Intergruppenkonflikte und Lösungen - der "One Of Us Effect"


Hausarbeit, 2003

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Einige verbreitete Theorien zur Erklärung von Intergruppenkonflikten
2.1 Was ist Intergruppenverhalten?
2.2 Intergruppenverhalten und Vorurteile
2.2.1 Vorurteile als Persönlichkeitsmerkmal
2.2.2 Frustrations-Aggressions-Hypothese
2.2.3 Interpersonales vs. Gruppenverhalten
2.3 Gruppeninteresse und –ziele als Ursprung von Intergruppenverhalten
2.4 Gruppenmitgliedschaft als Ursprung für Diskriminierung Anderer
2.5 Theorie der sozialen Identität
2.5.1 Eigenschaften der sozialen Identität
2.5.2 Folgen für das Intergruppenverhalten
2.5.3 Verhaltensweisen in Gruppen mit niedrigem Status

3. Die Studie zum „one-of-us-effect in decision evaluation” von Lipshitz, R., Gilad, Z. und Suleiman, R
3.1 Begriffsklärung und Definitionen
3.1.1 Judgement-by-Outcomes
3.1.2 One-of-Us Effekt
3.1.3 Versuchsmethode
3.1.4 Zwei verschiedenen Entscheidungsszenarien
3.1.5 Versuchsdesign
3.1.6 Die Versuchsvariablen
3.2 Ergebnisse der Studie und Interpretation
3.2.1 Auswertung der Ergebnisse zur Versuchsanordnung „Hinterhalt“
3.2.2 Auswertung der Ergebnisse zur Versuchsanordnung „Lager“
3.3 Ergebnisse des Versuchsaufbaus
3.4 Diskrepanzen zwischen Intergruppentheorien und Versuchsergebnissen

4. Lösung von Intergruppenkonflikten
4.1 Übergeordnete Ziele
4.2 Revision der Kategoriegrenzen
4.3 Kontakthypothese
4.4 Zusammenfassung und Kritik

5. Kritik zur vorliegenden Arbeit und Ausblick auf die Entwicklung im Nahen Osten

ANHANG:

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: 2X2X2X2 – Matrix

Abbildung 2: Identifikationswerte der Evaluatoren mit dem Entscheider, Erste Manipulationsprüfung im Szenario „Anschlag“

Abbildung 3: Erfolgsbewertung als zweite Manipulationsüberprüfung, im Szenario „Anschlag“

Abbildung 4: Bewertung der Heldenhaftigkeit, als erste abhängige Variable, im Szenario „Anschlag“

Abbildung 5: Rechtfertigung der Handlung durch die Probanden, im Szenario „Anschlag“

Abbildung 6: Bewertung der Qualität des Entscheidungs-prozesses, im Szenario „Anschlag“

Abbildung 7: Prozentuale Zuweisung von Sanktionen im Szenario „Anschlag“, nicht in die Grafik aufgenommen wurden, diejenigen die keine Sanktion wünschten

Abbildung 9: Identifikationswerte der Evaluatoren mit dem Entscheider, Erste Manipulationsprüfung im Szenario „Lager“

Abbildung 10: Bewertung des Teamgeistes durch die Probanden, im Szenario „Lager“

Abbildung 11: Prozentuale Zuweisung von Sanktionen im Szenario „Lager“, nicht in die Grafik aufgenommen wurden, diejenigen die keine Sanktion wünschten

Abbildung 12: Prozentuale Zuweisung von Sanktionen im Szenario „Lager“, nicht in die Grafik aufgenommen wurden, diejenigen die keine Sanktion wünschten

