Retargeting. An Acceptable Ad? Akzeptanz und Gestaltung von Online-Werbeanzeigen unter Berücksichtigung von Datenschutzaufklärung


Masterarbeit, 2014

151 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1 Zur Relevanz einer optimalen Gestaltung von Retargeting-Anzeigen

2 Konzeptionelle Grundlagen zu Retargeting
2.1 Semantische Grundlagen der personalisierten Werbung
2.1.1 Abgrenzung der Begriffe Personalisierung und Mass Customization
2.1.2 Retargeting eine Form der One-to-One Personalisierung
2.2 Ansätze zur Klärung des menschlichen Verhaltens in Online-Umgebungen
2.2.1 Principal Agency Theory
2.2.2 Privacy Calculus Theory
2.3 Wahrgenommenes Risiko durch Datenschutzbedenken
2.3.1 Konzeptualisierung des Begriffes der Privatsphäre-Besorgnis
2.3.2 Rechtliche Aspekte des Retargetings im Ramen der Datenschutzaufklärung
2.4 Erwarteter Vorteil: Wahrnehmung ähnlicher Markenpersönlichkeiten
2.4.1 Bedeutung von Markenpersönlichkeiten
2.4.2 Ansätze zur Operationalisierung von Markenpersönlichkeiten
2.4.3 Zum Begriff der Markenloyalität

3 Ein Modell zur Erklärung der Gestaltung einer Retargeting-Anzeige und deren Wirksamkeit auf die Klickabsicht
3.1 Der Einflussfaktor Markenloyalität
3.2 Markenähnlichkeit als bedeutendste Eigenschaft
3.3 Trade-Off ausgelöst durch Markenähnlichkeiten
3.4 Entstehung von Internet-Besorgnis bei Nutzung eines E-Mail-Portals
3.5 Abgrenzung von Privatsphäre-Besorgnis-Arten
3.6 Privatsphäre-Besorgnis als Einflussgröße für die Einstellung gegenüber einer Anzeige
3.7 Klickabsicht als resultierende Größe
3.8 Moderierende Variablen

4 Empirische Untersuchung des Modells
4.1 Grundlegende Konzeption
4.1.1 Ergebnisse des Pretests
4.1.2 Ausgestaltung der empirischen Studie
4.2 Operationalisierung der Modellkonstrukte
4.2.1 Markenloyalität
4.2.2 Wahrgenommene Ähnlichkeiten der Markenpersönlichkeiten
4.2.3 Wahrgenommenes Risikos bei Nutzung des E-Mail-Portals
4.2.4 Interesse an Anzeige
4.2.5 Privatsphäre-Besorgnis im Internet
4.2.6 Privatsphäre-Besorgnis auf einer Webseite
4.2.7 Einstellung gegenüber Anzeige
4.2.8 Klickabsicht
4.2.9 Privatsphäre-Gruppen
4.3 Ergebnisse der empirischen Studie
4.3.1 Zum Verfahren der Datenauswertung
4.3.2 Reflektive Konstruktdatenauswertung
4.3.3 Formative Konstruktdatenauswertung
4.3.4 Deskriptive Auswertung
4.3.5 Überprüfung des Strukturgleichungsmodells
4.3.6 Gruppenvergleiche
4.4 Interpretation der Ergebnisse
4.5 Ableitungen und Handlungsempfehlungen für die Praxis

5 Schlussbetrachtung

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Privacy Calculus Modell

Abbildung 2: Markenpersönlichkeiten nach Aaker

Abbildung 3: Konzeptualisierung der Markenloyalität

Abbildung 4: Kausalmodell

Abbildung 5: E-Mail-Portal ohne Datenschutzkampagne am Beispiel markenähnlicher Produkte für Adidas bzw. markenunähnlicher Produkte für Nike bei Frauen

Abbildung 6: E-Mail-Portal mit Datenschutzkampagne am Beispiel markenähnlicher Produkte für Adidas bzw. markenunähnlicher Produkte für Nike bei Frauen

Abbildung 7: Fragebogenaufteilung bei Frauen mit entsprechender Fragebogennummer

Abbildung 8: Fragebogenaufteilung bei Männer mit entsprechender Fragebogennummer

Abbildung 9: Pfadkoeffizienten des Modells für ähnliche und unähnliche Marken

Abbildung 10: Selbstkongruenzprinzip bei Markenähnlichkeiten

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Abgrenzung der Begriffe Personalisierung, Customization und Mass Customization

Tabelle 2: Markenauswahl zu „Temperament & Leidenschaft“ für Männer und Frauen

Tabelle 3: Markenauswahl zu „Vertrauen & Sicherheit“ für Männer und Frauen

Tabelle 4: Die 8 Szenarien der Fragebogenaufteilung für Frauen

Tabelle 5: Die 8 Szenarien der Fragebogenaufteilung für Männer

Tabelle 6: Items zur Messung des Konstrukts Markenloyalität

Tabelle 7: Items zur Messung des Konstrukts Markenähnlichkeiten

Tabelle 8: Items zur Messung des Konstrukts Risiko

Tabelle 9: Items zu Messung des Konstrukts Interesse an Anzeige

Tabelle 10: Items zur Messung des Konstrukts Internet-Besorgnis

Tabelle 11: Items zur Messung des Konstrukts Webseiten-Besorgnis

Tabelle 12: Items zur Messung des Konstrukts Einstellung ggü. der Anzeige

Tabelle 13: Items zur Messung des Konstrukts Klickabsicht

Tabelle 14: Items zur Messung der Privatsphäre-Gruppen

Tabelle 15: Prüfkriterien für PLS-Modelle

Tabelle 16: Ladungen und t-Werte der Indikatoren

Tabelle 17: Werte der Gütekriterien der reflektiven Messmodelle

Tabelle 18: Gewichte, t-Werte und Varianzinflationsfaktoren der formativen Indikatoren

Tabelle 19: Übersicht über Aufteilung der Stichprobe

Tabelle 20: Hypothesenüberprüfung anhand der t-Werte

Tabelle 21: R2- und Q2-Werte für das Strukturmodell

Tabelle 22: Überprüfung der Multikollinearität mit den VIF

Tabelle 23: Werte des Gruppenvergleichs für den Faktor Datenschutzkampagne

Tabelle 24: Güteprüfung beim moderierenden Effekt Datenschutzkampagne

Tabelle 25: Werte des Gruppenvergleichs für den Faktor Privatsphäre-Gruppen im Vgl. niedrig und mittel

Tabelle 26: Werte des Gruppenvergleichs für den Faktor Privatsphäre-Gruppen im Vgl. niedrig und hoch

Tabelle 27: Werte des Gruppenvergleichs für den Faktor Privatsphäre-Gruppen im Vgl. mittel und hoch

Tabelle 28: Güteüberprüfung für den moderierenden Effekt Privatsphäre-Gruppe

Tabelle 29: Übersicht über die Ergebnisse der Wirkungs- und moderierenden Zusammenhänge des Kausalmodels

Tabelle 30: Markendimensionen in Anlehnung an Hieronismus, S. 204

Tabelle 31: Ergebnisse des Pretests

Tabelle 32: Korrelation der Items zu Markenähnlichkeit

Tabelle 33: Lineare Regression für das Messmodells

Tabelle 34: Lineare Regression mit abhängiger Variablen Markenloyalität

Tabelle 35: Lineare Regression mit abhängiger Variablen Markenähnlichkeit

Tabelle 36: Lineare Regression mit abhängiger Variablen Interesse an Anzeige

Tabelle 37: Korrelationen der Items zu Privatsphäre-Gruppen

Tabelle 38: Häufigkeit der Antworten zu Mittelwert der Items 1 und 4 zu Privatsphäre-Gruppen

Tabelle 39: Häufigkeit der Antworten zu Item 4 zu Privatsphäre-Gruppen

Tabelle 40: Fälle des Chin-Tests

1 Zur Relevanz einer optimalen Gestaltung von Retargeting-Anzeigen

"Darf ich mal deine Mails lesen?", fragen die E-Mail-Anbieter GMX, Web.de und Telekom in ihrer Datenschutzkampagne ihre Nutzer (GMX, 2014, [online]). Die Kampagne macht darauf aufmerksam, dass das Mitlesen von persönlichen Mails unerwünscht ist. Der Anspruch auf Privatheit im Internet wird relevant. Gleichzeitig ist seit der NSA-Enthüllung von Edward Snowden das Thema „Internetüberwachung“ in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt (Schmidt & Cohen, 2013, S. 9). Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter deckt im Juni 2013 die globale Abhörung von Telekommunikationsgeräten, die Überwachung des Internet und die damit verbundene Kontrolle und Speicherung von persönlichen Daten in unvorstellbarem Ausmaß auf. Die Überwachung führt von der systematischen Kontrolle von Telefonaten, Mails, SMS oder Chats bis hin zur Kopie und Auswertung von Hunderten Millionen Kontaktadressen aus E-Mail-Accounts und Instant-Messanging-Konten (Gellman et al., 2013, [online])

Gleichzeitig wird auch für Unternehmen die Sammlung von Daten über ihre Konsumenten immer bedeutender (Burmann et al., 2014, S. 57; Lambrecht & Tucker, 2013, S. 562). Da es Markenunternehmen heute aufgrund von Informationsüberlastung und zunehmend gesättigten Märkten schwerer fällt, Nachfrager über klassische Markenkommunikation zu erreichen, werden Wissen über Präferenzen, situationsbedingte Bedürfnisse und Wünsche von Konsumenten zur unabdingbaren Herausforderung des Marketings (Burmann et al., 2014, S. 56). Trends wie Big Data[1] und Fingerprinting[2] prägen das Zukunftsbild von Marketing-Abteilungen ihrer Zeit (Burmann et al., 2014, S. 57). Online-Dienste müssen ihre Webseiten und Werbeanzeigen optimal auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer ausrichten. Beispielhaft lässt sich der Internet-Store Amazon nennen, der seine Webseite bis ins Kleinste an die Bedürfnisse seiner Nutzer ausrichtet. Der Online-Shop personalisiert seine Webseite über Empfehlungen, die gezielt auf zuletzt gesehenen Produktsuchen eingehen, Bestsellerangaben, die stündlich aktualisiert werden und nicht zuletzt über Werbeanzeigen, die kontextbezogen auf das Suchverhalten des Nutzers eingehen.

Aber auch über die eigene Webseite hinaus können Online-Anbieter ihre Produkte personalisiert vermarkten (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 561). Dafür gibt es mittlerweile verschiedene Targeting-Methoden (Greve et al., 2011, S. 5). Eine davon ist Retargeting. Unter Retargeting versteht man die Wiedergewinnung von „verloren“ geglaubten Nutzern (BVDW, 2009, S. 4). Zeigt ein Webseitenbesucher einmal Interesse an einem Online-Shop durch den Besuch der Startseite, durch einen Klick auf eine Produktdetailseite oder gar durch das Anlegen eines Warenkorbs, wird er zeitnah nach Verlassen der Webseite innerhalb von Nachrichten-, Social Media-Kanälen oder E-Mail-Portalen durch auf ihn zugeschnittene Werbeanzeigen auf die Webseite des Online-Shops zurückgelockt. Auf diese Weise können Streuverluste vermieden werden (BVDW, 2010, S. 2). Und so kann es vorkommen, dass ein Internetnutzer beim Überprüfen seiner Mails neben seinem Postfach eine Anzeige über zuletzt gesehene Urlaubsangebote erhält. Während Unternehmen sich große Chancen durch Retargeting versprechen, in dem sie ihren Kunden einen individuellen Mehrwert liefern können, machen Verbraucherschützer auf den leichtfertigen Umgang mit persönlichen Daten der Konsumenten aufmerksam (Burmann et al., 2014, S. 57). Spätestens seit der Sensibilisierung für das Thema „Datenschutz“ stehen viele Internetnutzer der Personalisierung von Online-Werbung kritisch gegenüber. Es entsteht der Eindruck durch die Online-Dienste ausspioniert zu werden (Baek & Moritmoto, 2012, S. 59). Die Fähigkeit mit den Daten persönlicher Informationen der Kunden verantwortungsvoll umzugehen, wird damit zu einem zentralen Erfolgsfaktor der digitalen Kommunikation (Hoffman et al., 1999, S. 85). Das Beispiel der Initiative „E-Mail Made in Germany“, welches eingangs erwähnt worden ist, verspricht einen solchen verantwortungswollen Umgang. Gehören E-Mail-Portale laut AGOF (2013, S. 25) zu einem Top-Online-Werbeträger, stellen sie somit eines der wichtigsten Werbeumfelder von Retargeting-Anzeigen dar. Versprechen sich die E-Mail-Portale über die Inititaive einen Vertrauensaufbau bei ihren Nutzern, stellt sich die Frage, ob sich dieses auch gegenüber Personalisierungsformen einstellen kann. Ist es also wichtig für Werbeumfelder von Retargeting-Anzeigen datenschutzergreifende Maßnahmen vorzunehmen? Wenn ja, werden diese überhaupt von Nutzern angenommen? Setzen sich Verbraucher mit der Problematik der Personalisierung auseinander oder ist es ihnen schlichtweg egal?

