Zur Theodizee-Konzeption von Harold Kushner in seinem Buch"Wenn guten Menschen Böses widerfährt"


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: gut und differenziert


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A) Darlegung und Beurteilung
I Einleitung
II Zum Autor und seiner Intention
III Aufbau, Vorgehensweise (exemplarisch)
1. Herkömmliche Lösungsansätze und Beispiele
2. Kritische Beurteilung
IV Gott, Welt, Mensch
1. Grundlegendes und Mensch
2. Gott und Mensch
3. Der Realitätswert eines gedachten Gottes
4. Die Welt als Mauer und Katalysator
5. Weichenstellungen
6. Das Gebet
7. Kritische Beurteilung – Das Gebet und Gott
V Abschließende kritische Beurteilung
1. Allgemeines über die Klärung der Theodizee
2. Trinität und Eschatologie
IV Zusammenfassung

B) Anhang (Literaturverzeichnis)
I Quellentext und Hilfsmittel
II Literatur

A) Darlegung und Beurteilung

I Einleitung

Die vorliegende Facharbeit[1] beschäftigt sich mit Harold Kushners Theo­dizee-Konzeption in seinem Buch „Wenn guten Menschen Böses wider­fährt.“ Ausgehend von der Infragestellung des Tun-Ergehens-Zusam­men­hangs fordert der Rabbiner Kuschner eine neue Sichtweise über das Verhält­nis von Gott und Mensch[2]. In der Kürze dieser Ausarbeitung können nur einige wichtige Aspekte der betrachteten Konzeption frag­men­ta­risch beleuchtet werden. Eine kritische Beurteilung wird hier um des Zusam­menhangs willen teilweise direkt im Anschluss an die Be­trach­­tung der einzelnen Gesichtspunkte angehängt.

II Zum Autor und seiner und Intention

Der Verfasser des Buches, Harold Kushner[3], ist ein liberaler[4] Rabbiner einer kleinen Gemeinde in den USA. Durch die tragische Krank­heit[5] sei­nes Sohnes Aaron und dessen Tod im Alter von 14 Jahren wird Kush­­ner, existentiell betroffen, mit der Frage der Theodizee konfron­tiert. Kushner selbst durchlebt eine Vielzahl von herkömmlichen Ant­wort­mustern auf diese Frage nach der Gerechtigkeit Gottes und zeigt in seinem Buch kritisch die Unzulänglichkeit der konventionellen Lösungs­versuche auf. Erlebte und beobachtete Realität sowie die Auseinander­setzung mit seinem bisherigen Gottesverständnis veranlassen ihn, Gott, Welt und Mensch gedanklich neu zueinander in Beziehung zu setzen. Ziel des Rabbiners ist es, über die Verarbeitung des persönlichen Erle­bens hinaus (13), vom Leid getroffenen Menschen seelsorgerlich Trost und wirkliche Hilfe anzubieten: Den Lesern soll es ermöglicht werden, Gott so zu begreifen, dass dieser auch im Leid als gütig und gerecht geglaubt werden kann[6]. Aufgrund dieser Grundintention verwendet der Autor eine allgemein verständliche Spra­che sowie zahl­rei­che anschau­li­che Beispiele[7]. Um die Wirklichkeit so­wie das mensch­liche Denkver­mögen ernst zu nehmen, möchte Kushner auf eine Vertei­digung Gottes bewusst verzichten[8].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III Aufbau, Vor­gehens­weise (exemplarisch)

Grundlegend für Kush­­­­­ners Ausfüh­run­gen über das Leid des Gerechten ist die Form der di­rek­ten Fra­ge, der we­der der Autor selbst noch der Le­ser auszuweichen vermag. In den un­terschiedlichsten Va­ria­tionen treibt diese Theodizee-Frage, die der Erfah­rung unbe­greif­lichen Leides ent­­springt, den Ge­dan­kengang der ein­zelnen Kapitel voran. Die Argumentationsweise Kushners soll im Wesentlichen anhand des ersten Kapitels[9] nachgezeichnet werden, weil die für den Autor typische Vorge­hensweise dort besonders deutlich ausgeprägt ist. Der Grob­auf­bau des gesamten Buches einschließlich der Wei­chen­stellungen wird bei der Be­trachtung des Verhältnisses von Gott, Welt und Mensch ge­nau­er aus­zuführen sein.

