Wirtschaftsstrafrecht. Insolvenzdelikte: Betrug und Untreue


Seminararbeit, 2003

70 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Insolvenzdelikte im engeren Sinne
2.1. Überblick
2.2. Geschütztes Rechtsgut

3. Bankrott gem. § 283 StGB
3.1. Täterkreis
3.2. Aufbau des § 283 StGB
3.3. Tatbestandsmerkmale
3.3.1. Die Bankrotthandlungen des Absatz 1
3.3.1.1. Beiseiteschaffen, Verheimlichen und Zerstören von Vermögensbestandteilen
3.3.1.2. Eingehen von Verlust-, Spekulations- oder Differenzge- schäften sowie Verbrauch übermäßiger Ausgaben
3.3.1.3. Verschleuderungsgeschäfte
3.3.1.4. Vortäuschen von Rechten anderer und Anerkennen er- dichteter Rechte
3.3.1.5. Buchführungs- und Bilanzdelikte
a.) unterlassene oder mangelhafte Buchführung
b.) Beiseiteschaffen und Vernichten von Handelsbü- chern
c.) mangelhafte oder nicht rechtzeitige Bilanzaufstellung
3.3.1.6. Verringerung des Vermögensbestands oder Verheimli- chung bzw. Verschleierung der tatsächlichen Verhält- nisse
3.3.2. Absatz 2 - Handlungen außerhalb der Krise
3.3.3. Versuchter Bankrott - § 283 III StGB
3.3.4. Die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Absätze 4 und 5 - Vorsatz und Fahrlässigkeit
3.3.5 Absatz 6 - Objektive Tatbestandsvoraussetzungen 4.3. Strafrahmen

4. Besonders schwerer Fall des Bankrotts - § 283 a StGB
4.1. Überblick
4.2. Tatbestandsmerkmale
4.2.1. Handeln aus Gewinnsucht
4.2.2. Gefährdung vieler Personen
4.2.3. sonstige besonders schwere Fälle

5. Verletzung der Buchführungspflicht - § 283 b StGB

6. Die Gläubigerbegünstigung - § 283 c StGB
6.1. Überblick
6.2. Täterkreis und mögliche Begünstigte
6.3. Tatbestandsmerkmale
6.3.1. objektiver Tatbestand
6.3.2. subjektiver Tatbestand
6.4. Der Versuch
6.5. Konkurrenzen

7. Die Schuldnerbegünstigung - § 283 d StGB
7.1. Überblick
7.2. Tatbestand und Täterkreis
7.3. Der subjektive Tatbestand
7.4. Sonstiges
7.4.1. objektive Bedingung der Strafbarkeit
7.4.2. Versuch
7.4.3. Tatmehrheit

8. Insolvenzdelikte im weiteren Sinne

9. Betrug gem. § 263 StGB
9.1. Überblick
9.2. Täterkreis
9.3. Tatbestandsmerkmale
9.3.1. objektiver Tatbestand
9.3.1.1. Täuschungshandlung
9.3.1.2. Irrtum
9.3.1.3. Vermögensverfügung
9.3.1.4. Vermögensschaden
9.3.2. subjektiver Tatbestand
9.4. strafbarer Versuch gem. § 263 II StGB
9.5. besonders schwerer Fall des Betrugs gem. § 263 III StGB
9.6. Betrug gegenüber Angehörigen, dem Vormund oder eines Haus- genossen gem. § 263 IV StGB
9.7. Qualifikationstatbestand gem. § 263 V StGB
9.8. Anordnung von Führungskräften gem. § 263 VI StGB
9.9. Festsetzung von Vermögensstrafen und Anordnung des erweiter- ten Verfalls gem. § 263 VII StGB
9.10. Strafbare Geldwäsche gem. § 261 Nr. 4 a StGB
9.11. Kreditbetrug; Wechsel - und Scheckbetrug

10.Untreue gem. § 266 StGB
10.1. Einleitung
10.2. geschütztes Rechtsgut
10.3. Tatbestandsmerkmale
10.3.1. Verhältnis beider Tatbestände zueinander
10.3.2. Abgrenzung beider Tatbestände
10.3.2.1. Der Missbrauchstatbestand
10.3.2.1.1. Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis
10.3.2.1.2. Vermögensbetreuungspflicht
10.3.2.1.3. Missbrauchtshandlung
10.3.2.1.4. Vermögensnachteil
10.3.2.2. Treubruchtatbestand
10.3.2.2.1. Treueverhältnis
10.3.2.2.2. Vermögensbetreuungspflicht
10.3.2.2.3. Verletzung der Treuepflicht
10.3.2.2.4. Vermögensnachteil
10.4. Vorsatz
10.5. Strafantrag
10.6. Strafzumessung
10.7. Typische Untreuehandlungen im Gesellschafterkreis

11. Insolvenzantragspflicht
11.1. Einleitung
11.2. spezifische Insolvenzantragspflichten
11.2.1. bei der GmbH
11.2.2. bei der AG
11.2.3. bei der Genossenschaft
11.2.4. bei der oHG und der KG
11.2.5. Vereine, Stiftungen und Juristische Personen des öf- fentl. Rechts

12. Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gem. § 266 a StGB
12.1. Einführung
12.2. geschütztes Rechtsgut
12.3. Täterkreis
12.4. Absatz 2
12.5. Absatz 3

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Wirtschaftsstraftaten umfassen ein komplexes und umfangreiches Kriminalitätsfeld, unter anderem Kapitalanlagebetrug, Computerkriminalität, Steuerhinterziehung und Insolvenzdelikte. Sie zielen nicht auf die Schädigung einzelner Opfer, sondern der ge- samten Allgemeinheit ab, werden oft nicht zur Anzeige gebracht und in den Fällen der Strafverfolgung zieht sich die Ermittlung meist über mehrere Jahre dahin. Aus diesen Gründen ist die Wirtschaftskriminalität statistisch nur schwer zu erfassen. Obwohl ihr Anteil an allen polizeilich registrierten Straftaten relativ gering ist (im Jahr 2001 ca. 1,7%16 ), steuert dieser Deliktsbereich 35,6 % zu den insgesamt bekannt gewordenen materiellen Schäden bei, Tendenz weiterhin steigend. Von den ca. 111.600 erfaßten Fällen betrafen 12.000 Insolvenzen, deren Ursache auf kriminelle Verhaltensweisen zurückzuführen ist.

In Anbetracht der dargelegten gegenwärtigen Zahlen und unter Berücksichtigung von Zukunftsprognosen scheint der Bereich der Wirtschaftskriminalität aktueller denn je. Daher soll im Folgenden näher auf die Insolvenzstraftaten im engeren Sinne (§§ 283, 283a - d StGB) sowie im weiteren Sinne, insbesondere auf Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) eingegangen werden.

2. Insolvenzdelikte im engeren Sinne

2.1. Überblick

In unserer heutigen Zeit gehört es zur Tagesordnung, dass Unternehmen in die Insol- venz geraten. Insbesondere die GmbH und die GmbH & Co. KG zählen zu den am häu- figsten betroffenen Rechtsformen. Die Hauptursachen dafür liegen meist im unterneh- merischen Fehlverhalten, vornehmlich in Fehlern im Management sowie Mängeln im Finanzierungs- und Absatzbereich, in der zu geringen Eigenkapitalausstattung und in Insolvenzen der Geschäftspartner. Die Insolvenz zieht eine Reihe von weitreichenden Konsequenzen, sowohl für die Unternehmer selbst als auch für Arbeitnehmer, Gläubiger oder Geschäftspartner, nach sich. Häufig führen Existenzängste und der Verlust der gesellschaftlichen Stellung zur Begehung von Insolvenzstraftaten. Mit den §§ 283 ff. StGB hat nun der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen unter Strafe gestellt, um zu verhindern, dass Gesellschafter zuungunsten o. g. Personengruppen handeln.

2.2. Geschütztes Rechtsgut

Die §§ 283 ff. StGB haben auf den Schutz der Insolvenzmasse vor unwirtschaftlicher Verringerung, Verheimlichung und ungerechter Verteilung zum Nachteil der Gesamtgläubigerschaft zum Zweck. Ebenfalls sollen das gesamtwirtschaftliche System sowie die Arbeitnehmer des Schuldners geschützt werden.

3. Bankrott gem. § 283 StGB

3.1. Täterkreis

Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass grundsätzlich jede natürliche oder juristi- sche Person (§ 11 InsO) Täter i. S. dieser Vorschrift sein kann. Der Täterkreis wird allerdings durch besondere persönliche Merkmale17 eingeschränkt. Die Bestimmungen des § 283 StGB verlangen für eine Strafverfolgung das Vorhandensein einer Krise und die Erfüllung der objektiven Strafbarkeitsbedingung. Der Betreffende muss demnach entweder die Zahlungen eingestellt oder über sein Vermögen die Eröffnung des Insol- venzverfahrens beantragt haben bzw. muss der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden sein (Krise). Zudem muss Überschuldung, drohen- de oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit eingetreten sein (objektive Strafbarkeitsbe- dingung). Folglich kann Täter des Bankrotts nur ein Schuldner sein, d. h. derjenige, der Verbindlichkeiten durch geldwerte Leistungen erfüllen muss, dieser Verpflichtung aber nicht nachkommt. Einzelne Tatbestände wie § 283 I Nr. 5 und 7 StGB erfordern zusätz- lich die Kaufmannseigenschaft des Täters. Personen, die diese Bedingungen nicht erfül- len, können lediglich als Anstifter oder Gehilfen verantwortlich gemacht werden.