Dem Phänomen Retargeting hat die Forschung bislang geringe Beachtung geschenkt (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 561 ff.). In nur einer Studie wird sich auf die Erfolgswirkung der Personalisierungsstrategie bezogen. Unterschieden werden generische und dynamische Werbeanzeigen in Abhängigkeit vom Informationssuchverhalten der Konsumenten (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 574). Auf die Ausgestaltung von Retargeting-Anzeigen ist bisher nicht eingegangen worden. Wie werden beispielsweise die Produkte in einer Anzeige auf das vorher Gesehene abgestimmt? Informiert sich ein Konsument über Sonnenbrillen der Marke Ray Ban, so ist nichts über seine Präferenzen bezüglich der Optik des Gestells, Farbe, Verspiegelung der Gläser usw. gesagt. Welche Kriterien entscheiden über die Auswahl der Produkte, die für die Ausspielung von Werbeanzeigen vorgesehen werden? Eine Möglichkeit, welche in der Konsumentenforschung in viele Arbeiten einen Zusatznutzen beschreibt, sind Markenpersönlichkeiten (Biel, 1993, S. 93; Sirgy, 1982, S. 288 ff.). Marken können Persönlichkeitsmerkmale vorweisen, die menschlichen Charaktereigenschaften gleichen (Aaker, 1996, S. 150 ff.). Nach weit verbreiteten Auffassungen wird davon ausgegangen, dass Markenpersönlichkeiten die Präferenzen eines Verbrauchers und den Produktnutzen verstärken. Es stellt sich also die Frage, ob Markenpersönlichkeiten die Wirkung haben, Aufmerksamkeit gegenüber Retargeting-Anzeigen zu erhöhen, wenn die in einer Anzeige eingeblendeten Marken ähnlich sind.

Daraus ergeben sich folgende zwei Forschungsfragen:

I. Gestaltung des Werbeumfelds: Können Datenschutzaufklärungen des Umfeldes einen Einfluss auf die Akzeptanz von Retargeting-Anzeigen haben?
II. Gestaltung der Anzeige: Können Markenähnlichkeiten einen Einfluss auf die Akzeptanz und das Interesse an Retargeting-Anzeigen haben?

Vor diesem Hintergrund ist Ziel dieser Untersuchung aus der Perspektive der Risiko-Nutzen-Abwägung, einen theoretischen und empirisch fundierten Beitrag zum Verständnis der Retargeting-Wirkungsweise zu leisten. Darauf aufbauend sollen Handlungsempfehlungen für Forschung und Praxis abgeleitet werden. Dafür wird zunächst in Kapitel 2 ein Einblick in die semantischen Grundlagen der personalisierten Werbung gegeben. Anschließend werden zur Klärung des menschlichen Verhaltens in Online-Umgebungen zwei Theorien vorgestellt, die das Risiko und den Nutzen von personalisierter Werbung erläutern. Das wahrgenommene Risiko durch Datenschutzbedenken wird durch den Begriff der Privatsphäre-Besorgnis konzeptualisiert und hinsichtlich der rechtlichen Aspekte im Rahmen von Datenschutzaufklärung genauer untersucht. Der für die vorliegende Forschungsarbeit erwartete Zusatznutzen der Markenpersönlichkeit für Retargeting-Anzeigen wird hinsichtlich seiner Bedeutung und weit verbreiteter Operationalisierungsansätze näher analysiert. Für die weitergehende Betrachtung ist es zudem notwendig den Begriff der Markenloyalität zu konzeptualisieren. Daran anknüpfend werden in Kapitel 3 theoriegestützt Hypothesen über die Zusammenhänge und Einflussgrößen, die bei der Wirkung von Retargeting-Anzeige eine Rolle spielen, ausgearbeitet und ein Modell zur Klärung der Gestaltung einer Retargeting-Anzeige und deren Wirksamkeit auf die Klickabsicht entwickelt. Berücksichtigt sind dabei die Variablen Markenloyalität, Wahrnehmung von ähnlichen und unähnlichen Markenpersönlichkeiten, Risiko bei Nutzung einer Webseite, Interesse an der Anzeige, Privatsphäre-Besorgnisse gegenüber dem Internet und einer spezifischen Webseite, Einstellung gegenüber der Anzeige sowie die Klickabsicht. Kapitel 4 befasst sich mit den zuvor formulierten Hypothesen und überprüft empirisch, ob diese auch in der Realität bestehen. Dazu erfolgt die Präsentation des vorgenommenen Pretests und der Überlegungen, die zur Konzeption der Studie geführt haben. In den beiden letzten Abschnitten des Kapitels werden die mithilfe einer Kausalanalyse gewonnenen Ergebnisse ausgewertet und interpretiert, um darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für die Marketingtheorie und -praxis abzuleiten. Das letzte Kapitel schließt mit der Zusammenfassung der Untersuchung ab.

2 Konzeptionelle Grundlagen zu Retargeting

2.1 Semantische Grundlagen der personalisierten Werbung

2.1.1 Abgrenzung der Begriffe Personalisierung und Mass Customization

Um den konzeptionellen Rahmen nachvollziehbar zu strukturieren, beginnt der Aufbau des Kapitels mit einer Definition des Begriffes „Personalisierung“. Es gibt in der Literatur verschiedene Ansätze der Personalisierung. Zunächst erfolgt eine Begriffsabgrenzung des Terminus „Customization“. Dies ist notwendig, um die Relevanz und Bedeutung des Onlinemarketinginstrumentes für „Retargeting“ zu verstehen. Retargeting wird anschließend als eine Form der „One-to-One Personalisierung“ definiert und stellt so eine besondere Form der personalisierten Werbung dar, da gezielt auf gesehene Produktwünsche eines jeden Nutzers eingegangen wird. Daraufhin folgt die Erklärung von zwei Theorien, die aufzeigen, welches Risiko und welchen Nutzen durch personalisierte Werbung entstehen kann. Zum einen wird die Principal Agent Theory erläutert, die erklärt, welchen Risiken die Beziehung von Webseitenbetreibern und Internetnutzern beim allgemeinen Informationsaustausch innerhalb von Online-Umgebungen ausgesetzt ist. Im Speziellen betrifft dies die Gestaltung der personalisierten Werbeanzeigen. Durch den Privacy Calculus wird zum anderen aufgezeigt, dass Internetnutzer bei der Beurteilung von personalisierten Werbeanzeigen eine Risiko-Nutzen-Analyse vornehmen. Anschließend erfolgt die Vorstellung eines Risiko- und eines Nutzenfaktors für personalisierte Werbeanzeigen. Als Risikofaktor gilt die Angst vor Eingriffen in die Privatsphäre, die anhand der aktuellen Datenschutzdebatte erläutert wird. Dazu wird erstens mittels verschiedener Privatsphäre-Gruppen herausgearbeitet, wie unterschiedlich Individuen auf Privatsphäre-Eingriffe reagieren und zweitens die Datenschutzproblematik für Online-Werbeanzeigen aufgezeigt. Der nächste Schritt identifiziert Markenpersönlichkeiten als Nutzenfaktor. Dabei wird der Wert von Markenpersönlichkeiten erläutert, um einen Eindruck zu erhalten, warum Ähnlichkeiten verschiedener Marken von Bedeutung sein können. Abschließend erfolgt eine Definition des Begriffes Markenloyalität, um aufzuzeigen, welchem Konflikt Nutzer ausgesetzt sind, wenn sie sich für andere Marken entscheiden wollen.

Im Allgemeinen wird unter Personalisierung die Idee verstanden, das richtige Produkt bzw. die richtige Dienstleistung zur richtigen Zeit am richtigen Ort dem richtigen Konsumenten anzubieten (Sunikka & Bragge, 2012, S. 10050). Personalisierung ist im Marketing nicht länger ein Novum (Stewartt und Ward, 1994, S.). Schon im klassischen Relationship Marketing lassen sich Ursprünge erkennen (Crosby et al., 1990, S. 77). Grüßt ein Verkäufer seinen Kunden mit Namen und weiß er, welche Produkte sein Kunde zuletzt bei ihm eingekauft hat, so kann er ihm gezielt Vorschläge zu Neuprodukten machen. Aufgrund der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie innerhalb des 21. Jahrhunderts haben sich Möglichkeiten zur Sammlung und Analyse von Konsumentendaten aufgetan (Sunikka & Bragge, 2012, S. 10049). Aus diesen wiederum entwickeln sich eine Vielzahl von Personalisierungsstrategien (Sunikka & Bragge, 2012, S. 10049).

Forscher, die sich mit dem Phänomen beschäftigt haben, nennen Begriffe wie Individualisierung (Riemer & Trotz, 2001, S. 35f.), Segmentierung (Smith, 1956, S. 5), Targeting, Profiling, Customization und One-to-One Marketing (Peppers & Rogers, 1997) oft synonym. Smith ‘s Definition (1956, S. 5) geht bespielweise davon aus, das Personalisierung eine Marktsegmentierung darstellt, bei der es darum geht den gesamten Markt als eine heterogene Zusammenstellung mehrerer homogener Märkte zu sehen, auf die jeweils Produkte auf Vorlieben der Konsumenten zugeschnitten werden. Es zeigt sich, dass es oft schwer ist die Begrifflichkeiten auseinander zu halten.

Obwohl die Grenzen zwischen den Bezeichnungen fließend erscheinen, lässt sich grundsätzlich „Personalization“ von „Customization“ abgrenzen (Sunnika & Bragge, 2012, S. 10054). Tendenziell wird unter „Customization“ eine stärkere Art der Individualisierung verstanden als unter „Personalization“ (Cöner, 2003, S. 498; Montgomery & Smith, 2009, S. 130; Roberts, 2003, S. 462). Die Vorstellung von Sunikka und Bragge, (2012, S. 10054) soll dem besseren Verständnis sowie der Abgrenzung von Personalisierung und „Customization“ für die nachfolgende Untersuchung dienen. Diese lehnt sich an Online-Marketing-Prinzipien, fasst gängige Forschungsarbeiten zusammen und erweitert den Blickwinkel des klassischen Relationship-Marketings. Die Autoren haben den bisherigen Stand der Forschung in Bezug auf die Personalisierung von Webseiten untersucht und sind zu folgender Unterscheidung gekommen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Abgrenzung der Begriffe Personalisierung, Customization und Mass Customization[3]

Personalization “ stellt einen durch das System automatisierten Anpassungsprozess dar, wohingegen „ Customization “ eine vom Nutzer initiierte Tätigkeit ist (Ho, 2006, S. 44). Die Kontrolle über die Anpassung liegt bei Ersterem beim Unternehmen bzw. dem System und bei Zweitem beim Nutzer (Wind & Rangaswamy, 2001, S. 15). Konkret bezeichnet Personalisierung die Anpassung von Informationen, Produkten, Angeboten, Leistungen oder Teilen einer Webseite (immaterieller Güter) an die Bedürfnisse einzelner, identifizierter Kunden (Sunikka & Bragge, 2012, S. 10054). Handelt es sich um die Individualisierung von Leistungen, insbesondere physischer Produkte (aber auch) Dienstleistungen, so wird von „Mass Customization“ gesprochen (Piller & Meier, 2001, S. 13 ff.).