1. Einleitung

Ein Zaun wird errichtet an der Naht zwischen Israel und dem Westjordanland, ein Schutzwall für die Juden gegen den palästinensischen Terror. Das Land schottet sich ab, schließt sich ein oder grenzt die anderen aus und umzäunt sie – wer weiß das schon. Ob man sich vor oder hinter dem Zaun wähnt, das bleibt der subjektiven Empfindung überlassen“ (SZ, 2003a). Zurzeit entsteht in Israel an der Grenze zum Westjordanland ein ca. 450km langes Bauprojekt, das Israel faktisch vom Westjor­danland teilt. Die teils aus einem 3,5 Meter hohen Zaun, teils aus einer noch höheren Mauer bestehenden „Seam-Zone“ ist die Reaktion der israelischen Regierung auf eine lange Reihe von Gewalt und Gegengewalt als Folge der im Jahr 2000 von palästinensischer Seite ausgerufene Intifada II. Ähnlich wie im Gazastreifen vor vie­len Jahren werden durch diese Separation Fakten geschaffen. Die Trennung soll der israelische Zivilbevölkerung Schutz vor den terroristischen Anschlägen bieten, die seit dem Jahr 2000 fast 700 Menschen das Leben gekostet haben. „Das Hindernis, das Sicherheit schaffen soll“, wird tatsächlich eine erste Grenze darstellen auch wenn dies von israelischer Seite negiert wird. In der Tat ist das Verhältnis stark gespannt, was die vielen Gewalttaten von beiden Seiten belegen. So hat beispiels­weise die israelische Armee bei einem Luftangriff auf angebliche palästinensische Terroristen in Gaza-Stadt, sieben Palästinenser darunter einen Anführer der Hamas getötet und mehr als 40 weitere verletzt. Als Vergeltung feuerten Mitglieder der Hamas eine Kassam-Kurzstreckenrakete auf die israelische Stadt Sderot, an der Grenze zum Gaza-Streifen. Daraufhin marschierten israelische Truppen in die Ort­schaft Beit Chanun im Norden des Gaza-Streifens ein. Dabei starben nach palästi­nensischen Angaben drei Landsleute, 13 weitere wurden verletzt (SZ 2003b). Der Frieden zwischen beiden Ethnien, Araber einerseits und Juden andererseits, wird immer unwahrscheinlicher. Denn die vier größten extremistischen palästinensischen Gruppen – Hamas, islamischer Dschihad, „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ und „demokratische Front zur Befreiung Palästinas“ – erkennen das Existentrecht des israelischen Staates nicht an. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen Gottes­staates auf dem Gebiet des heutigen Israel. Als Vorraussetzung für Friedensver­handlungen fordert Israel dagegen den Stopp des Terrors. Wieso kommt es über­haupt zu so extremen, brutalen und aggressiven Vorgehensweisen der beiden Gruppen, deren zentralstes Unterscheidungsmerkmal die Religion ist? Worin liegen die sozial-psychologischen Erklärungsmodelle für diese extreme Identifizierung mit der eigenen Volksgruppe bzw. Ethnie. Wie ist der starke Zulauf zu extremistischen Gruppen psychologisch zu erklären?

In der vorliegenden Arbeit wird nun anhand des Versuchs von Lipshitz, R., Gilad, Z. und Suleiman, R. zum One-of-Us Effekt in decision evaluation, der Versuch unter­nommen zu ergründen, was die sozial-psychologischen Ursachen für Intergruppen­konflikte im Allgemeinen und speziell im Kontext des fortwährend schwelenden ethnischen Konfliktes im Nahen Osten sind. Zu allererst werden hierzu die wichtigsten Theorien zu Intergruppenkonflikten und Intergruppendiskriminierung nach Brown (2001) in gebotener kürze dargestellt. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann, da die Schwerpunktsetzung dieser Arbeit eindeutig auf der Analyse des Versuchs von Lipshitz, R. et al. liegt. Anschließend folgt eine Darstellung des Versuchsaufbaus zum Nachweis des „One-of-Us Effekt in decision evaluation“ (Lipshitz et al., 2001). Nach den Erläuterungen zum Design wird untersucht, in wie weit die theoretischen Ansätze nach Brown (2001) mit den Resultaten des Versuchs übereinstimmen und es werden Differenzen aufgezeigt. Darauf aufbauend wird dann versucht, Möglich­keiten aufzuzeigen um Intergruppenkonflikte zu überwinden. Im letzten Teil soll dies dann Ansatzweise auf den „Palästinenserkonflikt“ übertragen, kritisch dazu Stellung genommen und ein kurzer Ausblick gegeben werden.