Aufgrund dieser Einschränkungen stellen die Insolvenzstraftaten Sonderdelikte dar. Im Folgenden sollen einzelne Unternehmensformen betrachtet werden. Einzelunternehmer können in vollem Umfang wegen Bankrott bestraft werden. Einzige Ausnahme sind die Buchführungsdelikte, die wie bereits oben erwähnt die Kaufmannseigenschaft erfor- dern. Bei den Personenhandelsgesellschaften wie der oHG, KG oder GbR kommen alle vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter als Täter in Betracht. Juris- tische Personen, d. h. GmbH und AG können im deutschen Strafrecht nicht selbst Be- schuldigte eines Ermittlungsverfahrens sein, da sie nicht deliktsfähig sind. Doch eröff- net § 14 StGB die Möglichkeit, den Organen dieser Unternehmen (Geschäftsführer, Vorstand) die persönlichen Merkmale zuzurechnen, wenn diese in Erfüllung ihrer Or- ganstellung Bankrottstraftaten verwirklicht haben.

In der Praxis lenken und leiten häufig Dritte, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, das Unternehmen. Um auch diesen Personenkreis in die Verantwortung nehmen zu können, wurde die Rechtsfigur des „ faktischen Geschäftsführers “ entwickelt. Hierunter versteht man Personen, die ohne ausdrückliche Bestellung die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnehmen.

Natürliche Personen können ebenfalls strafrechtlich belangt werden. Durch die Einführung der Verbraucherinsolvenz, die eigentlich den Schutz vor lebenslanger Verschuldung bezwecken soll, können die §§ 283 ff. StGB auch auf Insolvenzen von Privatpersonen angewendet werden. Eine gewisse Begrenzung der Strafverfolgung kann jedoch erzielt werden, sofern sich Gläubiger und Schuldner hinsichtlich des Schuldenbereinigungsplans einigen, da damit die Verfahrenseröffnung ausgeschlossen und somit die objektive Bedingung der Strafbarkeit nicht gegeben ist.

3.2. Aufbau des § 283 StGB

§ 283 StGB ist in 6 Absätze gegliedert.

Absatz 1 nennt in den Punkten 1 - 8 verschiedene Bankrotthandlungen, welche bei Ü- berschuldung sowie bei drohender bzw. eingetretener Zahlungsunfähigkeit strafbar sind, während Absatz 2 die Strafbarkeit dieser Verhaltensweisen auch auf Fälle bezieht, in denen der Schuldner durch seine Handlungen die Überschuldung oder Zahlungsunfä- higkeit erst herbeiführt. Bereits der Versuch wird in Absatz 3 unter Strafe gestellt. Die Absätze 4 und 5 regeln die Fahrlässigkeitstatbestände und der 6. Absatz enthält die ob- jektive Strafbarkeitsbedingung.

3.3. Tatbestandsmerkmale

3.3.1. Die Bankrotthandlungen des Absatz 1

Absatz 1 setzt eine Krise in den Vermögensverhältnissen des Schuldners voraus, die in der Weise beschrieben wird, dass der Täter entweder bei Überschuldung (§ 19 InsO) oder bei eingetretener bzw. drohender Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 18 InsO) handeln muss.

Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten (Passiva) das Vermögen (Aktiva) übersteigen. Um dies festzustellen, muss eine sogenannte Überschuldungsbilanz erstellt werden, in der zur Bewertung die realen Gegenwerte18 und nicht die Bilanzwerte zugrunde gelegt werden.

Zahlungsunfähigkeit ist das voraussichtlich dauernde Unvermögen, die sofort fälligen Geldschulden noch im Wesentlichen zu erfüllen. Demzufolge reichen vorübergehende Zahlungsstockungen nicht aus.

Die Zahlungsunfähigkeit droht, wenn konkrete Umstände auf ihren baldigen Eintritt hinweisen, z.B. die Kündigung der Bankkredite, Nichtzahlung von Lohn an die Arbeitnehmer, Steuerrückstände, Stundungsversuche an alle Gläubiger oder fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Die in der seit 01.01.1999 geltende Insolvenzordnung aufgestellten Legaldefinitionen führen im Vergleich zur früheren Regelung zu einer erheblichen Verschärfung, d. h. zu einer Vorverlagerung der Zahlungsunfähigkeit, so dass auch durchaus noch „lebensfähige“ Unternehmen einbezogen werden.

In der Praxis treten beide Krisenmerkmale sowohl nebeneinander als auch einzeln auf. Mittelfristig muss jedoch jedes überschuldete Unternehmen auch zahlungsunfähig werden, wenn nicht weiteres Eigenkapital zur Verfügung gestellt wird.