Eine vom Nutzer angestoßene Layouts- oder Inhaltsanpassung einer Webseite wird „(Web) Customization“, „User-Driven Personalization“ oder „Adaptibility“ genannt (Sunikka & Bragge, 2012, S. 10054; Tam & Ho, 2006, S. 890; Frias-Martinz et al., 2009, S. 48). Hierfür ist die Webseite „kicker.de“ ein Beispiel, auf der Nutzer ihre Lieblingsmannschaften angeben können und ihnen daraufhin ausschließlich Nachrichten und Spielberichte der Lieblingsmannschaft angezeigt werden. Ein neues Konzept, welches Sunikka und Bragge (2012, S. 10054) identifiziert haben, ist die Form der „Collaborative Customization“. Das Relationship-Marketing geht hier z.B. von einem Produkt wie das einer Dienstleistung aus. Dies entsteht durch den direkten Dialog des Konsumenten mit dem Verkäufer (Shamdasani & Balakrishnan, 2000, S. 399 ff.). In der Online-Umgebung entscheiden Nutzer kollektiv, wie ihnen Webseiteninhalte angezeigt werden sollen. Ein Beispiel dieser Bewegung aus dem E-Commerce-Bereich findet sich in der Musikindustrie. Hier ist „Pandora“ zu nennen, ein personalisiertes Musik-Empfehlungssystem, bei dem Nutzer ein Lied auswählen und ihnen von der Internetseite Pandora eine Musikliste zusammengestellt wird, die sich aus ähnlichen Liedern zusammensetzt. Der Nutzer kann jederzeit die Musikliste um eigene Lieder erweitern oder vorgeschlagene ablehnen (Montgomery & Smith, 2009, S. 133).

Wird die Personalisierungsstrategie an nur eine Person ausgerichtet, erfolgt eine „One-to-One Personalization“, „Transaction-Driven Personalization“ oder auch „Adaptivity“ (Sunikka & Bragge, 2012, S. 10054; Tam & Ho, 2006, S. 890; Frias-Martinz et al., 2009, S. 48). Diese Form der Personalisierung stellt eine automatisierte Webseitenanpassung für jeden individuellen Nutzer dar. Diese Form stellt den Rahmen für die in dieser Arbeit untersuchte Personalisierungsmethode des Retargetings dar. Ein Beispiel ist, wenn ein Nutzer sich auf der Webseite eines Reiseanbieters über Pauschalreisen nach Spanien informiert und beim nächsten Besuch der Webseite individuelle Anzeigen für ausschließlich dieses Urlaubsgebiet erhält. Eine Automatisierung für eine ganze Gruppe stellt die „Mass Personalization“ dar. Kwon et al. (2010, S. 2238) behaupten, dass die „One-to-One Personalisierung“ von Inhalten für den Nutzer keinen größeren Mehrwert bringen, verglichen mit der „One-to-N Personalisierung“.[4] Für sie stellt eine Marktsegmentierung (Gruppenbildung) eine gute Alternative zur „One-to-One Personalisierung“ dar, weil sie weniger Zeit, Kosten und Aufwand erfordert (Kwon et al., 2010, S. 2238). In der vorliegenden Arbeit wird Retargeting die Chance gegeben den Kunden mit der One-to-One-Personalisierung für das Produkt zu interessieren statt ihn zu verschrecken. Mass-Personalisation ist zwar zielgruppenorientiert, meidet jedoch die genaue Analyse des jeweiligen Nutzers. Somit ist die One-to-One-Personalisierung aufwendiger, aber auch individueller. Die allgemeinere Form der One-to-N-Personalisierung beinhaltet durch die Reichweite keine Bündelung der Informationen für eine zielgerichtete Kaufentscheidung.

Nun wird nicht länger von einer Webseitenanpassung ausgegangen – wie bei den beiden Autoren Sunikka und Bragge - sondern von Werbeanzeigen bei Drittanbietern, die individuell auf die Nutzer zugeschnitten werden.

2.1.2 Retargeting eine Form der One-to-One Personalisierung

Retargeting, auch Remarketing[5] genannt, ist für Werbungtreibende kein allzu unbekanntes Online-Marketing-Tool mehr (Kollel, 2011, S. 353). Laut BVDW (2009, S. 4) bedeutet Retargeting „die Auslieferung eines Werbemittels an einer Nutzergruppe, die schon mal eine bestimmte Aktion (zum Beispiel Klick auf ein bestimmtes Werbemittel, Onlinebestellung) getätigt hat.“ Eine nicht-repräsentative Studie des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft e.V. (BVDW, 2011, [online]) gibt an, dass bereits 79% der Werbungtreibenden Retargeting-Maßnahmen nutzen, um „verloren geglaubte“ Internetnutzer erneut anzusprechen. Von den 21% der Studienteilnehmer, die bislang kein Retargeting einsetzen, wollen 79% in naher Zukunft damit starten. Die Optimierung von Retargeting-Maßnahmen wird für viele Werbungtreibende und Retargeting-Anbieter also eine unabdingbare Herausforderung, um dessen Potential voll auszuschöpfen (Kolell, 2011, S.353). Empirisch ist der Erfolg von Retargeting-Maßnahmen bisher noch nicht nachgewiesen worden, allerdings ist dies wohl auch der Neuartigkeit der Technologie geschuldet (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 546).

Die Ursprünge des Online-Targetings werden von einem Teil der Forscher bereits in der Ausspielung des wohl ersten Online-Werbebanners überhaupt im Jahre 1994 erkannt (Kuß, 2006, S. 240; Greve et al., 2011, S. 10).[6] Im Unterschied zu klassischen Werbebannern werden Targeting-Anzeigen gezielt auf die persönlichen Interessen von Internetnutzern ausgerichtet und im Fall von Retargeting sogar auf jeden individuellen Nutzer (sprich per One-to-One Personalisierung) zugeschnitten (Sunikka & Bragge, 2012, S. 10054).

Im Allgemeinen wird unter Targeting eine automatisierte und zielgerichtete Adressierung von Werbemitteln anhand verschiedener Parameter mit dem Ziel Streuverluste zu reduzieren verstanden (BVDW, 2010, S. 2). Targeting kann anhand von unterschiedlichen Kriterien Zielgruppen segmentieren (Greve et al., 2011, S. 11 ff.). Im Vergleich zu klassischen Targeting-Arten sind diese Kriterien bei Retargeting-Anzeigen in vielerlei Hinsicht zu unterscheiden (Kolell, 2011, S. 353). Sind zunächst nur Zielgruppensegmentierungen auf demografischer Basis wie bspw. Alter, Geschlecht und Postleitzahl oder technische Kriterien wie Bandbreite oder verwendeter Browser genutzt worden, haben sich nun eine Reihe von Targeting-Lösungen entwickelt, die das Surf-, Klick- oder auch Kaufverhalten untersuchen (Greve et al., 2011, S. 10). Retargeting stellt dabei eine Unterform des profilbasierten Targetings dar (Kolell, 2011, S. 354).

Retargeting wird vorwiegend von Online-Vermarktern, sogenannten „Advertising Networks“, im Namen eines werbungtreibenden Unternehmens durchgeführt (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 564). „Advertising Networks“ kümmern sich um den Ein- und Verkauf von diversen Online-Werbeflächen und stellen somit den Link zwischen Werbungtreibenden und Web-Publishern, die die Werbefläche für Retargeting-Anzeigen zur Verfügung stellen, her (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 564). Dabei sprechen werbungtreibende Onlinehändler den „Advertising Networks“ (Drittparteien) die Erlaubnis aus kleine Textdateien, sogenannte Cookies, in die Internetbrowser ihrer Webseitennutzer zu setzen, um damit die Möglichkeit zu haben das Nutzerverhalten zu verfolgen. Auf Grundlage des Nutzungsverhaltens spielen sie personalisierte Anzeigen für ihre Nutzer auch auf fremden Webseiten aus (Miyazaki, 2008, S. 20). Innerhalb des Cookies werden Daten wie Produktkategorien und Produkte, für die sich der Webseitennutzer interessiert hat, sowie Produkte, die vom Besucher in den Warenkorb gelegt oder gekauft wurden, gespeichert (Kolell, 2011, S. 354). Der Vorteil daran ist, dass Werbungtreibende sich nicht um die Kommunikation mit einer großen Zahl an Web-Publishern kümmern müssen, was die Effizienz der Online-Werbevermarktung signifikant verbessert (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 564).

Ein entscheidender Vorteil des Online-Targetings im Vergleich zu anderen Medien ist die Nutzung von Echtzeitinformationen, die dem Werbetreibenden die Möglichkeit gibt laufende Optimierungen auf Nutzerreaktionen vorzunehmen (Greve et al., 2011, S. 10).

In der Forschung haben sich bisher lediglich zwei Autoren mit dem Phänomen Retargeting auseinander gesetzt (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 562 ff.). Lambrecht und Tucker (2013) machen eine grundlegende Unterscheidung zwischen personalisierten Recommender Systemen und dynamischen Retargeting: „ personalized recommendation systems were designed to sell to consumers who are engaged enough to return to a firm’s website. Dynamic retargeting, in contrast, is designed to engage people who have not yet returned to a firm‘s website “ (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 562). Sie grenzen zudem noch generisches von dynamischem Retargeting ab, wobei generisches Retargeting eine allgemeine Nutzeransprache zu einem Thema vorsieht (Beispiel: Allgemeine Anzeige zu einem Online-Reiseunternehmen). Sobald ein Nutzer ein Produkt angesehen hat, kommt dynamisches Retargeting zum Tragen. Dieses stellt bereits gesehene Produkte eines Nutzers mit anderen verwandten Produkten im gleichen Werbebanner dar (Beispiel: Der Nutzer hat sich über das Radisson Blue Hotel in Barcelona informiert und erhält nun eine Werbeanzeige, die eben dieses Hotel neben anderen Hotelvorschlägen visualisiert). Ergebnisse ihrer Studie haben gezeigt, dass dynamische Werbeanzeigen im Durchschnitt weniger effektiv sind als generische, es sei denn ein Nutzer hat zu seiner Produktsuche bereits Preisvergleiche angestellt und eine Präferenz stärker definiert. In diesem Fall steht er dynamischen Anzeigen sehr viel aufgeschlossen gegenüber (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 574). Für die vorliegende Untersuchung stehen dynamische Anzeigen im Fokus. Weiterführend zu den Ergebnissen von Lambrecht und Tucker wird die Ausgestaltung dieser genauer betrachtet.

2.2 Ansätze zur Klärung des menschlichen Verhaltens in Online-Umgebungen

2.2.1 Principal Agency Theory

Da innerhalb von Online-Umgebungen und im speziellen Fall von Retargeting-Maßnahmen Internetnutzer eine gewisse Art von Intransparenz wahrnehmen, sollen nun zwei Ansätze, nämlich die Principal Agency Theory und die Privacy Calculus Theory, vorgestellt werden.

Die Principal Agency Theory soll dem besseres Verständnis der Ungewissheiten, denen das Verhältnis von Internetnutzer und Webseitenanbietern bei der Beurteilung von Retargeting-Anzeigen ausgesetzt ist, dienen (Pavlou et al., 2007, S. 106). Diese soll ebenso wie die nachfolgende Privacy Calculus Theory die Privatsphäre-Besorgnis als Risikofaktor für dynamisches Retargeting interpretieren. Ursprünglich stammt die Prinzipal-Agent-Perspektive aus der Käufer-Verkäufer-Beziehung (Bergen et al., 1992, S.1), wobei Käufer die Rolle der Prinzipale einnehmen und Verkäufer die Agenten darstellen. Dabei wird unterstellt, dass Käufer (Prinzipale) und Verkäufer (Agenten) opportunistisch handeln und unterschiedliche Ziele verfolgen (Pavlou et al., 2007, S. 109). Innerhalb dieser Beziehung besteht das Risiko (Ungewissheit), dass der Agent im Eigeninteresse und somit nicht im Interesse des Prinzipals arbeitet. Ungewissheit entsteht immer dann, wenn Käufer das Verhalten der Verkäufer nicht vollständig überwachen können (Akerlof, 1970, S. 488 ff.). Ergebnis dieser Unwissenheit ist zum einen das Informationsproblem der Adversen Selektion oder auch versteckte Information genannt (Akerhof, 1970, S. 491) und zum anderen das Moral Hazard Problem bzw. versteckte Aktion (Rothschild & Stiglitz, 1976, S. 642). Die Adverse Selektion entsteht typischerweise bevor ein Käufer mit einem Verkäufer einen Vertrag eingeht (pre-contractual problem) und beschreibt die Unsicherheit, die ein Käufer gegenüber der Qualität und der Ehrlichkeit eines Verkäufers und seiner Produkte hegt (Akerhof, 1970, S. 493). Das Moral Hazard Problem entsteht nach Abschluss eines Vertrages (post-contractual problem), wenn ein Verkäufer sich nicht an Vertragsabsprachen hält bzw. bewusst verstößt (Jensen & Meckling, 1976, S. 323). Im klassischen Relationship-Marketing würde eine solche Situation eintreten, wenn ein Verkäufer eine Bezahlung erhält, aber das versprochene Produkt nicht ausliefert oder er ein Produkt verschickt, das nicht wie das Beworbene aussieht (z.B., dass es eine niedrigere Qualität hat, gefälscht oder defekt ist) oder das Produkt nicht zum richtigen Zeitpunkt geliefert wird (Pavlou et al., 2007, S. 108).

