Umweltschutz als Nachweltschutz


Forschungsarbeit, 2015

45 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Umweltschutz als Nachweltschutz

Direktor des FOI (an der DHBW) Prof. Dr. jur. utr. Dr. rer. publ. Siegfried Schwab, Assessor jur. Mag. rer. publ. Kreisverwaltungsdirektor a. D. [Rechts- und Umweltdezernent des Landkreises Karlsruhe, Lehrbeauftragter an der DHV in Speyer und der Universität Mainz [FASK] sowie an der LFS B-W a. D

** unter Mitarbeit von Diplom-Betriebswirtin [DH] Silke Schwab

** und Lehrerin Heike Tippl, geb. Schwab.

Den Fortschritt verdanken die Menschen den Unzufriedenen [Aldous Huxley]

Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an; der Unvernünftige besteht auf den Versuch, die Welt sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt von unvernünftigen Menschen ab. [George Bernhard Shaw *1856 - 1950)

Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird. [Bertolt Brecht]

Das Leben ist bezaubernd, man muss es nur durch die richtige Brille sehen [Alexandre Dumas *1824 – 1895]

Nichts auf der Welt ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. [Victor Hugo]

Nachhaltigkeit1 ist die ethische Einsicht, die täglichen Bedürfnisse nicht zulasten unserer Lebensgrundlagen, der kommenden Generation und sozioökonomischer Regeln2 durchsetzen zu dürfen. Dass wir viel stärker längerfristig und verantwortungsbewusster denken müssen3 /4

Nachhaltigkeit5 als radikale Autonomie des Individuums in den Grenzen der globalisierten Autonomie aller anderen Menschen. Tagesaktuell werden Fragen der Globalisierung, des Klimawandels ebenso wie Fragen um die Zukunft des Sozialstaats6 und der Generationengerechtigkeit7 angesprochen.8 /9 /10

Wirksamer Umweltschutz heißt, so viel regional wie möglich und so viel global wie nötig. Das bedeutet "Pflicht zum Verzicht" oder Abschied vom Überfluss. Stärkung regionaler Produktion und Märkte, weniger Transporte und Status quo für die Infrastrukturen. Eine politisch herausfordernde Entscheidung.

Gedanken zur Nachhaltigkeit11.12

Das Klima13 bzw. die Atmosphäre14 gehören zu den natürlichen Lebensgrundlagen, die Art. 20 a GG15 /16 wegen der vielfältigen grenzüberschreitenden und medienübergreifenden Auswirkungen (auf die Gletscher, die Meere) und in allen Kontinenten hat, dem Staat zu schützen aufgibt.17 Eine isolierte Betrachtung nur nationaler Ökosysteme ist wegen der nicht begrenzbaren und vielfältigen Auswirkungen der Treibhausgase nicht ausreichend.18 Art. 20 a GG19 ist wegen der Schutzwirkung für künftige Generationen auf eine Langzeitbetrachtung der Folgen schädlicher Umwelteinwirkungen ausgerichtet. Die erheblichen belastenden Veränderungen zu begrenzen ist Aufgabe des Vorsorgeprinzips als Kerngehalt des Staatsziels Umweltschutz. ist im Rahmen der Interessenabwägung verpflichtet, die Belange des Umweltschutzes, d. h. dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen angemessen zu berücksichtigen, ohne dass dabei dem Umweltschutz allerdings relative Priorität eingeräumt wird. Das Staatsziel Umweltschutz ist allerdings nicht nur auf einen rechtlichen Mindestschutz ausgerichtet, sondern auf ein möglichst hohes Schutzniveau20 (vgl. auch Art. 130, Abs. 2 EGV). Dafür sind auch geeignete prozedurale Vorkehrungen zu treffen.21 /22 Deshalb sind auch sofort wirksame Maßnahmen zur Begrenzung der Umweltbelastungen, etwa zur Senkung des Ausstoßes an Treibhausgasen23 zu ergreifen.24 Art. 20a GG fordert in erster Linie den Gesetzgeber auf, zum Schutz der Umwelt aktiv zu werden. Da ihm die inhaltliche Gestaltung nicht vorgeschrieben wird, bleibt es ihm überlassen, geeignete Handlungsinstrumente zu entwickeln. Der Staat ist als normativer, planender und vollziehender Pflichtenträger gefordert. Er soll nicht nur Gefahren abwehren, sondern darüber hinaus im Interesse der künftigen Generationen („Nachweltverantwortlichkeit“) durch Vorsorgemaßnahmen vermeiden (Ressourcenschonung: zu beachten sind insoweit das Nachhaltigkeitsprinzip [durch nachwachsende Rohstoffe] und das Sparsamkeitsprinzip [für die nicht erneuerbaren Rohstoffe].25 Das handlungsorientierte Umweltschutzziel fordert den Staat aber auch dann, wenn es um das Einschreiten gegen Umweltbelastungen Dritter geht. Insoweit kann man auch von der Schutzuntätigkeit sprechen, die durch das Übermaßverbot26 begrenzt wird. Hoffmann-Riem spricht zu Recht davon, dass wirksamer Umweltschutz nach Optionen optimaler Befriedigung der verschiedenen umweltbezogenen Interessen suchen muss. Die staatliche aber auch individuelle Langzeitverantwortung wird angesichts der zumindest teilweisen Irreversibilität der Umweltbelastungen zur aktuellen Herausforderung im modernen Verfassungsstaat.27 Der Staat28 ist gefordert29, gegen umweltbelastendes Handeln einzuschreiten und Umweltbelastungen durch hoheitliche Maßnahmen (Ver- und Gebote) aber auch durch andere geeignete Maßnahmen (betriebswirtschaftliche Steuerungsmechanismen wie Ökoabgaben oder Zertifizierung)30 zu minimieren. Noch weiter geht Murswiek31 mit seiner Feststellung, dass Art. 20a die konsequente Verwirklichung des Kostenzurechnungsprinzips fordert. 32 Das Staatsziel Umweltschutz enthält mehr als ein Verschlechterungsverbot. Damit es nicht wirkungslos bleibt, muss verantwortungsvolles und effizientes staatliches Handeln die Auswirkung geplanter Maßnahmen berücksichtigen. Die zwingend einzuhaltende Berücksichtigungspflicht entfaltet eine dynamische Steuerungskraft und kann Umweltbelastungen begrenzen.

Nachhaltige Entwicklung33 durch eine moderne und verantwortliche Umweltpolitik34 – Die Finanzkrise hat die Risiken kurzfristigen wirtschaftlichen und ökologischen Handelns für den Wohlstand aller, die Lebensqualität und das unerlässliche soziale Miteinander35 deutlich gemacht. Die globale Verflechtung von technischen, ökonomischen, politischen und sozialen Strukturen wurde als Herausforderung deutlich.36 Die Finanzkrise bietet die Chance, das umweltpolitische Umfeld neu zu bestimmen und die ökologische Ausrichtung der Wirtschaft zu beschleunigen, um ein ökologisch effizientes Wachstum bei langfristiger Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Ökonomische Entwicklung und sozialer Wohlstand und die Grenzen der Belastbarkeit der natürlichen Ressourcen37 – nachhaltige Umweltpolitik ist Innovations-, Wirtschafts-, Sozial- und Beschäftigungspolitik. Generationengerechtigkeit38 /39, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt sowie internationale Verantwortung sind die Leitlinien der deutschen Nachhaltigkeit. Die Erhaltung der Tragfähigkeit der Erde bildet die absolute äußere Grenze.40 Damit ist die Umweltpolitik nicht nur reaktive Schadensausgleichs-, sondern vorsorgende und gestaltende Langfristpolitik. Damit sichert Umweltpolitik, die von allen sozialen Gruppen getragen wird und allen Bevölkerungsschichten gleiche und gerechte Chancen eröffnet, Lebensqualität. Nachhaltige Ressourcenpolitik bedeutet Schutz41 und effiziente Nutzung der Rohstoffe - eine verantwortliche und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Rohstoffe, die der Mensch der Natur entnimmt, konsumiert und verarbeitet, wird angesichts der zunehmenden Verknappung der Ressourcen zur ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderung. Problematisch ist die schleppende Substitution nicht erneuerbarer Rohstoffe durch erneuerbare Ressourcen. Von dramatischer Bedeutung ist die Übernutzung nicht erneuerbarer Ressourcen. Es ist dringend notwendig, nur soviel zu verbrauchen, wie unbedingt notwendig ist. Eine effiziente Rohstoffschonung ist unerlässlich. Geschlossene Stoffkreisläufe, die Reststoffe als sekundäre Rohstoffe bereitstellen, schaffen beträchtliche Potenziale. Ökologische Industriepolitik erfordert Innovationen – die ökologischen Herausforderungen, Klimawandel, globale Umweltverschmutzung und effizienterer Umgang mit Energie und Rohstoffen zwingt zum Nachdenken und Handeln. Ein zentrales Ziel ist es, das Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und auf Effizienztechnologien umzustellen. „Verspätete Vorsorge führt zur teuren Nachsorge.“ Die innovationspolitische Entscheidung für Erneuerbare Energien hatte auch positive Investitions- und beschäftigungspolitische Konsequenzen. Sie könnte den Schlüssel für einen nachhaltigen Deal für Umwelt, Wirtschaft und Beschäftigung bilden. Die NachhaltigkeitsVO für das EEG trat am 24. August 2009 in Kraft. Sie sieht vor, dass künftig nur noch Strom aus nachhaltig erzeugter Biomasse, insbesondere Pflanzenöl, nach dem EEG vergütet werden kann. Die NachhaltigkeitsVO soll Umweltbelastungen und Umweltzerstörungen im Zusammenhang mit der Herstellung von Biomasse verhindern. Sie setzt damit die Richtlinie 2009/28 EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen vom 5. Juli 2009 um. Betroffen sind alle flüssigen Brennstoffe aus Biomasse, insbesondere Pflanzenöle (Palm-, Soja- und Rapsöl) sowie Bioethanol42. Die zugrunde liegenden Pflanzen dürfen nicht auf Flächen, die für den Naturschutz wichtig sind, wie Regenwälder, Naturschutzgebiet oder biologisch hochwertiges Grünland, angebaut werden. Im Interesse des Klimaschutzes muss der Einsatz der flüssigen Biomasse mindestens 35 % Treibhausgase gegenüber dem Einsatz fossiler Brenn- oder Kraftstoffe einsparen.43

Die Wahrnehmung des Risikos als Resultat bewusster Entscheidungen ist kulturbedingt und von der Berechenbarkeit der Gefahr abhängig. Je weniger berechenbar eine Gefahr sich darstellen lässt, umso mehr ist die subjektive Wahrnehmung und Entscheidung von Bedeutung. Das Risiko ist letztlich ein Reflexionsbegriff (nicht objektiv auf Gegenständliches oder Reales bezogen, Nerurkar, www.dgphil2008.de/fileadmin/download/.../05-5_Nerurkar.pdf. Nutzen und Schaden werden angemessen abgewogen, über die Zukunft44 gegenwärtig entschieden, Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 47. Risiken sind als Restrisiken die Kehrseite der gegenwärtig nutzbaren Vorteile. Sie werden wegen des Fortschritts45, der individuell und objektiv erlebbaren und nutzbaren Vorteile kalkuliert und sozial in Kauf genommen. Die Restrisikogesellschaft ist aber eine versicherungslose Gesellschaft geworden, deren Versicherungsschutz mit der zunehmenden Größe der Gefahr und der Wahrscheinlichkeit der Gefahrenverwirklichung abnimmt. Insbesondere Großgefahren sind weder kontrollierbar noch kompensierbar, Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 61.

Verantwortung Hans Jonas handle stets so, dass künftige Generationen genau die gleichen Handlungsspielräume haben wie Du.

Die Freiheit ist kein Geschenk, von dem man billig leben kann, sondern Chance und Verantwortung. Freiheit ist Mitverantwortung46 (Richard von Weizsäcker).

Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst und durch Nichtgebrauch dahinschwindet (Richard von Weizsäcker).

Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss, wie andere Menschen (Astrid Lindgren).

Die Fähigkeit, Nein zu sagen, ist der erste Schritt zur Freiheit (Nicolas Chamfort).

Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung47 ist eine Grundbedingung48 freiheitlicher Verfassungen49 und eine unerlässliche Grundlage für ein friedvolles Zusammenleben der Menschen50

[...]


1 Das Nachhaltigkeitskonzept enthält als Strukturprinzip organisatorische und institutionelle Regelungen (effiziente Regulierung, integrative Entscheidungsfindung) und inhaltliche Vorgaben (inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit), vgl. Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip, S. 265. Das Nachhaltigkeitskonzept enthält darüber hinaus organisatorische Maßgaben (Partizipation und Integration) und setzt normative Leitlinien und Steuerungsimpulse, ggf. für einen Teil der Rechtsordnung, etwa das Umweltrecht und die Umweltbeziehungen. Mit dem zielorientierten Gebot effizienten Steuerns, enthält es eine konkrete normative Kernaussage im Unterschied zu dem sehr offen formulierten Rechtsstaatsprinzip, das seine Konkretisierung erst durch die Rechtsprechung des BVerfG erfahren hat. Das Nachhaltigkeitsgebot als Strukturprinzip bildet einen Rechtsbaustein für die Begründung und Ausübung staatlicher Gewalt im staatlichen Ordnungsgefüge, Gehne, Das Nachhaltigkeitskonzept enthält als Strukturprinzip organisatorische und institutionelle Regelungen (effiziente Regulierung, integrative Entscheidungsfindung) und inhaltliche Vorgaben (inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit), vgl. Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip, S. 265; vgl. Schwab, Gedanken zur Nachhaltigkeit, ODWW 2014, Artikel 620; Schwab, Innovationen – Vorsorge und Verantwortung – Gedanken, ODWW 2014, Artikel 616. „Freiheit ist das Lebensgesetz unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Nur in Freiheit kann der Mensch schöpferisch sein. Es ist eine Freiheit in und zur Verantwortung. Dafür bedarf es einer Ordnung“, Angela Merkel, Rede Bundeskanzlerin Merkel vor dem Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika Di, 03.11.2009. Die drohende Klimaschutzkatastrophe fordert eine ökologische Konversion, ein verantwortungsbewusstes Nachdenken über Risiken, Bedrohungen und Unsicherheiten, schlicht eine zukunftsorientierte planetare Verantwortung. Im Begriff des Risikos drückt sich der Umgang mit der Ungewissheit aus, in der Wissen und Nichtwissen zusammentreffen. Diese wird durch ein Mehr an Wissen nicht überwunden. Es bleiben Unsicherheiten über die Kontrollierbarkeit und Kompensierbarkeit industriell erzeugter Unsicherheiten und Gefahren. Das Risiko selbst ist keine objektiv messbare Größe. Seine Wirklichkeit spiegelt sich in der Umstrittenheit des Risikos und der Gefahrenverwirklichung. Neues Wissen macht Risiken berechenbarer, erzeugt aber dennoch neue Unvorhersehbarkeiten. Durch diese dynamische Reflexivität (Rückbeziehung) der Ungewissheit wird die Unbestimmbarkeit des Risikos zum bestimmenden Begriff der gesellschaftlich-technologischen Entwicklung. Risiken als umstrittene Wirklichkeit der Möglichkeit handeln von der Möglichkeit künftiger Ereignisse und Entwicklungen. Durch die Wahrscheinlichkeit der Gefahrenverwirklichung ist sie von der bloß spekulativen Möglichkeit abzugrenzen. Risiken sind zukünftige Ereignisse, die mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nach unseren heutigen Erwartungen und Erkenntnissen bevorstehen und uns bedrohen. Die Risikoverwirklichung lässt sich aber weder statistisch-mathematisch, noch durch Kausalhypothesen oder Prognosemodelle punktgenau feststellen. Die Wahrnehmung des Risikos als Resultat bewusster Entscheidungen ist kulturbedingt und von der Berechenbarkeit der Gefahr abhängig. Je weniger berechenbar eine Gefahr sich darstellen lässt, umso mehr ist die subjektive Wahrnehmung und Entscheidung von Bedeutung. Das Risiko ist letztlich ein Reflexionsbegriff (nicht objektiv auf Gegenständliches oder Reales bezogen, Nerurkar, www.dgphil2008.de/fileadmin/download/.../05-5_Nerurkar.pdf. Nutzen und Schaden werden angemessen abgewogen, über die Zukunft gegenwärtig entschieden, Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 47. Risiken sind als Restrisiken die Kehrseite der gegenwärtig nutzbaren Vorteile. Sie werden wegen des Fortschritts, der individuell und objektiv erlebbaren und nutzbaren Vorteile kalkuliert und sozial in Kauf genommen. Die Restrisikogesellschaft ist aber eine versicherungslose Gesellschaft geworden, deren Versicherungsschutz mit der zunehmenden Größe der Gefahr und der Wahrscheinlichkeit der Gefahrenverwirklichung abnimmt. Insbesondere Großgefahren sind weder kontrollierbar noch kompensierbar, Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 61. Die Möglichkeit der Gefahrenverwirklichung verpflichtet uns zu vorbeugendem Handeln selbst dann, wenn der Staat und die Gesellschaft nur über regional oder national beschränkte Mittel verfügt, die angesichts globaler Risiken an den Grenzen des Nationalstaates enden. Ressourcen- und Risikovorsorge sind geschuldet, wenn bei der technikbezogenen Risikoermittlung und Risikobewertung ein Vorsorgeanlass festgestellt werden kann. In dem Zusammenhang stellt sich freilich die Frage nach der Beweislast. Insbesondere bei neuen Technologien, etwa der Nanotechnologie (die Nanopulver-Entscheidung des, BVerwG, ZUR 2004, S. 229-231, die das Verhältnis von Schutzpflicht und Vorsorgegrundsatz unter den Bedingungen von Ungewissheit über einen Schadenseintritt zum Gegenstand hatte, ist an eine widerlegbare Gefahrenvermutung mit entsprechender Beweislastumkehr zu denken. Sie schafft im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse an der Nutzung der neuen Technologien auch wirtschaftliche Anreize für eine effektive Wirkungsforschung. Insoweit ist der nationale Gesetzgeber gefordert, da das Rechtsstaatsprinzip eine „ungeschriebene Beweislastumkehr“ verhindert, Vgl. Calliess, Inhalt, Struktur und Vorgaben des Vorsorgeprinzips im Kontext der Gestaltung des Umweltrechts. in Hendler, u. a., Jahrbuch des Umweltrechts, 2006, S. 89-145. Ökologische Verhältnismäßigkeit ist Pflicht und Verpflichtung für alle: Das soll hier bedeuten, dass die Gesellschaft, wenn sie Natur vernutzt, ihre Ziele rechtfertigt und Mittel auswählt, die geeignet, erforderlich und angemessen sind. Dieser Maßstab ist ein Spiegelbild des traditionellen Verhältnismäßigkeitsprinzips, Winter, Ökologische Verhältnismäßigkeit, ZUR 2013, 387. Die Menschen überschreiten häufig kritische Grenzen bei der Nutzung ihrer Umwelt und zerstören dadurch ihre eigene Lebensgrundlage, UNEP (Hrsg.), Global Environmental Outlook, 2012. Der Begriff der Nachhaltigkeit konnte zwar seine politische und gesellschaftliche Sprengkraft als eine neue regulative Leitidee natürlich erst zu einem Zeitpunkt entfalten, als die destruktiven Folgen einer wachstums- und fortschrittsgetriebenen Moderne langsam ins öffentliche Bewusstsein sickerten Ökologische Herausforderungen und das Bewusstsein um die Grenzen des Wachstum, Meadows. Begriffe wie Wachstum, Wohlstand, Technikeuphorie und Fortschrittszuversicht wurden und werden heute sittlich-moralisch hinterfragt, Saurer Regen und Klimakatastrophen ließen die schon in seinen forstwirtschaftlichen Ursprüngen angelegte Verbindung ökonomischer, ökologischer und sozialer Faktoren zu dem Begriff und idealen Ausgangspunkt eines neuen Paradigmas heranreifen, welches sich gegen die zerstörerischen Potenziale der industriellen Moderne richtete. Das Nachhaltigkeitsmodell ist geprägt durch einen übergreifenden (ökologisch-ökonomisch-sozial) integrierenden Ansatz, die grundsätzliche Gleichrangigkeit der drei Dimensionen und die Zukunftsgerichtetheit, d.h. die intergenerative Ausrichtung. Gerechtigkeitsvorstellungen, Zukunftsängste und ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis belasten das notwendige Vertrauen der BürgerInnen in die Gestaltungskraft der Politik! (Siegfried Schwab, 2014) Wenn man einem Menschen trauen kann, erübrigt sich ein Vertrag. Wenn man ihm nicht trauen kann, ist ein Vertrag nutzlos. (Jean Paul Getty) Mangelndes Vertrauen ist nichts als das Ergebnis von Schwierigkeiten. Schwierigkeiten haben ihren Ursprung in mangelndem Vertrauen. (Lucius Annaeus Seneca) Vertrauen ist für alle Unternehmungen das große Betriebskapital, ohne welches kein nützliches Werk auskommen kann. Es schafft auf allen Gebieten die Bedingungen gedeihlichen Geschehens. (Albert Schweitzer) Vertrauen wächst, wenn wir so reden, wie wir denken. Vertrauen wächst, wenn wir politisch Andersdenkende nicht diffamieren, sondern ernsthaft und ehrenhaft mit ihnen streiten. Vertrauen wächst, wenn wir mit politisch verantwortlichen ehrlicher über Schwierigkeiten, Zwänge, Interessengegensätze reden. (Rita Süssmuth) Vielleicht schafft es die Politik aber doch für die Kreiselwirtschaft, den unterbesicherten Unternehmer und die solidarische soziale Gemeinschaft, Gerechtigkeit herzustellen und dadurch Glücksgefühle auszulösen. Emotionen können bekanntlich Glücksgefühle auslösen und verstärken. Erinnerungen an Zeiten ohne „Blitz Eis“, „Streusand und Seitenwind“, ohne soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit können glücklich machen. Erinnerungen werfen aber auch Fragen auf – wie stellt man soziale Gleichheit und Gerechtigkeit her, welche Aufgaben hat der Sozialstaat des 21. Jahrhundert?