3.3.1.1. Beiseiteschaffen, Verheimlichen oder Zerstören von Vermögensbe standteilen

Der Tatbestand des § 283 I Nr. 1 StGB schützt alle solche Teile des schuldnerischen Vermögens, die im Falle der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse gehören. Somit werden alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, darunter auch Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, soweit sie nicht unpfändbar sind, erfasst. Ebenso erfasst werden Anwartschaften, Geschäftseinrichtungen, Patente oder Geschäftsanteile, falls sie werthaltig sind. Auch unrechtmäßig z. B. durch Betrug erworbene Sachen fallen in die Insolvenzmasse. Dagegen scheiden die Arbeitskraft des Schuldners, nach Eintritt der Insolvenz erworbene Gegenstände oder die bloße Bezeichnung des Handelsunter- nehmens aus. Beiseiteschaffen ist das Entziehen oder Erschweren des Gläubigerzugriffs auf einen Vermögensbestandteil durch räumliches Verschieben oder Veränderung der rechtlichen Lage. Dies umfasst sowohl rechtliche und tatsächliche Verfügungen (Ver- stecken, Verbrauchen, Verarbeiten, Übereignen oder Verpfänden) als auch Scheinge- schäfte. Strafbar ist eine solche Handlung allerdings nur, wenn sie den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Wirtschaft widerspricht, d. h. wenn die Handlung nicht ge- rechtfertigt ist oder der Insolvenzmasse kein entsprechender Gegenwert zuließt. Demzu- folge sind das Bewirken einer geschuldeten Leistung, die Bezahlung von Prozeßkosten oder die Entnahme eines angemessenen Unterhalts erlaubt.

Unter Verheimlichen versteht man, das Vorhandensein eines Vermögensbestandteils der Kenntnis der Gläubiger oder des Insolvenzverwalters zu entziehen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Vermögensgegenstände verschwiegen bzw. verleugnet oder aber Rechts- verhältnisse vorgetäuscht werden, die den Gläubigerzugriff hindern. Das Verschweigen entgegen einer Auskunftspflicht reicht bereits aus, um den Tatbestand zu erfüllen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Verheimlichen zum Erfolg führt. Das Zerstören, Beschädigen und Unbrauchbarmachen von Vermögensbestandteilen wird ebenfalls unter Strafe gestellt, erlangt aber in der Praxis nur geringe Bedeutung.

Unter Beschädigen ist eine körperlich verändernde Einwirkung auf den Gegenstand zu verstehen, wodurch dessen Brauchbarkeit gemindert wird. Zerstörung ist die völlige Vernichtung der Sachsubstanz und Unbrauchbarmachen hat die Beseitigung der Eignung für den bestimmungsgemäßen Verwendungszweck zur Folge. Zudem werden ausschließlich solche Handlungen erfaßt, die der ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechen, d. h. die über den Rahmen des wirtschaftlich sinnvollen hinausgehen. Damit bleibt lediglich mutwilliges, zweifelsfrei unvertretbares Handeln strafwürdig. Werden beispielsweise Investitionsgüter zerstört, um sie durch neue zu ersetzen oder aber ein baufälliges Gebäude abgerissen, so erfüllt dies nicht den Tatbestand.

3.3.1.2. Eingehen von Verlust-, Spekulations- oder Differenzgeschäften so wie Verbrauchüberm äß iger Ausgaben

§ 283 I Nr. 2 StGB besteht aus 2 Alternativen, deren Tatbestand durch Handlungen, zum einen entgegen den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft und zum anderen durch übermäßige und unwirtschaftliche Ausgaben, verwirklicht wird. Geschäfte, die von vornherein zu einer Vermögensminderung führen müssen, werden als Verlustgeschäfte 19 bezeichnet. Hierbei ist entscheidend, daß die Verlustgefahr be- reits von Anfang an, d. h. schon nach der Vorkalkulation, vorhanden war. Daher fällt die Ausführung von Aufträgen, obwohl die zu erwartenden Erlöse die Kosten nicht de- cken, unter den Tatbestand.

Spekulationsgeschäfte dagegen sind gewagte, besonders risikoreiche Geschäfte, die in der Hoffnung auf einen besonders hohen Gewinn eingegangen werden, wobei der Ausgang solcher Geschäfte vielfach vom Zufall abhängt. Weiterhin werden Differenzge schäfte mit Waren und Wertpapieren von dieser Vorschrift erfasst. Dies beinhaltet neben den Geschäften i. S. d. § 764 BGB20 auch die nach §§ 50 ff. BörsG i. V. m. BörsTermZulV statthaften Termingeschäfte21.

Diese Geschäfte müssen in einer unwirtschaftlichen, den Anforderungen einer ord- nungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise eingegangen werden, da auch ein seriöser Kaufmann in Ausnahmesituationen, wie einer vorübergehenden geschäftlichen Flaute oder eines Konjunkturtiefs Verträge abschließt, die seine Selbstkosten nicht de- cken oder aber verderblichen Waren unter Preis verkauft. Demgegenüber erfüllt der bloße Versuch einen nahenden Unternehmenszusammenbruch durch die Vornahme ris- kanter Geschäfte über Wasser zu halten, den Tatbestand. Die Tat ist mit dem Abschluß des Geschäfts vollendet. Auf einen Erfolg kommt es also nicht an. Allerdings entfällt regelmäßig die Strafbarkeit in Geschäften mit günstigem Ausgang, welche die Gläubi- gerposition verbessern22.

Die Risikogeschäfte der 2. Alternative setzen ein Verhalten voraus, bei dem durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder geschuldet werden.