Die Probleme der Adversen Selektion und des Moral Hazards sind kongruent. Selbst wenn ein Prinzipal (Käufer) das Problem der Adversen Selektion umgeht, indem er einen High-Quality-Agenten wählt, kann er trotz allem in der Nachvertragsphase enttäuscht werden (Pavlou et al, 2007, S. 110). So bleibt generell zu beachten, dass die Vorvertragsphase von den Erwartungen der Nachvertragsphase beeinflusst wird.

Die vorliegende Arbeit wird sich mit der Käufer-Verkäufer-Beziehung in der Onlineumgebung beschäftigen. Daher wird nun ein kurzer Blick auf die Adaptierung der Principal Agency Theory im Rahmen des Online-Marketings geworfen. Neben monetären Verlustängsten kommt bei Onlinegeschäften immer eine Privatsphäre-Besorgnis hinzu.[7] Der Onlinekäufer muss für eine Transaktion eine Menge an personenbezogenen (Name, Adresse, E-Mail usw.) und finanziellen Daten (Kreditkartennummer, IBAN usw.) preisgeben, die vom Onlineanbieter missbraucht werden können (Li, 2012, S. 472). Verkauft ein Onlineanbieter Kundendaten an Partner oder schützt er persönliche Daten nicht vor dem Zugriff anderer, ist der Onlinekäufer zu Recht in seiner Privatsphäre bedroht (Pavlou et al., 2007, S. 108).

Im Sinne der Informationsökonomie tritt Unsicherheit bei Internet-Käufen in zwei Formen auf (Ahlert et al., 2007, S. 15). Sie tritt zum einen in exogener Form auf, die durch die Technologie eines Informationssystems selbst verursacht wird und zum anderen in endogener Form als Verhaltensunsicherheit über den Internet-Anbieter und als Qualitätsunsicherheit über dessen Produkte- und Dienstleistungen (Ahlert et al. 2007, S. 15). Die erste Ausprägung geht auf Sicherheitsrisiken innerhalb des Internet zurück (Flavián &Guinalíu, 2006, S. 604). Sicherheitsrisiken betreffen den technischen Aspekt eines Informationssystems und stellen die Rechtschaffenheit dessen aufgrund des möglichen Zugangs von Dritten in Frage (Bsp. Hacker, Spam, Viren) (Flavián &Guinalíu, 2006, S. 604). Wohingegen die zweite Form von der Gefahr des Webseitenanbieters ausgeht, bei dem ein Konsument vor dem Kauf, ohne Rückgriff auf mögliche Erfahrungen anderer Personen, lediglich die Webseite beurteilen kann (Bauer et al, 2003, S. 184).

Im Falle von Retargeting-Maßnahmen wird nicht von einer bewussten Transaktion von Daten ausgegangen, denn hier bewegt sich der Internetnutzer nicht nur auf einer Webseite. Oft wird erst beim Verlassen einer Webseite bemerkt, dass Daten einbehalten worden sind. Eine auf den Nutzer zugeschnittene Anzeige erinnert ihn genau an den zuvor besuchten Online-Shop (Lambrecht & Tucker, 2013, S. 562). Sind es nicht unbedingt personenbezogene Daten, so werden zumindest Daten, die die Präferenzen eines Nutzers beschreiben, einbehalten.

Prinzipiell werden alle, die zur Überwindung von Unsicherheiten anfallenden Aufwände des Prinzipals als „Agency Costs“ zusammengefasst (Jensen & Meckling, 1976, S. 309 ff.). Sie beschreiben die Differenz der Kosten einer idealen Lösung (vollkommene Information) zu denen der realen Lösung (bei unvollkommener Information) (Ordelheide et al., 1991, S. 150). Onlineanbieter stehen in der Verantwortung durch Vertrauensaufbaumaßnahmen diese „Agency Costs“ zu reduzieren (Li, 2012, S. 473).

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind insbesondere die Problemlösungen von Seiten des Agenten von Interesse. Hierbei wird vermutet, dass die Informationsasymmetrien zwischen Onlineanbieter und Internetnutzer umso geringer sind, je intensiver er seinen Kunden über Datenschutz informiert und diesen gewährleistet.

2.2.2 Privacy Calculus Theory

„Information privacy is the ability of individuals to control when, how, and to what extent their personal information is exchanged with and used by others “(Li et al., 2010, S. 63). Innerhalb eines Informationsaustausches sind Internetnutzer einem sogenannten „Privacy Calculus“ ausgeliefert (Culnan & Armstrong, 1999, S. 106). Wie auch schon die Principal Agency Theory erläutert hat, spielt die Besorgnis um die eigene Privatsphäre im Rahmen des Informationsaustausches zwischen Webseitenbetreibern und Internetnutzern eine große Rolle. In der Privacy Caculus Theory steht diese und die Vorteile einer Preisgabe von personenbezogenen Informationen in einem paradoxen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, da die Privatsphäre die Voraussetzung für die Informationspreisgabe darstellt (Blumberg et al., 2009, S. 18). Die Privacy Calculus Theory kann als Kosten-Nutzen-Analyse verstanden werden. Die Risiken einer Veröffentlichung von sensiblen Informationen werden mit den verbundenen Vorteilen abgewogen (Dinev & Hart, 2006, S. 67).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Privacy Calculus Modell [8]

Im Sinne von personalisierter Werbung, bei der es sich um einen kostenlosen Service handelt, stellt die Sammlung von Konsumentendaten ein Risiko für Internetnutzer dar (Chellappa & Shivendu, 2010, S. 1766). Wenn Internetnutzer allerdings bereit sind personalisierte Werbung zu nutzen, ist die Informationspreisgabe für sie ein Vorteil. Im Rahmen von Retargeting-Maßnahmen ist das Offenbaren von Informationen mehr oder weniger unterbewusst, da die Nutzer nicht explizit über die Sammlung ihrer Daten informiert werden.[9] Aus diesem Grund geht die vorliegende Untersuchung bei Verwendung des Privacy Calculus-Modells nicht von einer Risiko-Nutzen-Abwägung bei der Preisgabe von persönlichen Informationen aus, sondern von der Absicht personalisierte Werbeanzeigen zu nutzen. Je stärker Internetnutzer um ihre Online-Privatsphäre besorgt sind, desto weniger stellen die Vorteile der Nutzung von personalisierter Werbung einen ausreichenden Ersatz dar, um den Online-Dienst weiter zu verwenden (Culnan & Armstrong, 1999, S. 106). Die Theorie lehnt sich stark an das Prinzip der Erwartungstheorie von Vroom (1964) an. Demnach verhalten sich Individuen so, dass sie alle positiven Folgen maximieren und alle negativen, soweit es geht, minimieren wollen (Vroom, 1964). Neben dem Risiko und dem erwarteten Nutzen können noch weitere Faktoren den Abwägungsprozess beeinflussen. Das Risiko kann während des Entscheidungsfindungsprozesses entweder durch risikomindernde Faktoren abgeschwächt (z.B. Reputation einer Webseite (Andrade et al., 2002, S. 350 ff.), Datenschutzaufklärung durch Webseitenanbieter (Faja & Trimi, 2006, S. 593 ff.), Aussagekraft einer Webseite (Pavlou et al., 2007, S. 105 ff.)) oder durch risikomaximierende Faktoren verstärkt werden (z.B. Erfahrung mit Eingriffen in die Privatsphäre (Bansal et al., 2010, S.138 ff.) oder Computerangst (Stewart & Segras, 2002, S.36 ff.)). In dieser Studie werden nun zwei neue Ansätze der Risikomaximierung und –minimierung vorgestellt: Zum einen der Einfluss einer Datenschutzkampagne von Drittanbietern, also auf Seiten des Web-Publishers, und zum anderen die Bedeutung von Markenähnlichkeiten für das Interesse an einer Werbeanzeige.

2.3 Wahrgenommenes Risiko durch Datenschutzbedenken

2.3.1 Konzeptualisierung des Begriffes der Privatsphäre-Besorgnis

Im Rahmen dieser Untersuchung soll aufgezeigt werden, dass eine Möglichkeit die Einstellung gegenüber Retargeting-Anzeigen zu verbessern, die Verwendung von Marketingkampagnen sein können, die Datenschutzrichtlinien versprechen. Im Unterschied zu klassischen Forschungsrichtungen, die Sicherheitsversprechen innerhalb gewöhnlicher Online-Shops bereits untersucht haben (Flavián & Guinalíu, 2006, S. 601 ff.; Pavlou et al., 2007, S. 117), bezieht sich diese Arbeit speziell auf Datenschutzkampagnen von Drittanbietern beziehen. Drittanbieter sind Web-Publisher, die die dynamischen Retargeting-Anzeigen schalten. Um aufzuzeigen, wie die aktuelle Gesetzeslage bezüglich der Sammlung von persönlichen Daten ist und welche Möglichkeiten bestehen um Datenmissbrauch zu verhindern, wird das folgende Kapitel diese Thematik näher untersuchen. Unter anderem wird die Selbstregulierung der Internetnutzer und die hier zu untersuchenden Sicherheitsmaßnahmen durch Webseitenbetreiber beleuchtet. Dazu wird zunächst der Ursprung aller Datenschutzbedenken durch den Begriff der Privatsphäre-Besorgnis definiert.

