Einfluss der Peergroup auf schulische Bildungsbiografien. Zum Projekt "Peergroup und schulische Selektion“ von Krüger et al.


Hausarbeit, 2014

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Theoretische Annäherung
1.1 Peergroup
1.2 Peer-Beziehung
1.3 Peer-Orientierung

2. Analytische Auseinandersetzung: Projekt „Peergroups und schulische Selektion“
2.1 Theoretische Ansätze
2.2 Ziele
2.3 Methodische Ansätze
2.4 Die acht Fallporträts: Beispiel Tim Hoogland
2.4.1 Individuelle Orientierungen
2.4.2 Kollektive Orientierungen
2.4.3 Passungsverhältnis individueller und kollektiver Orientierungen
2.5 Fünf Muster zum Stellenwert der Peerorientierungen für die schulische Bildungsbiografie

3. Implikationen für die Unterrichtspraxis -Diskussion-

Fazit

Quellenverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Ausarbeitung setzt sich näher mit dem Thema „Einfluss der Peergroup auf schulische Bildungsbiografien“ auseinander. Die Grundlage stellt das auf sechs Jahre angelegte Projekt „Peergroup und schulische Selektion“ von Krüger et al. dar. Die Ausarbeitung beginnt mit einer theoretischen Annäherung, in der die Begriffe Peergroup, Peer-Beziehung und Peer-Orientierung geklärt werden. Anschließend wird das Projekt näher vorgestellt. Es wird dabei auf die theoretischen und methodischen Ansätze sowie auf die Ziele Bezug genommen. Daran anknüpfend wird auf das Fallporträt „Tim Hoogland“ eingegangen, das eines von vielen herausgearbeiteten Fallporträts darstellt. Anhand dieser wurden Aussagen über den Stellenwert von schulischen und außerschulischen Peereinbindungen und - aktivitäten für schulisch erfolgreiche beziehungsweise schulisch weniger erfolgreiche Bildungsbiografien herausgearbeitet und in allgemeinen Mustern festgehalten, die ebenfalls erläutert werden. Vor der abschließenden Diskussion über mögliche Implikationen für die Unterrichtspraxis werden die Muster der ersten Erhebungsphase den Mustern der zweiten Phase gegenübergestellt und so die Veränderungen der Einflüsse von Peergroups verdeutlicht.