Unwirtschaftlich sind Ausgaben dann, wenn sie das Notwendige und Übliche überstei- gen und in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Vermögen des Täters stehen. Hier- bei ist auf die gesamte Vermögens- und Liquiditätslage des Schuldners abzustellen. Un- beachtlich ist, ob die Ausgaben für private oder geschäftliche Zwecke genutzt wurden. Der Täter haftet für eigene Ausgaben ebenso wie für Ausgaben von Familienangehöri- gen oder Angestellten, sofern er eine mögliche Beaufsichtigung unterläßt.

Beispiele für unwirtschaftliche Ausgaben sind u. a. aussichtslose Investitionen, Luxusanschaffungen, teure Urlaubsreisen oder überhöhter Spesenverbrauch. Nicht in Betracht kommen hingegen übliche Löhne, angemessener Unterhalt oder angemessene Lebensversicherungsprämien. Entsprechend dem § 762 BGB sind Spiel und Wette zu verstehen. Für die Praxis bedeutsam sind vor allem die Teilnahme an einer Lotterie, an Kettenbriefaktionen und an Schneeballsystemen.

Übersteigen die verbrauchten Beträge die Leistungsfähigkeit des Täters in unvertretba- rer Weise, sind sie ü berm äß ig. Ob dies vorliegt, entscheidet sich in erster Linie nach der gesamten Vermögenslage des Schuldners zur kritischen Zeit. Zweitrangig ist das aktuel- le Einkommen.

Die Verwirklichung des Tatbestandes verlangt überdies, daß die übermäßigen Beträge v erbraucht, also ausgegeben oder aber geschuldet, d. h. das Vermögens mit Verbindlichkeiten belastet wird, und dass ein Zusammenhang zwischen diesen und den unwirtschaftlichen Ausgaben, Spiel oder Wett besteht.

3.3.1.3. Schleudergeschäfte

Das Beschaffen von Waren und Wertpapieren auf Kredit und deren Veräußerung unter Wert, wird in Nr. 3 als strafwürdig eingestuft, da dieses Vorgehen insbesondere für die Lieferanten eine erhebliche Gefahr darstellt.

Unter Waren versteht man alle beweglichen Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können, u. a. auch ausländische Devisen.

Alle Papiere, die Rechte verkörpern sind Wertpapiere i. S. der Vorschrift. Hierzu zählen Wechsel, Inhaberschecks oder Inhaberschuldverschreibungen.

Beschaffen bedeutet durch Rechtsgeschäft an sich bringen (auch durch Kreditbetrug oder sonstige anfechtbaren Handlungen) und tatsächlich darüber verfügen können. Dabei ist von Bedeutung, daß die Waren bzw. Wertpapiere auf Kredit, d. h. ohne sofortige Bezahlung23 erworben werden.

§ 283 I Nr. 3 StGB verlangt darüber hinaus, daß die Tatobjekte oder aus ihnen hergestellte Sachen - vor ihrer Bezahlung - erheblich unter ihrem Wert veräu ß ert24 werden, so dass den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprochen wird. Der Wert der Sache richtet sich nach dem Marktwert bzw. nach dem üblichen Preis zum Zeitpunkt der Veräußerung.

Nicht erfüllt ist der Verschleuderungstatbestand bei Räumungsverkäufen, Sonder- oder Lockvogelangeboten und Mischkalkulationen. Vorsatz braucht bei Beschaffung der Waren noch nicht gegeben zu sein. Die einschränkenden Merkmale von Nr. 3 werden durch die Generalklauseln in Nr. 2 und Nr. 8, die diese Merkmale nicht kennen, entwer- tet.

3.3.1.4. Vortäuschen von Rechten anderer oder Anerkennen erdichteter Rechte

Diese Vorschrift beeinflußt, im Gegensatz zu allen bisher dargestellten Tatbestandsalternativen, nicht den Aktivbestand der Vermögensmasse, sondern erzielt eine fiktive Mehrung der Passivseite, wodurch die Befriedigungsquote der Gläubiger verkürzt wird. Vom Schutzbereich dieser Vorschrift werden Rechte aller Art erfaßt, also sowohl dingliche als auch schuldrechtliche Rechtspositionen.

Tathandlungen sind das Vortäuschen fremder Rechte und das Anerkennen erdichteter Rechte, die jedoch geeignet sein müssen, sich nachteilig auf die Gläubigerinteressen auszuwirken. Vortäuschen ist stets dann gegeben, wenn sich der Täter einem Dritten gegenüber auf ein in Wirklichkeit nicht oder nicht in dieser Form bestehendes fremdes Recht beruft. Dies betrifft beispielsweise das Abgeben einer unrichtigen eidesstattlichen Versicherung i. S. d. § 153 II InsO oder das Rückdatieren von Arbeitsverträgen.

Anerkennen bedeutet, im gezielten Zusammenspiel des Täters mit einem angeblichen Gläubiger, jedes Bestätigen eines erdichteten, d. h. erfundenen, nie bestandenen Rechts. Hierzu muß also eine andere Person beteiligt sein, welche als Anspruchsinhaber auftritt und fiktive Außenstände geltend macht. Nicht erdichtet und damit nicht unter den Tatbestand fällt demgegenüber ein Recht, das aus Kulanzgründen anerkannt wird, wie z. B. die Akzeptierung von verjährten Gewährleisungsansprüchen.