Der Begriff Privatsphäre-Besorgnis wird von Liao et al. (2011, S. 703) als „ concern about a possible loss of privacy as a result of voluntary or surreptitious information disclosure “ bestimmt. Aus Marketing-Perspektive und zunehmender medialer Präsenz von Datenschutzmissbräuchen gewinnt der Begriff an Bedeutung. Viele Verbraucher vermuten wenig Kontrolle über ihre Privatsphäre zu haben (Back & Moritmoto, 2012, S. 61). Die Mehrheit sorgt sich über die Kenntnisse, die Firmen über sie ansammeln und den Umgang, den diese mit ihren Daten ausüben (Kacchi & Link, 2009, S. 74). Webseitenbetreiber müssen sich überlegen, wie sie dieses Phänomen angehen. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass Privatsphäre-Besorgnisse einen Einfluss darauf haben, dass Werbeanzeigen vermieden (Baek & Morimoto, 2012, S. 62) oder durch Ad-Blocker abgeschaltet werden. Auch negative Mundpropaganda, die den Webseitenanbieter in Verruf bringen (Culnan & Armstrong, 1999, S. 105) und zudem die Minderung der Kaufabsicht im Online-Handel begünstigen, kann durch Privatsphäre-Besorgnisse bedingt sein (Eastlick et al., 2006, S. 878; Liao et al., 2011, S. 705). Laut einer Studie der Universität Pennsylvania und des Berkley Center for Law und Technology wollen 66% der US-Bürger aufgrund Privatsphäre-Besorgnissen nicht durch Targeting-Maßnahmen getrackt werden (Turow et al., 2009, S. 3). Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie Privatsphäre entsteht und in welcher Art diese auftritt. Hierzu sind bereits eine Reihe von Privatsphäre-Formen in der Literatur untersucht worden. Bezogen auf Online-Verhaltensweisen, für die Privatsphäre-Besorgnisse eine große Rolle spielen, unterscheidet Li (2014, S. 32 ff.) grundsätzlich drei Ansätze. Zunächst gilt eine generelle Privatsphäre-Besorgnis oder auch Privatsphäre-Besorgnis im Internet (Li et al., 2010, S. 64). Diese entsteht aus der allgemeinen Erfahrung bzw. Kenntnis, die eine Person über das Internet hat, aber auch aus ihrem kulturellen Hintergrund (Bellmann et al., 2004, S. 315). Auch Persönlichkeitseigenschaften wie die Verträglichkeit, das Pflichtbewusstsein und die Offenheit zu versagen können Auslöser für die Privatsphäre-Besorgnis sein (Junglas et al., 2008, S. 395). Als zweiten Ansatz nennt er die spezifische Privatsphäre-Besorgnis, welche sich auf eine spezielle Situation wie z.B. die Besorgnis sich auf einer bestimmten Webseite zu bewegen, bezieht (Li et al., 2010, S. 65). Beeinflusst wird diese Form bspw. durch die Reputation eines Webseitenbetreibers (Eastlick et al., 2006, S. 880). Weiterhin haben dazu Pavlou et al. (2007, S. 128) ermittelt, dass ein bereits aufgebautes Vertrauensbild einer Person gegenüber einer Webseite und der Wille eines Webseitenbetreibers sich der Datenschutzaufklärung anzunehmen, ebenfalls entscheidend die Privatsphäre-Besorgnis einer Person beeinflussen kann. Schließlich muss die dritte Form, das psychologische Bedürfnis nach Privatsphäre (Rensel et al., 2006, S. 29), welches den fundamentalen Wert von Privatsphäre für eine Person beschreibt, genannt werden. Diese Ausprägung ist wohl die generellste und zeichnet die Toleranz aus, die eine Person gegenüber Privatsphäre-Eingriffen innerhalb und außerhalb des Internets aufweist (Laufer & Wolfe, 1977, S. 25; Li, 2014, S. 35). Für jedes Individuum ist der Wunsch nach Privatsphäre einzigartig (Rensel et al., 2006, S. 29). Einen Versuch den Grad der Privatsphäre-Besorgnis für bestimmte Gruppen zu clustern, unternimmt Westin (2003, S. 22 f.). Er unterscheidet drei verschiedener Privatsphäre-Typen: „Privacy Fundamentalists“, „Privacy Pragmatists“ und „Privacy Unconcerned“.

- „ Privacy Fundamentalists “ sind extrem besorgt, wenn es um ihre persönlichen Daten geht. Sie würden ihre Daten nicht mal preisgeben, wenn ihnen dafür Sicherheitsversprechen gegeben werden (risikoavers).
- „ Privacy Pragmatists “ sind zwar um ihre Daten besorgt, allerdings nicht so stark wie „Privacy Fundamentalists“. Sie geben persönliche Daten eher preis, wenn sie einen entsprechenden Vorteil darin erkennen oder eine Kontrolle durch Sicherheitsversprechen sehen (risikoneutral).
- „ Privacy Unconcerned “ haben generell eher weniger Bedenken um ihre Privatsphäre. Sie verspüren am wenigsten eine Angst, dass ihre Daten von Webseitenbetreibern oder Dritten genutzt oder missbraucht werden können (risikofreudig) (Westin, 2003, S. 22 f.).

Li (2014, S. 33) fasst diese drei Ansätze als Privatsphäre-Überzeugungen zusammen und grenzt sie zu den in der Literatur oft synonym verwendeten Privatsphäre-Ängsten (Chai et al., 2009, S. 170), der Privatsphäre-Kontrolle (Connolly & Bannister, 2007, S. 107), der wahrgenommenen Wichtigkeit von persönlicher Privatsphäre (Hossain & Prybutok, 2008, S. 319), der Überzeugung über den Schutz der Privatsphäre und dem Risiko, welches von der Privatsphäre ausgeht (Li et al., 2010, S. 64), ab.

2.3.2 Rechtliche Aspekte des Retargetings im Ramen der Datenschutzaufklärung

Das deutsche Datenschutzrecht wird durch das Telemediengesetz (TMG) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt. Datenerhebungen sind grundsätzlich nur erlaubt, wenn der Betroffene einwilligt (§ 4 Abs. 1 BDSG). Zu einem Recht der informationellen Selbstbestimmung gehört zudem eine Informationspflicht der datenerhebenden Partei. Diese muss den Betroffenen ausdrücklich auf die Zweckbestimmung der Erhebung, Verarbeitung und Verwendung hinweisen (§ 13 Abs. 1 TMG). Webseitenbetreiber erfüllen diese Informationspflicht mehr oder weniger durch vorformulierte „Datenschutzerklärungen“, die allerdings nicht immer den rechtlichen Anforderungen entsprechen (Kartal et al., 2011, S. 7).

Von zentraler Bedeutung für die datenschutzrechtliche Beurteilung von Retargeting ist, ob die erhobenen Daten personenbezogener Natur sind. Sind sie es nicht, tritt eine Sonderregelung in Kraft. Unter personenbezogenen Daten werden gemäß §3 Abs. 1 BDSG: “Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person “ verstanden. Eine Person ist bestimmt, wenn die zur Verfügung stehenden Daten einen Rückschluss auf die Identität einer Person geben. Bestimmbar ist sie, wenn die Identität nicht unmittelbar aus den Daten selbst erkennbar wird, aber mittels weiterer Informationen, die der datenerhebenden Stelle zur Verfügung stehen (Kartal et al., 2011, S. 7). Personenbezogene Kundendaten können zum Beispiel der Name, die Adresse sowie die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse sein und müssen von Internetnutzern freiwillig angegeben werden. Ein Beispiel hierfür ist das Anmeldeverfahren bei E-Mail-Portalen wie GMX, Web.de und Co. Problematisch an dieser Erhebungsform ist, dass die Daten im Laufe der Zeit an Aktualität verlieren und Onlinevermarkter dementsprechend Kosten und Aufwände aufbringen müssen, um diese wieder aufzufrischen (Bodendorf, 2006, S. 5).

Sind die erhobenen Daten weder bestimmt noch bestimmbar, spricht man von pseudonymen Daten und es tritt der Fall § 15 Abs. 3 TMG ein. Demnach darf ein Onlineanbieter zu Werbe- oder Marktforschungszwecken Nutzungsprofile unter Verwendung von Pseudonymen erstellen, solange der Internetnutzer nicht widerspricht (Kartal et al., 2011, S. 7). Unter pseudonymer Personalisierung versteht man, die Verfolgung eines Nutzers über längere Zeit („Sessions“), um personalisierte Dienste anzubieten, ohne die richtige Identität des Nutzers zu kennen (Roßnagel, 2007, S. 11). Vereinfacht kann gesagt werden, dass Retargeting-Maßnahmen, die häufig mittels Cookies das Tracking von Nutzungs- oder Surfverhalten von Internetnutzern ermöglichen, zulässig sind und keiner ausdrücklichen Einwilligung bedürfen. Die Nutzung von pseudonymen Daten ist zum einen für den Nutzer ein weniger starker Eingriff in die Privatsphäre, da der Nutzer zunächst nicht unmittelbar mit der Datensammlung konfrontiert wird, und zum anderen können Echtzeitinformationen gesammelt werden (Greve et al., 2011, S. 10). Die Erhebung von pseudonymen Daten fällt nicht in den Anwendungsbereich des TMG bzw. des BDSG (Bauer et. al, 2011, S. 107). Ein Internetnutzer kann allerdings jederzeit ein Widerspruchrecht erheben, ein sogenanntes „Opt-Out“ (Winer, 2001, S. 101). Die Nutzung dieser Opt-Out-Möglichkeit kann für Onlineanbieter Probleme hervorbringen, denn wenn ein Nutzer einmal davon Gebrauch gemacht hat, da Retargeting-Kampagnen dannzwecklos werden.

Eine einfache Möglichkeit dem Tracking, welches bei Retargeting-Maßnahmen angewendet wird übergreifend zu widersprechen, fehlt bislang. Internetbrowser wie Internet Explorer und Firefox bieten bereits die Möglichkeit per Einstellung ein Tracking zu unterbinden (Schulzki-Haddouti, 2013, [online]). Es hat jedoch jeder Hersteller einen anderen Lösungsansatz, so dass noch nicht von einer Standardlösung gesprochen werden kann (Schwarz, 2011, S. 548). Das liegt vor allem daran, dass Datenschutzrichtlinien von Land zu Land variieren (Flavián & Guinalíu, 2006, S. 612). Als problematisch stellt sich vor allem heraus, dass viele Webseitenbetreiber die „Do-not-Track“-Signale der Internetbrowser, die vom Nutzer aktiviert werden, nicht respektieren (Schulzki-Haddouti, 2013, [online]).[10] Lediglich 1% aller Webseitenbetreiber beendet das Tracking, wenn ein Nutzer die „Do-Not-Track“-Funktion in seinem Browser aktiviert hat (Heise, 2014, [online]). Kalifornien ist diesbezüglich durch die Unterzeichnung des „Online Transparency Acts“ schon einen Schritt weiter (Krasnow, 2013, S. 65). Denn dieser verpflichtet Webseitenbetreiber dazu seine Nutzer darüber zu informieren, ob er „Do-not-Track“-Signale der Browser respektiert (Schulzki-Haddouti, 2013, [online]).

Europa fordert bereits 2009 durch die E-Privacy Richtlinie der EU ein sehr viel schärferes Vorgehen, um das Unterbinden von Tracking-Maßnahmen zu ermöglichen (Directive 2009/136/EC of the European Parliament and of the Council, 2009). Es handelt sich hierbei um das sogenannte Opt-In (Winer, 2001, S. 101). Dieses sieht eine gesonderte Einwilligung von Cookies durch den Nutzer vor, d.h. wenn ein Nutzer eine Webseite das erste Mal besucht, wird er dazu aufgerufen der Verwendung von Cookies zuzustimmen. In Deutschland hat das Gesetz allerdings bisher noch keine Anwendung gefunden (BVDW, 2014, [online]). Jedoch sind bereits eine Reihe von Webseitenbetreibern auf dem Markt zu finden, die ein Opt-In auf ihrer Webseite implementiert haben (Beispiel: Zalando). Vorteil an einem Opt-In ist, dass ein Bewusstsein für die Datensammlung geschaffen wird und ein risikoaversierter Nutzer sich nicht durch personalisierte Werbungen überrascht fühlt.

Aber nicht nur die Cookie-Kontrolle ist eine Selbstregulierungsmaßnahme für Internetnutzer, auch andere Datenschutzrisiken müssen durch die Nutzer eigenständig kontrolliert werden (Larose & Rifon, 2007, S. 127). So ist jeder Nutzer für die Sicherung seines Spam- und Virusschutzes, der Installation eines Firewalls, des Schutzes vor Spionage-Software, der Ausselektion von Phishing-Mails und Blockierung von Pop-Ups selbst verantwortlich (Larose & Rifon, 2007, S. 127). Die Fülle an Datenschutzrisiken erschwert es Internetnutzern den Überblick zu bewahren und nur die wenigsten kümmern sich um die Gewährleistung vollem Umfang (Flavián & Guinalíu, 2007, S. 604; Milne et al., 2004, S. 227).