1. Theoretische Annäherung

1.1 Peergroup

Für die Bearbeitung der Fragestellung des Vortrages sollte vorab geklärt werden, was unter den verschiedenen Fachbegriffen verstanden wird. Hierfür werden unterschiedliche Definitionen herangezogen, um einen besseren Überblick zu erhalten. Der Begriff ‚Peers‘ oder ‚Peergroup‘ ist von besonderem Stellenwert und wird aus diesem Grund als erstes definiert. Siegler et al. (2005) schreiben, dass Peers in der Psychologie als Individuen des gleichen Alters beschrieben werden. Sollten Altersschwankungen gegeben sein, sind diese in der Regel geringer, als es beispielsweise bei Geschwistern möglich ist. Im Gegensatz zu der Beziehung von Kindern und Erwachsenen sind die Mitglieder einer Peergroup in Bezug auf den sozialen Status oder das Machtgefüge relativ gleichberechtigt. (vgl. Siegler et al. 2005, S. 704). Wortetymologisch stammt der Begriff ‚Peergroup‘ aus dem englischen Sprachraum und stellt eine Bezeichnung für eine Gruppe von ‚Gleichen‘ dar. Im deutschsprachigen Raum hat sich, so Tenorth und Tippelt (2007), der Begriff der Gleichaltrigengruppe durchgesetzt. Ecarius et al. (2012) hingegen kritisieren, dass in jugendsoziologischen, sozialisationstheoretischen wie auch in entwicklungspsychologischen Auseinandersetzungen mit Jugendlichen in sozialen Arrangements häufig wenig trennscharfe Begrifflichkeiten gewählt werden. Die Autorin bemängelt, dass „die Rede von Peergroups oder Peers, von Cliquen, von Gleichaltrigen, von formellen oder informellen Jugendgruppen, von Jugend-, Teil- und Subkulturen oder auch Szenen [ist]“ (Ecarius et al. 2012, S. 161f.). Die Peergroup entsteht meist im schulischen beziehungsweise außerschulischen Kontext als informelle Gruppe und weist einen hohen Grad an gemeinsam geteilten Werten und Verhaltensweisen auf. Neben den Sozialisationsinstanzen ‚Familie‘, ‚Schule‘, ‚Verein‘ und ‚Medienwelt‘ hat die Peergroup bereits einen hohen Stellenwert in der Kindheit der Individuen, avanciert jedoch noch mehr in der Jugendphase zum zentralen Ort der jugendlichen Lebenswelt. Die Literatur setzt sich auch den positiven und negativen Einflüssen durch die Peergroup auseinander. Positive Aspekte durch eine Gleichaltrigengruppe sind beispielsweise entwicklungsfördernde Leistungen: So ermöglicht die Peergroup den Aufbau einer eigenen Identität und stärkt diesen. Sie fördert den Kompetenzerwerb und das Selbstbewusstsein. Darüber hinaus ermöglicht die Peergroup Paarbeziehungen. Jordan und Schlüter (2010) schreiben weiterhin, dass im Hinblick auf die sinkende Geschwisterzahl die Gleichaltrigengruppe eine zunehmende Bedeutung im Leben eines Kindes erhalten hat. Weiterhin weisen die Autoren der Peergroup eine bedeutsame sozialisationstheoretische Funktion zu: Sie habe die Aufgabe, den familiär eingeleiteten Sozialisationsprozess fortzusetzen und soll dazu beitragen, dass eine Ablösung vor allem junger Erwachsener von den familiären Abhängigkeitsverhältnissen stattfindet. Hinzu kommen Aspekte, die bereits genannt wurden: Die Peergroup trägt zur Stabilisierung der Identität bei und zudem können Jugendliche in ihr Anerkennung und Sicherheit erfahren. Ebenso hat die Gruppenunterstützung außerhalb des familiären und schulischen Alltags einen zentralen Stellenwert. (vgl. Tenorth/Tippelt 2007, S. 552; Jordan/Schlüter 2010, S. 230 f.). Jedoch sind laut Tenorth und Tippelt (2007) auch negative Einflüsse mit der Gleichaltrigengruppe zu verzeichnen. Diese können beispielsweise kriminelles und gewaltbereites Verhalten, Kontakte zur Drogenszene oder auch zu Sekten sein. Hinzu kommen die Aspekte des Gruppendrucks oder des Uniformismus. Dieser äußert sich möglicherweise in der Wahl der Kleidung, des Haarschnitts, des Musikstils oder in gruppenspezifischen Ritualen. Dabei sei jedoch, so Jordan und Schlüter (2012), die Zugehörigkeit zu einer Gruppe nicht verbindlich, sodass Kinder auch mehreren Gruppen angehören können. Wie in der Sozialisationsinstanz Familie gibt es auch in der Peergroup einen Korpus an Regeln, welche jedes Individuum erwerben und mit weiteren Gruppenangehörigen abgestimmt werden muss. (vgl. Tenorth/Tippelt 2007, S. 552; Jordan/Schlüter 2010, S. 230 f.). Ecarius et al. (2012) verweisen auf Hurrelmann, welcher als einer der Wenigen Beziehungen von Gleichaltrigen ebenfalls kritisch betrachtet. Dieser führt an, dass „bis zu 10% aller Jugendlichen Opfer von Aggression und Stigmatisierung in ihrer Gruppe“ (Hurrelmann 2007, S. 128 zitiert nach: Ecarius et al. 2012, S. 162) sind. Auch Fend (2007) und Harring (2008) weisen auf mögliche Gefahrenquellen durch das Arrangement von Peergroups hin, welche einen nachhaltig negativen Einfluss auf die Bildung einer Identität der Jugendlichen nehmen können und dadurch den Kompetenzerwerb erschweren sowie abweichende Verhaltensformen befördern können. (vgl. Ecarius et al. (2012), S. 163f.). Zusammenfassend merken die Autoren an, dass Erfahrungen mit Gleichaltrigen sowohl positiv als auch negativ erlebt werden können und dass es Jugendliche gibt, welche gar nicht Bezug auf Peergroups nehmen.