In beiden Fällen des § 283 I Nr. 4 StGB genügt eine formlose Erklärung oder ein konkludentes Handeln. Die Tat ist vollendet, wenn die täuschende Erklärung abgegeben worden ist. Der Erfolg oder die Geltendmachung des vorgespiegelten Anspruchs im Insolvenzverfahren sind unbeachtlich.

3.3.1.5. Buchführungs- und Bilanzdelikte

§ 283 I Nr. 5 - 7 StGB definieren verschiedene Buchführungs- und Bilanzdelikte, die von großer praktischer Bedeutung sind, da beinahe jeder Unternehmenszusammenbruch mit mangelhafter oder gar fehlender Buchführung bzw. unterlassener Erstellung des Jahresabschlusses einher geht. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen wird ein finanziell angeschlagenes Unternehmen versuchen, die laufenden Kosten zu reduzieren, wodurch Honorar- oder Gehaltsforderungen von Steuerberatern und Buchhaltern nicht mehr gezahlt werden, die daraufhin ihrerseits ihre Leistung einstellen, so dass Geschäftsvorfälle nicht mehr gebucht und Bilanzen nicht mehr erstellt werden.

Zum anderen sind unübersichtliche Handelsbücher geeignet, andere Bankrotthandlun- gen zu verschleiern und so z. B. Lieferanten den direkten Zugriff auf Ansprüche der Firma gegen ihre Schuldner unmöglich zu machen oder vorhandene Lagerbestände bei- seite zu schaffen.

Wenn der Unternehmer also seine Bücher und Bilanzen nicht lückenlos führt, wird der Sinn und Zweck der Buchführung, der da lautet, dem Unternehmer selbst sowie den Gläubigern, die ständige Möglichkeit zu verschaffen, sich über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu informieren, erschwert bzw. vereitelt.

a.) unterlassene oder mangelhafte Buchführung

Aus dem HGB (§§ 238 ff. HGB) sowie ergänzenden gesellschaftsrechtlichen Vorschrif- ten25 ergibt sich die handelsrechtliche Buchführungspflicht. Demnach ist jeder Kauf- mann, also derjenige, der nach § 1 HGB ein Handelsgewerbe betreibt, buchführungs- pflichtig. Ein Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, der einen nach Art und Um- fang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Wer buchführungspflichtig ist, bestimmt sich ebenfalls nach dem Handelsrecht. Grund- sätzlich sind bei Einzelunternehmen die Geschäftsinhaber, bei Kapitalgesellschaften deren Geschäftsführer und bei Personengesellschaften alle persönlich haftenden Gesell- schafter zur Buchführung verpflichtet.

Gesetzliche Vorschriften darüber, welche Handelsbücher im Einzelnen zu führen sind, bestehen nicht. Allgemein für notwendig werden aber Bilanzen, Inventarverzeichnisse, Grund- und Kassenbücher, Verwahrbücher, andererseits nicht, das Tagebuch des Han- delsmaklers, das Aktienbuch oder das Baubuch des Bauunternehmers erachtet. Die erste Tatbestandsalternative besteht im Unterlassen jeglicher Buchführung, also wenn überhaupt keine Aufzeichnungen geführt werden. Werden nur einzelne Handels- bücher geführt oder vorhandene Bücher vorübergehend nicht geführt, liegt eine, wenn auch unordentliche Buchführung vor. Ein nachträgliches Verbuchen der vorgefallenen Geschäfte läßt die Strafbarkeit nicht entfallen.

Weitaus häufiger tritt die zweite Alternative auf, die mangelhafte bzw. unübersichtliche Buchführung. Diese ist gegeben, wenn der Täter seine Bücher so führt oder verändert, dass die Aufzeichnungen nicht mehr den Anforderungen des § 239 I HGB entsprechen, d. h. nicht vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet erstellt sind.

Demzufolge werden Verfälschungen bereits erfolgter Eintragungen, Weglassen von Buchungen, nicht ordentliche Aufbewahrung von Geschäftsbelegen oder Buchungen mit falschen Wertangaben von § 283 I Nr. 5 StGB erfasst.

Das HGB schreibt ferner eine ordnungsgem äß e Buchführung vor, die erfordert, dass sich ein sachkundiger Dritter in angemessener Zeit aus den kaufmännischen Unterlagen einen vollständigen Überblick über die Lage des Handelsgeschäfts verschaffen kann. Bei beiden Tatalternativen muß diese Übersicht über den Vermögensstand des Unter- nehmens erschwert werden, so dass ein falsches Bild von dessen Gesamtsituation ent- steht. Das ist der Fall, wenn es dem Sachverständigen nicht oder nur nach übermäßigen Bemühungen gelingt, aus den Unterlagen Rückschlüsse auf den Unternehmenszustand zu ziehen. Die Rechtsgutgefährdung bei mangelhafter Buchführung setzt bereits vor Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung (§ 283 VI StGB) ein, also vor Zahlungs- einstellung, Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder deren Ablehnung mangels Masse26. Mehrere Verstöße gegen die Buchführungspflicht stellen nur eine einzige Straftat dar.

b.) Beiseiteschaffen und Vernichten von Handelsbüchern

Der Täterkreis des § 283 I Nr. 6 StGB umfaßt, anders als § 283 I Nr. 5 StGB, auch alle Schuldner, die nicht buchführungspflichtig sind, d. h. diejenigen, die diese Pflichten freiwillig erfüllen. Hierzu gehören vor allem die Angehörigen freier Berufe27.

