungen. Sie ist daran zugrunde gegangen, dass sie weder Wille noch Ziel hatte.“54

Für die sich formierende Neue Rechte ging es anfangs vor allem darum, zwischen sich und der diskreditierten faschistischen Herrschaft und deren Anhängern Distanz zu schaffen.

Kritisiert wurde zunächst die Irrationalität des Nationalsozialismus, insbesondere dessen mythische Herleitung des Volksbegriffs und der Antiintellektualismus führender NS-Größen. Dagegen wurde eine Intellektualisierung rechter „Theorie“ angestrebt, die sich vor allem an den Vordenkern der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik abarbeitete, insbesondere an der Staatslehre Carl Schmitts, Oswald Spenglers und Ludwig Klages’ Zivilisationskritik sowie Ernst Jüngers heroischem Soldaten- und Arbeiterbild. Bieten deren Vorstellungen, wie bereits in Kap. 2.1. dargestellt, auch keineswegs ein in sich geschlossenes Weltbild,55 so finden sich bei ihnen doch genügend Punkte, an denen sich eine Restauration rechter Ideologie mit einer Kritik am realen Nationalsozialismus der Jahre 1933 bis 1945 verbinden lässt. Die Distanz, die diese Autoren zur faschistischen Massenbewegung einnahmen, war dabei bei der Abgrenzung gegenüber den neonazistischen Gruppierungen sicher willkommen, auch wenn diese „innere Emigration“ zumeist dem Elitarismus der Vertreter der Konservativen Revolution und der Gegnerschaft zu einer plebejischen Diktatur geschuldet war.56 Die Anrufung gerade dieser Ahnen ist auch aus einem anderen, weitaus wichtigeren Grund kein Zufall: Bei ihnen verbanden sich erstenmal intellektueller Gestus, Massenfeindlichkeit und Anti-Egalitarismus, der Wunsch nach Rückkehr zu einer vormodernen Gesellschaftsordnung mit dem expliziten Willen zur politischen Einflussnahme. Kurz gesagt, in der Konservativen Revolution wurde jene Grauzone zwischen Rechtsradikalismus und Konservatismus zum ersten Mal besetzt, in der sich auch die Akteure der Neuen Rechten verorten lassen.

Die Bezeichnung „Neue“ Rechte ist insofern irreführend, als es sich, ähnlich wie beim Weimarer Vorbild, hierbei nicht um einen geschlossenen Zirkel einiger Intellektueller oder eine einzelne Organisation mit Massenbasis handelt. Vielmehr ist die dezentrale Organisation und die inhaltliche Heterogenität der Neue Rechten ein zentrales, möglicherweise konstitutives Merkmal dieses Zusammenhangs. Es gibt Stiftungen, Verbände, etliche Klein- und Kleinstverlage, organisiert werden Seminare und Vorträge, das alles unterstützt und dokumentiert durch eine hohe publizistische Aktivität.57 Zusammengenommen bilden diese Aktivitäten ein neurechtes Netzwerk, das durch große personelle und organisatorische Überschneidungen Stabilität erlangt. Leggewie spricht hier von Merkmalen einer sozialen Bewegung, in Unterscheidung zu einer herkömmlichen politischen Gruppierung.58 Diese Einschätzung scheint jedoch problematisch, weil inhaltliche Ziele und die kohärente Strategie der Neuen Rechten gegenüber dem formalen Kriterium der organisatorischen Diversifikation nachrangig behandelt werden.

Richtig ist, dass die Neue Rechte, anders als rechte Kader- und Großparteien, nicht durch Wahlkampfaktivität politischen Erfolg sucht, sondern durch den „Kampf um die Köpfe der Menschen“. Dies entspricht dem neurechten Konzept der Metapolitik.

Das Konzept der Metapolitik wurde ursprünglich entwickelt von der französischen Nouvelle Droite um die Gruppe GRECE (Groupement de recherche et d´études pour la civilisation européenne) und deren Vordenker Alain de Benoist59.

Metapolitik bezeichnet in der neurechten Auslegung die vorpolitische Form von Macht und Herrschaft, die Definitionsmacht über Begriffe und Diskurse des kulturellen Überbaus. Die Neue Rechte erhebt dabei Anspruch auf hegemoniale Deutungsmacht der gesellschaftlichen Bereiche, die der politischen Macht vorgelagert sind.

