Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Stadtherrschaft
3. Der Aufstand gegen Anno II. von 1074
3.1 Die Situation im Reich und der Wormser Aufstand
3.2 Der Verlauf des Kölner Aufstands
3.3 Beurteilung
4. Die Schwureinigung von 1105/1106
4.1 Die Situation im Reich
4.2 Die Verschwörung für Heinrich IV
4.3 Die Entwicklung der Stadtgemeinde und die Urheber der Schwureinigung
5. Die Coniuratio von 1112
5.1 Problematik
5.2 Kommunale Deutungen: Friedliche bzw revolutionäre Coniuratio
5.3 Reichsgeschichtliche Deutung: Fürstenverschwörung
5.4 Fazit
6. Die Verschwörung gegen Heinrich V. (1114-1119)
7. Ausblick
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese Hausarbeit soll sich mit dem Thema "Verschwörungen und Schwureinigungen der Bewohner von Köln von 1074 - 1119" beschäftigen.
Der lateinische Begriff, den man sowohl mit "Verschwörung" als auch mit "Schwureinigung" übersetzen kann, lautet coniuratio. E. Ennen beschreibt den Begriff coniuratio folgendermaßen:
"Die c., d.h. die Zusammenschwörung, verbindet die Schwörenden als Schwurbrüder, sei es kurzfristig zur Durchsetzung eines gemeinsamen Zieles, sei es auf Dauer zu einem Schwurverband, der eigene Verbandsgewalt beansprucht und sich eigene Institutionen schafft. (...) Die städt. c. ist nicht nur ein Mittel der Einwohner, sich dem herrschaftlichen Rechtskreis mehr oder weniger zu entziehen, sie dient - bezirksbezogen - ebensosehr der genossenschaftl. Sicherung des inneren Friedens in der Stadt".[1]
Wenn in diesem Referat von "Bürgern" und der "Bürgerschaft" die Rede ist, so ist hiermit die im Entstehen begriffene Bürgerschaft gemeint, da es in diesem Zeitraum in Köln noch keinen Bürgereid gab.
Im folgenden Kapitel wird kurz die Organisation der Stadtherrschaft beschrieben, wie man sie am Ende des 11. Jahrhunderts und im 12. Jahrhundert in Köln finden konnte.
Daraufhin sollen die Verschwörungen zunächst chronologisch geordnet beschrieben werden. Die Urheber der Schwureinigungen und ihre Beweggründe sowie die Folgen ihres Handelns sollen durchleuchtet werden.
Die erste zu untersuchende Verschwörung, die in den zu berücksichtigenden Zeitraum fällt, ist der Aufstand der Kölner (bzw. eines Teils der Kölner Bürgerschaft) gegen den Erzbischof Anno II. Es soll untersucht werden, warum und wie es zum Aufstand kam und wer seine Urheber waren. In welchem reichsgeschichtlichen Zusammenhang ist diese Verschwörung zu sehen? Und welche Organisationsformen der Stadtbewohner sind in dieser Frühphase der Herausbildung von bürgerlich-stadtherrschaftlichen Strukturen zu erkennen? Wie wurden diese von den Zeitgenossen wahrgenommen? Diese Fragestellungen sollen bei der Analyse der darauffolgenden Schwureinigungen berücksichtigt werden.
Die wichtigste Quelle für diese Schwureinigung sind die Annalen des Lampert von Hersfeld, der aber nicht neutral berichtet, sondern auf der Seite des Bischofs steht.[2]
Nur zwei Jahrzehnte nach dem Aufstand gegen Anno II. entstand eine Verschwörung der Kölner gegen Heinrich V. für dessen Vater Heinrich IV. Hier sind ebenfalls zeitgenössische Darstellungen erhalten geblieben, die man zur Beantwortung einiger Fragen heranziehen kann.
Während der Zeitpunkt und der Ablauf dieser beiden Verschwörungen gesichert erscheint, ist die Zeit von 1106-1112 schwieriger zu durchleuchten. Es findet sich ein Eintrag über eine Coniuratio im Jahre 1112, der kontrovers diskutiert wird. Im vierten Kapitel ist es notwendig, die Kontroversen, die sich mit dieser Coniuratio beschäftigen, zu erläutern, und es muß herausgestellt werden, welche Lösung als wahrscheinlich einzustufen ist.