Für gewöhnlich ist es einem Konsumenten auch nicht wichtig, Datenschutzrisiken zu trennen, schließlich ist die Respektierung seiner Privatsphäre das einzige, was er möchte (Flavián & Guinalíu, 2007, S. 604 f.). In der globalen Wirtschaftswelt ist die Idee, dass die Datenschutzkontrolle nicht alleine durch den Konsumenten getragen werden kann, bereits angekommen (Flavián & Guinalíu, 2007, S. 605). Nach der Statista GmbH ist von 2012 bis 2014 die Relevanz, dass Unternehmen für den Datenschutz im Internet verantwortlich sind, um 27 % gestiegen (Statista, 2014, [online]). Bislang orientieren sich Webseitenbetreiber vorwiegend an zwei Herangehensweisen. Zum einen die bereits angesprochene legislative Kontrolle (Bsp. Gesetzesentwurf für Opt-In) und zum anderen die technologische Gewährleistung ihrer Informationssysteme (Bsp. SSL-Verschlüsselung von E-Mails) (Lyman, 2003 [online]; European Commission, 2012, S. 37 ff.). Nun reagiert aber auch die Werbeindustrie auf die zunehmenden Datenschutzdiskussionen in den Medien. E-Mail-Anbieter wie GMX, Web.de und Telekom werben mit „E-Mail made in Germany“,[11] einer Initiative, mit welcher der E-Mail-Verkehr verschlüsselt werden soll (GMX, 2014 [online]). Vertrauliche Informationen sollen so vor Hackerangriffen oder Datenmissbrauchsversuchen sicher sein. Diese versprechen zum einen, dass der Nutzer selbst keinen Aufwand zur Sicherung seiner persönlichen Internetfreiheit vornehmen muss, und zum anderen einen Rahmen, der den Internetnutzern einen sicheren Spielraum für persönliche Daten gewährleistet (GMX, 2014, [online]). Ob der Schutz, der durch die Kampagne versprochen wird, auch tatsächlich gewährleistet wird, kann ein Nutzer vermeintlich nicht beurteilen. Trotz allem weckt die Kampagne Aufmerksamkeit für die Problematik und schärft das Bewusstsein wachsam gegenüber Internetgefahren zu sein. So stellt eine dritte Säule der Datenschutzkontrolle von Webseitenbetreibern die Vermittlung dieser durch Werbung dar. Die Untersuchung dieser Maßnahme soll Grundlage der vorliegenden Studie sein.

2.4 Erwarteter Vorteil: Wahrnehmung ähnlicher Markenpersönlichkeiten

2.4.1 Bedeutung von Markenpersönlichkeiten

Nachdem eine Reihe von Risikoeinflüssen für Retargeting-Maßnahmen vorgestellt worden sind, soll nun der Nutzenfaktor Markenpersönlichkeit, auf dem dieser Beitrag basiert, definiert werden. Genau genommen werden die Ähnlichkeiten von Markenpersönlichkeiten eine Rolle spielen. Auf diesen Sachverhalt wird nach Klärung der Begrifflichkeiten eingegangen.

Marken zeichnen sich dadurch aus, dass sie neben materiellen Eigenschaften auch Eigenschaften aufweisen, die alleine durch ökonomische Maße nicht greifbar sind (Florack & Scarabis, 2007, S. 177; Keller, 1993, S. 4). Dieser Charakter wird als “Markenpersönlichkeit” bezeichnet (Aaker, 1997, S. 347 ff.). Für Konsumenten ist das Phänomen nicht direkt beobachtbar, trotz allem nehmen sie es unbewusst wahr (Florack & Scarabis, 2007, S. 177). Eigenschaften, die menschlichen Persönlichkeitszügen sehr ähnlich sind, werden so bezeichnet (Gilmore, 1919). Aaker (1997, S. 347) formuliert den Charakter der Markenpersönlichkeit als „ the set of human characteristics associated with a brand “. Die Annahme, dass Marken wie Menschen über eine Persönlichkeit verfügen, ist bereits im Jahre 1919 zu finden. Gilmore (1919) prägt sie durch die Animismus-Theorie, die der Erkenntnis zugrunde liegt, dass Menschen dazu neigen unbelebte Objekte zu beseelen, um die Interaktion mit der immateriellen Welt zu erleichtern. Die Vermenschlichung von Objekten wird auch als Anthropomorphisierung bezeichnet (Schindler, 2008, S. 28). Beobachten kann man dieses Verhalten bereits im frühkindlichen Stadium, wenn Puppen zum Spiegel für die eigene Identität werden oder als Projektionsfläche für Wünschenswertes dienen (Schindler, 2008, S. 28). In der Persönlichkeitspsychologie wird Marken der Wert beigemessen, dass sie in der Lage sind das ideale Selbst und das Selbstkonzept eines Menschen auszudrücken. Sirgy (1986, S. 12 ff.) behauptet dabei in seiner Selbstkongruenztheorie, dass das Streben nach einem positiven Selbstwertgefühl und das Bedürfnis nach Sicherheit in der Suche nach Selbsterkenntnis mündet. Marken, die Eigenschaften besitzen, mit denen eine Person sich selbst sieht bzw. sich sehen möchte, können zu einer erhöhten Präferenz führen.

In der Praxis ist der Rückgriff auf menschliche Eigenschaften bereits 1958 von Martineau geprägt, um die Kommunikation zwischen Markenverantwortlichen zu erleichtern. Auch in der Marktforschung vereinfacht es die Arbeit, wenn Probanden mit der Aufgabe beauftragt werden, sich Marken als Person, Freund oder Filmstar vorzustellen (Rook, 1985, S. 251 f.; Florack & Scarabis, 2007, S. 178). Fournier (1998, S. 343 ff.) hat nachgewiesen, dass Konsumenten Beziehungen zu Marken eingehen, die menschlichen Beziehungen gleichen können. Er begründet diese Beziehung soweit, dass Marken Beziehungspartner darstellen können, also personifiziert werden (Fournier, 1998, S. 344 f.). Doch obwohl Markeneigenschaften und menschliche Persönlichkeitsmerkmale eine ähnliche Definition erfahren (Epstein, 1977, S. 83 ff.), würde man ihre Entstehungsart dennoch unterscheiden (Aaker, 1997, S. 348). Menschliche Persönlichkeitsmerkmale haben ihren Ursprung im individuellen Verhalten, in körperlichen Eigenschaften, in der Einstellung und den Überzeugungen sowie in den demographischen Eigenschaften (Park, 1986, S. 907 ff.). Markenpersönlichkeiten dagegen entstehen durch direkten und indirekten Kontakt mit der Marke (Aaker, 1997, S. 348). Markeneigenschaften werden durch die Übertragung der typischen Markennutzer auf die Marke geprägt. So können klassische Persönlichkeitszüge wie Intelligenz, Aufrichtigkeit, Wärme und Zuverlässigkeit mit einer Marke assoziiert werden (Aaker, 1996, S. 141). Auch demographische Eigenschaften wie Geschlecht, Alter und Klasse kann eine Markenpersönlichkeit beinhalten (Levy, 1959, S. 117 ff.). Wird die Zigarettenmarke Pall Mall Menthol durch die Verwender eher als weiblich empfunden, ist Marlboro hingegen eher eine männliche Marke (Esch, 2005, S. 170). Apple wird unter dem Einfluss der ausgeprägten inneren Bilder von den Verwendern eher für eine junge Marke und IBM für älter gehalten, obwohl es bei beiden Marken jüngere Produkte gibt (Aaker, 1997, S. 348). Das Kaufhaus Harrods in London würde man eher als exklusiv wahrnehmen, wohingegen Woolworth in Deutschland eher als preisgünstig gilt.

Der für diese Untersuchung allerdings wichtigste Aspekt der Markenpersönlichkeit ist, dass es einen positiven Einfluss auf den Kaufentscheidungsprozess hat (Hieronismus, 2003, S. 102). Die Markenpersönlichkeit dient als Strukturierungshilfe und zum Abruf von Markenwissen (Hieronismus, 2003, S. 102). Baumgarth und Hansjosten (2002, S. 43) zufolge hilft die Markenpersönlichkeit dabei sich langfristig im Wettbewerb abzusetzen. Assoziationen, die eine Person mit einer Marke haben, sind im Gegensatz zu einzelnen Produkteigenschaften von Dauer und verändern sich mit der Zeit nur wenig (Herrman, 1997, S. 34). Dies ist der Grund, weshalb Verbrauchern mühelos zwischen verschiedenen Marken Ähnlichkeiten herstellen können. Haben sich verschiedene Studien bereits mit dem Erfolg der Ähnlichkeit zwischen einer Marken- und Konsumentenpersönlichkeit (Bauer et al., 2002), einer Marken- und Testimonialpersönlichkeit (Mäder, 2005), einer Marken- und Mitarbeiterpersönlichkeit im Call-Center (Lieven & Tomczak, 2012) beschäftigt, ist bisher jedoch nur sehr selten der Erfolg von ähnlichen Marken untereinander betrachtet worden (Yang et al., 2014). Yang et al. (2014, S. 973 ff.) weisen in ihrer Studie nach, dass unähnliche Markenpersönlichkeiten im Umfeld von ähnlichen Markenpersönlichkeiten herausstechen. Den Unterschied zwischen Markenpersönlichkeiten nehmen Verbraucher also durchaus unterbewusst wahr. In dieser Arbeit soll nachgewiesen werden, dass Online-Werbeanzeigen, die ähnlichen Markenpersönlichkeiten enthalten, einen Nutzen für Verbraucher darstellen können und Unterschiede zwischen den Markenpersönlichkeiten erkannt werden.

2.4.2 Ansätze zur Operationalisierung von Markenpersönlichkeiten

In der Literatur existiert eine Vielzahl von Ansätzen, um die Persönlichkeit von Marken zu erfassen (Aaker et al., 1992, S. 260). So soll die bis dato weltweit bekannteste Studie die „Brand Personality Scale“ zunächst einmal vorgestellt werden (Aaker, 1997, S. 347 ff.). Die Studie von Jennifer Aaker zeigt auf, dass Verbraucher Marken anhand von fünf Dimensionen wahrnehmen: Aufrichtigkeit, Erregung/Spannung, Kompetenz, Kultiviertheit und Robustheit (Aaker, 1997, S. 348 ff.). Sie verwendet Items, die sowohl die menschliche Persönlichkeit beschreiben als auch solche, die zur Beschreibung von Produkten ausgerichtet sind. Man bezeichnet sie auch als „Big Five“ des Marketings (Aaker, 2001, S. 98).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Markenpersönlichkeiten nach Aaker[12]

Das Konzept von Aaker erweist sich allerdings nicht als universell stabil (Aaker et al., 2001, S. 501). So haben sich in den USA beispielsweise andere Markendimensionen ergeben als in Japan, Spanien, Niederlande und in Deutschland (Aaker et al., 2001, S. 501; Hieronismus, 2002, S.119 ff.; Smith et al., 2002, S. 29). Leidenschaft als Markendimension spielt in Spanien beispielsweise eine größere Rolle als in den USA (Aaker et al., 2001, S. 501). In Deutschland identifiziert Hieronismus (2002, S. 204 f.) in seiner faktoranalytische Auswertung zur Messung der Markenpersönlichkeit nur zwei Dimensionen. Seine Dimension „Vertrauen & Sicherheit“ entspricht dabei dem was man in der Unternehmenspraxis als rationale Nutzenkomponente bezeichnet. Wohingegen seine zweite Dimension „Temperament & Leidenschaft“ eher den emotionalen Nutzenbereich abdeckt (Hieronismus, 2002, S. 205). Als beständig erweisen sich die drei Dimensionen Aufrichtigkeit, Kompetenz und Erregung/Spannung von Aaker. Ihre Itembatterie findet sich auch in den deutschsprachigen Dimensionen wieder.

Neben der landesspezifischen Auswahl an Persönlichkeitsmerkmalen stellt sich die Adaptierung der Struktur der Markenpersönlichkeiten von Aaker auf einzelne Produktkategorien nicht immer als valide heraus. Bei der Untersuchung mehrerer Sonnenbrillenmarken kann Hayes (1999, S. 175) nur unter Ausschluss einiger Items alle Dimensionen abbilden. Wysong (2000, S.47 ff.) dagegen hat in der Produktkategorie Bier alle Dimensionen repliziert.

2.4.3 Zum Begriff der Markenloyalität

Um den Nutzen von ähnlichen Marken entsprechend einordnen zu können, müssen allerdings auch Konsumenten mit einbezogen werden, die sich gegenüber bestimmten Marken besonders loyal verhalten. Loyale Kunden präferieren Marken und stehen Konkurrenzprodukten eher unaufgeschlossen gegenüber. Dies kann einen Einfluss auf die Wahrnehmung von ähnlichen Marken haben. Ähnliche Marken können für diese Kunden weniger attraktiv sein und stellen keinen Nutzen für sie dar. Um das Konzept der Markenloyalität besser nachvollziehen zu können, soll es nachfolgend zunächst erläutert werden.