„Um die politische Mehrheit auf Dauer zu erringen, muss man zunächst die ideologische Mehrheit erringen, denn erst, wenn sie für Werte gewonnen ist, die von ihren eigenen Werten verschieden sind, wird die bestehende Gesellschaft in ihren Grundfesten und ihre effektive Macht abzubröckeln beginnen.“60

Der Raum, in dem diese Umwertung der Werte stattfinden soll, ist dabei vielfältig und entspricht der dezentralen Organisationsstruktur der Neuen Rechten. Massenmedien, Schulungen und Seminare, Stellungnahmen zu aktuellen, „unpolitischen“ Themen, z.B. aus dem Bereich der populären Kultur gehören dabei zum Repertoire neurechter Metapolitik. Es wird versucht, Versatzstücke der neurechten Ideologie an aktuelle Diskurse anzudocken, ohne diese manifest in Erscheinung treten zu lassen. Grundannahme ist hierbei, dass die (rechte) metapolitische Botschaft „(...) umso wirkungsvoller ist und umso besser aufgenommen wird, als ihr direktiver und suggestiver Charakter nicht klar als solcher erkannt wird und folglich nicht auf dieselben rationalen und bewussten Widerstände stößt wie eine Botschaft mit einem direkt politischen Charakter.“61

Ausgehend von der These, dass die Sprache das Denken der Menschen und deren Wahrnehmung der Alltagswelt prägt, will die Neue Rechte auf diesem Weg die „gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“62 entlang ihrer ideologischen Ziele gestalten.

Die Vorstellung, dass der Kampf um die politische Vorherrschaft zunächst über die Sprache und die Besetzung von Begriffen stattfindet, ist nicht neu. Der rechtskonservative Publizist Gerd-Klaus Kaltenbrunner führt als Beleg Nietzsche an, für den der „Kampf um die Macht immer auch der Kampf um die Sprache“ sei.63

Theoretisch fundiert wird diese Vorstellung unter Bezugnahme auf den kommunistischen Theoretiker Antonio Gramsci, insbesondere dessen Hegemoniekonzept. Gramsci (1891- 1936) entwarf in seinen Gefängnisheften, die während seiner Haftzeit zwischen 1929 und 1936 entstanden, die Idee einer kulturellen Hegemonie64, die für ihn ein Schlüssel zu Beantwortung der Frage war, warum die russische Revolution trotz der objektiv schlechten sozio-ökonomischen Bedingungen im Westeuropa der 20er Jahre keine Umwälzungen auslöste, im Gegenteil der Kapitalismus trotz seiner Krisenhaftigkeit erstaunliche Stabilität bewies.

Gramscis Hegemoniebegriff in all seinen politischen und historischen Grundlegungen lässt sich an dieser Stelle nicht wiedergeben. Verkürzt und auf die Fragestellung dieser Arbeit zugeschnitten, lässt sich jedoch feststellen, dass zur Herstellung der systemstabilisierenden kulturellen Hegemonie innerhalb einer Gesellschaft verschiedene Akteure beitragen:

- Zum einen die Intellektuellen, welche die Funktion haben, „die gesellschaftliche Hegemonie einer Gruppe oder ihrer staatlichen Herrschaft zu organisieren(...)“65, und dabei einen Konsens herzustellen;
- des weiteren die verschiedenen öffentlichen und privaten Institutionen der Zivilgesellschaft, die den Überbau des bürgerlichen Staates prägen;66
- schließlich die Masse der Menschen, deren Denken und Handeln die hergestellte kulturelle Hegemonie gesellschaftlich wirksam werden lassen. Gramsci stellt dazu an anderer Stelle fest:

„Dass eine Masse von Menschen dahin gebracht wird, die reale Gegenwart kohärent und auf einheitliche Weise zu denken, ist eine ‘philosophische’ Tatsache, die viel wichtiger und ‘origineller’ ist, als wenn ein philosophisches ‘Genie’ eine neue Wahrheit entdeckt, die Erbhof kleiner Intellektuellengruppen bleibt.“67

In einer Vulgarisierung von Gramscis Theorie und unter Ablehnung von dessen inhaltlichen Zielen, die lediglich Ausdruck eines „lebensfeindlichen Universalismus“ seien, versucht die Neue Rechte nun, diese formal-strategischen Aspekte des Hegemoniekonzepts für sich nutzbar zu machen. Ausgeblendet werden hierbei die ökonomischen und sozio-historischen Bezüge, die jedoch für Gramsci essentiell sind. Potentielle Adressaten der metapolitischen Botschaft sind, anders als bei Gramsci selbst, (rechte) Intellektuelle, denen die Führerschaft in der sich formierenden Gesellschaftsordnung zufallen soll. Der Gramscismus von rechts will „die bestehende Wirklichkeit von Staat und Gesellschaft dem Mythos der Volksgemeinschaft unterordnen“, und wird dabei von den Füßen auf den Kopf gestellt.68