Im fünften Kapitel soll die Verschwörung der niederrheinischen Fürsten gegen Heinrich V. erörtert werden, an der auch die Bewohner der Stadt Köln beteiligt waren, die den Verlauf der Verschwörung beeinflußten. Geklärt werden die Gründe, die die Kölner veranlaßten, diesem Bündnis beizutreten.
Schließlich ist in einem abschließenden Kapitel eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie ihre Bewertung notwendig.
Es mußte eine gewisse Auswahl der Sekundärliteratur unter dem Gesichtspunkt der Relevanz für dieses Referat getroffen werden. Die Frage, ob es Zusammenhänge der Verschwörungen mit den Ereignissen gibt, die mit dem Investiturstreit verbunden sind, kann in diesem Referat nicht erörtert werden.
Es soll dargestellt werden, wie wichtig diese verschiedenen Schwureinigungen für die Herausbildung des Bürgertums und der städtischen Strukturen des Mittelalters waren.
Nach 1119 gab es noch verschiedene Verschwörungen der Bewohner von Köln, jedoch können diese in diesem Rahmen nicht mehr behandelt werden.
2. Die Stadtherrschaft
Die Stadtherrschaft besaßen in Köln die Erzbischöfe; sie hatten nicht nur die geistliche Obergewalt inne, sondern auch die ihnen vom König verliehene weltliche Herrschaftsgewalt. Hiermit unterstand die Kölner Erzbischöfe also der Aufsicht des Königs. Sie faßten diese weltliche Herrschaft als eine fürstliche Herrschaft auf. Hugo Stehkämper faßt ihre Stellung folgendermaßen zusammen: "Sie ge- und verboten, urteilten und richteten, setzten in eigener Vollmacht Amtsträger ein und ab, handelten und wurden anerkannt als Herren ihrer Hoheiten, Gerechtsame und Besitztümer."[3]
Die Erzbischöfe zogen finanziellen Nutzen aus ihrer Stadtherrschaft; bedeutsame Erträge kamen aus dem Zoll-, Markt- und Münzregal sowie aus dem Judenschutz. Zur Erhebung dieser Gelder benötigte der amtierende Erzbischof Amtsträger, die häufig aus der Kölner Bürgerschaft stammten. Hier sind vor allem die Ämter der Münzer und Zöllner zu nennen.[4]
Weitere wichtige Ämter, auf deren Besetzung der Erzbischof Einfluß hatte, waren das Amt des Burggrafen, das erstmals 1039 bezeugt ist, sowie das Amt des Stadtvogtes. Der Burggraf war der Hochrichter, der sein Amt als Lehen vom Bischof, aber seine Amtsgewalt vom König erhielt. Es gab eine Dingstätte auf dem Domhof, wo das Hohe Gericht tätig war. Der Stadtvogt, der sein Amt vom Erzbischof erhielt, war Niederrichter. Er war unabhängig vom Burggrafen und das Amt ist erstmals für 1061 bezeugt. Die Gerichtssitzungen wurden zusammen vom Burggrafen und vom Stadtvogt geleitet.[5]
Die Existenz der Richerzeche kann für die Zeit der Salier nicht eindeutig bezeugt werden. Jedoch können Verbindungen bestehen zu den primores, die am Aufstand von 1074 beteiligt waren.