2. Einige verbreitete Theorien zur Erklärung von Intergruppenkonflikten

2.1 Was ist Intergruppenverhalten?

Bevor jedoch die wichtigsten Theorien erläutert werden können, ist es unbedingt not­wendig zu klären, was unter Intergruppenverhalten zu verstehen ist. Dieser Terminus bezeichnet das Verhalten von Mitgliedern einer Gruppe gegenüber einer Anderen. Wichtig dabei anzumerken ist jedoch, dass das Verhalten jedes einzelnen einer Gruppe durch die Mitgliedschaft in eben dieser Gruppe determiniert wird. Dabei kommt es unmittelbar zu Reaktionen wie Diskriminierung, Vorurteilen, Aggression, aber auch Kooperation und Verbundenheit gegenüber Dritten.

2.2 Intergruppenverhalten und Vorurteile

2.2.1 Vorurteile als Persönlichkeitsmerkmal

Adorno, Frenkel-Brunswick, Levinson und Sandford (1950) gehen davon aus, dass Vorurteile, abwertende Einstellungen gegenüber anderen sozialen Gruppen wie etwa Moslems, Frauen o.ä., durch einen überdisziplinierenden Art der Erziehung der Eltern verursacht werden. Die Eltern als Hauptagenten des Sozialisierungsprozesses verfehlen mit ihrer Erziehung eine ihrer Hauptaufgaben: Das Kind, in ausgleichender Weise, bei der Selbstentfaltung aber auch bei der Eingrenzung der eigenen Triebbedürfnisse zu führen, damit diese zu sozialen Normen gelangen. Auf Grund des äußerst autoritären Erziehungsstils entwickelt das Kind Aggressionen gegenüber den Eltern, verlagert diese jedoch aus Angst, vor direkten Konflikten auf andere Personen, die für minderwertig oder schwächer gehalten werden. Nach Adorno et al. besitzen solche autoritären Persönlichkeiten einen starken Hang sowohl zum Autoritarismus als auch zu Vorurteilen.

2.2.2 Frustrations-Aggressions-Hypothese

Die These von Dollard, Doob, Miller, Mowrer und Sears (1939) vertritt die Annahme, dass Aggression immer eine direkte Folge von Frustration darstellt. Liegt jedoch der Auslöser für Frustration außerhalb der eigenen Reichweite, wird die Aggression auf ein leichter zugängliches für schwächer erachtetes Ziel, den „Sündenbock“, gerichtet.

2.2.3 Interpersonales vs. Gruppenverhalten

Einer der wichtigsten Kritikpunkte der oben genannten Theorien ist die Annahme, dass sich das Verhalten eines Individuums in einer Gruppensituationen nicht von dem Verhalten in interpersonalen Situationen unterscheidet. Die psychologischen Determinanten für Verhalten, im ersten Falle die autoritäre Persönlichkeit, im zweiten das Frustrationsniveau, bleiben erhalten, unabhängig von der Situation. Diese Ansätze können jedoch nicht die Uniformität von Einstellungen verschiedener Indivi­duen gegenüber Anderen und ebenso wenig die Vorhersagbarkeit von Verhalten für eine große Gruppe erklären.

Als Folge davon stellte Tajfel (1978) fest, dass es notwendig ist zwischen inter-personalem und Intergruppenverhalten zu unterscheiden. Interpersonales Verhalten wird hier als Handeln eines speziellen Individuums mit bestimmten Charakter­eigenschaften in einer bestimmten persönlichen Beziehung zu Anderen verstanden. Dem gegenüber stellt sich Intergruppenverhalten als Handeln aus einer Gruppe heraus dar. Hier steht eindeutig die soziale Kategorie, der man angehört, im Vorder­grund und bestimmt das Verhalten.