Nach übereinstimmender Ansicht praktisch aller konservativer und rechter Publizisten gelang es den Aktivisten der Studentenbewegung in der Folge von 1968, sich in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen wie den Medien und den öffentlichen Institutionen, Universitäten etc. zu etablieren und auf diesem Weg eine ‘linke Hegemonie’ innerhalb der BRD herzustellen, wobei diese Erfolge der Neuen Linken sich durchaus einer gewissen Bewunderung von rechts erfreuen. In einer Art Hassliebe ist man auf den politischen Gegner fixiert, die Brechung von dessen angenommener Vorherrschaft und das Erreichen eigener Deutungsmacht der gesellschaftlichen Verhältnisse ist folgerichtig das vorrangige Ziel aller Bemühungen neurechter Aktivitäten. Dabei wird auch auf die politische Praxis der Neuen Linken zurückgegriffen und versucht, Teile ihrer Positionen zu assimilieren, ohne die zentralen rechten Dogmen beschädigen zu müssen. Dies wiederum, und hier schließt sich der Kreis, ist nur möglich durch die Neuerfindung politisch unbelasteter Begriffe bzw. deren Umdefinition und Besetzung mit eigenen Inhalten.

3. Ökologie - zwischen Wissenschaft und Bewegung

Im alltäglichen Sprachgebrauch lassen sich für die Begriffe Ö kologie und ö kologisch mindestens vier Bedeutungsebenen unterscheiden, die allesamt erst in den letzten Jahrzehnten entstanden sind: Erstens gibt es die Bezugnahme auf den Mensch als Teil einer ökologischen Betrachtungsweise; zweitens dienen die ökologischen Begrifflichkeiten neben der Beschreibung des Verhältnisses von Mensch und Natur auch dessen Bewertung, haben also normativen Charakter; drittens vermischen sich wissenschaftliche und politische Kriterien bei dieser Bewertung, wobei viertens der politische Bezugsrahmen scheinbar außerhalb des herkömmlichen Links-rechts-Schemas liegt.

Alle diese Punkte markieren einen signifikanten Unterschied zur biologischen Teildisziplin Ö kologie, der die Bewertung und die politische Einordnung der von ihr beschriebenen Phänomene unter Einbeziehung des Menschen zunächst fremd sind. Um diese auffällige Diskrepanz zu erklären, erscheint es notwendig, die Geschichte des Ökologiebegriffs und die dabei entstandenen diskursiven Verschiebungen zu betrachten. Dabei gilt die Prämisse, dass eine „wertfreie“ Darstellung vom Verhalten von Organismen und Lebewesen nicht möglich ist, ökologische Problemstellungen immer mit gesellschaftlichen Phänomenen und Krisen verknüpft sind und der Versuch einer „reinen“ ökologischen Beschreibung und Analyse außerhalb von Gesellschaft daher sinnlos ist. Die Geschichte der Natur ist immer die Geschichte des Mensch-Natur-Verhältnisses, der sozialen, kulturellen und ökonomischen Aneignung, Nutzung und Beschreibung der Natur durch den Menschen.

Diese triviale Erkenntnis ist gerade deshalb von so großer Bedeutung, weil es immer wieder gesellschaftliche Gruppen gab, deren politischer Wille die Änderung eben jener gesellschaftlichen Naturverhältnisse war und die in unterschiedlichem Maße für Paradigmenwechsel bzw. Diskursverschiebungen sorgten. Daher erscheint es methodisch geboten, in einem ersten Schritt die Wissenschaftsgeschichte der Ökologie von der Geschichte der politischen Ökologie bzw. der Ökologiebewegung zu trennen, oder anders ausgedrückt: die Darstellung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse und den historischen Verlauf der Naturgeschichte aufzuspalten in den jeweils herrschenden Diskurs und die politischen Kräfte, die um eine Veränderung desselben bemüht waren. Das Ziel ist dabei, zentrale Charakteristika der ökologischen Ideengeschichte herauszuarbeiten und aufzuzeigen, an welchen Punkten die heutige Ökologiebewegung den wissenschaftlichen

[...]