1.2 Peer-Beziehung

Ein weiterer Begriff dessen Bedeutung darzulegen ist, ist der der Peer-Beziehung. Theoretiker wie Sullivan, Piaget oder Wygotski arbeiteten heraus, dass die Beziehungen zwischen Peers einen „einzigartigen Kontext“ (Siegler et al. 2005, S. 705) für die kognitive, emotionale und auch soziale Entwicklung darstellen. Die Theoretiker sind der Ansicht, dass sich nicht nur die Denkfähigkeit sondern auch die Berücksichtigung der Belange anderer in Folge der Gleichberechtigung, Kooperation und Vertrautheit wie auch der Gegenseitigkeit in Peer- Beziehungen deutlich erhöhen. (vgl. ebd.). Durch Äußerungen über das Verhältnis von Freundschaften wurde herausgestellt, dass Kindern eine Vielzahl an potenziellen Vorteilen zur Verfügung steht, wenn sie Freunde haben. Wie bereits angedeutet ist die emotionale Unterstützung innerhalb der Peer-Beziehung laut Piaget und weiteren Theoretikern von besonderer Bedeutung. Hinzu kommen Aspekte wie die Bestätigung eigener Gedanken, eigener Gefühle sowie des eigenen Wertes. Auch die Bereitstellung von Rahmenbedingungen für die Entwicklung sozialer und kognitiver Fähigkeiten ist von besonderem Interesse in Peer- Beziehungen. (vgl. ebd., S. 712). Tenorth und Tippelt (2007) schreiben zudem, dass Peer- Beziehungen maßgeblich für die Entwicklung des Selbstkonzepts wie auch des Selbstwertgefühls seien. (vgl. Tenorth/Tippelt 2007, S. 552).

1.3 Peer-Orientierung

Auch der Begriff der Peer-Orientierung soll kurz erläutert werden. Tenorth und Tippelt (2007) führen an, dass das Sich-Orientieren an der Peergroup ein typisches Merkmal für das Jugendalter darstellt und an Prozesse der Identitätsentwicklung, der Selbstfindung sowie Auseinandersetzung mit Altersgleichen anstößt. Der bereits erwähnte Uniformismus findet hier ebenso Erwähnung beispielsweise bei der Wahl der Sprache, bestimmten Einstellungen oder auch bei jugendspezifischem Verhalten. (vgl. ebd.).

2. Analytische Auseinandersetzung: Das Projekt „Peergroups und schulische Selektion“

Das Projekt mit dem Titel ‚Peergroups und schulische Selektion‘ stellt eine auf sechs Jahre ausgelegte qualitative Längsschnittstudie dar, welche seit Juni 2005 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und am Zentrum für Schul- und Bildungsforschung (ZSB) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt wird. Untersucht wird der Einfluss schulischer wie auch außerschulischer Peereinbindungen für eine erfolgreiche beziehungsweise weniger erfolgreiche Bildungsbiografie im Längsschnitt. Insgesamt gab es zwei Untersuchungswellen. Beim ersten Erhebungszeitpunkt wurden Schülerinnen und Schüler im Alter von etwa elf Jahren der fünften Klasse und zum zweiten Erhebungszeitpunkt Schülerinnen und Schüler von circa dreizehn Jahren der siebten Klasse wie auch deren Freundschaftsgruppen untersucht. Dabei sind die schulischen und außerschulischen Freundschaftsgruppen der untersuchten Heranwachsenden von zentralem Interesse. (vgl. Krüger/Deppe o.A., S. 224).