Tathandlung dieser Vorschrift ist das Erschweren der Übersicht über den Vermögens- stand des Schuldners durch Beschädigen, Verheimlichen, Beiseiteschaffen oder Zerstö- ren von Handelsbüchern und sonstigen Unterlagen, zu deren Aufbewahrung der Unter- nehmer gesetzlich verpflichtet ist.

Diese Handlungen entsprechen den in § 283 I Nr. 1 StGB dargestellten Verhaltensweisen. Beschädigen kommt indes nur in Betracht, wenn sowohl die Substanz als auch der Inhalt betroffen sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Beiseiteschaffen, das nur tatbestandsmäßig ist, wenn es sich um für den Gesamtüberblick wesentliche Unterlagen handelt. Unter Verheimlichen versteht man die Verhinderung der Einsichtnahme. In den Schutzbereich fallen alle in Nr. 5 aufgeführten Handelsbücher, wobei es genügt, wenn nur ein Teil dieser Unterlagen betroffen ist.

Strafbar ist ein solches Verhalten hingegen nur, wenn es vor Ende der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfrist vorgenommen wird. Handelsbücher, Inventare sowie Bilanzen müssen gem. § 257 HGB zehn Jahre aufbewahrt werden. Für alle anderen Unterlagen beträgt die Aufbewahrungsfrist sechs Jahre. Die Frist beginnt jeweils mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Unterlagen entstanden sind.

c.) Mangelhafte oder nicht rechtzeitige Bilanzaufstellung

Wer Bilanzen entgegen den §§ 242 ff. und 264 ff. HGB fehlerhaft oder nicht rechtzeitig erstellt, macht sich gem. § 283 I Nr. 7 StGB strafbar.

Die Bilanz ist ein das Reinvermögen zeigender Abschluss der Buchführung auf der Grundlage des Inventars, welche das Verhältnis zwischen Vermögen und Schulden darstellt. Dazu werden die Wirtschaftsgüter in Gruppen zusammengefaßt, Aktiva und Passiva summarisch gegenübergestellt und die Endsummen ausbalanciert, bis sie gleich sind. Sie stellt ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis dar, welches dem Sachkundigen einen sicheren Einblick in die Vermögenslage gewährt.

§ 242 I HGB verpflichtet den Kaufmann (§ 1 ff. HGB), zu Beginn seiner Geschäftstä- tigkeit eine Eröffnungsbilanz und am Ende eine jeden Geschäftsjahres eine Jahresbilanz aufzustellen.

Die Eröffnungsbilanz soll dem Unternehmer ermöglichen, zu Beginn seiner Tätigkeit einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Vermögenswerte zu verschaffen. Gleichzeitig dient sie dazu, Dritte, hauptsächlich Waren- oder Barkreditgeber über die Eigenkapitallage und das Bar- bzw. Anlagevermögen hinreichend zu informieren. Eine solche Verpflichtung besteht, unabhängig davon, ob Aktiva oder Passiva vorhan- den sind, bei Neugründung und Erwerb eines Unternehmens, aber auch bei Umwand- lung in eine andere Rechtsform und bei Eintritt eines Gesellschafters in das Geschäft eines Einzelkaufmanns bzw. Austritt des einzigen Mitgesellschafters. Der Jahresabschluss ist jeweils zum Ende des Geschäftsjahres zu erstellen. Er verdeut- licht die Entwicklung des Vermögens für den Abrechnungszeitraum, indem sich entwe- der ein Jahresüberschuß oder -fehlbetrag ergibt. Daneben verpflichtet § 242 I HGB den zur Aufstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), in der alle Aufwendungen und Erträge aufgeführt sind.

Bei Kapitalgesellschaften wie der AG, KGaA oder GmbH ist der Jahresabschluß gem.

§ 264 I S. 1 HGB um einen Anhang (§ 284 ff. HGB), der Bilanz und GuV erläutert, so- wie einen Lagebericht (§ 289 HGB), der die Situation der Gesellschaft offenbart, zu erweitern.

Die erste Handlungsalternative dieser Vorschrift beinhaltet die mangelhafte Erstellung der Bilanz, in deren Folge wie in § 283 I Nr. 5 StGB die Übersicht über den Vermögensstand erschwert wird.

Somit sind beispielsweise das Einstellen von fiktiven Beträgen, falsche Wertansätze, fehlerhafte oder ungenaue Bezeichnungen und Vermischungen von Posten bzw. deren Weglassen erfasst.

Die Grenze zwischen erlaubten Auslegungen und unzulässigem Manipulieren der Bilanz ist jedoch schwer zu ziehen.