1 Die Begriffe „links“ und „rechts“ werden im folgenden in einem möglichst umfassenden Kontext verwendet, wobei davon ausgegangen wird, dass sie unter Berücksichtigung der jeweiligen historisch-politischen Situation nach wie vor eine deskriptive und analytische Schlüsselfunktion bei der Darstellung gesellschaftlicher Prozesse haben. Je nach

Fragestellung kann dabei eine alltagssprachliche, politische, soziologische oder philosophische Dimension impliziert sein. Als rechte politische Positionen und zum rechten Lager zugehörig werden dabei zunächst jene Ansätze verstanden, die demokratische und egalitäre Gesellschaftsordnungen und emanzipatorische Lebensentwürfe ablehnen sowie antiaufklärerischen, autoritären und biologistischen Charakter haben. Zur exakten Bestimmung der zentralen Topoi der rechtsökologischen Ideologie vgl. Kap. 4; zum Begriff des rechten Lagers vgl. Dudek/Jaschke (1984) sowie Jaschke (1990)

2 „nicht links - nicht rechts - sondern vorn“ war dann auch einer der Slogans der Grünen; zur Problematik dieser Parole vgl. Peters (1980a), insbes. S116ff, Ulbricht (1995), S. 221f, sowie van Hüllen (1990), S. 9ff; zur Heterogenität der Ökologiebewegung und der Grünen vgl. Kap. 3.2.3. Dudek merkte zu diesem Aspekt bereits 1984 an: „Die anfängliche Euphorie der Grünen, das Ökologieproblem als Gattungsproblem sprenge das politische Links-Rechts-Kontinuum, ist zu Recht verflogen.“; Dudek (1984), S. 91.

3 Der wichtigste und bekannteste Akteur war sicherlich Herbert Gruhl mit seiner Grünen Aktion Zukunft. Daneben zu nennen sind z.B. August Haußleitners Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher und Personen wie Baldur Springmann, Werner Georg Haverbeck u.a.; vgl. Kap. 3.2.2. und 3.2.3.

4 Die Grünen personell zu ‘unterwandern’ und deren erkennbares politisches Potential strategisch zu nutzen, war v.a. Ziel von neonazistischen und solidaristischen Splittergruppen, denen die Ökologie als „Modethema“ dabei lediglich Mittel zum Zweck war. Der Versuch wurde in Laufe der 80er Jahre von den entsprechenden Gruppierungen für gescheitert

erklärt; vgl. Kap. 3.2.3; vgl. auch Peters (1980a) sowie van Hüllen (1990)

5 Zum Konservatismus, insbes. zur Konservativen Revolution vgl. Kap. 2.1.

6 Zur Neuen Rechten und deren Konzept der Metapolitik vgl. Kap. 2.2.1.

7 Als zentrale, öffentlichkeitswirksame Auslöser sind hier zu nennen der Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums (Meadows 1973), sowie für die BRD Herbert Gruhls Werk Ein Planet wird geplündert (Gruhl 1978), die die Richtung der weiteren Diskussion entscheidend prägen. Beide Werke zeichnen sich, bei aller Differenz, v.a. dadurch aus, dass sie neben dem Versuch der Beschreibung globaler Zukunftsrisiken und -probleme explizite Anweisungen zu deren Lösung bereithalten, wobei den ökologischen Problemen das Primat vor gesellschaftspolitischen bzw. sozialen Fragen eingeräumt wird. Diese Sichtweise einer „Ökologie als Leitwissenschaft“ wird die weitere Debatte entscheidend prägen; vgl. auch Kap. 3.3.

8 Was wiederum die Unterscheidung zwischen einer einzugrenzenden „rechten“ und einer angenommenen „linken“ Ökologie und die Suche nach deren Schnittmenge wenn nicht überflüssig, so doch problematisch machen würde. 4

9 Kritik an dieser Geschichtslosigkeit, insbesondere der Ökologiebewegung, wird von verschiedenen Autoren geübt. So bemerkt Oliver Geden, es müsse „doch erstaunen, dass selbst innerhalb der Umweltbewegung nur ein geringes Bewusstsein für die eigene Geschichte besteht“ (Geden 1996, S. 10), und Jürgen Wüst fordert bei der Beschäftigung mit der Ökologiebewegung angesichts einer „weitverbreiteten ahistorischen Betrachtungsweise der Gegenwart“ einen Blick in die Geschichte (Wüst 1993, S. 28).

10 vgl. hierzu auch Jahn/Wehling (1991), S. 14

11 Hierauf weisen auch Jahn/Wehling (1991), S. 14f und Ulbricht (1995), S. 225 hin. Ulbricht bemerkt an gleicher Stelle zu dem Begriff „rechte Ökologie“ zurecht, dass weder „ein kohärentes Denkgebäude ‘Ökologie’“ existiert, noch die politische Rechte in Deutschland über „eine stringente Ideologie noch ein geschlossenes Sozialmilieu“ verfügt. (Vgl. hierzu Kap. 2 und 3) Die von ihm in Anlehnung an Jahn/Wehling präferierte Bezeichnung für diesen Komplex als „Ökologie von rechts“ bietet hier jedoch m.E. keine entscheidenden Vorteile, so dass die Benennung als „rechte Ökologie“ bzw. „ökologischer Rechte“ (vgl. hierzu Kap. 4) unter Darstellung der jeweiligen zentralen Wesenszüge von gleicher Erklärungskraft ist, bzw. diese rechtsökologischen Denkfiguren ohnehin im Mittelpunkt stehen.