2.1 Theoretische Ansätze

Das oben genannte Projekt knüpft an biografietheoretische und milieutheoretische Diskurslinien an und versucht eine Akteurs- und Strukturperspektive zu verknüpfen, indem sowohl die individuelle Orientierung der Kinder als auch die kollektiven Orientierungen ihrer Peergroups vor dem milieuspezifischen Hintergrund und ihrer Erfahrungsräume in den Blick rücken. Kinder und Jugendliche werden als aktive Gestalter ihrer Umwelt angesehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass sie gesellschaftliche Erwartungen nicht nur übernehmen sondern kritisch hinterfragen, produktiv gestalten und somit Ko-Konstrukteure ihrer Bildungsbiografien sind. (vgl. Krüger/Pfaff 2008, S. 14). Es wird Bezug genommen auf das wissenssoziologische Milieukonzept von Ralf Bohnsack, welcher „im Gegensatz zu Pierre Bourdieu (1982) die Genese eines individuellen und kollektiven Habitus nicht durch Kapitalkonfigurationen erklärt, sondern in der je unterschiedlichen milieuspezifischen Erlebnisaufschichtung aufdecken und insbesondere im Kontext sozialisatorischer Interaktionen herausarbeiten will“ (Krüger/Pfaff 2008, S. 14). Das meint, dass sich sowohl die individuelle als auch kollektive Orientierung nicht ausschließlich aus den Kapitalkonfigurationen ergibt, sondern auch aus dem Milieu, aus welchem ein Individuum stammt, und aus der Interaktion des Individuums mit der Umwelt. Es liegt für die Untersuchung der Peerbeziehungen und -aktivitäten für die schulische Bildungsbiografie von Kindern die Annahme zugrunde, „dass sich die individuelle Bildungsaspiration und schulische Leistungsorientierung Einzelner vor dem Hintergrund lebensweltlicher Zusammenhänge entfaltet, die in den sozialräumlichen, familialen und peerbezogenen Milieus bestehen, in denen Kinder aufwachsen“ (ebd., S. 16). Dies bedeutet, dass sich die Bildungsteilhabe und Leistungsorientierung Einzelner vor dem Hintergrund lebensweltlicher Erfahrungsräume sowie der Interaktion mit Familie, Peerwelt und sozialem Status entwickelt. Milieus werden hier als konjunktive Erfahrungsräume verstanden, welche dadurch charakterisiert sind, dass ihre Angehörigen beziehungsweise ihre Träger durch Gemeinsamkeiten des biografischen Erlebens, des Schicksals oder Gemeinsamkeiten der Sozialisationsgeschichte miteinander verbunden sind. (vgl. ebd., S. 16). Die Jugendlichen erleben im Laufe ihrer Sozialisationsgeschichte habituelle Orientierungen, welche laut Bohnsack nicht als ausschließlich dauerhafte Dispositionen angesehen werden, sondern „vor dem Hintergrund biografischer Entwicklung und ihrer Einbettung in soziale Milieus und Interaktionskontexte sich im Wandel befinden können“ (Krüger/Deppe o.A., S. 227). Um eben diese Wandlungsprozesse festhalten zu können, ist das vorliegende Projekt als personenbezogene Längsschnittstudie angelegt. Diese Form ist bisher einzigartig und zielt auf Wandlungen im Bereich der bildungsbezogenen Orientierungen des Individuums und/oder seiner Gruppe ab. (vgl. ebd.).

Darüber hinaus wurde in der vorliegenden Studie auch Bezug genommen auf die strukturellen Rahmenbedingungen und auf die Erfahrungsräume der Kinder in ihrer Familie, Schul- und Peerwelt. Dies geschah mit Blick auf den sozialen Herkunfts- und Schulleistungsstatus der Kinder sowie der Freundschaftsgruppen dieser. In den wenigen Studien, welche die Wechselbeziehung von Schulformzugehörigkeit und der sozialen Herkunft der Heranwachsenden untersuchen, dominiert die ‚Homologiethese‘, welche aussagt, dass Aktivitäten in den Peergroups den schulischen Leistungsstatus in positiver beziehungsweise negativer Weise fortschreiben. (vgl. Krüger/Pfaff 2008, S.14).

2.2 Ziele

Als qualitative Längsschnittstudie soll der sich verändernde Stellenwert schulischer und außerschulischer Peereinbindungen und -aktivitäten für schulisch erfolgreiche beziehungsweise schulisch weniger erfolgreiche Bildungsbiografien im Verlauf der Sekundarstufe I untersucht werden. Es soll darüber hinaus thematisiert werden, ob und in welcher Form Prozesse schulischer Leistungszuweisung und Selektion in den sozialen Arenen der schulischen und außerschulischen Gleichaltrigengruppen thematisiert werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Einfluss der Peergroup auf schulische Bildungsbiografien. Zum Projekt "Peergroup und schulische Selektion“ von Krüger et al.
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta  (ISBS – Institut für soziale Arbeit, Bildungs- und Sportwissenschaften)
Veranstaltung
BWM-2: Erziehungs- und Bildungsprozesse in Schule
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V296081
ISBN (eBook)
9783656942238
ISBN (Buch)
9783656942245
Dateigröße
774 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einfluss, peergroup, bildungsbiografien, projekt, selektion, krüger
Arbeit zitieren
Laura Endrizzi (Autor:in), 2014, Einfluss der Peergroup auf schulische Bildungsbiografien. Zum Projekt "Peergroup und schulische Selektion“ von Krüger et al., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/296081

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