2.3 Gruppeninteresse und –ziele als Ursprung von Intergruppenverhalten

Objektive Interessen und Ziele einer Bestimmten Gruppe legen nach Sherif (1966) die Einstellung der einzelnen Gruppenmitglieder gegenüber Fremdgruppen fest. Hierbei ist die Ausrichtung der Interessen einzelner Gruppen in bestimmten Situatio­nen, Wettbewerb vs. Kooperation, entscheidend. Korrelieren die Ziele miteinander wird die Abgrenzung gegenüber der anderen Gruppe nicht besonders stark ausfallen bzw. kommt es zu einer kooperativen und freundlichen Einstellung. Divergieren jedoch die Interessen bzw. schließen sich die Ziele der konkurrierenden Gruppen gegenseitig aus, kommt es zu einer Wettbewerbsorientierung, häufig zu Vorurteilen und zu feindseligem Verhalten bis hin zur offenen Aggression. Erreicht die Eigen­gruppe ihre Ziele, auch unabhängig von Anderen wird der Erfolg der eigenen Gruppe besonders hoch eingeschätzt, was zur Förderung der Kohäsion und die Gruppen­moral beiträgt (Brown, 2001: 446-450).

2.4 Gruppenmitgliedschaft als Ursprung für Diskriminierung Anderer

Rabbie und Horwitz (1969) stellten fest, dass es auf Grund von gemeinsamen Erfah­rungen, also Deprivation oder Belohnung, in Gruppen durch Realisation einer „Schicksalsgemeinschaft“ zu gruppenbezogenen Wahrnehmungen kommt. Tajfel, Flament, Billig und Bundy (1971) konnten in einer Studie mit Schuljungen aber beweisen, „dass die bloße Kategorisierung ausreichte um Intergruppendiskriminie­rung auszulösen“ (Brown, 2002: 446-450). Anhand des Paradigmas der minimalen Gruppen konnte nachgewiesen werden, dass trotz Fehlen gemeinsamer Erfahrungen und Kenntnisse über die Eigengruppe und ihre Mitglieder bzw. über die Fremdgruppe dazu geneigt wird, die eigene Gruppe in Relation zur Fremdgruppe zu bevorteilen, auch wenn dies absolut gesehen ein suboptimales Ergebnis für die Eigengruppe zur Folge hat. Kritik ist an diesem Ansatz in soweit zu üben als, dass hier vielleicht nicht von Diskriminierung sondern eher von Fairness gesprochen werden sollte, weil die Diskriminierung äußerst gering ausfällt und versucht wird möglichst fair zu entschei­den. Darüber hinaus sind die Ergebnisse nicht auf die Zuweisung von Strafe und aversiven Reizen übertragbar, da in Studien nachgewiesen werden konnte (Mummendey et al., 1992), dass andere Strategien bevorzugt wurden, etwa die Minimierung des Gesamtbetrags der Strafe oder eine Strategie der gleichen Zutei­lung. Zur Erklärung dieser Diskriminierung gibt es drei unterschiedliche Auffas­sungen.

Nach Tajfel et al. (1971) sind die Gründe in gesellschaftlichen Normen zu suchen. In vielen Kulturen ist „gewinnen“ äußerst positiv bewertet. Man geht nun davon aus, dass die Realisation der Mitgliedschaft in einer Gruppe das Wettbewerbsdenken induziert und somit zu einer Diskriminierung führt. Gegenläufig zu diesem Effekt wirken jedoch andere gesellschaftliche Normen etwa die der Fairness oder der Gerechtigkeit, die ebenso in den meisten Kulturen verankert sind. Dies hat zur Folge, dass die Diskriminierung relativ gering ausfällt bzw. gar nicht zum tragen kommt.

Ein zweiter Erklärungsversuch sucht die Ursache für diskriminierendes Verhalten des Paradigmas der minimalen Gruppen im Eigeninteresse der Menschen (Rabbie, Schot & Visser, 1989), trotz des Versuchs Eigeninteresse als Antrieb für Verhalten in den Untersuchungen zu vermeiden. Dieses Erklärungsmodell zielt auf eine Art impliziten Vertrags ab, in dem jeder Einzelne bei seinen Handlungen davon ausgeht, dass alle in der Eigengruppe die Mitglieder der eigenen Gruppe bevorzugen und somit auf Wechselseitigkeit abstellen. Aber auch diese Erklärung kann nach Bourhis, Turner & Gagnon (1997) das Paradigma nicht vollständig erklären, da in Experimenten die Wahrnehmung von wechselseitiger Reziprozität keine nennenswerte Veränderung des Verhaltens bewirkte.