3. Der Aufstand gegen Anno II. von 1074
3.1 Die Situation im Reich und der Wormser Aufstand
Am Ende des Jahres 1073 wurde das Reich von einer schweren Krise getroffen. König Heinrich IV. befand sich in der beinahe aussichtslosen Lage, daß die Fürsten des Reiches dazu entschlossen schienen, ihn abzusetzen und einen neuen König zu wählen. Scheinbar hatte er sich durch seinen unberechenbaren und unbeherrschten Charakter Feinde gemacht. Die Lage spitzte sich zu, als Heinrich IV. aus der Harzburg bei Goslar vor den Sachsen flüchten mußte, von denen er belagert wurde. Nach und nach fielen immer mehr Fürsten offen vom König ab. Den Sachsen, die ihre Freiheit durch die Rekuperationspolitik Heinrichs bedroht sahen, schlossen sich andere Fürsten an, weil es Gerüchte gab, Heinrich IV. hätte zur Ermordung der Fürsten Rudolf von Rheinfelden und Bertold von Zähringen angestiftet. In dieser Situation wurde er, als er vor den Toren der Stadt Worms stand, von den Bürgern der Stadt ehrenvoll empfangen. Diese hatten den Bischof und seine Truppen, die sich gegen den König stellen wollten, aus der Stadt vertrieben. Durch diesen Aufstand der Wormser konnte Heinrich IV. über eine stark befestigte Stadt verfügen, womit laut Lampert von Hersfeld dessen Machtposition bereits wieder so stark war, daß die für Dezember nach Mainz einberufene Fürstenversammlung zur Wahl eines neuen Königs vom Mainzer Erzbischof abgesagt werden mußte.[6] Beweggründe für diesen Aufstand der Wormser war ihre Verbundenheit mit Heinrich IV., der als Salier im Gebiet um Worms und Speyer begütert war, sowie die Chance für die Bürgergemeinde, durch den König Anerkennung ihrer Rechtmäßigkeit zu erhalten.[7]
Am 18. Januar stellte Heinrich IV. eine Urkunde aus, die als die erste Urkunde überhaupt gilt, die den Bürgern einer Stadt ausgestellt wurde. Sie sollte bewirken, die Ereignisse in Worms als Beispiel für andere Städte darzustellen. Zudem erhielten die Wormser Bürger Privilegien, nämlich die Zollbefreiung an einigen königlichen Zollstätten.[8]
3.2 Der Verlauf des Kölner Aufstands
Im Jahr 1074 schließlich entwickelte sich in Köln ein Aufstand gegen den dortigen Erzbischof Anno. Auslöser war laut einem Bericht des dem Bischof nahestehenden Lamperts die Beschlagnahmung eines mit Waren beladenen Kaufmannsschiffes durch Dienstleute des Erzbischofs. Folgt man seiner Darstellung, dann hatte Erzbischof Anno Ostern zusammen mit einem Freund, dem Erzbischof von Münster[9], in Köln verbracht. Dieser wollte nun wieder abreisen, und zu diesem Zweck war das Schiff beschlagnahmt worden.[10]
Nachdem die Dienstleute Annos durch die Leute des Kaufmanns vertrieben worden
waren, wuchs der Widerstand der Kaufleute weiter an. Lampert berichtet, daß der Sohn des Kaufmanns mit anderen, die ihn unterstützten, am Schiff erschien. Ein Bote des Erzbischofs drohte ihm an, ihn bei Gericht zu bestrafen: "irarumque plenus minabatur se proxima sessione seciciosos iuvenes merita paene coherciturum".[11]
Die Drohung, daß er sein Richteramt demnächst gegen die Kaufleute anwenden würde, erschütterte das Vertrauen der Bevölkerung in den Bischof noch mehr. Der Stadtvogt, der später hinzukam, und der Ordnung schaffen sollte, mußte unverrichteter Dinge wieder zurückkehren, da er vom Kaufmannssohn offenbar niedergeschlagen worden war.