2 Das Recht moderner Rechtsstaaten gilt als die Welt des Normativen und der Verlässlichkeit par excellence, zumal nachdem Religion und Moral als überragende, allzuständige Sinn- und Wertehorizonte und Normensysteme kontingent oder zumindest diffuser geworden sind. Recht ist als Verlaufsphänomen zu betrachten: als (über eine Zeit) zwar besonders stabiles, doch zugleich dynamisches soziales Konstrukt. Recht, Gesetze und andere Normen werden in der jeweiligen Praxis sowohl stabilisiert als auch destabilisiert, um zu etwas anderem in Bezug gesetzt werden zu können und zugleich Verbindlichkeit zu gewährleisten. Recht im Sinne eines Prozessphänomens zu beschreiben, ist aus Sicht der empirischen Rechtssoziologie wichtig, weil in der Theorie allzu oft "das Recht" lediglich als Institution und damit als Endprodukt einer abgeschlossenen Institutionalisierung behandelt wird. Recht unterliegt Veränderungen. Wer juristisch handelt, braucht einen Blick für den sozialen Gehalt und Kontext, mit dem ein Rechtsproblem entsteht und möglicherweise lösbar ist. Soziologie, die das soziale Handeln und menschliches Verhalten deuten und erklären will, betrachtet den Ablauf und seine Wirkungen. Max Weber "soziales Handeln soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientier ist. Sie Urannahme der Sozialität: ein Akteur bezieht sich tätig auf einen anderen. Soziologisch interessant ist die erfahrbare Welt, das an Situationen orientierte, sinnhafte, problemlösende Handeln, das soziale Prozesse trägt. Handlungsträger sind menschliche Akteure, die beim Handeln aus Motiven tätig und Ziele verfolgend agieren. Rechtsnormen sind Deutungsschemata bzw. Regelungsmuster, mit bindendem Anspruch durch Anerkennung, die einen sozialen, situierten Ordnungsrahmen des Handlungsvollzugs bilden. Sie sind in der Normiertheit (als Struktur und Bedingung) und als sozial konstruierte Normierung (als Praxis und Prozess) geprägt, Stegmaier, in Krüper (Hg.) Grundlagen des Rechts, 2011, § 3 Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive, S. 71. Die kulturelle Ordnung, die das Recht (neben anderen normativ bedeutenden Bereichen) umschließt ist als menschliches Konstrukt letztlich Manifestation subjektiver Sinnhaftigkeit. Kultur fungiert als kollektive Verbindlichkeit für all unsere praktischen Deutungen, Stegmaier, a.a.O. S. 77. Rechtliche Verpflichtung sind normative "Nebenfolgen" des Handelns. Sie wirken Hintergrundregeln des Zusammenlebens. Normatives Handeln konstituiert sich erst dann, wenn die allgemeinen normativen Hintergründe des Handelns fassbar werden. Normen und Wissen spiegeln ei Sozialstruktur. Das Kollektivbewusstsein - das soziale Zusammengehörigkeitsgefühl - hat eine normativ-integrative Funktion. Max Weber erfasst die "empirische Rechtsordnung - Recht als eine bestimmte Art des Handelns - als das "empirische Sein" des Rechts als Maxime-bildenden, Wissens konkreter Menschen. Das Wissen, diese "empirische Rechtsordnung" ist für den handelnden Menschen einer der Bestimmungsgründe seines Tuns, und zwar insofern und insoweit als er zweckvoll handelt, teils ein Mittel, welches er seinen Zwecken dienstbar zu machen sucht. Für Weber ist das zweckrationale Handeln eine lebensweltliche Erfahrung. Die Rechtsordnung ist an den Wurzeln eine Wissensordnung. Paul Kirchhof knüpft als Jurist an diese Gedanken an: Recht hat stets eine Herkunft und eine <erg. noch offene> Zukunft. Es entsteht aus Gewohnheit, erprobten Werten, bewährten Institutionen, gesicherten politischen Erfahrungsprozessen und aus den in der Gemeinschaft geübten Bräuchen, die die Anschauungen und das Denken sowie die Verhaltensweisen der Menschen in gemeinsamen Sitten und Sinnesarten lenken, vgl. Kirchhof, Geltungsgrund und Gestaltungskraft des Gesetzes, S. 146, in Koch/Rossi, Gerechtigkeitsfragen in Gesellschaft und Wirtschaft, 2013; Stegmaier, in Krüper (Hg.) Grundlagen des Rechts, 2011, § 3 Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive, S. 65. Nicht das Drehen an einer kleinen Schraube ist heute <m. E. immer> der Auftrag der Politik. Sondern Kühnheit, <m. E. und Weitsicht, Fürsorge, Gestaltungskraft und Verantwortung, Solidarität und Gerechtigkeit> Mut, Entschiedenheit für ein großes Erneuerungswerk, vgl. Paul Kirchhof, Wir verteilen von Arm zu Reich, FAZ vom 22. August 2011.

3 Ökologische Verhältnismäßigkeit soll hier bedeuten, dass die Gesellschaft, wenn sie Natur vernutzt, ihre Ziele rechtfertigt und Mittel auswählt, die geeignet, erforderlich und angemessen sind. Dieser Maßstab ist ein Spiegelbild des traditionellen Verhältnismäßigkeitsprinzips, Winter, Ökologische Verhältnismäßigkeit, ZUR 2013, 387. Die Menschen überschreiten häufig kritische Grenzen bei der Nutzung ihrer Umwelt und zerstören dadurch ihre eigene Lebensgrundlage, UNEP (Hrsg.), Global Environmental Outlook, 2012.

4 Betrachtet man zusammenfassend die demokratische Ordnung des GG, so folgt bereits aus dem instrumentellen Charakter der dort niedergelegten Demokratie, die dem Frieden, der Gerechtigkeit, der Menschenwürde, auch mittels der Einhaltung der Menschenrechte dienen soll, damit letztlich in Verantwortung vor den Menschen geschaffen wurde, dass das GG trotz seines Beitrages zur Verrechtlichung und der darin verankerten grundsätzlichen Trennung von Ethik, Moral und Recht muss davon ausgegangen werden, dass eine systemimmanente Kohärenz des Rechts (ein Zusammenhang), also eine rein auf die positive Ordnung bezogene Kohärenz im Rahmen dieser Rechtsordnung nach ihrem eigenen Anspruch nicht ausreicht. Es ist daher für diese Rechtsordnung, die sich als Gerechtigkeitsordnung darstellt, eine überpositive Kohärenz erforderlich, d. h. eine Ausrichtung, die über das positive Recht hinausweist, Vöneky, Recht, Moral und Ethik, 2010, S. 225. Die Demokratie schlägt eine belastbare Brücke zwischen der Lebenswelt und der diese konkretisierenden normativen und deskriptiven Überzeugungen auf der einen Seite und dem politischen System auf der anderen Seite, vgl. Nida-Rümelin, Demokratie und Wahrheit, 2006, S. 26. Die bundesdeutsche Demokratie als materiell-ethische Staatsform ist geprägt von verbindlichen normativen Leitlinien, die steuern und lenken und dabei rückgebunden sind an gerechtfertigte, ethische - gesellschaftliche Wertvorstellungen, Vöneky, a.a.O. S. 226.

5 Nachhaltigkeit als intergenerationelle Gerechtigkeit, Ekhard, Nachhaltigkeit 2005, 25. Es geht um eine lebenswerte, freiheitliche und friedliche Erde für alle Menschen. Glaser, Nachhaltige Entwicklung und Demokratie: Ein Verfassungsrechtsvergleich, 2006 – die nachhaltige Entwicklung hat sich zu einer Überlebensfrage für die Menschheit entwickelt und ist nicht nur Modebegriff oder konsensstiftende Worthülse, S. 2. Phänomene wie weltweit wachsende Wohnbevölkerung, Zersiedelung des Landschaft, steigender Verbrauch nicht erneuerbarer Energieträger, Übernutzung und Verschmutzungen des Trinkwassers und die bedrohliche Klimaveränderungen machen ein ökologisches, ökonomisches und sozialkulturelles Umdenken erforderlich, vgl. Murswiek, Nachhaltigkeit, NuR 2002, 641.

6 Der soziale Rechtsstaat ist im Hinblick auf den konstitutiven methodischen Individualismus aus der Idee der persönlichen Freiheit abgeleitet. Auch der als sozialstaatliche Leistung subsidiäre, unabdingbare Anspruch auf Existenzsicherung ist ein subjektivrechtlicher Ankerpunkt eines Staatsstrukturprinzips im Grundrechtssystem. Der Verfassungsstaat findet seinen eigentlichen Logos in der Einheitsherstellung durch konstitutive, dem Recht zugängliche Entscheidungen. Der Staat ist nicht nur die Resultante von grundrechtlichen Abwägungen, di Fabio, Leitidee der Grundrechte, S. 40. Die Grundrechte begrenzen auch den demokratischen Staat. Eine staatsfreie Zivilgesellschaft der alltäglichen Nähe und der staatsfreien Existenzsicherung kann nicht funktionieren. Der sektoral begrenzte Staat ist eine "societas perfecta", wenn und soweit er Vollkommenheit als offene und wirksame Entfaltungsordnung und nicht als politisch herbei regulierten Gesellschaftszustand mit einem neuen Menschen jenseits von Gier und Egoismus begreift. Sektoraler Staat ist keine überkommene Begriffsbildung ohne aktuellen Wert, ebenso wie die Demokratisierung der Gesellschaft nur Zustimmung verdient. Hinter der Demokratisierung der Gesellschaft lauert für den Freiheitskern der Grundrechte eine Bedrohung, weil mit jeder Verrechtlichung und mit jedem Leistungsgesetz politische Herrschaft mit überlegenen Gewaltmitteln die Arena betritt. Es wurde von partizipativer Verfahrensgestaltung geredet, wo die freiheitliche Gesellschaft verabschiedet wurde, di Fabio, Leitidee der Grundrechte, in Mellinghoff/Puhl (Hg.), Leitgedanken des Rechts, Symposium aus Anlass des 70. Geburtstags von Paul Kirchhof, 2014, S. 42.

7 Die reale gesellschaftliche Wirklichkeit wird durch das soziale Miteinander, die Sozialisation des Einzelnen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestimmt. Aber die Bestimmung wird immer auch verkörpert, das heißt: konkrete Personen und Gruppen, Personen, die Ziele vorgeben sind von prägender Wichtigkeit und Wirklichkeit. Will man den Zustand der gesellschaftlich konstruierten sinnhaften Welt zu beliebiger Zeit oder ihren erheblichen, dynamischen Wandel im Laufe der Zeit verstehen, so muss man die gesellschaftliche Organisation transparent durchleuchten, die es solchen prägenden Personen ermöglicht, dass sie den anderen Menschen im sozialen Haus Handlungsvorgaben geben können. Soziale Gebilde, wie unser soziales Haus, werden nur als objektive Wirklichkeit weitergegeben. Die Einordnung in die Hausordnung, in die Regeln und Abläufe zur Lebensgestaltung in dieser als objektive Welt wahrgenommenen Gesellschaft vollzieht sich bei jedem Menschen als individuelle Sozialisation. Damit werden die Sprache, das gesellschaftliche Wissen und die gesellschaftliche Legitimation sowie die sozialen, informellen und formalen Kontrollmechanismen innerlich, seelen- und verstandesmäßig aufgenommen. Die gesellschaftliche Macht beinhaltet die Macht die Sozialisationsprozesse zu realisieren und funktional zum Abschluss zu begleiten. In der postmodernen Welt und dem sozialen Haus des fortgeschrittenen 21. Jahrhunderts, sind Kommunikationsprozesse mit den freien und autonomen sozialen Wesen, den Menschen der Postmoderne notwendig. Die Sozialisation des Menschen ist von Geburt an durch Spieleffekte geprägt – Spielen mit anderen Kindern in der Gemeinschaft, in den Kitas oder dann in der Schule. Spielerisch lernen die Kinder durch Beispiel nehmende Orientierung an Erwachsenen, die sie beaufsichtigen, zum Spielen anhalten, korrigierend und aufmunternd begleiten, ihre eigene Identität zu entfalten und verwirklichen. Die Identitätsentfaltung eines Menschen ist maßgebend die Entfaltung seiner kognitiven, emotionalen und psychischen Strukturen in einem lebenslangen Lernprozess von „trial and error“. Identitätsentfaltung oder Individuation wie die Sozialisation sind lebenslange Prozesse. Die kognitiven Fähigkeiten des jungen Menschen nehmen mit zunehmendem Alter deutlich zu. Der sorgfältige und konzeptionelle Austausch mit der Welt der Fakten verbessert und erweitert die sozio-motorischen Fähigkeiten in jeder Lebensphase. Die menschliche Identität ist keine definitorisch festgelegte statische Größe, sondern ein offener, lebenslanger Prozess der Identitätsentfaltung in Zusammenschau und andauernder Interaktion mit der Umwelt herausbildet.