12 Zur Verwendung der Begriffe Rechts extremismus und Rechts radikalismus vgl. Kap. 2.2., Anm. 36.

13 So z.B. Mantino, die explizit im Titel ihrer Untersuchung die Neue Rechte in dieser Grauzone sieht; Mantino (1992); vgl. auch Gessenharter (1994), der in diesem Zusammenhang von einer „Scharnierfunktion“ der Neuen Rechten zwischen Konservativen und „eindeutig rechtsextremen Positionen“ spricht (S. 62), damit eine bewusste strategische Besetzung dieser Position vermutet, wobei er ähnlich wie Pfahl-Traughber (1994) die Medien in einer Funktion des „Brückenschlagens“ zwischen beiden Positionen sieht, oder Lange (1993), deren „Grauzone“ allerdings nur als analytische Abgrenzungskategorie gegen die extremen Rechte dient (S. 18f), ohne näher bestimmt zu werden.

14 vgl. hierzu Kap. 3.2.2

15 Im folgenden wird stets der Begriff Konservatismus verwendet, nicht der ebenfalls häufig benutze Konservativismus. Dies ist keiner ideologischen Absicht geschuldet, zumal die Abgrenzung nach politischen Lagern und die Zuordnung der Begriffe zu bestimmten würdigenden oder pejorativen Intentionen schwer fällt. Den einen ist Konservativismus als (Rück- )Übersetzung aus dem Amerikanischen diskreditiert, den anderen daher willkommen, weil der Begriff weniger belastet scheint. Allenfalls lässt sich feststellen, dass Konservatismus eher die politische Strömung meint, während Konservativismus meist ideengeschichtlich verstanden wird, jedoch ist auch dieses Kriterium nicht konsistent.

16 Exakt müsste es deutscher Konservatismus heißen. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der deutschen Ökologiebewegung bzw. der Rechten in Deutschland, entsprechend wird hier auch diejenige Variante des Konservatismus betrachtet, die sich unter den spezifischen sozialen und geschichtlichen Bedingungen Deutschlands, insbesondere in den beiden letzten Jahrhunderten herausbildete, bzw. von deutschen Autoren geprägt und dargestellt wurde. Die Behandlung beispielsweise des englischen oder US-amerikanischen Konservatismus würde eine eigene Darstellung erfordern, wobei die Unterschiede gegenüber den Parallelen nicht überbetont werden sollten.

17 Schoeps (1981), S.12

18 Puhle verwies auf diesem Umstand bereits 1983, indem er forderte, den Konservatismus (wie jeden sozialwissenschaftlichen Begriff) historisch jeweils neu zu bestimmen und auszuformulieren, wobei zu unterscheiden sei „zwischen (1) konservativen Elementen, (2) politischem Konservatismus im engeren Sinne, als Programm und Konzept, (3) praktizierter konservativer Politik und (4) dem neuen strukturellen, systematischen Konservatismus, der breite Bereiche unseres gesellschaftlichen und politischen Lebens erfasst hat.“; Puhle (1983), S. 50

19 vgl. Lenk (1989)

20 vgl. Wüst (1993), S. 31f

21 Kondylis (1986), S. 507

22 Wüst (1993), S.31

23 Diese Unterscheidung findet sich auch in seinen Thesen zu Konservatismus und Ö kologie, vgl. Eppler (1983)

24 Was Otto von Bismarck als wichtiger Vertreter des deutschen Konservatismus im 19. Jahrhundert nahe legt.

25 So auch der Titel seiner Schrift, vgl. Greiffenhagen (1986); das widersprüchliche Verhältnis zum Rationalismus wird auch von Konservativen nicht geleugnet, jedoch meist in eine formale und inhaltliche Kategorie aufgespalten, die zwischen Spekulation und Theorie auf der einen und Anschauung und Erfahrung auf der anderen, konservativen Seite unterscheidet, um der offensichtlichen Aporie zu entgehen.

