Die Einigungskriege und die Gründung des deutschen Kaiserreichs

Ein Mythos und sein identitätsstiftender Beitrag


Seminararbeit, 2011

15 Seiten, Note: 1,7

Dennis Schmidt (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Von den Einigungskriegen bis zur Reichsgründung
1. Ausgangslage im deutschen Bund und deutscher Dualismus
2. Der deutsch-dänische Krieg 1864
3. Der deutsch-deutsche Krieg 1866
4. Der deutsch-französische Krieg 1870/71

III. Mythengehalt der Einigungskriege und der Reichsgründung
1. Der Mythos der aus dem Krieg entstandenen Nation
2. Der französische Erbfeind als gemeinschaftsstiftender Mythos
3. Wiederaufgreifen des Barbarossa-Mythos
4. Zusammenfassung

IV. Fazit

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Nationen […] sind große, mächtige Lebensgemeinschaften, die geschichtlich in langer Entwicklung entstanden und in unausgesetzter Bewegung und Veränderung begriffen sind […] Gemeinsamer Wohnsitz, gemeinsame Abstammung […] gemeinsame oder ähnliche Blutmischung, gemeinsame Sprache, gemeinsames geistiges Leben, gemeinsamer Staatsverband […] alles das können wichtige und wesentliche Merkmale einer Nation sein.1

So stellt sich ein Auszug der Definition des Begriffs „Nation“ durch den deutschen Historiker Friedrich Meinecke am Anfang des 20. Jahrhunderts dar. Doch wie ist die deutsche Nation entstanden? Meinecke war Zeitgenosse im ersten deutschen Nationalstaat der langen deutschen Geschichte – dem Kaiserreich, welches in Folge der - im Nachhinein aus kleindeutscher Sicht als Einigungskriege betitelten - nationalen und internationalen militärischen Auseinandersetzungen deutscher Staaten begründet wurde. Warum kam es überhaupt zu den so genannten Einigungskriegen? Und wie verhält es sich mit dem (kriegerischen) Mythos dieser deutschen Vereinigung? Inwieweit kann man sagen, dass diese Einigungskriege und der Reichsgründung ein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl ausgelöst und bestärkt haben? Und inwiefern wurde mit Hilfe dieses Mythos eine deutsche Identität geschaffen? Die Mythosfrage ist insofern interessant, da unter Historikern immer wieder festgestellt wird, dass Deutschland ein Mythendefizit besitzt. All diese Fragen werden Leitfragen für die folgende wissenschaftliche Arbeit sein. Zuerst werden kurz die historischen Ereignisse, die zur Reichsgründung führten, dargelegt. Dann wird der Fokus auf die Mythenhaftigkeit dieser historischen Ereignisse gerichtet, indem sowohl der der kriegerischen Einigung entsprungene Mythos, als auch bereits vorhandene Mythen, die im Zusammenhang mit der Reichsgründung wieder aufgegriffen wurden, untersucht werden. Ein Fazit, das sich auf die erarbeiteten Resultate bezieht und diese kurz zusammenfasst, schließt die Arbeit ab.

II. Von den Einigungskriegen bis zur Reichsgründung

1. Ausgangslage im deutschen Bund und deutscher Dualismus

Seit der Gründung des Deutschen Bundes während des Wiener Kongresses 1815 nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon stand im Deutschen Bund das Problem des deutschen Dualismus im Raum. Besonders nach der gescheiterten Revolution 1848/49 wurde die Forderung nach einer nationalen Einigung und somit dieser Konflikt weiter vorangetrieben: das Königreich Preußen wollte seine Hegemonialstellung im Deutschen Bund untermauern, indem es mittelfristig eine kleindeutsche Lösung anstrebte, welche unter anderem die zweite Großmacht im Deutschen Bund – nämlich Österreich – ausschließen sollte, während Österreich natürlich für die großdeutsche Lösung plädierte (Einschluss möglichst aller in Mitteleuropa lebenden Deutschen).2

Als der preußische König Wilhelm I. im Jahr 1860 eine Heeresreform im Bundestag durchsetzten wollte, was sich bis ins Jahr 1862 zu einem Verfassungskonflikt ausweitete und der König damit kurz vor der Abdankung stand, ernannte er sozusagen als Retter Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten. Eines seiner größten Ziele war es, Preußens Hegemonialstellung auszuweiten, wenn nötig auch mit militärischen Mitteln und gegen den Kaiserstaat Österreich gerichtet.3