8 Nach bisherigem Verständnis gibt es drei Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Diese drei in Einklang zu bringen ist anspruchsvoll und zugleich zu wenig. Für den Planeten reichen diese drei Dimensionen der Nachhaltigkeit aber. Sie gewährleisten, dass er nicht kollabiert. Mehr muss ich n nicht interessieren, mehr braucht er nicht. Er will, sofern wir ihm einen Willen unterstellen können, nichts mehr, als den Menschen möglichst unbeschadet zu ertragen, zur Not auch dauerhaft. Für den Menschen aber sind diese drei Dimensionen der Nachhaltigkeit nur die Gewähr der dauerhaften Befriedigung seiner Grundbedürfnisse. Mit den bisherigen drei Säulen lässt sich gewährleisten, dass die Menschen Arbeit haben, ohne ausgebeutet zu werden; dass sie Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge haben, und dass die Vielfalt der Natur bewahrt wird, um auch zukünftig als Ressource zu dienen. Das ist weit mehr, als bisher erreicht wurde. Allein die beiden Kriterien, Arbeit und Soziales, sind vielleicht für eine Milliarde Menschen annähernd erfüllt, mehr als sechs Milliarden haben ein unerfülltes Anrecht darauf. Wir kommen zu dem Punkt, wo wir erkennen können, dass drei Säulen das Gebäude der Nachhaltigkeit zwar stützen, aber nicht tragen. Wir werden das Gebäude einer nachhaltigen Gesellschaft nicht errichten können, wenn wir nicht die Säule der Kultur einziehen. Errichten wir folglich ein stabiles Gebäude der Nachhaltigkeit mit den Säulen Ökologie, Ökonomie, Soziales und Kultur. Dieses Gebäude wird halten für die Ewigkeit- die menschenmögliche Ewigkeit, vgl. Kruse, Kulturelle Nachhaltigkeit - Ein Vierpunkteplan für die Menschheit, FAZ, vom 23. Oktober 2014.

9 Ekhardt, Das Prinzip der Nachhaltigkeit: Generationengerechtigkeit und globalen Gerechtigkeit, 2005, S. 10. Die allgemeine Bestimmung dessen, was Gemeinwohl ist, bleibt dem Raum des Politischen vorbehalten: Die Politik muss Vorgaben zu Mindest- und Höchstwerten, Zielen und Zeiträumen, Verfahrenssicherungen und Transparenzanforderungen sowie zum erwünschten Grad der Nachhaltigkeit machen, Anderheiden, in Leitgedanken des Rechts, Festschrift für Paul Kirchhof, 2013, Gemeinwohl, S. 45 ff, 55.

10 Ein Beruf ist das Rückgrat des Lebens. [ Friedrich Wilhelm Nietzsche] Kein Beruf ist unantastbar, Daniel Gräfe, Sonntag Aktuell, vom 1. Februar 2015, S. 4 Die Digitalisierung verändert unser Arbeitsleben radikal – ob SachbearbeiterIn oder Arzt: Die Digitalisierung verändert unser Arbeitsleben radikal, Deshalb fordert Wilhelm Bauer vom Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation [IAO] eine massive Bildungsoffensive. Wie verändert das Internet selbst traditionelle Berufe in der Industrie? Wir vernetzen nicht nur die Menschen über das Internet, sondern auch die Gegenstände und Maschinen. Künftig werden die Menschen ausschließlich mit digitalen Medien arbeiten. Auch der Fabrikarbeiter nimmt mit Smartphone oder Tablet Aufträge an und steuert die Maschinen. Der Arbeitsauftrag des Meisters auf Papier ist passe. Was bleibt da für den Industriearbeiter überhaupt noch zu tun? Er muss konzeptionell und kreativ denken – Sacharbeit ist immer seltener gefragt. Stattdessen kümmert er sich zunehmend um die Koordination und Steuerung der Produktion. Wie sollen sich ganze Berufsgruppen das digitale Know-how erarbeiten? Wir brauchen mehr Digitalkompetenz, und das auf allen Ebenen. Ohne geht es nicht mehr. Der Staat muss dazu etwas beitragen. Ich wünsche mir sehr, dass wir in Kindergärten und Schulen vernünftig auf die digitale Welt vorbereiten. Das muss in der Schule und in Universitäten ausgebaut werden. Das ist noch nicht genug. Es braucht eine konkrete Agenda. Auch Unternehmen müssen dazu beitragen, dass sie ihre MitarbeiterInnen in dieser Hinsicht besser schulen. Auch der Endfünfziger kann also nicht mehr auf einen sanften Übergang in die Rente hoffen…. Auch er muss sich ständig weiterbilden. Er möchte ja auch später im Ruhestand mit seinen Enkeln kommunizieren. Wie soll das gehen, wenn er in der digitalisierten Welt nicht mitspielen kann? Wie will er dann seine Heizung bedienen, die dann vernetzt ist? Ohne ein Grundmaß an digitalen Kenntnissen ist man heute vom Rest des Lebens abgehängt…. Das wichtigste im Leben ist die Wahl des Berufes. Der Zufall entscheidet darüber. –[Blaise Pascal] Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an; der unvernünftige besteht auf dem Versuch, die Welt sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt von unvernünftigen Menschen ab. [George Bernard Shaw] Jede Zeit hat ihre Aufgabe, und durch die Lösung derselben rückt die Menschheit weiter. [Heinrich Heine] Nicht fort sollt Ihr Euch entwickeln, sondern hinauf. –[Friedrich Wilhelm Nietzsche] Wenn man ein Defizit erkannt hat und darangeht, es zu beheben, ist das schon ein Fortschritt. [Bernhard Jagoda] Je gefährlicher die Welt ist, desto nötiger sind Fortschritt und Reformen. –[Björn Engholm] An Fortschritt glauben heißt nicht glauben, dass ein Fortschritt schon geschehen ist. Das wäre kein Glauben. [Franz Kafka] Mein Beruf macht mir so viel Spaß, dass ich ziemlich rücksichtslos mit ihm umgehe. Mein Job lässt sich das gefallen - ein Typ nicht. [Beate Wedekind] Was ist dein Beruf? Gut zu sein. [Mark Aurel]

11 Das Nachhaltigkeitskonzept enthält als Strukturprinzip organisatorische und institutionelle Regelungen (effiziente Regulierung, integrative Entscheidungsfindung) und inhaltliche Vorgaben (inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit), vgl. Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip, S. 265. Das Nachhaltigkeitskonzept enthält darüber hinaus organisatorische Maßgaben (Partizipation und Integration) und setzt normative Leitlinien und Steuerungsimpulse, ggf. für einen Teil der Rechtsordnung, etwa das Umweltrecht und die Umweltbeziehungen. Mit dem zielorientierten Gebot effizienten Steuerns, enthält es eine konkrete normative Kernaussage im Unterschied zu dem sehr offen formulierten Rechtsstaatsprinzip, das seine Konkretisierung erst durch die Rechtsprechung des BVerfG erfahren hat. Das Nachhaltigkeitsgebot als Strukturprinzip bildet einen Rechtsbaustein für die Begründung und Ausübung staatlicher Gewalt im staatlichen Ordnungsgefüge, Gehne, Das Nachhaltigkeitskonzept enthält als Strukturprinzip organisatorische und institutionelle Regelungen (effiziente Regulierung, integrative Entscheidungsfindung) und inhaltliche Vorgaben (inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit), vgl. Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip, S. 265. Das Nachhaltigkeitskonzept enthält darüber hinaus organisatorische Maßgaben (Partizipation und Integration) und setzt normative Leitlinien und Steuerungsimpulse, ggf. für einen Teil der Rechtsordnung, etwa das Umweltrecht und die Umweltbeziehungen. Mit dem zielorientierten Gebot effizienten Steuerns, enthält es eine konkrete normative Kernaussage im Unterschied zu dem sehr offen formulierten Rechtsstaatsprinzip, das seine Konkretisierung erst durch die Rechtsprechung des BVerfG erfahren hat. Das Nachhaltigkeitsgebot als Strukturprinzip bildet einen Rechtsbaustein für die Begründung und Ausübung staatlicher Gewalt im staatlichen Ordnungsgefüge, Gehne, S. 267. Probst, Nachhaltigkeit als politischer Wert, APuZ 34-36/2013, S. 49 f - in kaum einer gewichtigen Rede auf der nationalen oder internationalen politischen Bühne fehlt heute der Verweis auf Nachhaltigkeit, sei es im Bereich des Ökonomischen, des Ökologischen oder des Sozialen. Nach der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro im Jahr 1992 hat unter den politischen Akteuren geradezu ein inflationärer Wettlauf im Beschwören der Notwendigkeit und Bedeutung von Nachhaltigkeit eingesetzt – ein Wettlauf, der inzwischen in eine Art Nachhaltigkeits-Populismus ausgeartet ist und dem Begriff jegliche Trennschärfe zu nehmen droht. Der Begriff der Nachhaltigkeit konnte aber seine politische und gesellschaftliche Sprengkraft als eine neue regulative Leitidee natürlich erst zu einem Zeitpunkt entfalten, als die destruktiven Folgen einer wachstums- und fortschrittsgetriebenen Moderne langsam ins öffentliche Bewusstsein sickerten Ökologische Herausforderungen und das Bewusstsein um die Grenzen des Wachstum, Meadows. Begriffe wie Wachstum, Wohlstand, Technikeuphorie und Fortschrittszuversicht wurden hinterfragt, Saurer Regen und Klimakatastrophen ließen die schon in seinen forstwirtschaftlichen Ursprüngen angelegte Verbindung ökonomischer, ökologischer und sozialer Faktoren zu dem Begriff und idealen Ausgangspunkt eines neuen Paradigmas heranreifen, welches sich gegen die zerstörerischen Potenziale der industriellen Moderne richtete. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wurde das Prinzip der Nachhaltigkeit höchst uneinheitlich beurteilt. Angesichts der ökologischen Problemlage und der umweltpolitischen Präferenzen der Bevölkerung plädiert Rehbinder dafür, das "Drei-Säulen-Modell" auf ein Ein-Säulen-Modell zu reduzieren, d.h. der Ökologie und dem Umweltschutz eindeutig Vorrang zu geben, Rehbinder, Das deutsche Umweltrecht auf dem Weg zur Nachhaltigkeit, NVwZ 2002, S. 657ff. Erbguth übernahm hingegen das "Drei-Säulen-Modell" und leitet daraus für die juristische Transformation "das allgemeine Gebot nachhaltiger Entwicklung" ab, die er als "gleichrangige Synthese der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen der Nachhaltigkeit" charakterisiert, Erbguth, Konsequenzen der neueren Rechtsentwicklung im Zeichen nachhaltiger Raumentwicklung, DVBl 1999, S. 1082ff. Er sah dieses Nachhaltigkeitsmodell gekennzeichnet durch einen übergreifenden (ökologisch-ökonomisch-sozial) integrierenden Ansatz, die grundsätzliche Gleichrangigkeit der drei Dimensionen und die Zukunftsgerichtetheit, d.h. die intergenerative Ausrichtung. Erbguth betont, dass im regelmäßigen, zumindest häufigen Konfliktfall dem Entscheidungshandeln der Auftrag zur Abstimmung, ggf. zum Zurückstellen einer der drei Agenden (ökologische, ökonomische, soziale Belange) zuwachse .Leidig, Nachhaltigkeit als umweltplanerisches Entscheidungskriterium, UPR 2000, S. 371ff bemängelte, Nachhaltigkeit sei kein Planungsansatz, um den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen und wertete den Begriff der Nachhaltigkeit als zu unbestimmt In der Bundesrepublik hat das Prinzip der Nachhaltigkeit bisher zwar keinen normierenden Verfassungsrang als einklagbares Grundrecht erhalten, aber 2002 wurde der Schutz der Umwelt als Staatsschutzziel in das Grundgesetz (Artikel 20a) aufgenommen. Die Formulierung, dass der Staat "in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen (…) durch die Gesetzgebung und (…) durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung" schützt, nimmt den Gedanken der Nachhaltigkeit implizit in das Staatsschutzziel mit auf. Angela Merkel bediente sich bei ihrer eingangs zitierten Rede auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg eines juristischer Anleihe bei der Menschenwürde als absolut geschütztem und nicht Abwägungen zugänglichen Verfassungswertes und Schutzgut, um Nachhaltigkeit auch aus Artikel 1 des Grundgesetzes ("Die Würde des Menschen ist unantastbar") als Verfassungsziel abzuleiten: "Dieser Artikel 1 gilt nicht nur für uns heute, sondern wir haben auch eine Verantwortung für die Kinder, für die Enkel, für die Generationen, die nach uns kommen. Deshalb ist es so wichtig und so richtig, dass der Begriff Nachhaltigkeit schrittweise an Bedeutung gewinnt und unser politisches Handeln immer mehr bestimmt." Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Evangelischen Kirchentag, 3.5.2013, online: »http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2013/05/2013-05-03-rede-merkel-kirchentag.html« (25.6.2013). Die Idee der Nachhaltigkeit nicht bestimm nicht mehr allein die Agenda internationaler Umweltkonferenzen, sondern hat als politische Leitidee und als politischer Grundwert auch die Verfassungsebene erreicht hat. Nachhaltigkeit nicht mehr allein die Agenda internationaler Umweltkonferenzen bestimmt, sondern als politischer Grundwert auch die Verfassungsebene erreicht hat. Die regulative Leitidee, muss sich, wenn sie in den Katalog politischer Grundwerte aufgenommen wird, als Wertorientierung auch in den alltäglichen Praxen und Verhaltensweisen, also in der politischen Kultur einer Gesellschaft bewähren, bevor man ihr eine gewisse Wirkmächtigkeit zusprechen kann. Nachhaltigkeit wurde in den vergangenen Jahrzehnten auch zu einer prägenden Frage der persönlichen Wertpräferenzen und des Lebenswandels. Ausgehend von den alternativen Lebensformen, in denen zunächst kleinere Gemeinschaften eine neue Kultur des Konsumverzichts einübten sowie neue Formen einer alternativen regionalen Ökonomie ausprobierten, entwickelten sich in den folgenden Jahrzehnten sowohl im privaten wie im öffentlichen Leben politische Wertorientierungen, die dem Postulat der Nachhaltigkeit folgten und nach und nach auch die Mehrheitsgesellschaft erreicht haben. Mit der umstrittenen Wortschöpfung LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability) wurde sogar eine neue Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern als Träger eines nachhaltigen Lebensstils identifiziert, Als Sammelbegriff für sehr unterschiedliche soziale und politische Gruppen kann LOHAS auf jeden Fall als Indiz dafür gelten, dass der Nachhaltigkeitsdiskurs in den alltäglichen politischen Orientierungen und Verhaltensweisen von der Peripherie ins Zentrum der Gesellschaft gerückt ist. Nachhaltigkeit als Leitlinie des individuellen Handelns und Verhaltens zeigt und manifestiert sich heute beispielsweise in der Wiederverwertung von Rohstoffen durch Mülltrennung, einer Veränderung des Mobilitätsverhaltens, einem sparsameren Umgang mit öffentlichen Gütern, der Verwendung nachwachsender Materialien, dem Einkauf biologisch erzeugter Nahrungsmittel und einem anderen Umgang mit Zeit. Auch Tauschbörsen, Carsharing-Stationen, Öko- und Bioläden, Ökobanken, Märkte für ökologische gehören längst zu einer über Jahre gewachsenen Nachhaltigkeits-Infrastruktur, Lifestyles of Health and Sustainability, Ray hatte 2001 das Phänomen der LOHAS in seinem Buch "The Cultural Creatives: How 50 Million are Changing the World" beschrieben. In Deutschland wurde der Begriff durch das 2007 vom Zukunftsinstitut herausgegebene Buch "Zielgruppe LOHAS. Wie der grüne Lifestyle die Märkte erobert" (von Anja Kirig, Christian Rauch, Eike Wenzel) bekannt; Paech, Vom grünen Wachstumsmythos zur Postwachstumsökonomie, in: Harald Welzer/Klaus Wiegandt (Hrsg.), Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung, Frankfurt/M. 2012, S. 133; vgl. auch Fücks, Intelligent wachsen, München 2013, S. 140. Dass der Treibhauseffekt vom Menschen verursacht ist, kann nicht mehr ernsthaft

12 Aarhus-Konvention (AK)verpflichtet die Vertragsparteien zum Schutz des Rechts auf ein Leben in einer der Gesundheit und dem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zur Gewährung des Rechts auf Zugang zu Umweltinformationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an den Entscheidungsverfahren und auf Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten. Die so genannte zweite Säule der Aarhus-Konvention wird in den Art. 6, 8 AK durch Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung „an Entscheidungen überbestimmte Tätigkeiten“, „bei umweltbezogenen Plänen, Programmen und Politiken“ sowie „während der Vorbereitung exekutiver Vorschriften und/oder allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher normativer Instrumente“ konkretisiert, vgl. Guckelberger, NVwZ 2013, 1196. Die Aarhus - Konvention bindet als multifunktionales, gemischtes Abkomme n auch die EU und hat den Mitgliedsstaaten einige ins nationale Recht umsetzungspflichtige Richtlinienvorgagen zur Öffentlichkeitsbeteiligung mit auf dem Weg gegeben, Art. 6 ff. Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABlEU 2012 Nr. L 26, S. 1 ff., durch welche die Richtlinie2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme, ABlEG 2003 Nr. L 56, S. 17 ff., geändert wurde, sowie Art. 5 ff. der Richtlinie 2011/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Projekte, ABlEG 2001 Nr. L 197, S. 30 ff, Guckelberger, Das französische Gesetz Nr. 2012-1460 zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten, NVwZ 2013, 1196 - in der rechtlich unverbindlichen Erklärung von Rio über die Umwelt und Entwicklung aus dem Jahre 1992 heißt es u. a. im Grundsatz 10, dass Umweltfragen am besten auf entsprechender Ebene unter Beteiligung aller betroffenen Bürger behandelt werden.