26 Wüst (1993), S. 33

27 Großheim (1995), S. 25

28 ebd., S. 27

29 ebd., S. 28f

30 Diese Vorstellung findet sich bereits in Ernst Jüngers Abhandlung „Über den Schmerz“ (in: ders.: Blätter und Steine, 1934), worin er Bismarck den Gedanken zuschreibt, „dass der Schmerz zu den unvermeidlichsten Erscheinungen der Weltordnung gehört - eine Anschauung, die jedem konservativen Denken innewohnt“; zit. nach Großheim (1995), S. 30

31 Greiffenhagen (1986), S. 242

32 ders.(1971), S.12

33 Ernst Jünger (1895-1997), hochdekorierter Offizier im Ersten Weltkrieg, geistiger Führer der „nationalrevolutionären“ Strömung der Konservativen Revolution. In seinen Hauptwerken In Stahlgewittern (1920), Der Kampf als inneres Erlebnis (1922) und Der Arbeiter (1932) glorifiziert Jünger den Krieg als „großer Gedanke, der Nacht und Blut überstrahlt“, stilisiert den Typus Soldaten zum heroischen „Arbeiter“; vgl. Schulz/Schulze-Marmeling (1980a) sowie Mohler (1989), S. 210f und 331f. Jüngers eher ästhetisierende als politisch-ideologische Kritik an der westlichen Zivilisation richtet sich v.a. gegen das „mehr-oder-weniger“ des aufklärerischen Rationalismus, sein „heroischer Nihilismus“ und fordert das „alles-oder-nichts“ des männlichen Kämpfers.

34 Ernst Niekisch (1889-1967) verkörperte den linken „nationalbolschewistischen“ Flügel innerhalb der Konservativen Revolution. Ziel seiner Arbeit war die theoretische Symbiose von Kommunismus und Nationalismus, wobei in seiner Vorstellung die Lösung der „sozialen Frage“ aus „nationalen Gründen“ zu erfolgen habe, dem Nationalismus also nachgeordnet bleibt und damit als Vorläufer der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ gelten kann, die keine Klassen, sondern nur noch Deutsche kennt. Niekisch beteiligte sich als einer der wenigen Autoren der Konservativen Revolution aktiv am Widerstand gegen das NS-Regime, was ihn als Vorbild für spätere Nationalrevolutionäre prädestiniert. Nach dem Krieg war er bis 1953 Abgeordneter der Volkskammer der DDR; vgl. Schulz/Schulze-Marmeling (1980a) Gerade an Niekisch wird deutlich, warum die antifaschistisch motivierte Einordnung der konservative Kräfte als „präfaschistisch“ zu unscharf ist, um eine politisch und ideologisch adäquate Einschätzung der unterschiedlichen Positionen zu liefern.

35 Vgl. Kap. 3.2.1.

36 Vgl. Großheim (1995), S. 23

37 Oswald Spengler (1880-1936) stellt in seinem Werk von 1919/22 den Mensch als Raubtier dar, dessen Brutalität nur durch eine Diktatur zu bändigen sei. Sein kulturpessimistisches Menschenbild und seine nihilistische Philosophie finden Ausdruck in einer scharfen Ablehnung von allen emanzipatorischen Bestrebungen der Menschheit und insbesondere der

38 Mohler (1989), S. XIIIff; Armin Mohlers Dissertation von 1949 über die Konservative Revolution wird noch heute in rechten und konservativen Kreise als „das Standardwerk“ zum Thema gehandelt. In der Tat bieten v.a. die über 300 (!) Seiten der kommentierten Bibliographie eine Fülle von Informationen auch zu entlegeneren Autoren, was wiederum dem Wunsch vieler Rechter nach einer Personalisierung von politischen Prozessen Rechnung trägt.

39 ebd., S. 324

40 Vgl. Kap. 3.2.1, Anm. 21.

41 Das Bestreiten dieses Zusammenhangs ist geradezu konstitutiv für jene „Jungkonservativen“ und Neuen Rechten, die ihrerseits Distanz zur NS-Zeit schaffen möchten, ohne dabei jedoch auf die historischen Vorbilder verzichten zu wollen; vgl. Kap. 2.2.1; Greiffenhagen merkt dazu an: „So wenig eine eindeutige Zuordnung beider politischer Bewegungen möglich ist, so wenig lässt sich der deutsche Konservatismus von dem Vorwurf reinigen, er habe dem Nationalsozialismus geistig den Weg bereitet und die Pforten geöffnet.“; Greiffenhagen (1971), S. 17

42 Dazu Hennig: „Akzeptiert man (...), dass Konservatismus pragmatisch handlungsorientiert und anti-utopistisch eingestellt ist, so lassen sich die Unterschiede zum Rechtsextremismus (...) im Bereich von Verhalten und Handlungskonzepten bestimmen. (...) Rechtsextremisten haben ein apokalyptisches Weltbild, dem Kampf und Gewalt ebenso wie eine Heilserwartung innewohnen.“, Hennig (1983), S. 310. Gerade in bezug auf das Selbstverständnis der Akteure der Konservativen Revolution ist jedoch selbst diese Unterscheidung brüchig.

43 Zur ‘alten Rechten’ lassen sich insbesondere jene Kreise zählen, die eine Reorganisation von Deutschland nach faschistischem Vorbild und innerhalb der damaligen geographischen Grenzen anstreben, vgl. hierzu auch Kap. 2.2.1

44 Habermas (1985), S. 40f

45 Fetscher (1983), S. 23

46 Zur Diskussion des (Neo-)Konservatismus in den achtziger Jahren s. Dubiel (1985), Kreuder/Loewy (1987) sowie Leggewie (1987)

47 Kondylis (1986), S. 507

48 Auf die Auseinandersetzung um die hier häufig synonym verwendeten Begriffe Rechtsradikalismus bzw. Rechtsextremismus, die an verschiedenen Stellen geführt wird, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Dazu nur soviel: Die Bezeichnung „Rechtsextremismus“ und seine implizite Gleichsetzung mit einem „Linksextremismus“, beide definiert aus der Position einer „demokratischen Mitte“, besetzt durch Verfassungsschutz und freiheitlich- demokratische Grundordnung, erscheint gerade im Zusammenhang dieser Arbeit problematisch, da gerade jene rechtsökologischen Ideologeme untersucht werden sollen, die von dieser demokratischen Mitte in Teilen absorbiert werden bzw. ohnehin nur Radikalisierungen von „gewöhnlichen“ konservativen Positionen darstellen. Vgl. hierzu auch Jahn/Wehling (1991), S. 13.

49 Günter Deckert, Oberstudienrat, wurde 1988 wegen anhaltender rechtsradikaler Aktivitäten aus dem Schuldienst entlassen und zweimal wegen der Leugnung des Holocausts zu Haftstrafen verurteilt. Besondere Empörung rief bei letzterer Verhandlung die Urteilsbegründung des Landgerichts Mannheim hervor, in dem Deckert Charakterstärke und eine ausgeprägte Persönlichkeit attestiert wurden. Von 1991 bis 1996 war Deckert Vorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD).

50 Gerhard Frey, Münchner Publizist und Herausgeber der Nationalzeitung, Inhaber mehrerer rechter Verlage, gründete 1971 die Deutsche Volksunion (DVU), deren Vorsitzender er auch ist. Die DVU hatte zuletzt im Frühjahr 1998 bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt einen spektakulären Wahlerfolg, als sie aus dem Stand und ohne regionale Parteistruktur ein zweistelliges Ergebnis erzielte; vgl. Elsässer (1998), insb. S. 31-42.

51 Zur inhaltlichen Bestimmung der (ökologischen) Positionen der Neuen Rechten vgl. Kap. 4.

52 Zu finden beispielsweise bei Rudolf Künast, der von „Charakterwäsche und Traditionszerstörung“, insbesondere von Seiten der ‘Frankfurter Schule’ spricht, die „den von Roosevelt gegen Deutschland schon Mitte der dreißiger Jahre vorbereiteten Krieg der USA“ begrüßten, „und sich auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als zurückkehrende Sieger vorzubereiten“, um dann die Umerziehung des deutschen Volkes voranzutreiben; vgl. Künast (1983), S. 81ff; zur häufig geäußerten Kritik an den Vertretern der Kritischen Theorie vgl. auch Rohrmoser (1983)

53 Zu „Opfern“ dieser Manipulationen werden dabei gleichzeitig die politischen Kräfte, die sich um die Verbreitung der „Wahrheit“ bemühen, als auch das Volk, das sich gegen die Indoktrination nicht wehren kann. Hierzu behauptet Arnulf Neumaier in Nation & Europa: „Besonders wirksam ist eine solche Kombination von Lügenerzeugern und Lügenverbreitern, wenn sie auf ein gutgläubiges, zur Ehrlichkeit erzogenes Volk wie das deutsche Anwendung findet.“; Neumaier (1993), S. 7

54 de Benoist (1985), S. 13

55 Zur Differenz zwischen dem heroisch-männlichem Prinzip des Kämpfers bei Ernst Jünger und seiner Ästhetisierung des Krieges einerseits und der Technikkritik beispielsweise bei Ludwig Klages und dessen Hervorhebung des weiblich- schöpferischen Prinzips andererseits vgl. Kap. 4; vgl. hierzu auch Großheims ausführliche Darstellung zum Verhältnis von Mensch und Technik bei Klages und Jünger; (1995), S. 34-71