1. Herkömmliche Lösungsansätze und Beispiele

Den herkömmlichen Lösungsmustern auf die Frage nach Gottes Ge­rechtigkeit begegnet der Verfasser - wie im Schaubild veranschaulicht - auf zwei Ebenen: 1. auf der konkreten Ebene des hautnah (mit)erlebten Leides; 2. auf einer abstrahierten Gedankenebene. Die häufig verwen­deten direkten Fragen dienen dabei im Hinblick auf den Leser dem Hin­ter­fra­gen festgefahrener Deutungsschemata sowie der Zuspitzung eines Gedankens. Fast durchgängig sind die grammatischen Fragen der Wirkung nach aber verstärkte Aussagen (33), zuweilen sogar Ankla­gen. Kushner würdigt die gängigen Antwortmöglichkeiten[10] insofern, als sie dem Betroffenen helfen, Trost, Sinn oder Tragkraft für sein Leid zu finden[11]. Seine mitunter vehemente Kritik verwirft jedoch jeden dieser Lösungsversuche gleich wieder. Die Gründe für die Ablehnung dieser Ansätze sind in der fehlenden Antwort auf die bohrenden Fragen, die sich aus dem Leiden ergeben, zu suchen – und zugespitzt im abstrak­ten Nachdenken über den Sinn und die Ge­rechtigkeit des Leides. So seien etwa Menschen eher bereit, mit einem Gott zu rechnen, der Lei­den schickt, als mit dem Gedanken an einen Gott zu leben, der nicht die Kontrolle über das Weltgeschehen behält[12]. Kushner stellt jedoch, besonders auf der abstrakten Ebene, fest, dass keines der herkömmli­chen Erklärungsmodelle wirklich tragfähig ist, sobald man das Verhält­nis von Tun, durchlittenem Leid und dem vermeintlichen Nutzen deut­lich auf den Punkt bringt[13]. Durch zahlreiche, tragische Gegenbei­spiele aus Praxis und Fiktion widerlegt er somit – scheinbar – sämtliche psychologisch-pädagogischen Sinngebungsver­suche[14], den Gedanken an ei­nen allmächtigen, gerechten Gott[15] und damit selbstredend den Tun-Er­ge­hens-Zusam­menhang. Der Aufschrei der existenziellen Be­trof­fen­­heit[16] ist beinahe jeder Frage zu entnehmen; er führt jedoch nicht zu einer vertrauens­vollen Zuwendung zu Gott, die mit seiner umfassen­den Macht rechnet. Je­den Gedanken an eine gene­relle, göttliche Ge­rech­tig­keit wie in Psalm 92 lehnt der Rabbiner als „Wunschdenken“ (22, 23) ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gemeinsam ist den Widerlegungen, die Kush­ner formuliert, das behutsame Vorgehen, bei dem er die positiven Aspekte des her­kömm­li­chen Lösungsansatzes wertschätzt und vor­sich­tig eine neue Sicht eröffnet, um dann sei­ne eigene Meinung zu verdeutlichen. Hier­durch erzielt der Autor eine größere Offenheit des Lesers für seine Ar­gumente[17] - er versäumt dabei aber nicht, seine Ansicht deutlich zu for­mulieren. Dieses nahezu empathische Vorgehen mit umso deutliche­rer Schlagkraft findet sich auch in den anderen Kapiteln des Buches.

2. Kritische Beurteilung

Kuschner verfasst keine theoretische Abhandlung über sein Thema, son­dern er ist existentiell betroffen. Das macht zugleich die Vorzüge sei­­ner Erörterung aus – es birgt aber auch Nachteile. Positiv hervor­zuhe­ben ist, dass er die Fragen aufgreift, die das tatsächliche Leben stellt. Dadurch, dass er die Realität ernst nimmt, gibt er sich nicht mit vor­­schnellen, oberflächlichen Antworten zufrieden. Oft fördern gerade erst die schwersten Leiden zutage, ob ein Erklärungsmuster tragfähig ist oder nicht. Der Autor ermöglicht es dem Leser immer wieder auf seel­sorgerliche Weise, aus der eigenen Verzweiflung angesichts unbe­grün­­deter, durch soziale und religiöse Prägung hervorgerufener Schuld­vor­würfe gegen sich selbst herauszukommen. Hilfreich sind die unzäh­li­gen anschaulichen Beispiele, weil sie den meisten Lesern einen unmit­tel­­ba­reren Zugang zu den Überlegungen ermöglichen und weil sie Leid ge­prüften Menschen ein Verständnis ihrer Lage signalisieren.