13 Dass der Treibhauseffekt vom Menschen verursacht ist, kann nicht mehr ernsthaft angezweifelt werden. Der neue Klimareport der Vereinten Nationen signalisiert ein umweltpolitisches Desaster: Statt der im Kyoto-Protokoll angestrebten Verminderung der Treibhausgase geht die Weltorganisation bis 2012 von einem Anstieg der Emissionen um 17 Prozent aus. In ihrem Essay argumentieren Charlotte und Michael Wehrspaun, dass das viel zitierte Leitbild der "Nachhaltigen Entwicklung" eine neue Art der Fortschrittsorientierung impliziert. Martin Jänicke bricht eine Lanze für die problemlösende Kraft nationaler Regelungen. Dennis Tänzler und Alexander Carius zeigen, wie klima- und energiepolitische Vorreiter unter den amerikanischen Bundesstaaten für eine Belebung des transatlantischen Klimadialogs sorgen können. Des Weiteren entwickelt Ottmar Edenhofer ein differenziertes Modell für eine nachhaltige Klima- und Energiepolitik, das wirtschaftliches Wachstum und Klimaschutz zugleich gewährleistet. Schwierigkeiten der Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips in nationales und supranationales Recht demonstrieren Walter Bückmann, Yeong Heui Lee und Udo E. Simonis. Ein Zwischenruf über die Umweltsituation in Ostdeutschland von Michael Zschiesche zeigt, dass hier eine Lernchance im Sinne des "think global, act local" verpasst worden ist, Aus Politik und Zeitgeschichte (B 27/2003). Eine neue Zukunft für den Fortschritt?, Wehrspaun, Aus Politik und Zeitgeschichte, B27/2003. Das viel zitierte Leitbild der "Nachhaltigen Entwicklung" impliziert eine neue Art der Fortschrittsorientierung. Eine solche Umorientierung muss viel stärker als bisher als kulturelles Projekt verstanden werden.

14 Groß, Welche Klimaschutzpflichten ergeben sich aus Art. 20 a GG, ZUR 2009, 364ff.

15 Bei Art. 20a GG handelt es sich um eine Staatszielbestimmung. Dies folgt zum einen aus der systematischen Stellung Nachbarschaft zu anderen Staatsziel- und Strukturprinzipien; vgl. Meyer-Teschendorf, ZRP 1994, 73, 77; Kloepfer, DVBl 1996, 74. Unter Staatszielbestimmungen versteht man Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung und der Folge, dass sie der staatlichen Tätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben unter Beachtung sachlich umschriebener Ziele vorschreibt. Sie gehen dadurch über Gesetzgebungsaufträge hinaus, als sie sich rechtlich verbindlich an alle Staatsorgane wenden, ohne allerdings unmittelbar oder mittelbar subjektive Recht zu begründen. Die systematische Stellung (und Nähe zu Art. 20 GG) unterstreicht die Bedeutung von Art. 20a GG als „Staatsfundamentalnorm“ bzw. „wertentscheidende Grundsatznorm“, Uhle, DÖV 1993, 951, 954. Dem Umweltschutz wird damit ausdrücklich der Rang zugeschrieben, der ihm gebührt, so Murswiek, NVwZ 1996, 223; er steht als Verfassungsprinzip nicht zur Disposition der Staatsorgane. Unterschiede sind allerdings insoweit festzustellen als Art. 20 a GG nicht dem Widerstandsrecht - Art. 20 Abs. 4 GG unterliegt; es gibt damit kein verfassungsrechtlich abgesichertes „ökologisches Widerstandsrecht“ Art. 79 Abs. 3 GG auf die Umweltstaatszielbestimmung keine Anwendung findet (vgl. Becker DVBl 1995, 716; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20a, RN 6. das Homogenitätsgebot in Art. 28 GG mangels ausdrücklicher Verantwortung neue Anwendung findet, Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20a, RN 6. Andererseits nimmt Art. 20a GG am Staat, d.h. auch die Länder in die Pflicht - „der Staat ... schützt“. Das „Umweltstaatsziel“ enthält keine subjektiv-rechtlichen Ansätze, also weder Berechtigung noch Verpflichtung des Bürgers. Der Verfassungsgeber wollte kein Umweltgrundrecht schaffen, vgl. ausführlich zur Vorgeschichte - Hennecke, NuR 1995, 327f; Kloepfer, DVBl 1996, 74. Deshalb kann Art. 20a GG auch nicht als Recht auf eine intakte Umwelt verstanden werden, Vogel, DVBl 1994, 499. Dafür spricht auch die systematische Einordnung im zweiten Abschnitt des Grundgesetzes.

16 Die zentrale Norm des nationalen Umweltverfassungsrechts ist Art. 20 a GG. Danach „schützt [der Staat] auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Mit Einfügung dieser Norm in das Grundgesetz im Jahr 1994 wurde der Umweltschutz in den Rang eines Staatsziels gehoben und an prominenter Stelle hinter den Strukturprinzipien der Verfassung in Art. 20 GG eingefügt. Art. 20 a GG unterstreicht seine existenzielle Bedeutung durch den Regelungszusammenhang mit den bedeutenden Staatsstruktur- und fundamentalen Organisationsprinzipien und gewährleistet, dass Umweltgüter wie Wasser, Luft und Pflanzen, die auf Grund der grundrechtlichen Schutzpflichtendogmatik bis dahin nur mittelbar durch das Grundgesetz geschützt wurden, von der Verfassung als wesentliche Schutzobjekte erfasst werden, vgl. Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, 1998, S. 81 und 83; Voßkuhle, Umweltschutz und Grundgesetz, NVwZ 2013, 4. Das Umweltstaatsziel ist gestaltungsoffen - in seinen Ausführungen zu Art. 20 a GG skizzierte das BVerfG den gesetzgeberischen Handlungsspielraum auf dem Gebiet des Klimaschutzes: Grundsätzlich steht dem Gesetzgeber demnach bei dem Erlass geeigneter Umweltschutzvorschriften zur Umsetzung des in Art. 20 a GG enthaltenen Auftrags ein (angemessen) weiter Gestaltungsspielraum zu. Allerdings ist der Gesetzgeber gerade in Bezug auf das Nachhaltigkeitsprinzip gehalten, weitere Reduktionen beim Treibhausgasausstoß zu erreichen, BVerfGE 118, 79, 110 = NVwZ 2007, 937, mit Anm. Murswiek, 2007, 1052; vgl. Weiß, Grundrechtsschutz durch den EuGH: Tendenzen seit Lissabon, EuZW 2013, 287 - das Inkrafttreten der EU-Grundrechtecharta begründete die Erwartung eines verbesserten Grundrechtsschutzes. Der Begriff der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein auszulegender Rechtsbegriff, dessen Inhalt nicht durch Rekurs auf den einfach-gesetzlichen Stand des Umweltrechts bestimmt werden kann, Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 107). Er erfasst Menschen, Tiere und Pflanzen „in ihrem Wirkungsgefüge“, BVerfG, Urt. v. 24. 11. 2010, 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, 1, 65, also insbesondere (obschon nicht notwendigerweise) in ihren Lebensräumen, Ekardt, Praktische Probleme des Staatsziels Umweltschutz in Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung, SächsVBl 1998, 51; ders., Schutzpflichten, Abwägungsregeln, Mindeststandards und Drittschutz, in: Schlacke (Hrsg.), Umwelt- und Planungsrecht im Wandel, 2010, 27,; Murswiek, in: Sachs, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 20 a RN 30. Auch das Klima gehört richtigerweise zu diesen Schutzgegenständen (siehe BVerfG, Beschl. v. 13. 3. 2007, 1 BvF 1/05, BVerfGE 118, 79, 110; BVerwG, Urt. v. 25. 1. 2006, 8 C 13.05, BVerwGE 125, 68, 71; Groß, Welche Klimaschutzpflichten ergeben sich aus Art. 20 a GG?,366 f.; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art. 20 a RN 3; Murswiek, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 a RN 30, ebenso die Atmosphäre, Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. II, 2. Aufl. 2006, Art. 20 a RN 32. Geschützt ist nicht der einzelne Organismus als solcher bzw. das einzelne Biotop als solches, sondern seine ökofunktionale Bedeutung, Jarass, ebd., Art. 20 a RN 3; vgl. Berg, Nachhaltigkeit und Umweltstaat, in: Kahl (Hrsg.), Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 2008, S. 1; Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen: Das Verhältnis von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG zu Art. 20 a GG, 2008; Erbguth/Schlacke, Umweltverfassungsrecht – eine Einführung, Jura 2009, 431; Steinberg, Verfassungsrechtlicher Umweltschutz durch Grundrechte und Staatszielbestimmung, NJW 1996, 1985; Uhle, Das Staatsziel Umweltschutz, DÖV 1993, 947; ders., Das Staatsziel „Umweltschutz“ und das Sozialstaatsprinzip im verfassungsrechtlichen Vergleich, JuS 1996, 96; Voßkuhle, Umweltschutz und Grundgesetz, NVwZ 2013, 1; Waechter, Umweltschutz als Staatsziel, NuR 1996, 321.

17 Callies, Integrierter Umweltschutz, DVBl 2010, 1 - Der Begriff des integrierten Umweltschutzes findet seinen Ursprung im vorsorgeorientierten europäischen Umweltrecht, Röckinghausen, Integrierter Umweltschutz im EG-Recht, 1998, S. 49 ff.; Zöttl, Integrierter Umweltschutz in der neuesten Rechtsentwicklung, 1998, S. 86 ff.; Calliess , Verwaltungsorganisationsrechtliche Konsequenzen des integrierten Umweltschutzes, in: Ruffert (Hrsg.), Recht und Organisation, 2003, S. 73 , hat aber auch im Umweltvölkerrecht inzwischen Fuß gefasst, Fritz , Integrierter Umweltschutz im Völkerrecht, 2009, S. 72 ff.. Die projektbezogene UVP-Richtlinie von 1985 hat mit ihrem medienübergreifenden, umfassenden und die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Umweltmedien erfassenden Ansatz, Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. 1985 L 175/40., vgl. Schwab, Aktuelles Handbuch der Luftreinhaltung, sowie dann die IVU-Richtlinie von 1996 mit ihrem „integrierten Konzept“ für die Genehmigung von Anlagen, Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. 9. 1996 über die integrierte Verminderung und Vermeidung der Umweltverschmutzung, ABl. 1996 L 257/26., Elemente eines integrierten Umweltschutzes normiert. Die Richtlinie über die strategische Umweltprüfung (SUP oder auch Plan-UVP, Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 7. 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl. 2001 L 197/30, die die projektbezogene UVP ergänzend auf vorgelagerte Pläne und Programme ausdehnt, versteht sich nicht nur von ihrer inhaltlichen Konzeption her, sondern auch nach ihrem Anhang I lit. f) als Teil des integrierten Umweltschutzes, Schröder , in: Erbguth (Hrsg.), Europäisierung des nationalen Umweltrechts: Stand und Perspektiven, 2001, S. 29; Calliess , in: Hendler (Hrsg.), Die strategische Umweltprüfung (sog. Plan-UVP) als neues Instrument des Umweltrechts, UTR Band 76, 2004, S. 153 ff. Bei der integrativen Betrachtung geht es primär um die Vermeidung von Kumulations- bzw. Summationseffekten (additive Umweltbelastung durch Neubelastung einer neu zu errichtenden Anlage). Ferner sollen Verlagerungseffekte vermieden werden, vgl. Sellner, in: Rengeling (Hrsg.), Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, 1996, S. 95; Steinberg, NuR 1999, 194. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist zu entscheiden, welche Variante die für die Umwelt insgesamt günstigere Option darstellt. Dies ist problematisch, wenn in beiden Varianten sämtliche medienbezogenen Grenzwerte eingehalten werden, etwa bei der Verbrennung von Klärschlamm oder Ausbringung von in Kammerfilterpressen getrocknetem Klärschlamm in der Landwirtschaft. Schließlich geht es um die Vermeidung von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Umweltgütern, Entnahme von Flusswasser zur Kühlung eines Kraftwerkes und Wiedereinleitung des erwärmten Wassers. Die erhöhte Wassertemperatur kann zum Absterben bestimmter Kleinstlebewesen in den Flachwasserbereichen führen. Prägendes Leitbild und Handlungskriterium ist die bereits erwähnte UVP-Richtlinie. Indem nach Art. 3 UVP-RL (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG) alle Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen ermittelt, beschrieben und bewertet werden sollen, wird ein gesamthaft-medienübergreifender und damit integrativer Ansatz im Umweltschutz verfolgt, der über die herkömmliche, nach Umweltmedien getrennte sektorale Prüfung hinausgeht. Die IVU-Richtlinie unterstützt diesen gesamthaften Ansatz und trägt den Gedanken des integrierten Umweltschutzes in das gesamte Anlagenzulassungsrecht hinein, indem sie die Anlagengenehmigung im Bereich der Industrie (vgl. Anhang I der IVU-Richtlinie) umfassend am von ihr verfolgten „integrierten Konzept“ ausrichtet (vgl. Art. 2, 3 und 8–10 der IVU-Richtlinie).

18 Die Ausweitung der Perspektive von Recht/ Moral/Politik in intergenerationeller und globaler Hinsicht ist hiernach die Kernintention von Nachhaltigkeit: „Sustainable development is development that meets the needs of the presentwithout compromising the ability of future generations to meet their own needs.” Dass global betrachtet die einen vor lauter Wohlstand ihre Lebensgrundlagen zerstören, während viele andere gleichzeitig verhungern, sollte mit der Brundtland-Kommission der UN miteinander in Verbindung gebracht und gemeinsam angegangen werden, Felix Ekardt, Nachhaltigkeit und Recht, 2009, S. 1.

19 Ein aus 35 Wörtern bestehender Satz, ohne Satzzeichen, dem der politische Kompromiss anhaftet. Dies erkennen auch die Mitglieder der Verfassungskommission (vgl. Vogel, DVBl 1994, 499); die Kompromissformulierung sei gewunden und überladen mit verfassungsrechtlichen Selbstverständlichkeiten, vgl. auch Jahn DVBl 1994, 184 - die Einordnung in die verfassungsmäßige Ordnung [unter Zugrundelegung des Begriffsinhalts aus Art. 20 Abs. 3 GG] bedeute die prinzipielle Gleichordnung des Umweltschutzes mit anderen Verfassungsprinzipien und Verfassungsrechtsgütern.

20 Ethische Grundlage unserer Gesellschaftsordnung ist das Bemühen um das Wohlergehen des Menschen. Daraus folgt die Pflicht für den Staat, die biologisch-physischen Lebensgrundlagen des Menschen zu schützen und für die Menschheit, d. h. künftige Generationen zu sichern. Dieser Sicherungsauftrag in Verantwortung für künftige Generationen, Kloepfer, DVBl 1996, 77 spricht vom „ökologischen Vorsichtsprinzip“) verpflichtet den Staat zum Einschreiten, wenn der Mensch heute die natürlichen Lebensgrundlagen beeinträchtigt oder zerstört, denn die Erhaltung einer möglichst intakten Umwelt, die Sicherung der natürlichen Ressourcen und Erhaltung einer Artenvielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt ist mit der Staatszielbestimmung Umweltschutz eine fundamentale Staatsaufgabe geworden, vgl. Schwab, Umweltschutz als gesellschaftliches Ziel - Vorsorge als Leitprinzip?, 2009, S. 4.

21 Vgl. Hoffmann-Riem, Die Verwaltung, 1995, 425 f.

22 Die freiheitliche demokratische Ordnung setzt für ihr Funktionieren als Grundbedingung Verlässlichkeit bezüglich des Bestandes und ihres Inhalt voraus, Kahl, RN 1. Vertrauen, das im allgemeinen Sprachgebrauch ein festes Überzeugt-sein von der Verlässlichkeit einer Person oder Sache nennt und aus Sozialwissenschaftlicher Sicht in den "bewusst riskierten" Verzicht auf mögliche weitere Informationen zum Ausdruck kommt, steht für ein Spannungsverhältnis zwischen Individualfreiheit und Stabilitätserwartungen an das Recht einerseits und Anpassungsflexibilität und Innovationsoffenheit des Rechts andererseits. Der rechtsunterworfene Bürger soll nicht durch eine rückwirkende Beseitigung erworbener Recht in seinem Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht werden. Veränderungsdynamik, Diversität und gesellschaftlicher Wandel erfordern eine Begrenzung des Vertrauens. Vertrauen als verfassungsrechtliche Größe wird aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit hergeleitet.

23 Das Zertifikatehandelssystem, das die Treibhausgasemissionen der größten Einzelverursacher als Ansatzpunkt für Reduktionsbestrebungen wählt und die Kosteneffizienz des Vorgehens gewährleisten soll, limitiert die absoluten Emissionen der ihm unterfallenden Anlagen. Treibhausgasemissionen müssen durch entsprechende Berechtigungen abgedeckt werden, Küll, Grundrechtliche Probleme der Allokation von CO2-Zertifikaten, 3f. Burgi/ Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten (2007), S. 51 ff., betonen, dass es sich hierbei nicht um ein Bewirtschaftungssystem handelt, und verwenden als Gegenbegriff den des „Handelssystems“.

24 Von Bubnoff, Der Schutz künftiger Generationen im deutschen Umweltrecht, 2001, 65f. Die Verantwortung für künftige Generationen wird auf nationaler wie internationaler Ebene vor allem in den letzten zehn Jahren als eines der zentralen Anliegen des Umweltschutzes genannt. Die kommenden Generationen sind als Schutzgut außerdem in das Recht der Europäischen Union sowie in das Völkerrecht aufgenommen. Dieses hat zum Ziel, die aktuellen wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Bedürfnisse und Entwicklungen in Einklang zu bringen mit einer langfristigen Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen als Bedingung einer dauerhaften menschlichen Existenz. Die Schutzpflicht des Staates für das Leben und die Gesundheit seiner Bürger gebietet die Einrichtung einer Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle, denn die Ungewissheit um die tatsächlichen Auswirkungen lässt sich weder kontrollieren noch kompensieren. Risiken können nur geschätzt werden. Nichthandeln wäre deshalb vor allem gegenüber den nachfolgenden Generationen unverantwortlich. Der Generationengedanke, der eng mit dem Nachhaltigkeitsgedanken verknüpft ist, findet sich in vielen modernen Umweltgesetzen, so etwa im japanischen Environmental Impact Assessment Act (Law Nr. 8111997, vgl. dort Art. 1: "to ensure that present and future generations of this nations people enjoy healthy and culturally rewarding lives"). Vorsorge muss als systematischer Umgang mit der Problematik von Unsicherheit und Risikobeherrschung die mögliche Wirklichkeit in ihr Planen und Handeln einbeziehen. Wollenteit, Vom Ende des Restrisikos, ZUR 2013, 323 - Besonders engagiert wird dabei darum gestritten, ob der beschleunigte Atomausstieg die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) verletzt. Das Meinungsspektrum reicht hier von der Annahme, dass das Eigentumsgrundrecht überhaupt nicht einschlägig ist, Wallrabenstein, Die Verfassungsmäßigkeit des jüngsten Atomausstiegs, HFR 11/HFR 108, S. 113, RN 20; Ziehm, Atomausstieg und Energiewende, ZNER 2012, 22, bis hin zu der Aufforderung, das Bundesverfassungsgericht möge vor dem Hintergrund der Verfassungsbeschwerden seine jüngere Rechtsprechung zum Enteignungsbegriff, in der die Enteignung prinzipiell als Güterbeschaffungsvorgang konzipiert wird, grundsätzlich überprüfen Schwarz, "Güterbeschaffung" als notwendiges Element des Enteignungsbegriffes?, DVBl 2013, 133; Kloepfer, 13. Atomgesetznovelle und Grundrechte, DVBl. 2011, 1437; Bruch/Greve, Atomausstieg 2011 als Verletzung der Grundrechte der Kernkraftwerksbetreiber?, DÖV 2011, S. 794 - anders als Art. 12 Abs. 1 GG schützt Art. 14 Abs. 1 GG objektbezogen nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern. Art. 14 GG enthält keinen übergreifenden Schutz ökonomisch sinnvoller, erhoffter oder erwarteter, rentabler Eigentumsnutzung. Die atomrechtliche Anlagengenehmigung folgt weder aus dem Grundeigentum noch wurde sie durch eigene Arbeit oder Kapitaleinsatz erworben, sodass der Eigentumsschutz mithin nicht eingreift, Roßnagel, Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines Gesetzes zur Beendigung der Kernenergienutzung, in: ders./Gerhard Roller, Die Beendigung der Kernenergienutzung durch Gesetz, 1998, 33; str. Schmidt-Preuß, Rechtsfragen des Ausstiegs aus der Kernenergie, 2000, S. 55; ders., Atomausstieg und Eigentum, NJW 2000, 1524. Die grundrechtliche Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber dazu, die Gefahr von Grundrechtsverletzungen soweit objektiv voraussehbar wirksam zu begrenzen (ex – ante Prognose). Der Gesetzgeber hat eine Beobachtungspflicht hinsichtlich sich wandelnder Gefährdungslagen, um gegebenenfalls einen dynamischen Grundrechtsschutz sicherzustellen, der sich auch in der Anpassung von rechtlichen Regelungen konkretisieren kann. Die Neubewertung des Gefahrenpotentials der Kerntechnologie ist durch die Ereignisse in Fukushima veranlasst und nicht völlig lebensfremd und willkürlich.

25 Murswiek, NVwZ 1996, 225.

26 Hoffmann-Riem, GewArch 1996, 1.

27 Die Verfassung formt, prägt und gewährleistet die staatliche Rechtsschutzgewährleistung, Stern, Idee und Elemente eines Systems der Grundrechte, in Handbuch des Staatsrechts, Band 8, § 185 RN 111. „Die menschenrechtliche Idee der Freiheit wurzelt in der unantastbaren Würde des Menschen“ – (Paul Kirchhof). Aufgabe des Staates ist es Recht zu setzen und so die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und zu schützen. Der Staat nimmt damit eine Doppelrolle ein. Er ist bei seinem Handeln an Genugtuung und Entschädigung verpflichtet. Die für das Heer- und Seewesen erforderlichen Modifikationen dieser Bestimmungen werden besonderen Gesetzen vorbehalten(vgl. BVerfGE 50, 290, 337; vgl. Antoni, in Hömig, GG, Art. 1 GG, RN 3 – Abwehrrechte gegen den Staat. Ihr primäres Ziel ist es, die Freiheitssphäre des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt zu sichern. Der Grundrechtsteil in seiner jeweiligen Ausprägung, dies ergibt sich auch aus Art 79 Abs. 3 GG, der nur die Art. 1 und 20 GG jeglicher Verfassungsänderung entzog, Doehring, S. 266. Die Grundrechte schützen aber nicht vor jeder Einwirkung des Staates, Jarass, Vorbemerkung vor Art. 1 GG, RN 22. Berührt ein Verhalten mehrere Grundrechte, gilt grundsätzlich der Grundsatz („Lex specialis“). Entscheidend ist, welches Grundrecht die stärkere tatsächliche Beziehung zum die Grundrechte gebunden und schützt gleichzeitig deren Verwirklichung. Die Grundrechte müssen das Gesetz regieren“. Die Grundrechte binden alle Staatsgewalten Art. 1 Abs. 3 GG, d. h. auch der Gesetzgeber darf die Grundrechte bei seiner Tätigkeit nicht außer Acht lassen. Aus dem Inhalt der Grundrechte können sich auch für ihn inhaltliche Begrenzungen ergeben. Demzufolge ist ein Gesetz, das Grundrechte verletzt, verfassungswidrig. Die Grundrechte sind aber nicht nur Abwehrrechte, sie verpflichten den Staat darüber hinaus, die Voraussetzungen individueller Freiheitsentfaltung schützend zu gestalten und zu verteidigen und sich so schützend für die Freiheit des Einzelnen einzusetzen. In einem komplexen, arbeitsteilig organisierten und von vielfältigen existenziell bedeutsamen Abhängigkeiten geprägten Gemeinwesen ist die nachhaltige staatliche Freiheitsvorsorge unerlässlich, soll lebendige Freiheit gelingen. Das führt zielsicher auf das Feld der Abwägungen zwischen Gemeinwohlbildungen und konkurrierenden Freiheitsinteressen. Menschenrechtliche Freiheit ist gleiche Freiheit. Die grundgesetzliche Gewährleistung der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz tritt verstärkend hinzu. Freiheit führt zu Unterschiedlichkeit, denn Freiheitsangebote können, müssen aber nicht wahrgenommen werden. Freiheit bedeutet auch Verantwortung für die Folgen des Handelns oder Unterlassens. Der Staat wird allerdings die aus Freiheit erwachsenen Unterschiede nur dann zum Anknüpfungspunkt für ausgleichende Regelungen nehmen, wenn und soweit dies zum Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsvoraussetzungen zwingend geboten erscheint Wie die private Freiheit, ist auch die politische Freiheit im Handeln und Denken eine Freiheit des Einzelnen. Das Gleichgewicht zwischen Demokratie und Rechtsstaat, zwischen privater und politischer Freiheit zu erhalten/gestalten, ist eine stetige Aufgabe der Organe des demokratischen Verfassungsstaats, Kube, in Leitgedanken des Rechts, Festschrift für Paul Kirchhof, 2013, Grundrechte und Demokratie, § 17, S. 186; Schwab, Die Grundrechte – Eine Einführung, ODWW 2013, Artikel 561. Als subjektive Rechte stellen die Grundrechte insbesondere Abwehrrechte und Leistungsrechte dar. Sie gewährleisten die Freiheit des Bürgers vom Staat. Das BVerfG sieht in den Grundrechten in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, 2011, S. 5. Grundrechte können auch Verfahrens- und Organisationsrechte darstellen. Aus den Verfahrensgrundrechten (Art. 19 Abs. 4 GG, 101 Abs. 1 GG, 103 Abs. 1 und Art. 104 GG) können sich Rechtsfolgen für die Organisation und das Verfahren staatlicher Organisationen ergeben. Das BVerfG entnimmt auch den materiellen Grundrechten einen verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalt.

28 Die Staatszielbestimmung Umweltschutz in Art. 20a GG bindet nicht allein den Bund, sondern ist allgemein auf den Staat und damit auf beide Ebenen der Staatlichkeit, also Bund und Länder, bezogen. Scholz, in Maunz/Dürig, Art. 20a RN 44. Liegt eine echte Normenkollision vor, sind demnach die aus dem Bundesrecht und dem Landesrecht jeweils folgenden Normbefehle miteinander unvereinbar, da sie unmöglich gleichzeitig befolgt werden können. Art. 31 GG führt zu einer Verdrängung der landesverfassungsrechtlichen Norm, März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, Art. 31 RN 88.

29 Der Rechtsstaat als "Schleusenbegriff" ist inhaltlich keine vorgegebene Gewissheit, ermöglicht keine klare Ableitung, sondern kann nur in hermeneutischen Zirkeln laufend ermittelt werden. Der Demokratische Staat ist kein Effizienzstaat, denn undemokratische Lösungen dürfen vielmehr effizienter sein. Kennzeichnend für die Demokratie ist die geistige Auseinandersetzung - der stete Kampf der Wertungen und Interessen - um die beste Lösung eines Problems, die niemals von vornherein deutlich feststeht, Kischel, Rationalität und Begründung, in Leitgedanken des Rechts, Festschrift für Paul Kirchhof, 2013, § 34, RN 17. Mit Paul Kirchhof, Recht unter der Voraussetzung der Unbegründbarkeit?, Festschrift für G. Ress zum 70. Geburtstag, 2005, 14449, 1459, - Recht ist niemals nur in Sprache ausgedrückte Wirklichkeit, sondern willentlich geformte Realitätsgerechtigkeit, oft auch lediglich gesetzgeberische Dezession. Rationalität im Sinne von Nachvollziehbarkeit und Vernünftigkeit findet in vielen Einzelforderungen an die Staatsgewalten seinen legitimen Ausdruck, Kischel, a.a.O. RN 22.

30 Der Schutz der Umwelt durch geeignete staatliche Maßnahmen muss vor allem folgende Zielsetzungen beachten: Vermeidung von gegenwärtigen und künftigen Umweltgefahren im Sinne einer Gefahrenabwehr, Gefahren- und Risikovorsorge sowie Beseitigung eingetretener Umweltschäden. Die Erkenntnis, dass der Mensch ohne Umweltnutzung und damit auch ohne Umweltbelastung nicht existieren kann (z. B. jede Form der Rohstoffgewinnung, der Güter- und Energieproduktion hat - negative - Umweltauswirkungen), die Umweltressourcen zugleich aber begrenzt sind, macht es unerlässlich, zum Wohle der Umwelt und des Menschen gleichermaßen die widerstreitenden ökonomischen, sozialen und ökologischen Interessen und Bedürfnisse, bezogen auf die Umwelt, optimal auszugleichen. Das bisher medienbezogene Umweltrecht in Fachgesetzen (Luft, Wasser, Boden) muss stärker integrativ ausgerichtet werden, d.h. es sollen medienübergreifend mögliche Auswirkungen auf andere Umweltgüter einbezogen werden. Dabei muss die Einführung marktwirtschaftliche Regelungen, die geeignet sind, die Eigenverantwortung der Unternehmen im Umweltschutz zu stärken und Anreize für einen ressourcenschonenderen Umgang mit Umweltgütern zu schaffen, effektiver gestaltet werden.

31 NVwZ 1996, 225.

32 Die Wechselwirkung zwischen Staatszielbestimmungen und Grundrechten ist insbesondere für schrankenlos eingeräumte Grundrechte von Bedeutung. Auch die unbeschränkten Grundrechte unterliegen immanenten Grundrechtsschranken. Die Einschätzung der Auswirkungen auf die Grundrechte liegt weit auseinander; sie reicht von der Einordnung des Art. 20a GG als ökologische Grundrechtsschranke, Kuhlmann, NuR 1995, 9, einer objektiv-rechtlichen Verstärkung der Grundrechte, Jarass-Pieroth, Art. 20a GG, RN 6, bis hin zur Feststellung, dass jedenfalls kein genereller Umweltvorbehalt, so Ossenbühl, NuR 1996, 57, geschaffen wurde. Ossenbühl begründet dies mit der objektiv-rechtlichen Wirkung des Staatsziels und der demokratischen Legitimation des Gesetzgebers zur konkreten Umsetzung. Mit Murswiek, NVwZ 1996, 224, wird man feststellen können, dass mit der Neuschaffung des Staatsziels Umweltschutz die bisherigen grundrechtlichen Schutzpflichten nicht abgeschwächt werden.

33 Der Begriff Nachhaltigkeit – englisch sustainability – umschreibt als Grundidee, dass Menschen auf diesem Planeten so leben sollten, dass „... die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt (werden), ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Hauff 1987). Die Vision der Nachhaltigkeit enthält neben der ökologischen auch eine soziale und eine ökonomische Dimension. Eine nachhaltige Entwicklung wird nicht nur „ökologisch verträglich“ sein, sie ist auch in der Lage, den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft und zwischen den Nationen zu fördern und die ökonomischen Grundlagen des Wohlstandes heutiger und künftiger Generationen zu sichern. Die Vision der Nachhaltigkeit überwindet also eine einseitige, nur umweltschutzbezogene Betrachtung und Bewertung von Entwicklungen und berücksichtigt gleichermaßen soziale und ökonomische Zielsetzunge, vgl. Meyer, Wie muss die Wirtschaft umgebaut werden, S. 28. Durch eine geschickte Kombination ökonomischer und ordnungsrechtlicher Instrumente ist eine nachhaltigere Entwicklung möglich.

34 Da Umweltschutzpolitik im europäischen Binnenmarkt nicht übergreifend nachhaltig und effektiv als isolierte Politik umgesetzt werden kann, wurde der besondere Stellenwert des Umweltschutzes europarechtlich hervorgehoben. Die Gemeinschaftsorgane sind verpflichtet, bei Maßnahmen in anderen Politikbereichen die Erfordernisse des Umweltschutzes einzubeziehen und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Dies bedeutet, dass die umweltpolitischen Ziele und Handlungsgrundsätze zu berücksichtigen und mit den anderen politischen Zielen und Interessen abzuwägen sind. Die Umweltpolitik der Gemeinschaft trägt zur Verfolgung der nachstehenden Ziele bei Art. 191AEUV: Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität. Schutz der menschlichen Gesundheit. umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen. Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme. Die Umweltpolitik der Gemeinschaft zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau ab. Die Umweltpolitik beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip. Es besteht kein Rangverhältnis der politischen Ziele, so dass der Umweltschutz nicht vorrangig verwirklicht werden muss. Umweltschutzbelange prägen aber den Inhalt anderer Sektorpolitiken, vgl. Breier, Die Bedeutung der Umweltschutzrechtlichen Querschnittsklausel, NuR 1992, 174; Callies, Die neue Querschnittsklausel des Art. 6 EGV als Instrument zur Umsetzung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung, DVBl 1998, 559ff. Die – inzwischen verbindliche zur – Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält in Art. GRCh zwar kein „echtes“ Umweltgrundrecht, aber immerhin eine staatszielartige Bestimmung. Danach müssen ein „hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität (…) in die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden“. Voßkuhle, Umweltschutz und Grundgesetz, NVwZ 2013, 1; Calliess, in: ders./Ruffert, Art. 37 GrCh RN 4; Jarass, Der neue Grundsatz des Umweltschutzes im primären EU-Recht, ZUR 2011, 563 - auch die umfangreichen Gehalte der Aufgabenregelung des Art. 191 AEUV sind bei der Auslegung des Art. 37 GRCh zu berücksichtigen. Relevant ist des Weiteren die zu dieser Vorschrift (bzw. zur Vorgängerregelung) ergangene Rechtsprechung des EuGH, nach der der Umweltschutz zu den wesentlichen Aufgaben der Union gehört; EuGH, Rs. 195/90 – Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I- 3141 RN 29. Diese Regelungen fördern insbesondere die umweltfreundliche Auslegung von Normen des EU-Rechts bzw. des nationalen Umsetzungsrechts. Soweit sich Umweltbeeinträchtigungen negativ auf die körperliche und geistige Unversehrtheit auswirken können, kann das Grundrecht auf Schutz der Unversehrtheit in Art. 3 GRCh Schutzwirkung entfalten. Das Umweltstaatsziel ist gestaltungsoffen - in seinen Ausführungen zu Art. 20 a GG skizzierte das BVerfG den gesetzgeberischen Handlungsspielraum auf dem Gebiet des Klimaschutzes: Grundsätzlich steht dem Gesetzgeber demnach bei dem Erlass geeigneter Umweltschutzvorschriften zur Umsetzung des in Art. 20 a GG enthaltenen Auftrags ein (angemessen) weiter Gestaltungsspielraum zu. Allerdings ist der Gesetzgeber gerade in Bezug auf das Nachhaltigkeitsprinzip gehalten, weitere Reduktionen beim Treibhausgasausstoß zu erreichen, BVerfGE 118, 79, 110 = NVwZ 2007, 937, mit Anm. Murswiek, 2007, 1052; vgl. Weiß, Grundrechtsschutz durch den EuGH: Tendenzen seit Lissabon, EuZW 2013, 287 - das Inkrafttreten der EU-Grundrechtecharta begründete die Erwartung eines verbesserten Grundrechtsschutzes.

35 Die Offenheit der individuellen Entwicklungsprozesse wird in einer offenen Gesellschaft gefördert. Eine Pluralisierung der Lebenswelten ermöglicht hohe individuelle Freiheit. Das eigene Leben im sozialen Mehrgenerationenhaus wird offener und natürlich freier. Gesellschaftliche Dynamisierungsprozesse ermöglichen den Individuen eine stärkere Individualisierung. Individualisierung ist kein Zwang, sondern ein autonomer, willensgesteuerter Prozess des Ich-Selbst-werdens unter Berücksichtigung des Wechsels der Präferenzen und Lebensphasen und unter dauernder Abstimmung mit anderen. Das Denken und Leben in gesicherter Freiheit, frei von staatlichen und gesellschaftlichen Zwängen ermöglicht und fördert eine ausgeprägte Individualisierung. Eine freie Gesellschaft entwickelt ein Individualisierungsklima. Das Individualisierungsklima hat Auswirkungen auf das Wertebewusstsein: wo in früheren Lebenszeitabschnitten Pflicht und Akzeptanzwerte das soziale Leben im sozialen Gemeinschaftshaus prägten, sind mit einer neugeordneten sozialen Wirklichkeit Selbstverwirklichung, Selbstbehauptung und Selbstgestaltung Wegweiser durch das Leben in der Gemeinschaft. Die Freiheit lockert soziale Sicherungen und schafft zumindest für kurze Zeit eine Orientierungslosigkeit im sozialen Haus, sodass manch einer der Bewohner der Hausgemeinschaft Angst vor der gelebten Freiheit bekommt. Die gelebte und verinnerlichte Freiheit ermöglicht das Wissen darum, dass das eigene Leben soziale Voraussetzungen und Bindungen benötigt, Siegfried Schwab, 2014

36 "Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts, Sören Kierkegaard)." Danke liebe Frau Binder, der Dank ist im Buch für die Nachwelt und in meinem Kopf für die Gegenwart. Tschüss bis morgen Der Jugend wird oft der Vorwurf gemacht, sie glaube, dass die Welt mit ihr erst anfange. Aber das Alter glaubt noch öfter, dass mit ihm die Welt aufhöre. (Christian Friedrich Hebbel) Das Gemeinwohl darf beim Wirtschaften und dem „radikalen Marktgeschehen“ nicht gänzlich aus den Augen verloren gehen. Ein bedachter und aufmerksamer Blick auf das Gemeinwohl ist auch ein Blick auf das Ganze der Gesellschaft. Eine Isolierung des “rein Wirtschaftlichen“ vergisst die „Ich-Sein-Wesen“ und ihre drängenden Bedürfnisse. Der materielle Lebensstandard ist ein zeitabhängiges und einem Wandel unterliegendes Phänomen, aber keine sichere Größe auf unbestimmte Zeit. Viele Faktoren fließen in die Lebensgestaltung des „Ich-Sein-Wesens“ mit ein. Die individuellen Bedürfnisse, die gesamtwirtschaftliche Lage und die beschäftigungspolitischen Verhältnisse [besteht ein „auskömmliches Normalarbeitsverhältnis“ oder lebt das „Ich-Sein-Wesen“ in Armut, in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen, ist es sozial eingegliedert oder ausgegrenzt und in der „Wir-WG“ abgehängt, wie verläuft die Kluft zwischen Arm und Reich – wird sie größer und wie ist die prognostizierte Entwicklung der sozialen Verhältnisse in „Zukunft gedacht“?]. Soziale Rahmenbedingungen und demografische Entwicklungen müssen bei einem Versuch das allgemeine „Gemeinwohlinteresse“ zu deuten, antizipiert und prognostisch erfasst werden, soweit es dem menschlichen Geist möglich ist. Das Glück des „Ich-Sein-Wesens“ darf nicht leichtfertig geopfert werden, es darf aber auch nicht zwanghaft einem wirtschaftlichen „individualisierten Gemeinwohlinteresse“ ausgesetzt werden. Das Primat der Politik muss steuern zwischen der Freiheit und dem Glück der „Ich-Sein-Wesen“ und den Notwendigkeiten, ein funktionierendes Wirtschaftssystem zu fördern oder korrigierend behutsam zu begleiten. Wirtschaftssysteme und politische Systeme unterliegen einem immerwährenden, dynamischen evolutiven Veränderungs- und Anpassungsprozess an die „Jetzt-Zeit-Bedingungen“. Wirtschaftliches Denken ist ein Denken in Zeiteinheiten und eine Zukunftserwartungen einplanende Wirklichkeitsbewältigung. Utopie von heute können Wirklichkeiten von Morgen werden, aber Wirklichkeiten von heute können durch sozial-strukturelle Veränderungen oder geopolitische Ereignisse morgen schon überholt sein. Perspektivisches Denken, hoffnungsvolles Planen im Heute, kann zerrinnen wie der Sand in einer Sanduhr. Wer hätte im Jahre 2000 ernsthaft erwartet, dass es kriegerische Konflikte im Nahen Osten oder im Balkan und letztlich in Syrien geben würde? Hoffnungen wurden begründet durch familienpolitische Leistungen, dass man der Vergreisung der Gesellschaft würde entgegensteuern können, dass der Lebensbaum eine bessere Verteilung der Lebensphasenabschnitte abbilden würde. Wagt man heute eine Prognose auf die soziale Situation der jungen Triebe des Lebensbaums im Morgen, dann muss man mit Ernüchterung festhalten, dass die Generativität der jungen „Ich-Sein-Wesen“ von Heute unsichere soziale Verhältnisse im Morgen befürchten lässt. Eine unbequeme Wahrheit, die man in der Rückschau überprüfen kann. Im Jetzt klammert man sich an die Hoffnung, dass das prognostische Wissen von Heute sich im Morgen als übertriebene Vorsicht erweisen möge. Die Befürchtung, es könne soziale Spannungen zwischen den „Ich-Sein-Wesen“ aus den unterschiedlichen Lebensphasenabschnitten ergeben, die sich eruptiv entladen, verdrängt man oft leichtfertig in der Hoffnung der Nichtrealisierung. Aber glauben ist nicht wissen und die Hoffnung stirbt zuletzt. "Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts, Sören Kierkegaard)." Eine der postmodernen Gesellschaft und ihrer Wirklichkeit gerecht werdende Sozial-, Rechts- und Wirtschaftsordnung muss stabile Anker und feste Orientierungspunkte für eine weitestgehend offene Gesellschaft aufweisen, sonst droht im Chaos die Wirklichkeit zu ersticken. Das Gewaltmonopol des Staates und ein verlässlich funktionierender Rechtsstaat und die Orientierung der “Offenen Gesellschaft“ in Sinne Karl Poppers am Prinzip des bedachten, verantwortbaren, schrittweisen, aufeinander aufbauenden Fortschritts, der mit den Bedürfnissen und Erwartungen der „Ich-Sein-Wesen“ zusammenhängend und sich auf Änderungen der Erwartungshaltungen (an)passend an die neuen Erwartungshaltungen und Bedürfnissituation politische Wirklichkeit werden kann, verhindert eine stillstehend, Veränderungen hinderliche und aufstauende Verfestigung, in Stein gemeißelte Zementierung der gegenwärtigen Verhältnisse und Zustände. Eine wettbewerbliche Marktwirtschaft mit sozialem Antlitz und eine weitreichende Freiheitsgewährleistung für die Wissenschaft sind Sicherungen für eine bewegliche und nicht auf eine „Jetzt-Sein-Orientierung“ der Gesellschaft. Der stabilisierende und ausgleichende Rahmen der Gesellschaft soll und kann dafür sorgen und sicherstellen, dass eigennützig gefällte Entscheidungen auch zugleich Gemeinwohlinteressen verfolgen. Eine auf Fortschritt ausgerichtete Gesellschaft darf und kann nicht auf das Prinzip der Mehrheitsentscheidung nicht verzichten. Gerade die plurale Meinungsbildung trägt der Vielfalt von Interessen und Bedürfnissen Rechnung und verhindert eine Zementierung eines erreichten Status quo. Die Verfassung als Logbuch der Vernunft steuert die individuelle Freiheitsgewährleistung durch absichernde Grundrechte und konstitutiven Verfahrensprinzipien. Das Habermas´sche Idealbild eines herrschaftsfreien Diskurses unter dem “eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Arguments´“ ist nicht in reiner Lehre zu verwirklichen. Es ist ein Element des Be- und Verharrens, der Stagnation und der Unbeweglichkeit durch lebensfremde Verwirklichung des Einstimmigkeitsprinzips, Siegfried Schwab, 1. Dezember 2014. Demut heißt den Platz einnehmen, der dem Wesen aus seinem So-sein heraus zukommt. Der Stein liegt wie der liegt. Der Baum wächst, wo er wächst. Der Mensch geht, wo er geht. Wenn er geht, wo er geht, kann er heute dort sein, wo der Stein liegt, morgen da, wo der Baum wächst und übermorgen hier und jetzt. Wen es sich im Gehen nicht in Gedanken verliert, ist im Wach sein alles gegenwärtig [Michael Depner]. Die Erkenntnis tötet das Handeln. Die Erkenntnis tötet das Handeln, zum Handeln gehört das Umschleiert-Sein durch die Illusion [Friedrich Nietzsche]. Klug handeln Der Mensch hat drei Möglichkeiten klug zu handeln: Erstens durch Nachdenken. Das ist die edelste. Zweitens durch Nachahmung. Das ist die leichteste- Drittens durch Erfahrung. Das ist die bitterste. [Konfuzius 551-479 v. Chr.]. Dasein ist Aufgabe Wenn man das Dasein als Aufgabe betrachtet, vermag man es immer zu ertragen. [Marie von Ebner-Eschenbach 1830-1916]. Das ist das Urgeheimnis alles Daseins, dass aus dem Tod Wieder Leben kommt und jedes leben, um zu dauern, sich immer wieder im Tod erneuern muss. [Albert Schweitzer 1875-1965]. Die Freiheit ist eigentlich ein Vermögen, alle willkürlichen Handlungen den Beweggründen der Vernunft unterzuordnen [Immanuel Kant]. Die größte aller Torheiten ist, seine Gesundheit aufzuopfern, für was es auch sei, für Erwerb, für Beförderung, für Gelehrsamkeit, für Ruhm, geschweige für Wollust und flüchtige Genüsse: Vielmehr soll man ihr alles nachsetzen [Arthur Schopenhauer]. Die zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet also nicht eine zunehmende allgemeine Kenntnis der Lebensbedingungen, unter denen man steht. Sondern sie bedeutet etwas anderes: das Wissen davon oder den Glauben daran: dass man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte, dass es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, dass man vielmehr alle Dinge im Prinzip – durch Berechnen beherrschen könne. Das aber bedeutet die Entzauberung der Welt [Max Weber 1864-1920]. Für den absoluten Bewegungscharakter der Welt gibt es sicher kein deutlicheres Symbol als das Geld [Georg Simmel 1858-1918]. Bedenke: Ein Stück des Weges liegt hinter dir, ein anderes Stück hast du noch vor dir. Wenn du verweilst, dann nur, um dich zu stärken, aber nicht um aufzugeben [Augustinus Aurelius 354-430 Bischof von Hippo, Philosoph]. Das Leben belohnt Mut mehr als Fügsamkeit, denn es ist Mut, wodurch es sich fortentwickelt. Unterordnung entspricht nicht dem Wesen des Lebens. Je nach Situation ist sie lediglich ein Kompromiss, um einen Schaden abzuwenden, der ohne Fügsamkeit nicht zu vermeiden wäre. Je bewusster sie dabei als taktisches Mittel angewendet wird, desto weniger schadet sie dem Leben [Michael Depner]. Die Nützlichkeit des Lebens liegt nicht in seiner Länge, sondern in seiner Anwendung [Michel de Montaigne 1533-1592]. Die Dankbarkeit ist eine Last, und jede Last will abgeschüttelt sein [Denis Diderot].

37 In der Klimapolitik ist in der „Sorge um das Sein“ und im Hinblick auf die unkalkulierbaren Gefahren, die vom Klimawandel ausgehen, ein Paradigmenwechsel zu beobachten. Die Souveränität des Marktes wird in Frage gestellt, da die Selbstverpflichtungen der Wirtschaft nicht den erhofften Erfolg gebracht haben. Wohlstandsruhe und Weltstillstand sind der Erkenntnis um Bedrohungen und Unsicherheit gewichen. Das Risiko mit seinen zwei Gesichtern, Chance und Gefahr wurde zum ständigen intellektuellen Begleiter dynamisierender Entwicklungen in der Gesellschaft. Das Risiko eröffnet eine Welt dies und jenseits einer klaren Unterscheidung von Wissen und Nichtwissen, wahr und falsch. Das Risiko hebt zwar nicht jede Form des Wissens auf. In der Kategorie des Risikos drückt sich aber der Umgang mit Ungewissheit aus, die heute oft nicht durch ein Mehr an Wissen überwunden werden kann, sondern aus einem Mehr an Wissen hervorgeht, so Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 22f. Das entdeckte Bewusstsein um die Grenzen der (Un)Kontrollierbarkeit hat eine nachhaltige Ungewissheit über die Alltäglichkeit der Risiken geschaffen, eine „kafkaeske tragische Individualisierung in der Weltrisikogesellschaft an der „Veralltäglichung“ der Katastrophe, Beck, a.a.O., S. 23.

38 Die Gerechtigkeit hat einen moralischen Rang, mit dem kaum ein anderer Begriff konkurrieren kann. Denn zum einen zeichnet sie sich durch etwas aus, das unsere Zeiten der Globalisierung willkommen heißen: Al ein Leitziel der Menschheit, das alle Kulturen eint, hat sie omnikulturelle Bedeutung. Zum anderen bildet sie im Rahmen der Sozialmoral jenen Teil, dessen Anerkennung die Menschheit einander schulden, dessen Verletzung daher Protest verdient und nach Veränderung verlangt. Zweifellos gebietet die Sozialmoral mehr, beispielsweise persönlich mitführend, großzügig und hilfsbereit, auch wohltätig zu verhalten. Eine zwangsbefugte Gesellschaftsordnung, ein Recht- und Staatswesen, gebietet aber im Wesentlichen nur, was die Menschen einander schulden, eben die Gerechtigkeit, diese aber kompromisslos, ohne dass sie etwa im Namen wirtschaftlichen Wohlergehens eingeschränkt werden dürfte. Wegen des überragenden Ranges setzen sich Politiker zu Recht für Gerechtigkeit ein, freilich mit der Gefahr dabei Missbrauch zu treiben. Weil die Gerechtigkeit den geschuldeten Anteil der Sozialmoral ausmacht, ist es nämlich politisch klug erstens Eigeninteressen zu Forderungen der Gerechtigkeit zu erhöhen, zweitens Gegenforderungen als ungerecht zu verunglimpfen und für gerechtfertigt zu erklären, was in Wahrheit zum verdienstlichen Mehr gehört, zu Mitgefühl, Nächstenliebe und Wohltätigkeit. Noch lieber als schlicht von Gerechtigkeit sprechen Politiker von sozialer Gerechtigkeit und erklären sie zum entscheidenden Kriterium demokratischer Politik. Dabei vergessen sie die ursprünglich und bis heute unverzichtbare Bedeutung. Gerechtigkeit besteht in der unparteilichen Durchsetzung des geltenden Rechts. Der Mensch muss die Fähigkeit, Überzeugungen zu bilden und ein eigenes Leben zu führen lernen. Er braucht Chancen, heute vor allem für eine hochentwickelte Bildung und Ausbildung. Qualifiziert man auch die dafür zuständige Gerechtigkeit als sozial, reicht sie über die soziale Frage weit hinaus. Die Arbeit erfordert Mühen, die mancher lieber scheut: die Investition eines rechtzeitigen Erwerbs von Berufsfähigkeiten, Leistungsbereitschaften, nicht zuletzt berufliche, soziale und geographische Mobilität. Außerdem leisten zu hohe Bürgschaften jenem sozialen Trittbrettfahrertum Vorschub, das sich Gaben holt, ohne die fälligen Gegengaben zu erbringen. Auf keinen Fall darf die Bürgschaft zur bevormundenden Fürsorge ausarten. Denn im Empfangen von Almosen, auch in dem eines gesetzlich verbürgten Anspruchs liegt kein Höchstmaß an Würde. Merkwürdigerweise wird gern verdrängt: dass ein zu großzügiger Sozialstaat den ideellen Wert der Würde fast umstandslos auf Materielles verkürzt und damit einer andernorts kritisierten Ökonomisierung erliegt. Weil die Alternative in einer "Hilfe zur Selbsthilfe" besteht, muss sich die sachlich erweitere soziale Gerechtigkeit auf eine der neueren sozialen Fragen einlassen. Für die Arbeitsgesellschaft liegt eine Forderung der erweiterten sozialen Gerechtigkeit auf der Hand: Angesichts des Gegensatzes von Beschäftigten und Arbeitslosen darf eine gerechte Lohnfindung und Tarifpolitik nicht die Besitzer von Arbeitsplätzen schützen, die Besitzlosen aber diskriminieren. Statt auf der Klaviatur des Sozialneides zu spielen, setzt sich eine weitsichtig gerechte Politik für eine Rechts- und Wirtschaftsordnung ein, die mit einem global konkurrenzfähigen Arbeits- und Geschäftsklima, zusätzlich mit sozialen und kulturellen Standortvorteilen Investoren gewinnt. Die bildungspolitische Chancengerechtigkeit verlangt keine Ergebnisgleichheit. Gegen sie sprechen die gewaltigen Unterschiede in der Begabung und die unterschiedliche Bereitschaft, durch eine lange und schwierige Ausbildung eine lohnenswerte Investition in die eigene Zukunft vorzunehmen. Die Generationengerechtigkeit verlangt den Menschen ab, dass keine Generation der nächsten eine in der Natur oder funktionalen Äquivalenten insgesamt ärmere Umwelt hinterlassen darf. Gefordert ist nachhaltiges Leben und Wirtschaften. Dazu gehört auch die Pflicht zum Verzicht! Eine ehrliche und wahre, zukunftsoffene und zu demokratischer Wechselseitigkeit fähige und bereite soziale Gerechtigkeit trägt für die Bedingungen realer Freiheit verantwortlich Sorge. Sie sucht die Eigenverantwortung der Bürger und deren Selbstachtung zu stärken, Höffe, Soziale Gerechtigkeit ist mehr als Fürsorge, FAZ vom 24. Mai 2013, S. 12. Ein fundamentales Gemeinwohlanliegen der Nachhaltigkeit ein Bewusstsein, das die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft insgesamt im Kern betrifft. Ein Verfassungsstaat erweist sich auf Dauer nicht als funktions- und überlebensfähig, wenn die heute Lebenden die Ressourcen der zukünftig Lebenden maßlos konsumieren sowie deren Entscheidungsoptionen und Spielräume durch „Verträge zu Lasten Dritter“ (an Stelle von „Generationenverträgen) drastisch verengen Der Nachhaltigkeitsstaat bezweckt die Herstellung einer angemessenen Balance zwischen dem Recht auf wirtschaftlich-soziale Entwicklung und der langfristigen Bewahrung der begrenzten (insbesondere der ökologischen) Ressourcen. Nachhaltigkeit umfasst somit als „intertemporaler Verbundbegriff“ zentral den (Teil-)Aspekt der intergenerationellen Gerechtigkeit, Kahl, „Soziale Gerechtigkeit“ oder Generationengerechtigkeit? ZRP 2014, 17; Schwab, ODWW 2014, Artikel 620 - Nachhaltigkeit ist die ethische Einsicht, die täglichen Bedürfnisse nicht zulasten unserer Lebensgrundlagen, der kommenden Generation und sozioökonomischer Regeln durchsetzen zu dürfen. Dass wir viel stärker längerfristig und verantwortungsbewusster denken müssen. Wirksamer Umweltschutz heißt, so viel regional wie möglich und so viel global wie nötig. Das bedeutet "Pflicht zum Verzicht" oder Abschied vom Überfluss. Stärkung regionaler Produktion und Märkte, weniger Transporte und Status quo für die Infrastrukturen. Eine politisch herausfordernde Entscheidung. Ökologische Verhältnismäßigkeit bedeutet, dass die Gesellschaft, wenn sie Natur „vernutzt“, ihre Ziele rechtfertigt und Mittel auswählt, die geeignet, erforderlich und angemessen sind. Dieser Maßstab ist ein Spiegelbild des traditionellen Verhältnismäßigkeitsprinzips. Nachhaltigkeit ist als intergenerationelle Gerechtigkeit überlebensnotwendig, vgl. Höffe, Soziale Gerechtigkeit ist mehr als Fürsorge, FAZ vom 24. Mai 2013, S. 12.

39 Gerechtigkeit ist im modernen Bewusstsein vorrangig verteilende Gerechtigkeit. Die Kooperationspartner teilen ein Gut unter sich auf, nach Kriterien, in denen sich ihre produktive Beteiligung an diesem Gut ausdrückt. Soweit die Politik mit Gerechtigkeitskriterien argumentiert, bezieht sie sich, wenn es ums Verteilen geht, auf den Mix der normativen Begriffe, mit denen die Rolle der Bürger im gemeinsamen Produktionsprozess lokalisiert werden kann: Verdienst, Bedürftigkeit, Rechte, Freiheiten, Gleichheit usw. Dass Gerechtigkeit und Fairness überwiegend nicht als moralische, sondern als kooperativ-rationale Werte empfunden werden, fördert die Funktion von Gerechtigkeit als der bedeutendsten sozialen Moralstruktur, in der die Beteiligten mit minimalem moralischem Motivationsaufwand zu individuell und kollektiv befriedigenden Ergebnissen gelangen. In ihrer Reichweite begrenzt wird diese Moralstruktur jedoch durch ihren eingebauten Bezug auf die gemeinsame Produktion. Die Naturbedingungen der Produktion sind nicht gemeinsam hergestellt, weshalb es nicht ganz einfach ist, "ökologische Gerechtigkeit" in den üblichen Gerechtigkeitskanon einzuordnen, Leist, Ökologische Gerechtigkeit als bessere Nachhaltigkeit --- http:www.bpb.de/apuz/30429/oekologische-gerechtigkeit-als-besse...

40 Fortschrittsbericht 2008, Für ein nachhaltiges Deutschland, S. 21. „Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter im Zeichen von Ökologie und Nachhaltigkeit. Wir erkennen: Die Verantwortung für die Schöpfung tragen wir. Und wir stellen heute die Weichen für unser Wohlergehen von morgen. Dabei ist Zusammenarbeit nötig - keine Nation kann mehr auf Kosten anderer ihr Glück machen, alle müssen auf das Gleichgewicht der Welt achten. Wir müssen weg vom Öl. Wir brauchen einen neuen Antriebsstoff für unsere Volkswirtschaften. Wir müssen hin zu erneuerbaren Energien und zu viel mehr Energie- und Ressourceneffizienz. Dieser Wandel ist ökologisch nötig, und er ist wirtschaftlich chancenreich. Dabei müssen wir uns darüber im Klaren sein: Es geht nicht um das Drehen an einigen kleinen Stellschrauben der Energieversorgung, und wir haben auch nicht beliebig Zeit. Es geht um nichts weniger als um die Transformation in eine "postkarbone Gesellschaft". Die Politik kann den Kulturwandel nicht verordnen, aber sie kann ihn unterstützen und befördern. Durch Bildung, die den Wert eines nachhaltigen Lebensstils vermittelt, durch mehr Information und Transparenz für verantwortungsbereite Verbraucher und nicht zuletzt durch eine größere Wertschätzung der Versorgungsarbeit und des bürgerschaftlichen Engagements“, Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler zur Verleihung des Deutschen Umweltpreises 25.10.2009.

41 Die Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte, sie verpflichten den Staat darüber hinaus, die Voraussetzungen individueller Freiheitsentfaltung schützend zu gestalten und zu verteidigen und sich so schützend für die Freiheit des Einzelnen einzusetzen. In einem komplexen, arbeitsteilig organisierten und von vielfältigen existenziell bedeutsamen Abhängigkeiten geprägten Gemeinwesen ist die nachhaltige staatliche Freiheitsvorsorge unerlässlich, soll lebendige Freiheit gelingen. Das führt zielsicher auf das Feld der Abwägungen zwischen Gemeinwohlbildungen und konkurrierenden Freiheitsinteressen. Menschenrechtliche Freiheit ist gleiche Freiheit. Die grundgesetzliche Gewährleistung der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz tritt verstärkend hinzu. Freiheit führt zu Unterschiedlichkeit, denn Freiheitsangebote können, müssen aber nicht wahrgenommen werden. Freiheit bedeutet auch Verantwortung für die Folgen des Handelns oder Unterlassens. Der Staat wird allerdings die aus Freiheit erwachsenen Unterschiede nur dann zum Anknüpfungspunkt für ausgleichende Regelungen nehmen, wenn und soweit dies zum Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsvoraussetzungen zwingend geboten erscheint Wie die private Freiheit, ist auch die politische Freiheit im Handeln und Denken eine Freiheit des Einzelnen. Das Gleichgewicht zwischen Demokratie und Rechtsstaat, zwischen privater und politischer Freiheit zu erhalten/gestalten, ist eine stetige Aufgabe der Organe des demokratischen Verfassungsstaats, Kube, in Leitgedanken des Rechts, Festschrift für Paul Kirchhof, 2013, Grundrechte und Demokratie, § 17, S. 186.

42 Als Bioethanol bezeichnet man Ethanol, das ausschließlich aus Biomasse (nachwachsende Kohlenstoffträger) oder den biologisch abbaubaren Anteilen von Abfällen hergestellt wurde und für die Verwendung als Biokraftstoff bestimmt ist. Der Begriff Bioethanol ist ein aus den Begriffen biogen und Ethanol gebildetes Kofferwort. Wird das Ethanol aus pflanzlichen Abfällen, Holz, Stroh oder Ganzpflanzen hergestellt, bezeichnet man es auch als Cellulose-Ethanol. Ethanol kann als Kraftstoffbeimischung in Mineralölderivaten für Ottomotoren, als reines Ethanol (sog. E100) oder zusammen mit anderen Alkoholen (z. B. Methanol) als Biokraftstoff verwendet werden.

43 Scheel, Berlin, Klimaschutz durch Umweltschutz- und Energiebeihilfen: Neue Leitlinien der Europäischen Gemeinschaft, DÖV 2009, 529ff.

44 Wir dürfen das digitale Zeitalter weder verherrlichen noch verharmlosen! Denn dafür sind die Risiken für unsere freie Gesellschaft und unser Wirtschafts- und Sozialsystem viel zu groß! Wir dürfen es uns nicht in der ideologischen Komfortzone von „gut“ oder „böse“ bequem machen wir müssen anpacken! Wir müssen gestalten! Deswegen müssen wir Netzpolitik als moderne Gesellschaftspolitik verstehen. Sie entscheidet darüber, wie wir zukünftig leben und arbeiten. Wie wir Wohlstand erzielen oder die demographische Entwicklung gestalten, Sigmar Gabriel 20. September 2014 in Berlin, Parteikovenvent.

45 Dass der Treibhauseffekt vom Menschen wesentlich verursacht ist, kann nicht mehr ernsthaft in Abrede gestellt werden. Klimareports der Vereinten Nationen signalisierten ein umweltpolitisches Desaster: Statt der im Kyoto-Protokoll angestrebten Verminderung der Treibhausgase ging die Weltorganisation bis 2012 von einem Anstieg der Emissionen um 17 Prozent aus. In ihrem Essay argumentieren Charlotte und Michael Wehrspaun, Eine neue Zukunft für den Fortschritt? APuZ 27/2003, dass das viel zitierte Leitbild der "Nachhaltigen Entwicklung" eine neue Art der Fortschrittsorientierung impliziert. Nur als eine Art Modernisierungsschub verstanden, bedeutet die Umorientierung zur Nachhaltigkeit letztlich eine bloße Effizienzsteigerung bei Herstellungsverfahren und Nutzungsformen von Produkten sowie Dienstleistungen. In aller Regel resultiert freilich daraus auch ein Wohlstandszuwachs, welcher wiederum mehr Konsum ermöglicht, so dass sich die erreichten Umweltentlastungseffekte (zumindest) wieder aufheben. Es wäre aber auch die grundsätzlichere Frage aufzuwerfen, ob eine Ethik des Fortschritts tatsächlich nur aus dem Ziehen neuer Grenzen für menschliche Ansprüche und Handlungsmöglichkeiten bestehen kann. Viel weniger wird bislang bedacht, dass eine echte Kulturbedeutung des Nachhaltigkeitsleitbildes eine Stärkung des evolutionären Denkens voraussetzen könnte. In diesem Kontext würde dann der zwar oft beschworene, selten aber tatsächlich ernst genommene "Paradigmenwandel" im Denken relevant werden. Beispielsweise wäre ein Verständnis von Fortschritt angebracht, das diesen nicht (implizit) als einen Prozess der "Verwirklichung" theoretisch vorbestimmter Ziele - je nach den unterstellten Idealen von menschlicher "Selbstbestimmung" und "Emanzipation" - ansieht, sondern stattdessen die Offenheit der Zukunft zum argumentativen Bezugspunkt nimmt und eben darauf ein neues Prinzip Hoffnung gründet. Die verbreitete (da letztlich unvermeidliche) Rede vom "Suchprozess" im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsorientierung würde so einen klareren Sinn bekommen. vgl. Dennis Tänzler, Alexander Carius, APuZ 27/2003 - Die Klimapolitik ist als Thema in der öffentlichen Aufmerksamkeit und als Belastung der transatlantischen Beziehungen in den zurückliegenden Monaten gegenüber außenpolitischen Ereignissen, vor allem seit dem Irak-Krieg, deutlich in den Hintergrund getreten. Der Krieg hatte erneut unterstrichen, dass auf transatlantischer Ebene in Bezug auf zentrale außenpolitische Problemfelder deutliche Differenzen bezüglich der Problemwahrnehmung und der präferierten Lösungsansätze bestehen. Martin Jänicke brach eine Lanze für die problemlösende Kraft nationaler Regelungen. Umweltpolitik und Umweltverwaltungen hoch entwickelter Länder stehen nicht nur unter hohem politischen Innovationsdruck zur Lösung akuter Umweltprobleme, sie verfügen in aller Regel auch über vergleichsweise leistungsfähige administrative, materielle und technologische Kapazitäten. Gleichzeitig gibt es einen permanenten Suchprozess der Umweltpolitik von Ländern im Hinblick auf best practice, d.h. auf bereits erprobte Problemlösungen, APuZ 27/2003. Dennis Tänzler und Alexander Carius zeigten, wie klima- und energiepolitische Vorreiter unter den amerikanischen Bundesstaaten für eine Belebung des transatlantischen Klimadialogs sorgen können. Des Weiteren entwickelt Ottmar Edenhofer ein differenziertes Modell für eine nachhaltige Klima- und Energiepolitik, das wirtschaftliches Wachstum und Klimaschutz zugleich gewährleistet. Schwierigkeiten der Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips in nationales und supranationales Recht demonstrieren Walter Bückmann, Yeong Heui Lee und Udo E. Simonis. Ein Zwischenruf über die Umweltsituation in Ostdeutschland von Michael Zschiesche zeigt, dass hier eine Lernchance im Sinne des "think global, act local" verpasst worden ist, APuZ 27/2003. Die Idee des Fortschritts ist keine fremde, von außen aufgedrängte Macht, sondern zunächst und zuerst eine intern generierte - das Verlangen nach gesellschaftlicher Verbesserung. Der erste und ursprüngliche Ort des Fortschritts ist die Infrastruktur einer Gesellschaft, die in (konflikthafter) Bewegung ist, weil ihre Mitglieder sie verbessern wollen. Technologischer Fortschritt muss gesellschaftlich akzeptierter Fortschritt sein, und gesellschaftlich akzeptierter Fortschritt ist ein solcher, der von den Betroffenen selbst bestimmt wird. Daher sind demokratische politische Formen und Verfahren nicht nur Ziele, sondern wesentliche Bedingungen gesellschaftlichen Fortschritts. Die eigentliche Logik des Fortschritts ist keine historische, keine sozialtechnische, wissenschaftliche oder technologische, sie ist vielmehr eine gesellschaftliche in dem Sinne, dass sie von der Gesellschaft selbst getragen und definiert werden muss. Dafür gibt es keine "vorgegebenen Blaupausen", Dafür gibt es keine "vorgegebenen Blaupausen", wohl aber ein reflexives Prinzip, das besagt, dass nicht andere als die Betroffenen die Schritte bestimmen dürfen, die ein "Fortschreiten" bedeuten, Forst, Zum Begriff des Fortschritts, in Hans Joas, Vielfalt der Moderne, S. 50. Man kann die Gesellschaft eine fortschrittliche nennen, die ein Recht auf Rechtfertigung und ein Recht des Schutzes der Individuen wie ihrer Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen kennt. Es ist daher nicht nur eine Frage des Friedens, der Stabilität und des gegenseitigen Respekts, wenn in interkulturellen Dialogen über den Fortschritt das Recht betont wird, von kolonisierenden Übergriffen, auch wohlgemeinten, frei zu bleiben. Aber genauso ist festzuhalten, dass der Kern der Menschenrechte, der sich in einem Recht auf Rechtfertigung ausdrückt, dabei nicht verhandelbar ist. Was Menschenrechte sind, wird nicht im intergouvermentalen Schnittmengenkonsens festgelegt, sondern in der reflexiven Bestimmung der Rechte, die niemand aus guten Gründen anderen Menschen vorenthalten kann. Dass niemand für andere bestimmen darf, was ihr Fortschreiten bedeutet. Dies ist eine Frage der Gerechtigkeit, vgl. Forst, Zum Begriff des Fortschritts, in Hans Joas, Vielfalt der Moderne, S. 41ff S. 51.

46 Risiken sind als Restrisiken die Kehrseite der gegenwärtig nutzbaren Vorteile. Sie werden wegen des Fortschritts, der individuell und objektiv erlebbaren und nutzbaren Vorteile kalkuliert und sozial in Kauf genommen. Die Restrisikogesellschaft ist aber eine versicherungslose Gesellschaft geworden, deren Versicherungsschutz mit der zunehmenden Größe der Gefahr und der Wahrscheinlichkeit der Gefahrenverwirklichung abnimmt. Insbesondere Großgefahren sind weder kontrollierbar noch kompensierbar, Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 61. Die Möglichkeit der Gefahrenverwirklichung verpflichtet uns zu vorbeugendem Handeln selbst dann, wenn der Staat und die Gesellschaft nur über regional oder national beschränkte Mittel verfügt, die angesichts globaler Risiken an den Grenzen des Nationalstaates enden. Ressourcen- und Risikovorsorge sind geschuldet, wenn bei der technikbezogenen Risikoermittlung und Risikobewertung ein Vorsorgeanlass festgestellt werden kann. In dem Zusammenhang stellt sich freilich die Frage nach der Beweislast. Insbesondere bei neuen Technologien, etwa der Nanotechnologie (die Nanopulver-Entscheidung des, BVerwG, ZUR 2004, S. 229-231, die das Verhältnis von Schutzpflicht und Vorsorgegrundsatz unter den Bedingungen von Ungewissheit über einen Schadenseintritt zum Gegenstand hatte, ist an eine widerlegbare Gefahrenvermutung mit entsprechender Beweislastumkehr zu denken. Sie schafft im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse an der Nutzung der neuen Technologien auch wirtschaftliche Anreize für eine effektive Wirkungsforschung. Insoweit ist der nationale Gesetzgeber gefordert, da das Rechtsstaatsprinzip eine „ungeschriebene Beweislastumkehr“ verhindert, Vgl. Calliess, Inhalt, Struktur und Vorgaben des Vorsorgeprinzips im Kontext der Gestaltung des Umweltrechts. in Hendler, u. a., Jahrbuch des Umweltrechts, 2006, S. 89-145. Ökologische Verhältnismäßigkeit ist Pflicht und Verpflichtung für alle: Das soll hier bedeuten, dass die Gesellschaft, wenn sie Natur vernutzt, ihre Ziele rechtfertigt und Mittel auswählt, die geeignet, erforderlich und angemessen sind. Dieser Maßstab ist ein Spiegelbild des traditionellen Verhältnismäßigkeitsprinzips, Winter, Ökologische Verhältnismäßigkeit, ZUR 2013, 387. Die Menschen überschreiten häufig kritische Grenzen bei der Nutzung ihrer Umwelt und zerstören dadurch ihre eigene Lebensgrundlage, UNEP (Hrsg.), Global Environmental Outlook, 2012. Der Begriff der Nachhaltigkeit konnte zwar seine politische und gesellschaftliche Sprengkraft als eine neue regulative Leitidee natürlich erst zu einem Zeitpunkt entfalten, als die destruktiven Folgen einer wachstums- und fortschrittsgetriebenen Moderne langsam ins öffentliche Bewusstsein sickerten Ökologische Herausforderungen und das Bewusstsein um die Grenzen des Wachstum, Meadows. Begriffe wie Wachstum, Wohlstand, Technikeuphorie und Fortschrittszuversicht wurden und werden heute sittlich-moralisch hinterfragt, Saurer Regen und Klimakatastrophen ließen die schon in seinen forstwirtschaftlichen Ursprüngen angelegte Verbindung ökonomischer, ökologischer und sozialer Faktoren zu dem Begriff und idealen Ausgangspunkt eines neuen Paradigmas heranreifen, welches sich gegen die zerstörerischen Potenziale der industriellen Moderne richtete. Das Nachhaltigkeitsmodell ist geprägt durch einen übergreifenden (ökologisch-ökonomisch-sozial) integrierenden Ansatz, die grundsätzliche Gleichrangigkeit der drei Dimensionen und die Zukunftsgerichtetheit, d.h. die intergenerative Ausrichtung. Gerechtigkeitsvorstellungen, Zukunftsängste und ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis belasten das notwendige Vertrauen der BürgerInnen in die Gestaltungskraft der Politik! (Siegfried Schwab, 2014) Wenn man einem Menschen trauen kann, erübrigt sich ein Vertrag. Wenn man ihm nicht trauen kann, ist ein Vertrag nutzlos. (Jean Paul Getty) Mangelndes Vertrauen ist nichts als das Ergebnis von Schwierigkeiten. Schwierigkeiten haben ihren Ursprung in mangelndem Vertrauen. (Lucius Annaeus Seneca) Vertrauen ist für alle Unternehmungen das große Betriebskapital, ohne welches kein nützliches Werk auskommen kann. Es schafft auf allen Gebieten die Bedingungen gedeihlichen Geschehens. (Albert Schweitzer) Vertrauen wächst, wenn wir so reden, wie wir denken. Vertrauen wächst, wenn wir politisch Andersdenkende nicht diffamieren, sondern ernsthaft und ehrenhaft mit ihnen streiten. Vertrauen wächst, wenn wir mit politisch verantwortlichen ehrlicher über Schwierigkeiten, Zwänge, Interessengegensätze reden. (Rita Süssmuth) Vielleicht schafft es die Politik aber doch für die Kreiselwirtschaft, den unterbesicherten Unternehmer und die solidarische soziale Gemeinschaft, Gerechtigkeit herzustellen und dadurch Glücksgefühle auszulösen. Emotionen können bekanntlich Glücksgefühle auslösen und verstärken. Erinnerungen an Zeiten ohne „Blitz Eis“, „Streusand und Seitenwind“, ohne soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit können glücklich machen. Erinnerungen werfen aber auch Fragen auf – wie stellt man soziale Gleichheit und Gerechtigkeit her, welche Aufgaben hat der Sozialstaat des 21. Jahrhundert? Die konsequente Verfolgung der neuen sozialstaatlichen Ziele der Aktivierung und Befähigung bzw. die damit implizit verbundene Förderung einer Universalisierung der Arbeitsmarktteilhabe erfordert, dass sich der aktivierende Staat als Gewährleistungsstaat konstituiert. Er muss sichern, dass Menschen selbstbestimmt handeln können, dass sie neugierig, optimistisch und enthusiastisch sorgenfrei leben können- Der behutsame Anstieg der Lebenszufriedenheit ist eine das Glücksgefühl verstärkende Emotion, die automatisch im Langzeitgedächtnis der Menschen „aufbewahrt“ wird. Glücksempfindungen sind wichtig für das menschenwürdige Überleben. Freude, Lachen und Heiterkeit können den Menschen besänftigen und beruhigen und in der Ruhe die Möglichkeit schaffen, Kraft zu tanken. Positive Gefühle beeinflussen das Sozialverhalten kraftvoll und gestalten es lebendig. Genügend Geld und materieller Wohlstand, das „Nichtangewiesen sein“ auf die Hilfen des Sozialstaats macht nicht zwangsläufig glücklicher, aber es beruhigt- volksmundlich die Nerven. Die Wunsch und Begehrlichkeitsspirale hat einen „Faktor Wiederholung und Gewöhnung“ – man gewöhnt sich schnell an den erreichten Wohlstand und den damit verbundenen Status in der Gemeinschaft. Das Anspruchsniveau wird meist evolutiv angepasst und spiral verstärkt (Maslowsche Bedürfnispyramide, Schwab, Führung und Motivation, 1992. Glück hat auf Dauer doch zumeist wohl nur der Tüchtige (Graf von Moltke) Das beste Mittel, das Glück zu verpassen, besteht darin, es zu suchen (Paul Claudel) Das Glück ist unsere Mutter, das Unglück unser Erzieher (Montesquieus) Das wahre Glück ist die Genügsamkeit, und die Genügsamkeit hat überall genug (J.W. v. Goethe) Die Chance klopft öfter an als man meint, aber zumeist ist niemand zu Hause (Will Rogers) Die Glücklichsten und die unglücklichsten Menschen haben die gleiche Neigung – zur Härte (Montesquieu) Ein wahrer Freund trägt mehr zu unserem Glück bei als tausend Feinde zu unserem Unglück (Marie von Ebner-Eschenbach) Glück besteht darin, die Eigenschaften zu haben, die von der Zeit verlangt werden (Henry Ford) Glück heißt, das mögen was man muss, und das dürfen, was man mag (Hans-Joachim Clarin) Glück ist der Zustand, den man nicht spürt (Kurt Tucholsky) Wenig und oft geben, ist ein untrügliches Mittel, die Menschen glücklich zu machen (Friedrich der Große) Materielles Glück erwirbt man sich immer nur auf Kosten anderer. Geistiges Glück immer durch die Beglückung anderer (Leo N. Tolstoi) Sei gerecht und Du wirst glücklich sein (Jean-Jacques Rousseau) Glück ist, wenn man nach einem schweren Unfall feststellt, dass man eine liebe Ehefrau und strebsame Kinder hat und Freunde, die zu einem halten. Glück ist wieder arbeiten zu können und zu bestätigen zu dürfen: Die Vernunft formt den Menschen, das Gefühl leitet ihn. (Jean-Jacques Rousseau)

47 Die Nachhaltigkeits(diskussion) - Nachhaltigkeit verstanden als radikale Autonomie des Individuums in den Grenzen der globalisierten Autonomie aller anderen Menschen, vgl. Schwab, Gedanken zur Nachhaltigkeit, ODWW 2014, Artikel 620, spricht Fragen der Globalisierung, des Klimawandels ebenso wie Fragen um die Zukunft des Sozialstaats und der Generationengerechtigkeit an und sucht problembewusst tragfähige Lösungen.

Prinzipien der Nachhaltigkeit:

- Intragenerationelle Gerechtigkeit: Innerhalb einer Generation haben weltweit alle Menschen dieselben Chancen verdient
- Intergenerationelle Gerechtigkeit: Zwischen den unterschiedlichen – derzeit lebenden – Generationen kommt es zu keiner Diskriminierung, das heißt, ein Neugeborenes hat nicht weniger Rechte als ein erwachsener oder ein älterer Mensch.
- Ganzheitlichkeit und Integration: Keine der Nachhaltigkeitsdimensionen (sozial, ökologisch, ökonomisch) wird vorrangig beachtet. Stattdessen wird eine integrative Problemlösung angestrebt, die alle Dimensionen wirkungsorientiert einbezieht.
- Partizipation, Verantwortung: Einbeziehung aller Betroffenen und Verantwortlichen.
- Charakter eines normativen Leitbildes: Im Kern ist Nachhaltigkeit ein ethisch-moralisches sowie handlungsleitendes Prinzip.

Nachhaltigkeit ist die ethische Einsicht, die täglichen Bedürfnisse nicht zulasten unserer Lebensgrundlagen, der kommenden Generation und sozioökonomischer Regeln durchsetzen zu dürfen. Dass wir viel stärker längerfristig und verantwortungsbewusster denken müssen. Nachhaltigkeit ist als konstruktiver, moralischer Handlungsappell auf wirkungsvolles Handeln gerichtet. Das Nachhaltigkeitskonzept enthält als Strukturprinzip organisatorische und institutionelle Regelungen (effiziente Regulierung, integrative Entscheidungsfindung) und inhaltliche Vorgaben (inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit), vgl. Gehne, Nachhaltige Entwicklung als Rechtsprinzip, S. 265. Das Nachhaltigkeitskonzept enthält darüber hinaus organisatorische Maßgaben (Partizipation und Integration) und setzt normative Leitlinien und Steuerungsimpulse, ggf. für einen Teil der Rechtsordnung, etwa das Umweltrecht und die Umweltbeziehungen. Mit dem zielorientierten Gebot effizienten Steuerns, enthält es eine konkrete normative Kernaussage im Unterschied zu dem sehr offen formulierten Rechtsstaatsprinzip. Verantwortung! Hans Jonas - handle stets so, dass künftige Generationen genau die gleichen Handlungsspielräume haben wie Du, vgl. Pufé, Was ist Nachhaltigkeit? Dimensionen und Chancen, APuZ 31-32/2014, S. 15, 20.

48 Das ernsthafte Streben nach Wahrheit bzw. neuer Erkenntnis - Das Recht ist eine Sollens-Ordnung, eine menschengemachte und nicht greifbarer, sondern gedachter Gegenstand, vgl. Mager, Wissenschaft, § 51 in Leitgedanken des Rechts, Festschrift für Paul Kirchhof, 2013, RN 10.

49 Rationalität im Recht ist eine ebenso selbstverständlich und evidente Forderung der Gemeinschaft der Bürger, wie die nach Begründung staatlicher Entscheidungen. Wenn die Entscheidung des Richters, der Verwaltung bei der Ausführung von Ermessensentscheidungen alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen hat und sich nicht von sachfremden Zwecken leiten lassen darf, wenn der Gesetzgeber ein für die angestrebten Zwecke und verfolgten Ziele ein objektiv ungeeignetes den Bürger unangemessen belastendes Mittel nicht einsetzen darf und wenn staatliche Hoheitsakte für den Bürger verständlich und inhaltlich nachvollziehbar sein müssen, immer scheint die Rationalität als eine Grundbedingung des Rechts im aufgeklärten Staat durch. Die so gesicherte Rationalität soll und kann der Staat bei seinen Entscheidungen offenlegen, gegenüber dem Bürger m die praktische Wirksamkeit und Akzeptanz zu sichern. Die Rationalität ist ein im Recht durch zahllose Einzelnormen ausgeformtes und verwirklichtes Grundprinzip. (auf das Verwaltungsverfahren bezogen: etwa dem Recht auf Akteneinsicht, dem Bestimmtheitsgrundsatz - § 37 VwVfG, der Begründungspflicht - § 39 VwVfG, der Fehlerheilung und Unbeachtlichkeit von Fehlern - §§ 45, 46 VwVfG). Rationalität ist auch im demokratischen Gedanken verankert, schließlich gilt die Losung: Autorität nicht Majorität. Für Verwaltung und Rechtsprechung ist die Rationalität durch die Gesetzesbindung Art. 20 Abs. 3 GG gesichert, die gemeinsam mit den wiederum rationalen Auslegungsregeln ein für den informierten Bürger jedenfalls nachvollziehbares und vernünftiges Ergebnis sichert und die Akzeptanz auch nachteiliger Entscheidung durch Nachprüfbarkeit der für die Entscheidung maßgebenden Gründen sichert. Die Begründung hilft nicht nur die Akzeptanzbereitschaft zu fördern, sie hat durch die Nachvollziehbarkeit auch eine wesentliche Überzeugungsfunktion und Befriedungsfunktion. Der überzeugte, zur Überprüfung der Gründe in die Lage versetzte Bürger beschreitet nicht den eröffneten Rechtsweg. So hat denn die Begründung auch noch eine wesentliche Entlastungsfunktion der staatlichen Instanzen durch die in der Begründung liegende "Selbstrechtfertigung" der Entscheidung, vgl. Schwab, Die Begründungspflicht nach § 39 VwVfG, Diss. 1990; Kischel, Die Begründung, 2003.

50 Das Prinzip der Nachhaltigkeit muss auch auf die Arbeitspolitik angewandt werden. Der Nachhaltigkeitsgedanke entspringt der Vorstellung, dass Systeme sich aus sich selbst regenerieren müssen, damit ihre Grundlage erhalten bleibt. In der Arbeitswelt und in der modernen Volkswirtschaft gilt, dass die individuelle Arbeitskraft und die kollektiven Arbeitsbeziehungen so justiert werden müssen, dass sie dauerhaft den Wohlstand des Landes erhalten. Nur so wird der zentralen Bedeutung von Arbeit in der deutschen Gesellschaft - sowohl aus volkswirtschaftlicher als auch aus individueller Sicht - Genüge getan. Um eine auf Dauer zukunftsfähige und lebenswerte Gesellschaft zu schaffen, die widerstandsfähig gegen negative Entwicklungen ist und flexibel auf ökonomische und soziale Umstände reagieren kann, muss ein Ausgleich zwischen den verschiedenen sozialen Kräften und nicht zuletzt zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen angestrebt werden. Die Grundlagen des Wohlstandes der "Deutschland - AG" sind jedoch durch ökonomische und soziale Entwicklungen gefährdet. Arbeitspolitik muss steuern können. Arbeit - und Arbeitsmarktpolitik haben sich verändert Dennoch muss Arbeitspolitik in weiteren Bereichen steuernd eingreifen, denn der Markt lässt die Arbeitnehmer bei vielen Herausforderungen weitestgehend allein. Die Verantwortung für die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit wird in der Regel dem Individuum und nicht den Unternehmen oder staatlichen Stellen zugeschrieben. Jede(r) Beschäftigte ist gezwungen, selbst eine Prognose über zukünftig benötigte Fertigkeiten zu wagen, sich entsprechend um die Teilnahme an Fort und Weiterbildungsprogrammen zu kümmern und diese zunehmend auch privat zu finanzieren, Drautz, Arbeit und Autonomie. Plädoyer für eine nachhaltige Arbeitspolitik Http://www.bpb.de/apuz/33374/arbeit-und-autonomie-pöaedoyer-fuer...

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Umweltschutz als Nachweltschutz
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, früher: Berufsakademie Mannheim  (FOI [Forschungsinsitut öffentlicher Sektor un Arbeitsrecht an der DHBW Mannheim)
Veranstaltung
Umweltrecht und Staatsrecht
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
45
Katalognummer
V295771
ISBN (eBook)
9783656935087
ISBN (Buch)
9783656935094
Dateigröße
735 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
umweltschutz, nachweltschutz
Arbeit zitieren
Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Autor:in), 2015, Umweltschutz als Nachweltschutz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295771

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