Der dritte und letzte Erklärungsversuch geht vom kognitiven Prozess der kategorialen Differenzierung (Doise 1976) aus. Hierbei wird durch Kategorisierungsprozesse ver­sucht die Unterscheidung der Eigengruppe von anderen deutlicher hervorzuheben und die Differenzen in der eigenen Gruppe zu verwischen. Diese Kategorisierungs­prozesse beeinflussen aber auch die wahrgenommene Intergruppenhomogenität (Devos, Cornby & Deschamps, 1996; Quattrone & Jones, 1980), wobei meist die Eigengruppe als heterogener erkannt wird, demgegenüber die Fremdgruppe als relativ homogen stereotypisiert wird.

Erklärungsgründe hierfür suchen Linville, Fischer und Salovey (1989) in den unter-schiedlichen Vertrautheitsgraden zu anderen Mitgliedern der Gruppe wohingegen Park, Judd und Ryan (1991) die These vertreten, dass die Eigengruppe „wichtiger ist (...), konkreter ist (...) und sie aus einer größeren Anzahl bedeutsamer Untergruppen besteht“(Brown, 2001: 557). Umgekehrt wird die eigene Gruppe als homogener eingestuft, wenn die Eigengruppe viel kleiner ist als die Fremdgruppe oder wenn das Urteil eine entscheidende Bedeutung für die Gruppe besitzt. Diese Theorie zeigt zwar eindeutig auf, dass die Gruppen in kognitiven Prozessen besser kategorisierbar gemacht werden, aber sie liefert keine Anhaltspunkte, warum die Eigengruppe immer positiver bewertet und wahrgenommen wird. Deswegen ist es unbedingt notwendig die Theorie der Sozialen Identität einzuführen.

2.5 Theorie der sozialen Identität

2.5.1 Eigenschaften der sozialen Identität

Die Herstellung einer „positiven Distinktheit“(Tajfel, 1978: 83) der Eigengruppe ist eine unmittelbare Folge des Bedürfnisses nach einem positiven Selbstkonzept. Man geht davon aus, dass sich jedes Individuum zum Teil durch die Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe, z.B. die Studenten, die Männer oder die Sportfans selbst definiert. Da der Mensch nach Tajfel & Turner (1986) dazu neigt von sich selbst ein positives Selbstkonzept zu zeichnen, wird er auch dazu neigen die Eigengruppe im Verhältnis zu anderen Gruppen differenzierter und besser zu bewerten, um sie positiv hervor­zuheben und somit das Selbstwertgefühl zu steigern (Brown, 2001, 557). Es finden also identitäts-differenzierende Prozesse statt. Bezogen auf das Paradigma der minimalen Gruppen initiiert die Realisation der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, unab­hängig von der Anzahl und des relativen Gewichts der Unterscheidungsmerkmale dieser Gruppe, ein Bedürfnis zur „Herstellung einer positiven Distinktheit“ zum Zweck eines positiven Selbstwertgefühls, das natürlich einem negativeren vorgezogen wird. Man beachte dabei den „unmittelbaren Kausalzusammenhang von Selbstwertgefühl und Intergruppendiskriminierung“(Brown, 2001: 561).

2.5.2 Folgen für das Intergruppenverhalten

Von besonderer Bedeutung für diese Theorie ist die Tatsache, dass die Korrelation von Gruppenidentifikation und Eigengruppenverzerrung, eine verstärkt positive Wahrnehmung der Eigengruppe in Relation zu Anderen, recht instabil ist und von zwei Faktoren abhängt. Diese Einflussgrößen sind zum einen das Bewusstsein für Individualismus oder Kollektivismus innerhalb der Gruppe, zum anderen eine „relatio­nale Orientierung“ (Brown, 2001: 563ff) zu anderen Gruppen.