2. Der deutsch-dänische Krieg 1864

Nachdem die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein seit dem Ende der Revolution 1848/49 wieder unter dänischer Verantwortung gestellt worden waren, bestanden die nationalen Probleme in den beiden Gebieten jedoch weiter. Holstein war zwar im Deutschen Bund inkludiert und hatte eine rein deutsche Bevölkerung, während Schleswig von der Bevölkerung her überwiegend deutsch mit einer dänischen Minderheit war. Die deutsche Bevölkerung beider Herzogtümer aber strebte eine vollständige Zugehörigkeit zum Deutschen Bund an. Ein Erbrechtsstreit um den zukünftigen Throninhaber Schleswig und Holsteins und eine vom dänischen Königreich versuchte Verfassungsreform, sowie die Forderung nach der vollständigen Abtrennung Schleswig und Holsteins vom Deutschen Bund führten schließlich zum Krieg. Österreich, welches von Bismarck für ein gemeinsames Vorgehen in der Sache gewonnen werden konnte, und Preußen besiegten die dänischen Truppen innerhalb eines halben Jahres und dem dänischen König blieb nichts anderes übrig, als Schleswig und Holstein vollständig von seinem Reich abzutrennen und Österreich und Preußen zu überlassen.4

Nun stellte sich jedoch die Frage, wie man mit den neu gewonnenen Gebieten verfahren sollte. Bis Mitte des darauf folgenden Jahres kamen die Verhandlungen nur schleppend voran und man befand sich einer Art Schwebezustand. Letztlich legte der Gasteiner Vertrag von 1865 fest, dass Schleswig unter preußische und Holstein unter österreichische Verwaltung gestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich zwischen Preußen und Österreich wegen des oben erwähnten Dualismus jedoch schon etliche Unstimmigkeiten ergeben, die zweifelsohne schon länger auf einen Krieg gegeneinander hingedeutet hatten, sodass die Konferenz von Gastein den Ausbruch eines Krieges nur aufschieben konnte.5

3. Der deutsch-deutsche Krieg 1866

Als Bismarck im Frühjahr 1866 endgültig auf den Krieg zutrieb, indem er Österreich beschuldigte, es würde sich in Holstein mit der Demokratie gegen Preußen verbünden, war es nur noch eine Frage der Zeit bis der Krieg ausbrach. Nachdem Österreich in Holstein Mitte 1866 dessen Ständeversammlung einberufen hatte, ergriff Preußen die Gelegenheit, dies als Bruch des Gasteiner Vertrages zu deklarieren und in Holstein einzumarschieren. Österreich legte bei der Bundesversammlung förmlichen Protest ein, woraufhin Preußen während der Abstimmung ankündigte aus dem Bund auszutreten.6

Im Krieg standen sich also Preußen und Österreich mit den größeren Bundesstaaten (Bayern, Württemberg, Baden, Sachsen, Hannover, aber auch einigen kleineren Staaten) gegenüber. Doch Preußen konnte den Krieg mit der finalen Schlacht bei Königgrätz in weniger als sechs Wochen für sich entscheiden, aufgrund strategischer Vorteile und waffentechnischer Innovationen.7

Im Prager Frieden wurde schließlich die Auflösung des Deutschen Bundes, die Gründung des Norddeutschen Bundes, die Souveränität der süddeutschen Staaten und die Unversehrtheit Österreichs geregelt. Preußen jedoch war es gelungen die süddeutschen Staaten mit Hilfe von Schutz - und Trutzbündnissen und einer neuen Zollvereinspolitik von sich abhängig zu machen.8

Diese Regelung brachte gleichzeitig ein Ende des deutschen Dualismus mit sich, dessen Problematik sich – wie schon lange abzusehen war – nur auf einem Wege lösen ließ – wiederum mit Hilfe eines Krieges.

4. Der deutsch-französische Krieg 1870/71

Das preußische Vorhaben, eine kleindeutsche Einheit mit hegemonialer Macht seinerseits zu begründen, wollte Frankreich unbedingt verhindern. Als im Frühjahr 1870 einem Hohenzollern-Prinzen der spanische Thron angeboten wurde, erklärte Frankreich, dass diese Tatsache, sollte es zu einer preußischen Übernahme des spanischen Throns und somit zu einer preußischen Umklammerung von zwei Seiten kommen, ein Kriegsgrund sei. Also entschloss sich Wilhelm I. von Preußen die Kandidatur zurückzuziehen. Doch das war Frankreich nicht genug und es wurde ein Botschafter nach Bad Ems geschickt, wo Wilhelm I. residierte, um eine Garantieerklärung für den Thronverzicht zu erhalten. Dies lehnte der preußische König jedoch ruhig aber bestimmt ab. Die berühmte Emser Depesche, die zum Kriegsanlass gereichen sollte, wurde am nächsten Tag, nachdem sie von Bismarck bearbeitet wurde, veröffentlicht. Deren pikanter Inhalt demütigte den französischen Kaiser dermaßen, dass er innenpolitisch sein Gesicht verlieren würde, würde er diese Frechheit einfach hinnehmen und keinen Krieg erklären. Durch das französische Kriegsziel, die Verhinderung eines kleindeutschen Nationalstaates, waren die süddeutschen Staaten automatisch auf preußischer Seite.9

Der Kriegsverlauf ist schnell erzählt. Entscheidend waren die neue Technik, insbesondere die Eisenbahnen im westlichen Deutschland, sowie die Telegraphen. Zu erwähnen sind die entscheidenden Schlachten bei Metz und Sedan, wo der französische Kaiser gefangen genommen wurde. Die deutschen Armeen besetzten daraufhin Paris. Im Friedensvertrag von Versailles wurde den Deutschen neben fünf Milliarden Goldfrancs Entschädigung außerdem Elsaß und Lothringen zugesprochen.10

Mit diesem Triumph erreichte Preußen schließlich sein Ziel eines kleindeutschen Nationalstaates, indem man im symbolträchtigen Spiegelsaal von Versailles die Kaiserproklamation Wilhelms I. und die Reichsgründung zelebrierte.11

In der deutschen Heimat begegnete man diesen Ereignissen mit „Glockenläuten und Kanonenschüssen, mit Fahnenwehen und Illluminieren“12

An diesem Beispiel lässt sich erkennen, welch nationale Begeisterung in ganz Deutschland zu spüren war. Der Zusammenhang mit dem Mythos der Einigungskriege und die Auswirkungen auf die Bildung einer gemeinsamen Identität werden im Anschluss betrachtet.

III. Mythengehalt der Einigungskriege und der Reichsgründung

1. Der Mythos der aus dem Krieg entstandenen Nation

Die Tatsache, dass die Gründung einer deutschen Einheit Folge eines beziehungsweise mehrerer Kriege war, ließ es erst zu, dass man aus kleindeutscher Sicht, die Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 zu „Einigungskriegen“ umdeuten konnte, hatten doch vor allem im Krieg von 1866 noch Deutsche gegeneinander gekämpft.13

[...]


1 Meinecke, Friedrich: Weltbürgertum und Nationalstaat. Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates. München/Berlin 1915, S. 1 f

2 Cf. Die große Weltgeschichte. Lexikon der Geschichte. A – Ham. Weltbild: Augsburg, o.J., S. 305f.

3 Cf. Lutz, Heinrich, Die Deutschen und ihre Nation. Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815-1866. Siedler: Berlin, 1985, S. 427f, 433-437.

4 Cf. Lutz, Die Deutschen und ihre Nation, S. 447ff.

5 Cf. Lutz, Die Deutschen und ihre Nation, S. 450f.

6 Cf. Lutz, Die Deutschen und ihre Nation, S. 452-457.

7 Cf. Lutz, Die Deutschen und ihre Nation, S. 458-462.

8 Cf. Lutz, Die Deutschen und ihre Nation, S. 469-472.

9 Cf. Stürmer, Michael. Das ruhelose Reich. Deutschland 1866-1918. Siedler: München, 1983, S. 162-165.

10 Cf. Stürmer, Das ruhelose Reich, S. 165-168.

11 Cf. Stürmer, Das ruhelose Reich, S. 168-172.

12 Stürmer, Michael. Regierung und Reichstag im Bismarckstaat 1871 bis 1880. Cäsarismus oder Palamentarismus, Leinen, Düsseldorf, 1974, S.38.

13 Cf. Buschmann, Nikolaus: „’Im Kanonenfeuer müssen die Stämme Deutschlands zusammengeschmolzen werden’. Zur Konstruktion nationaler Einheit in den Kriegen der Reichsgründungsphase“. In: Buschmann, Nikolaus; Langewiesche, Dieter (Hrsg.). Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA. Campus: Frankfurt/New York, 2003. S. 118f.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Einigungskriege und die Gründung des deutschen Kaiserreichs
Untertitel
Ein Mythos und sein identitätsstiftender Beitrag
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
15
Katalognummer
V295917
ISBN (eBook)
9783656939153
ISBN (Buch)
9783656939160
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einigungskriege, gründung, kaiserreichs, mythos, beitrag
Arbeit zitieren
Dennis Schmidt (Autor:in), 2011, Die Einigungskriege und die Gründung des deutschen Kaiserreichs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295917

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