Erste Studien, die sich mit der Konzeptualisierung von Markenloyalität beschäftigten, erfassen diese als rein behavioristischen Ansatz, d.h. als beobachtbares Kaufverhalten (Copeland, 1923, S. 288). So wird Markenloyalität über die Kaufreihenfolge (Brown, 1952), den Kaufanteil (Cunningham, 1956, S. 116 ff.) oder die Kaufwahrscheinlichkeit (Frank & Lipstein, 1962, S. 19 ff.; Lipstein, 1959, S. 101 ff.) von Marken gemessen. Loyales Verhalten eines Kunden tritt dann auf, wenn durch Wiederkauf eine Gebundenheit von diesem an einen Anbieter deutlich wird (Day, 1969, S. 30). Mittels dieser Definition werden allerdings zufällige oder situative Faktoren, die zu Wiederkäufen geführt haben (Bsp: Sonderangebote, Mangel an Alternativen), nicht von wirklicher Markenpräferenz getrennt (Dick & Basu, 1994, S. 101). Seit Ende der 60er Jahre gibt es einen zweiten Ansatz, der über die behavioristische Loyalitätsmessung hinausgeht, der neobehavioristische Ansatz. Dieser sieht keine Alleinbetrachtung von Beobachtungsgrößen vor (Jacoby & Olson, 1970, S. 16), sondern erweitert diese Betrachtungsweise um eine Einstellungsdimension (Diller, 1996, S. 83; Schiller, 1986, S. 366). Der ursprünglichen Verhaltensdimension wird dabei unterstellt, dass sich das Treuverhalten keinesfalls nur auf einen reinem Wiederkauf beschränkt, sondern auch Cross-Buying-Effekte (d.h. auch andere Produkte des Markenanbieters werden konsumiert) und Weiterempfehlungsverhalten wichtige Komponenten darstellen (Homburg et al., 2005, S. 1399). Die Verhaltensdimension stellt sich also als kaufbezogene Loyalität dar, da es dabei um die Kauftreue zu einer Marke geht (also sein tatsächliches Verhalten) (Vogel, 2012, S. 31). Die Einstellungsdimension wird dagegen über die Markenzufriedenheit (auch Marken-Commitment genannt) gemessen. Eine positive Einstellung eines Kunden gegenüber einer Marke spiegelt dabei Zufriedenheit wider (Meyer & Oevermann, 1995, S. 1343). Die Erweiterung des Loyalitätsbegriffes um die Komponente der Zufriedenheit erscheint essentiell, ist doch die Bedeutung von langlebigen Geschäftsbeziehungen in der heutigen Zeit unabdinglich (Heide & Weiss, 1995, S. 32). Der Austauschprozess innerhalb einer Geschäftsbeziehung kann nur mit ausreichender Zufriedenheit erfolgreich werden. Die Einstellungsdimension wird dabei in drei Komponenten aufgeteilt (Jacoby & Chestnut, 1978, S. 47; Dick & Basu, 1994, S. 101; Oliver, 1999, S. 35). Neben kognitiven und affektiven Gesichtspunkte spielen auch intentionale Gesichtspunkte eine Rolle (Chaudhuri & Holbrook, 2002, S. 38; Vogel, 2012, S. 31). Für die vorliegende Studie sind weniger die kognitiven oder affektiven Informationsverarbeitungsprozesse von Bedeutung als vielmehr wie sich diese Bestandteile in einem bestimmten Verhalten äußern, nämlich durch die Bindung an eine Marke. Hat ein Konsument ein positives inneres Bild von einer Marke und verbindet er positive Eigenschaften mit der Marke, drückt er dies auch in der Bereitschaft zu einem bestimmten Verhalten aus, indem er die Marke gegenüber Freunden verteidigt oder auch Konkurrenzprodukte ignoriert (Vogel, 2012, S. 31). Insgesamt sollte also der intentionale Schwerpunkt im Fokus stehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Konzeptualisierung der Markenloyalität[13]

Im Folgenden wird Markenloyalität als Verhaltensabsicht (intentionale Komponente der Einstellungsdimension), nicht aber als tatsächliches Verhalten (Verhaltensdimension) eines Konsumenten, einem Anbieter treu zu bleiben, verstanden (Braunstein, 2001, S. 27). Das tatsächliche Verhalten (Verhaltensdimension) kann aufgrund des Aufbaus der Studie nur bedingt operationalisiert werden, da weder der Wiederkauf einer Marke noch der Zusatzkauf oder die Weiterempfehlung gemessen wird. Ein tatsächliches Verhalten kann sich allerdings auch in der Resistenz treuer Konsumenten gegenüber Konkurrenzangeboten und in geringer Wechselbereitschaft dieser, die damit einhergeht, äußern (Dick & Basu, 1994, S. 100). Die beiden Indikatoren führen dazu, dass Konsumenten weniger motiviert sind nach anderen Markenprodukten zu suchen (Dick & Basu, 1994, S. 100). Dieses Verhalten wird nachfolgend als kausaler Zusammenhang verstanden.

Weiterhin stellt die Erkenntnis, dass auch Markenpersönlichkeiten eine Grundlage für Markenloyalität sein können, einen weiteren wichtigen Aspekt für die nachfolgende Betrachtung dar. Diesen Nachweis ermöglichen die Autoren Bauer et al. (2002, S. 687 ff.) mittels der Selbst-Kongruenztheorie. Eine Übereinstimmung der Markenpersönlichkeit mit der eigenen Persönlichkeit wirkt sich unmittelbar auf die Zufriedenheit mit dem Produkt und der Identifikation mit der Marke und damit auf die Markenloyalität aus (Bauer et al., 2002, S. 691).

Neben diesen Ansätzen gibt es zusätzlich eine dreidimensionale Konzeptualisierung der Markenloyalität. Gounaris und Stathakopoulos (2004, S. 283 ff.) schlagen darin vor soziale Normen in das Loyalitätskonzept zu integrieren. In der Literatur hat sich allerdings weitestgehend der zweidimensionale Ansatz etabliert, welcher aus diesem Grund auch Grundlage der vorliegenden Untersuchung ist (Pitchard et al., 1992, S. 156).

3 Ein Modell zur Erklärung der Gestaltung einer Retargeting-Anzeige und deren Wirksamkeit auf die Klickabsicht

3.1 Der Einflussfaktor Markenloyalität

Der offensichtlichste Weg, um eine Verteilungsgerechtigkeit für Retargeting-Maßnahmen herbeizuführen, ist den wahrgenommenen Nutzen von Targeting-Maßnahmen zu erhöhen (Groene et al., 2012, S. 5). Dieser wird am ehesten erhöht, wenn auf irrelevante Werbung verzichtet wird (Alreck & Settle, 2007, S. 13). Die vorliegende Arbeit wird untersuchen, ob durch die Ähnlichkeit von Markenpersönlichkeiten ein Nutzenfaktor wie z.B. ein erhöhtes Interesse ausgelöst werden kann, der nach der Verarbeitung einer Reihe von kognitiven und affektiven Informationsprozessen in einer positiven Verhaltensabsicht gegenüber einer Online-Werbeanzeige mündet (Klickabsicht). Demnach soll nachgewiesen werden, dass ähnliche Markenpersönlichkeiten über die Relevanz verfügen, die Personen dazu bringen ihre Besorgnisse gegenüber der Personalisierungsmaßnahme zu reduzieren. Im Unterschied zu bisherigen Retargeting-Studien wird nicht mehr von Produkten ausgegangen, die Konsumenten in einem Online-Shop schon einmal betrachtet haben (Tucker & Lambrecht, 2012, S. 561 ff.), sondern versucht durch besagte Markenähnlichkeiten das Interesse des Internetnutzers zu wecken. Hat sich ein Konsument also bereits in einem Online-Shop über eine Marke informiert, sprich die Produktdetails eines spezifischen Produktes aufgerufen, soll er über eine Retargeting-Maßnahme auf einer anderen Webseite durch ähnliche Markenpersönlichkeiten angesprochen werden. Das zuvor gesehene Produkt sollte nicht Inhalt der Anzeige sein.

Dieser Studienarbeit liegt die Annahme zugrunde, dass Markenloyalität als Verhaltensabsicht verstanden wird. Es wird dargestellt, inwieweit dieses erkennbar ist, wenn markentreue Konsumenten mit Konkurrenzprodukten in Berührung kommen. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine stark ausgeprägte Verhaltensabsicht eher dazu motiviert ein bestimmtes Verhalten auszuüben (Ajzen & Fishbein, 1980, S. 30). Markenloyalität stellt hier die Verhaltensabsicht dar und beeinflusst das Interesse bzw. Desinteresse an Alternativmarken.

Eine echte Markenloyalität ist eine Loyalität aus Verbundenheit. Dick und Basu (1994, S. 102) erkennen sie als die stärkste Loyalitätsform. Sie ist resistent gegenüber attraktiven Wettbewerbsangeboten und unterliegt keinen weiteren Umwelteinflüssen (Dick & Basu, 1994, S. 101). Situative Faktoren wie günstigere Angebote von Konkurrenzprodukten stellen keine Wechselbarriere dar. Echte Markenloyalität äußert sich in einer positiven Einstellung und einem stark ausgeprägten Wiederkaufsverhalten. Newman und Staelin (1972, S. 254) kommen diesbezüglich zu der Erkenntnis, je positiver die Erfahrungen einer Person mit einer Marke sind, desto weniger sucht sie nach Alternativen. Furse et al. (1984, S. 429) weisen dahingehend nach, dass Konsumenten, die weniger nach Alternativen suchen, meist zufriedener mit ihren letzten Einkaufserfahrungen sind.

Basierend auf Festingers (1957, S. 15 ff.) Theorie der kognitiven Dissonanz verhalten sich Konsumenten aufgrund der Gleichgewichtserhaltung loyal. Loyale Konsumenten wollen ihren Zufriedenheitszustand mit einer Marke aufrechterhalten und das unangenehme Gefühl der kognitiven Dissonanz bei der Verwendung einer anderen Marke vermeiden (Homburg et al., 1998, S. 90).

Handelt es sich bei einem Internetnutzer um einen markentreuen Konsumenten, kann davon ausgegangen werden, dass dieser personalisierte Anzeigen, die seine präferierte Marke nicht enthalten, negiert. Da seine innere Haltung keine Bestärkung erfährt, wird in der Konsequenz seiner Denkweise kein weiterer Impuls ausgelöst. Diese vermeintliche Überlegenheit des Nutzers schützt ihn vor Beeinflussung seiner Kaufentscheidung.

3.2 Markenähnlichkeit als bedeutendste Eigenschaft

Ein Nutzenfaktor wird nach Zeithaml’s (1988, S. 14) und Xu et al.‘s (2011, S. 44) Auffassung definiert „ as the individual’s overall assessment of the utility of information disclosure based on perceptions of privacy risks incurred and benefits received “. Dies lässt zu, ihn als Grad an Privatsphäre zu bezeichnen, den Internetnutzer bereit sind aufzugeben, um die durch die Personalisierung empfundenen Vorteile zu nutzen (Xu et al., 2011, S. 44). Je mehr eine Person ihre Präferenzen repräsentiert sieht, desto eher ist sie auch gewillt Daten bereitzustellen, also in dem hier untersuchten Fall personalisierte Werbeanzeigen zu nutzen (Xu et al., 2011, S. 43). Pasadeos (1990, S. 35 ff.) hat darüber hinaus festgestellt, je informativer eine Werbeanzeige empfunden wird, desto geringer wird die Abneigungsreaktion der Konsumenten dieser gegenüber sein.