2.5.3 Verhaltensweisen in Gruppen mit niedrigem Status

Unterstellt man einen direkten Zusammenhang zwischen Selbstwertgefühl einerseits und Gruppenidentifikation, andererseits ergeben sich für Mitglieder sozial schlecht gestellter Gruppen z.B. Arbeitslose im Allgemeinen oder etwa Araber in Israel Kon­sequenzen in ihren Handlungsalternativen, um zu einer positiven Selbsteinschätzung zu gelangen. Die Reaktionen auf einen untergeordneten Status hängen jedoch von der Durchlässigkeit der Gruppengrenzen ab. Sollten diese Mobilität, sei sie auch relativ gering, ermöglichen, ist oftmals bei zu meist qualifizierteren Individuen niedri­gerer sozialer Gruppen eine individualistische Strategie zu beobachten. Es erfolgt eine Disidentifikation mit der Eigengruppe, um sich in eine besser gestellte soziale Gruppe zu integrieren (Brown, 2001: 566).

Sollten jedoch starre Gruppengrenzen, z.B. verschiedene Ethnien oder Religionen, vorherrschen, treten eindeutig drei verschiedene kollektivistische Strategien in den Vordergrund (Brown, 2001: 567).

Die erste Möglichkeit stellt eine Reduktion auf Vergleiche mit anderen untergeord­neten Gruppen dar. Unerreichbar höhere soziale Gruppen werden aus dem Inter­gruppenvergleich ausgeschlossen, somit fallen die Differenzen zwischen der Eigen- und den Fremdgruppen nicht so deutlich aus, was wiederum zu einer Erhöhung des Selbstwertgefühls beiträgt.

Als zweite Strategie ist die Änderung der Vergleichsdimension zu nennen. Hier werden neue Kategorien bzw. neue Merkmale, z.B. Kunst, gesellschaftliche Normen entwickelt, um den Stellenwert besser positionierte Fremdgruppen zu mindern und den der eigenen sozialen Identität anzuheben.

Als drittes und letztes ist in dieser Folge die radikalste der drei Strategie darzulegen, bei der es zur direkten Konfrontation mit der dominanten Fremdgruppe kommt. Jedoch konnte gezeigt werden, dass es nur bei flexiblen oder willkürlichen Hierarchiesystemen (Brown & Ross,1982; Caddick, 1982; Ellemers, Wilke & Van Knippenberg, 1993) und bei vollkommen geschlossenen Gruppengrenzen (Wright, Taylor & Moghadam, 1990) zu Aggressionen gegenüber sozial besser gestellten Fremdgruppen kommt. Dies kann von sozialen Unruhen bis zum Umsturz des beste­henden sozialen Systems alle erdenklichen Folgen nach sich ziehen.

In ähnlicher Weise wird argumentiert, wenn die „relative Deprivation“ (Runciman, 1966; Davies, 1969; Gurr, 1970; Walker & Pettigrew, 1984; u.a.), die Feststellung eines Mangels an etwas, von dem man überzeugt ist, dass es einem zusteht, als Ursprung für soziale Unruhen gesehen wird. Interessant ist die Tatsache, dass sich „relative Intergruppendeprivation“, die im Gegensatz zu interpersonaler Deprivation zu „kollektiver Unzufriedenheit mit dem Status quo“ (Brown, 2001: 569) führt, sowohl auf sozial schwache als auch auf dominierende Gruppen auswirken kann, und somit zu Intergruppendiskriminierung, Eigengruppenverzerrung und Aggression auf beiden Seiten führt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Intergruppenkonflikte und Lösungen - der "One Of Us Effect"
Hochschule
Universität Bayreuth  (Psychologie)
Veranstaltung
Entscheiden in komplexen Situationen
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V29613
ISBN (eBook)
9783638310826
ISBN (Buch)
9783640385348
Dateigröße
676 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand, entspricht bei normaler Formatierung etwa 35 Seiten.
Schlagworte
Intergruppenkonflikte, Lösungen, Effect, Entscheiden, Situationen
Arbeit zitieren
Timur Karabiber (Autor:in), 2003, Intergruppenkonflikte und Lösungen - der "One Of Us Effect", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29613

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