56 Interessant hierbei auch, dass der einzige Zweig der nationalsozialistischen Bewegung, auf den die Neue Rechte, insbesondere deren „solidaristische“ Variante, positiv Bezug nimmt, der „linke“, sozialistische Flügel der NSDAP um die Strasser-Brüder ist. Otto Strassers Ideologie eines ständestaatlich-elitären „deutschen Sozialismus“ wurde zur Zeit des Ost-West-Konflikts gern als Vorbild herangezogen, v.a. bei der Formulierung eines „Dritten Wegs“ zwischen gleichermaßen abzulehnenden östlichem Marxismus und westlichem Liberalismus; vgl. hierzu Schulz/Schulze-Marmeling (1980a), sowie kritisch de Benoist (1982), der diesen „Dritten Weg“ als einzige Hoffnung für Europas Zukunft ausgibt (S. 11-20). Zur ökologischen Aufbereitung des Konzepts vom „Dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus vgl. auch Kap. 4.2.1.

57 Lange spricht von mehr als 130 regelmäßig erscheinenden rechtsextremen Zeitschriften und Zeitungen sowie mehr als 30 deutschen Verlagen und Versandbuchhandlungen, wobei hier allerdings altrechte und neonazistische Publikationen enthalten sind. Hinzu kommen Videos, Filme, Tonträger, Flugblätter u.ä.; vgl. Lange (1993), S. 9f. Für den Bereich der Neuen Rechten sowie der rechten Ökologie besonders interessant sind hier v.a. die Zeitschriften Critic ó n, MUT, Wir selbst, Nation & Europa sowie die von den Unabhängigen Ökologen Deutschlands (UÖD) herausgegebene Ö kologie, die ungeachtet aller inhaltlichen Heterogenität als konservative bzw. rechte Theorieorgane anzusehen sind.

58 vgl. Leggewie (1994), S. 325-338

59 Alain de Benoist, Jg. 1943, Gründer der Nouvelle Droite und seitdem führender Kopf der französischen Neuen Rechten, seit 1968 Chefredakteur der Zeitschrift „Nouvelle Ècole“. De Benoist ist Autor grundlegender Werke der Neuen Rechten, wie z.B. Die entscheidenden Jahre. Zur Erkennung des Hauptfeindes (dt. 1982), Aus rechter Sicht. Eine kritische Anthologie zeitgenössischer Ideen (dt. 1983/84) und Kulturrevolution von rechts. Gramsci und die Nouvelle Droite (dt. 1985). Letzteres ist das zentralen Werk zum Verständnis neurechter Strategie, um deren Übertragung auf deutsche Verhältnisse sich seitdem v.a. Armin Mohler bemühte, der auch die Einleitung zur deutschen Ausgabe verfasste.

60 de Benoist (1985), S. 46f

61 ebd., S. 49f

62 vgl. die gleichnamige Schrift zu einer Theorie der Wissenssoziologie von Berger/Luckmann (1989)

63 vgl. Kaltenbrunner (1980), S. 121

64 Gramsci selbst sprach von einer ‘egemonia politica e culturale’, also einer politischen und kulturellen Hegemonie, wobei für die Interpretation der Neuen Rechten tatsächlich nur die Kulturelle von Bedeutung ist, da sich in ihrer Deutung die Politische Macht aus der Kulturellen ableitet; vgl. Gramsci (1977), S.1049

65 Gramsci (1991), S. 515

66 In einer Weiterführung von Gramscis Überlegungen gibt Louis Althusser in seiner Arbeit über „die ideologischen Staatsapparate“ (ISA) eine vorläufige Liste von Institutionen an, die zur Herstellung des sog. Hegemonie-Apparates konstitutiv sind. Im einzelnen nennt er: „den religiösen ISA (System der verschiedenen Kirchen), den schulischen ISA (System der verschiedenen öffentlichen und privaten Schulen), den familiären, juristischen, politischen ISA (das politische System, darin die verschiedenen Parteien), den gewerkschaftlichen ISA, den ISA der Information (Presse, Radio, Fernsehen usw.), den kulturellen ISA (Literatur, schöne Künste, Sport usw.)“; zit. nach Karsz (1976), S. 236

67 Gramsci (1991), S. 1377

68 vgl. Kellershohn, Helmut: Kulturrevolution von rechts, Vortrag am 27.05.88 im DISS; zit. nach Sinha (1995), S. 94

Ende der Leseprobe aus 125 Seiten

Details

Titel
Konzepte rechter Ökologie - am Beispiel der Debatte über die Überbevölkerung
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Fachbereich Gesellschaftswissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
125
Katalognummer
V2966
ISBN (eBook)
9783638117838
Dateigröße
1135 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ökologie; Neue Rechte
Arbeit zitieren
Oliver Nüchter (Autor:in), 1998, Konzepte rechter Ökologie - am Beispiel der Debatte über die Überbevölkerung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2966

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