Das nun folgende Vorgehen der aufständischen Bevölkerung wird von Lampert wie folgt beschrieben:
"Conferunt primores inepta consilia, saevit vulgus intemperans novarum rerum studio et per totam civitatem spiritu diabolico raptatum ad arma conclamat. Nec iam archiepiscopum urbe expellere sicut Wormacienses, sed per omnes crutiatus trucidare, si copia detur conspirat."[12]
Die Wut der Bevölkerung äußerte sich nun darin, daß sie den bischöflichen Palast stürmte, ihn plünderte, und die Bischofskapelle zerstörte. Anno war es in der Zwischenzeit gelungen, den Bischofspalast zu verlassen, und im Dom ein Versteck zu finden. Inzwischen wurde im Bischofspalast ein Mann erschlagen, der fälschlicherweise von der Menge für Anno gehalten wurde, dem es aber gelang, aus Köln zu fliehen, nachdem er im Dom Zuflucht gefunden hatte. In der Umgebung der Stadt fand er bei der dort ansässigen Landbevölkerung die Unterstützung, die er benötigte, um sich die Bewohner der Stadt Köln wieder gefügig zu machen:
"Igitur per quatuor vel quinque miliaria circumquaque ad arma conclamant; multa hominum milia dicto cisius concurrunt, nullo qui per actatem arma ferre posset tam religiosam miliciam detrectante (...). Ita archiepiscopus quarto die postquam exierat, magno vallatus agmine, ad urbem accessit."[13]
Lampert schildert nun, wie es Bischof Anno schaffte, die Kölner zu unterwerfen. Als die Kölner gesehen hätten, wie dieser zusammen mit den Landbewohnern der Stadt entgegenzog, seien sie hierdurch so eingeschüchtert worden, daß sie Anno Boten mit einem Friedensgesuch entgegensandten. Sie hätten sich schuldig bekannt und wären bereit gewesen, jede Strafe auf sich zu nehmen, was der Bischof anerkannte.[14]
Nachdem Anno eine Messe in einer vor den Stadtmauern gelegenen Kirche gefeiert hatte, lud er die Kölner, die am Aufstand beteiligt gewesen waren, vor, damit sie ihre Bußen ableisten sollten. Er befahl den Büßenden, am nächsten Tag zu der Kirche St. Peter zu kommen, um dort die Buße auf sich zu nehmen. Anno selbst verbrachte die folgende Nacht, so Lampert von Hersfeld, außerhalb der Stadt und konnte durch gutes Zureden die durch seine bis zu diesem Zeitpunkt ausgeübte Milde erzürnten Landbewohner davon überzeugen, in ihre Dörfer zurückzukehren.[15]
In dieser Nacht aber flohen aber "sexcenti aut eo amplius mercatores opulentissimi"[16] aus Köln. Schenkt man Lampert Glauben, dann setzten sie sich mit König Heinrich IV. in Verbindung, damit dieser ihnen zu Hilfe käme. Die Aufständischen, die in der Stadt geblieben waren, erschienen auch nicht innerhalb der nächsten Tage wie vereinbart vor der Kirche St. Peter.
[...]
[1] E. Ennen, Artikel "Coniuratio", in: LMA 3, Sp. 135-137 (Sp. 135).
[2] Lampert von Hersfeld: Annalen. Hrsg. von Rudolf Buchner (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Band XIII), Darmstadt 1957.
[3] Stehkämper, Hugo: Die Stadt Köln in der Salierzeit. In: Stefan Weinfurter (Hrsg.): Die Salier und das Reich, 3: Gesellschaftlicher und ideengeschichtlicher Wandel im Reich der Salier. Sigmaringen 1991, S. 75-152., S. 91.
[4] Ebd.
[5] Vgl. hierzu ebd., S. 92 f.
[6] Vgl.: Kurt Schulz: Und sie liebten die Freiheit so sehr. Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter. 2., verbesserte Aufl. Darmstadt 1995. S. 78 f.
[7] Ebd., S. 80.
[8] Ebd., S. 81.
[9] Eine Zusammenfassung dieser Ereignisse findet man in: Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. Bd. I:313-1099, bearb. von F. W. Oedinger. Bonn 1961, S. 303-305.
[10] Lampert von Hersfeld, a.a.O., S. 236 f.
[11] Ebd., S. 236.
[12] Ebd., S. 238: "Die Ersten besprechen unpassende Pläne, das Volk wütet maßlos im Eifer der neuen Dinge und ruft, von teuflischem Geist fortgerissen, in der ganzen Stadt zu den Waffen. Und schon ist man sich einig, den Erzbischof nicht wie in Worms aus der Stadt zu jagen, sondern ihn, wenn möglich, unter allen Qualen niederzumetzeln."
[13] Ebd., S. 244.
[14] Ebd., S. 247.
[15] Ebd., S. 247.
[16] Ebd., S. 248
- Arbeit zitieren
- Silvia Willems (Autor:in), 2000, Verschwörungen und Schwureinigungen der Bewohner von Köln 1074 bis 1119, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29634
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