Dass Markenpersönlichkeiten eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung spielen können, haben schon Yang et al. (2014, S. 973) nachgewiesen. Sie führen mit ihrer Studie den Beweis an, dass Marken innerhalb ihres Kontextes an Bedeutung gewinnen oder verlieren können (Yang et al., 2014, S. 987). Hat eine Person schon eine bewusste Meinung zu einer Marke gebildet, lässt sich diese kaum noch beeinflussen (Yang et al., 2014, S. 986). Hat ein Konsument aber keinen Zugriff auf Produkt- bzw. Markeninformationen, so ist er empfänglicher für den Charakter einer Marke bei der Kaufentscheidung (Yang et al., 2014, S: 986 f.). Vor allem im Umfeld von mehreren Marken ist die Persönlichkeit ein Anker, Beurteilungen vorzunehmen (Yang et al., 2014, S. 987). Stellen in der Studie von Yang et al. (2014, S. 973 ff.) mehr die Unähnlichkeiten von Markenpersönlichkeiten einen Vorteil für die Präferenz von einzelnen Marken dar, soll hier nun ein Vorteil durch die Ähnlichkeit von Markenpersönlichkeiten identifiziert werden

Die Überlegung geht dabei vor allem auf die Selbstkongruenztheorie von Sirgy (1982, S. 287) zurück, bei der postuliert wird, dass Menschen in Gegenständen Eigenschaften suchen, die denen, die sie in sich selbst sehen bzw. gerne sehen würden, ähnlich sind. Huber et al. (2001, S. 13) haben auf Grundlage von Sirgys (1982, S. 288 ff.) Theorie bestätigt, dass ein Individuum nach einer Kongruenz zwischen seiner eigenen Persönlichkeit und der Persönlichkeit einer Marke strebt. Sie postulieren, dass Menschen durch den Kauf von bestimmten Produkten innere Motive und Bedürfnisse befriedigen wollen. Hierzu vergleichen sie Nachfrager- und Markenpersönlichkeit miteinander, um die Ziele, die eine Person beim Kauf einer Marke realisieren will, nachzuvollziehen (Huber et al., 2001, S. 13). Eine Abgleichung von Nachfrager- und Markenpersönlichkeit ist für diese Arbeit nicht vorgesehen, da mittels der Theorie nur klargestellt werden soll, dass ähnliche Marken für die gleichen inneren Motive einer Person stehen. Dies geht auf die gleichen Überlegungen zurück, die auch schon zur Begründung der Loyalität einer Marke geführt haben, zur Überwindung der kognitiven Dissonanz (Stahlberg et al., 1996, S. 127). Mit Rückblick auf das im Kapitel 2.1.1 erläuterte Argument von Kown et al., dass One-to-N-Personalisierung erfolgreicher sein kann als One-to-One-Personalisierung, wird hier ein Argument für eine entsprechende Individualisierung von Retargeting-Anzeigen gezeigt. Je individueller die Produkte in einer Anzeige auf einen Konsumenten zugeschnitten sind, desto eher kann er sich mit diesen identifizieren. Daher gilt folgender Zusammenhang

Sind die Markenpersönlichkeiten, die die Werbeanzeige enthält, unähnlich zu der vorher betrachteten Marke, so reichen diese nicht aus, um eine Individualisierung für den Konsumenten darzustellen. Je stärker sich zudem eine Person mit in einem Online-Shop gesehenen Marke identifiziert, desto weniger fühlt er sich durch unähnliche Markenpersönlichkeiten in Retargeting-Anzeigen angesprochen. Auch hier lässt sich wieder Sirgys Selbstkongruenztheorie (1986, S. 12 ff.) anführen: Je mehr die Eigenschaften eines Objektes von denen, die eine Person gerne hätte bzw. besitzt, abweichen, desto weniger sind diese für sie interessant. Unähnliche Markenpersönlichkeiten zur eigenen Persönlichkeit geben nicht die Sicherheit, die durch den Besitz dieser Marken gewünscht wird.

Darüber hinaus kann angenommen werden, dass unähnliche Marken keine ausreichende Personalisierung für einen Konsumenten darstellen. Yang et al. (2014, S. 975) behaupten, dass unähnliche Marken im Umfeld von ähnlichen herausstechen. Eine unterbewusste Unterscheidung von Ähnlich- bzw. Unähnlichkeiten ist durch ihre Experimente nachgewiesen worden (Yang et al., 2014, S. 994 f.). Werden in ihrem Experiment positive Effekte durch die unähnliche Marken unterstellt, da sie das Bedürfnis nach Einzigartigkeit wecken kann, ist hier wiederum von einem negativen Einfluss auszugehen. Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgende Hypothese:

3.3 Trade-Off ausgelöst durch Markenähnlichkeiten

Allerdings steht - wie es der Privacy Calculus beschreibt - ein Internetnutzer bei der Betrachtung einer personalisierten Werbeanzeige immer auch einem Trade-Off gegenüber, und zwar durch die Abwägung von Nutzen und Risiko der Personalisierung (Dinev & Hart, 2006, S. 62). Wenn die Vorteile, die eine Personalisierung von Werbeanzeigen mit sich bringt, nicht ausreichen, um die Risiken zu überdecken, sind Nutzer nicht länger bereit ihre Daten preiszugeben bzw. personalisierte Werbeanzeigen zu nutzen (Culnan & Armstrong, 1999, S. 106). Risiko wird in der Konsumentenforschung allgemein assoziiert mit Gefühlen der Unsicherheit, Unbehaglichkeit und/oder Angst, die Individuen bei der Verarbeitung von bestimmten Situationen wahrnehmen (Dowling & Staelin, 1994, S. 120). Im Kontext der Online-Personalisierung wird von einem Privatsphäre-Risiko ausgegangen (Chai et al., 2009, S. 170). Smith et al. (2011, S. 1001) beschreiben dieses als „ the degree to which an individual believes that a high potential for loss is associated with the release of personal information “.

Risiken lösen bei dem Nutzer eine Besorgnis über die Freiheitsentfaltung im Internet aus. Brehm (1966, S. 377 ff.) beschreibt dieses Phänomen mit seiner Theorie der psychologischen Reaktanz. Generell leben Personen mit der Vorstellung darüber Freiheit in der Ausübung bestimmter Verhaltensweisen zu besitzen. Dabei ist allerdings nicht relevant, dass die Person die Freiheit auch tatsächlich besitzt (Fuchs & Unger, 2014, S. 549). Sie ist möglicherweise bis zum Eintreten bestimmter, noch unbekannter, Barrieren nicht in der Lage eine konkrete Handlungsweise auszuüben (Fuchs & Unger, 2014, S. 549). Bis zu diesen Zeitpunkt lebt sie aber in der Annahme die betreffende Freiheit zu besitzen, und alleine das ist für die eintretende psychologische Konsequenz relevant. Jede tatsächliche, vermutete oder für die Zukunft erwartete Einschränkung führt zu einem inneren Spannungszustand (Fuchs & Unger, 2014, S. 549). Mit der Motivation diesen Spannungszustand zu reduzieren und die Freiheit wiederherzustellen, wird der Begriff der psychologischen Reaktanz beschrieben (Fuchs & Unger, 2014, S. 549). Wird die Theorie der psychologischen Reaktanz auf die Wahrnehmung von personalisierten Werbeanzeigen bezogen, so kann hier ebenfalls von einer Freiheitseinschränkung ausgegangen werden, sofern der Internetnutzer die Personalisierung als Risiko wahrnimmt (Baek & Moritmoto, 2012, S. 61). Die Freiheitsbedrohung äußert sich zunächst in der Besorgnis über die Freiheitsentfaltung im Internet und kann von der Meidung von Werbeanzeigen (Baek & Moritmoto, 2012, S. 61) bis hin zu negativer Mund-zu-Mundpropaganda führen (Culnan & Armstrong, 1999, S. 105). Mit ansteigender Reaktanz wächst die Aufmerksamkeit des Konsumenten (Erdtmann, 1989, S. 178). Im Rahmen von Sponsoring-Botschaften beispielsweise führt diese dazu, dass Konsumenten sich kritisch mit dieser auseinander setzen und sie kognitiv verarbeiten (Erdtmann, 1989, S. 178). Dies hat in dem hier beschriebenen Zusammenhang einen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung der Markenpersönlichkeiten. So können Markenpersönlichkeiten bzw. –ähnlichkeiten nach Yang et al (2014, S. 986), wie bereits erläutert, nur einen positiven Einfluss auf die Präferenz haben (hier: Interesse an Anzeige), wenn ein Konsument keine bewussten Einstellungen um diese herum bildet. Beziehen sich die Autoren zwar auf die Einstellung gegenüber der Marke (Yang et al., 2014, S. 986), so liegt die Annahme nicht fern, dass gleiches auch für eine Anzeige mit ähnlichen Markenpersönlichkeiten gelten kann.

Die Begrifflichkeiten Risiko und Besorgnis sollten jedoch voneinander getrennt betrachtet werden, da unter Risiko eher die Gefahr verstanden wird, dass jemand Zugriff auf persönliche Daten hat und die Besorgnis die Sorge um den Umgang mit diesen Daten darstellt (Dinev & Hart, 2006, S. 65). Zunächst kann von einer allgemeinen Sorge beim Nutzen des Internets, darüber wer Zugang zu Daten hat, ausgegangen werden. Die positive Beziehung von Risiko auf die Privatsphäre-Besorgnis im Internet, welche durch die Personalisierung wahrgenommen wird, ist bereits durch eine Reihe von Studienarbeiten nachgewiesen worden (Dinev & Hart, 2006, S. 65; Hoadley et al., 2010. S. 59; Liao et al., 2011, S. 705 f.; Xu et al., 2011, S. 803 f.). Die Stärke der Bedrohung lässt sich durch das Ausmaß der wahrgenommenen Beeinflussungsabsicht definieren (West & Wicklund, 1985, S. 256). Je offensichtlicher die Einflussnahme erfolgt, desto stärker wird diese als Bedrohung empfunden und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Reaktanz (Kloss, 2003, S. 53). Demnach liegt die Hypothese nahe, je stärker eine Personalisierung als Risiko verstanden wird, desto höher ist die Wahrnehmung der Bedrohung und desto geringer die Empfänglichkeit für den Charakter einer Marke (höhere Reaktanz). Eine größere Personalisierung stellt in dem hier untersuchten Sachverhalt eine stärkere Ähnlichkeit der Marken dar. Je geringer die Personalisierung ist (Verwendung von unähnlichen Marken), desto weniger stellt diese ein Risiko dar. Die wahrgenommene Bedrohung wird in diesem Fall geringer sein (geringere Reaktanz).

[...]


[1] Unter „BigData“ versteht man den Trend über Cloud-Services eine großflächige Datensammlung anzulegen (Burmann, et al., 2014, S. 59).

[2] Unter „Fingerprinting“ versteht man den Ansatz Internetnutzern über alle Endgeräte zu folgen (Christiansen, 2011, S. 511).

[3] Eigene Abbildung in Anlehnung an Sunikka & Bragge, 2012, S. 10054.

[4] „One-to-N Personalisierung“ ist gleich zu setzen mit der „Mass Personalization“.

[5] Google hat eine eigene Definition von Retargeting, die sich Remarketing nennt (Google, 2014, [online]).

[6] Das erste Werbebanner wurde am 24.10.1994 von AT&T auf der Seite www.Hotwired.com gestaltet. Hotwired ist ein US-amerikanisches Online-Magazin (Kuß, 2006, S. 240).

[7] Der Begriff „Privatsphäre-Besorgnis“ wird in Kapitel 2.3.2 erläutert.

[8] Eigene Abbildung in Anlehnung an Dinev & Hart, 2006, S. 63.

[9] Eine Ausnahme stellt die Möglichkeit eines Opt-Ins dar, die die explizite Einwilligung der Datensammlung durch den Nutzer unterstellt, Erläuterung dieser Form folgt in Kapitel 2.3.2.

[10] Ein Beispiel hierfür wäre der Webseitenbetreiber Yahoo, die erklärt haben, DNT-Anfragen nicht mehr zu akzeptieren (Heise, 2014, [online]).

[11] Genauere Informationen zur Kampagne unter: http://www.e-mail-made-in-germany.de/

[12] Eigene Abbildung in Anlehnung nach Aaker, (1997), S. 348 ff.

[13] Eigene Abbildung in Anlehnung an Homburg et al., 2005, S. 1401; Jacoby & Chestnut, 1978.

Ende der Leseprobe aus 151 Seiten

Details

Titel
Retargeting. An Acceptable Ad? Akzeptanz und Gestaltung von Online-Werbeanzeigen unter Berücksichtigung von Datenschutzaufklärung
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften Lehrstuhl für Marketing I Univ.-Prof. Dr. Frank Huber)
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
151
Katalognummer
V295762
ISBN (eBook)
9783656946632
ISBN (Buch)
9783656946649
Dateigröße
5575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Retargeting, Personalisierung, Privatsphäre-Besorgnis, Markenpersönlichkeit, Ähnlichkeit, Datenschutzkampagne, Privacy Calculus
Arbeit zitieren
Stefanie Muth (Autor:in), 2014, Retargeting. An Acceptable Ad? Akzeptanz und Gestaltung von Online-Werbeanzeigen unter Berücksichtigung von Datenschutzaufklärung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295762

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