Vom Schutzbereich dieser Norm wird auch erfasst, wer die Bilanz bzw. das Inventar (§ 240 HGB) nicht rechtzeitig, d. h. in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit erstellt. Es existieren aber nur für Kapitalgesellschaften ausdrückliche Bestimmungen über die einzuhaltenden Zeiträume. Diese betragen gem. § 264 I S. 2 und 3 HGB, abhängig von der Größe28 der Gesellschaft, drei bis sechs Monate.

Für Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften gilt mangels genauer gesetzlicher Bestimmungen die Generalklausel des § 243 III HGB, wonach Bilanzen innerhalb der, einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang, entsprechenden Zeit aufzustellen sind. Hierbei spielen die Organisation des betreffenden Unternehmens und der Umfang der zu berücksichtigenden Geschäfte eine Rolle. Ein Zeitraum von sechs Monaten dürfte allerdings regelmäßig als angemessen angesehen werden.

Die Bilanzierungspflicht ist erst dann verletzt, wenn während des Verzugszeitraums Überschuldung oder mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt und der Täter hiervon Kenntnis hat. Die Tathandlung ist mit Ablauf der ordentlichen Bilanzierungspflicht abgeschlossen.

Ein Unterlassen i. S. dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn die Bilanz derart man- gelhaft aufgestellt ist, dass sie keine Rückschlüsse auf den Unternehmenszustand zu- läßt29. Bedient sich der Unternehmer der Hilfe eines Steuerberaters, so entfällt hingegen die Strafbarkeit, wenn er die erforderlichen finanziellen Mittel nicht aufbringen kann. Ebenfalls straffrei bleibt der Täter in Fällen der tatsächlichen und rechtlichen Unmög- lichkeit.

3.3.1.6. Verringerung des Vermögensstands oder Verheimlichung bzw. Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse

§ 283 I Nr. 8 StGB schließt mit einer Generalklausel ab. Diese als Auffangtatbestand gedachte Regelung trägt dem Umstand Rechnung, daß die in den Nummern 1 bis 7 aufgezählten Bankrotthandlungen nicht alle möglichen und tatsächlichen Verhaltensweisen enthalten. Folglich macht sich strafbar, wer auf andere als in den vorherigen Nummern genannte Art, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

Verringern des Vermögensstandes ist jede Verminderung der Aktiva bzw. jede Erhö- hung der Passiva. In Betracht kommen etwa das Verschleudern eigener Produkte oder die Lieferung von Waren an völlig unbekannte Besteller ohne vorherige Kreditwürdig- keitsprüfung.

Die zweite Tathandlung beinhaltet jedes irreführende Verhalten, aufgrund dessen die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert werden sol- len. Darunter versteht man z. B. das heimliche Unterhalten eines Tochterunternehmens im Ausland, die Anwerbung von neuem Kapital durch gefälschte Prospekte oder die treuwidrige Verwendung von Kundenzahlungen für andere Projekte. Beide Verhaltensalternativen müssen in einer Weise vorgenommen werden, die den Anforderungen einer ordnungsgem äß en Wirtschaft grob widerspricht. Von einem Teil der Literatur wird bemängelt, dass diese Formulierung zu weit und zu unbestimmt ge- fasst ist und darüber hinaus zu einer gewissen Aushöhlung der vorherigen Tatbestände führt. Daher wird diese Vorschrift von der herrschenden Meinung dahingehend ausge- legt, dass nur nicht bereits aufgezählte Verhaltensweisen und nur eindeutig unvertretba- res Handeln gesetzwidrig sind.

[...]


16 Polizeistatistik des Bundeskriminalamtes (PKS)

17 vgl. dazu § 28 StGB

18 entsprechend dem going-concern Prinzip

19 Generalklausel zu § 283 I Nr. 3 StGB

20 Warenterminoptionen oder Devisengeschäfte

21 so Prof. Dr. Heribert Schumann, aber strittig: Gegenmeinung z. B. R. Wayland

22 Begründung: keine Verletzung des Schutzzwecks der Norm

23 auch bei Zahlungsziel 30 Tage

24 Veräußerung = Aufgabe der rechtlichen Verfügungsgewalt über diese Sache

25 z. B. § 41 ff. GmbHG, §§ 150, 152 AktG

26 so Schönke/ Schröder, aber strittig: Gegenmeinung z. B. R. Wayand

27 so Wayand, aber strittig: Gegenmeinung z. B. Prof. Dr. Heribert Schumann

28 zu den einzelnen Größenklassen siehe § 267 HGB

29 sogenannte Scheinbilanz

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Wirtschaftsstrafrecht. Insolvenzdelikte: Betrug und Untreue
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
70
Katalognummer
V29571
ISBN (eBook)
9783638310475
ISBN (Buch)
9783656450177
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirtschaftsstrafrecht, Insolvenzdelikte, Betrug, Untreue
Arbeit zitieren
Andre Herkendell (Autor:in), 2003, Wirtschaftsstrafrecht. Insolvenzdelikte: Betrug und Untreue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29571

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