[...]


[1] Fußnoten sind in der vorliegenden Ausarbeitung hochgestellt; die Seitenzahlen des Buches werden der leichteren Lesbarkeit des Textes und des Schriftbildes wegen im Haupt­text eben­falls hochge­stellt und in Klammern gesetzt. Sofern nicht anders ange­ge­ben, beziehen sich die Seitenzahlen auf Kushner.

[2] Die Rolle der Welt ist ebenfalls von Bedeutung. Sie liegt aber, wie sich zeigen wird, im Rollentausch zwischen Gott und Mensch auf einer anderen Ebene.

[3] Vorwiegend anhand des Kapitels „Warum ich dieses Buch schrieb“ (9-14).

[4] Vom orthodoxen Judentum grenzt sich Kushner durch seine Wortwahl ab (102).

[5] Progerie (vorzeitiges Altern mit frühzeitigem Tod).

[6] Dieser Satz folgt einer Korrektur durch Thomas Maier, Studienleiter, Unterweissach.

[7] In anonymisierter Form (141).

[8] De facto verteidigt er Gott allerdings, indem er ihn als nahezu ohnmächtig er­klärt und ihm somit vom Vorwurf, das Leid in irgendeiner Weise zuzulassen, freispricht.

[9] „Warum müssen die Gerechten leiden?“ (15-39)

[10] Abgesehen vom Tun-Ergehens-Zusammenhang, den er fast durchgängig infrage stellt.

[11] „Ich verstehe […]“ (28) zur Deutung mit dem Wandteppich.

[12] (25). Kushner kritisiert hier, dass der Wunsch das Ergebnis des Nachdenkens be­stimmt. Er selbst ist aber genauso voreingenommen, wie er, ohne es zu merken, zu­gibt: „Es fällt mir leichter, einen Gott zu verehren […] als einen Gott, der […] (126).

[13] „Welche Art höherer Absicht […]“ (25) sowie viele andere Stellen.

[14] Als Beispiel möge genügen: „Leid veredelt den Menschen […]“ (28).

[15] Hier sei aus Kap. 2 die philosophische Fragestellung erwähnt (Das Hiob-Buch ist nach Kushner Fik­tion). Gott könne nicht gerecht und allmächtig zugleich sein, wenn gu­­ten Menschen Böses widerfährt.

[16] Vgl. Bittner 50.

[17] Beispielhaft die Entkräftung der Erklärung mittels des Bildes vom Wandteppich (17-28). Noch ausgeprägter ist die Widerlegung der Sinnsuche bei völlig unerklärlichem Leid (31-32): „Natürlich“ (Zustimmung), „Aber nicht“ (Einschränkung), „eher“ (Ent­gegen­kommen), „Doch sicher nicht“ (Ablehnung der Sinn-These) , „Oder […]?“ (rhetorische Frage mit scheinbarer Zurücknahme der Widerlegung), „Ich bin außer mir“ (durch die rhetorische Frage verstärkter entschiedenster Widerspruch).

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Zur Theodizee-Konzeption von Harold Kushner in seinem Buch"Wenn guten Menschen Böses widerfährt"
Note
gut und differenziert
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V29623
ISBN (eBook)
9783638310918
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theodizee-Konzeption, Harold, Kushner, Buch, Wenn, Menschen, Böses
Arbeit zitieren
Karsten Spilling (Autor:in), 2004, Zur Theodizee-Konzeption von Harold Kushner in seinem Buch"Wenn guten Menschen Böses widerfährt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29623

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Zur Theodizee-Konzeption von Harold Kushner in seinem Buch"Wenn guten Menschen Böses widerfährt"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden