Die inklusive Opposition im Konflikt mit der feministischen Sprachkritik


Hausarbeit, 2012

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Das Prinzip der inklusiven Opposition

3.Das Relativ- und Interrogativpronomen wer
3.1 Die Genuszuweisung
3.1.1 Genusneutralität
3.1.2 Genushaltigkeit
3.2 Lösungsvorschläge der feministischen Linguistik
3.2.1 Kreation einer femininen Form
3.2.1.1 Kritik
3.2.2 Neutralisation von wer
3.2.2.1 Kritik
3.2.3 Verwendung von wer als feminine und maskuline Form
3.2.3.1 Kritik
3.2.4 alternative Ausdrucksformen
3.2.4.1 Kritik

4.Vergleich mit anderen Pronomina
4.1 Die Pronomina man, jemand, niemand und jedermann
4.2 Die Pronomina jede/r und keine/r
4.3 Die Pluralform der Demonstrativ-, Personal- und Relativpronomen

5.Fazit

6.Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Gleichbehandlung der Frauen im alltäglichen Leben ist ein wichtiges Thema in der heutigen Zeit. Oft wird suggeriert, dass Frauen und Männer heutzutage bereits gleichberechtigt sind und die bestehenden Ungerechtigkeiten aufgehoben wurden. Aber entspricht dies wirklich der Realität? Nein! Denn auch heute noch werden Frauen den Männern untergeordnet. Ob es nun um geringere Gehaltsklassen oder erschwerten Bedingungen in handwerklichen Berufen geht, Frauen werden nicht auf dieselbe Stufe gestellt wie Männer. Die mangelnde Gleichberechtigung ist auch ein Thema der Linguistik, denn in der Sprache werden Frauen oft unter maskuline Archilexeme subsumiert, ohne dass es jemanden stört. Geschlechtsunmarkierte Maskulina sind zu vermeiden, da sie die Unsichtbarkeit der Frauen in der Sprache fördern. Bei dem Pronomen wer besteht dieses Problem. Die folgende Arbeit stellt potentielle Lösungsvorschläge vor, um eine geschlechtergerechte Sprache zu fördern. Zuerst wird das Prinzip der inklusiven Opposition erläutert. Daraufhin erfolgt die Genuszuweisung um die Forschungsrelevanz zu bestätigen. Nachdem das Genus von wer bestimmt wurde, werden Lösungsvorschläge und die damit verbundene Kritik vorgestellt. Schlussendlich wird ein Bezug zu anderen Pronomina gesetzt, wo dieses Problem bereits gelöst wurde oder andere Probleme bestehen. Das Ziel der Arbeit besteht darin, denn momentanen Forschungsstand darzustellen und auf die Relevanz dieser Forschung aufmerksam zu machen.

2. Das Prinzip der inklusiven Opposition

Um dieses Prinzip zu erläutern, muss vorerst der Begriff der Opposition definiert werden. Zwei Elemente stehen in Opposition zueinander, wenn bei ihrem Austausch Sätze eine andere Bedeutung erlangen. Dies bedeutet, dass sie bedeutungsunterscheidend sind. Wenn ein Element über ein Merkmal verfügt, dass dem anderen fehlt, wird es als markiert bezeichnet. Es wird zwischen der privativen und der inklusiven Opposition unterschieden. Bei der privativen Opposition hat ein Element ein Merkmal, das dem anderen fehlt. Bei der inklusiven Opposition dagegen kann das merkmallose Glied auch anstelle des merkmalhaften verwendet werden ohne einen Funktionsunterschied zu bewirken. Die beiden Elemente schließen sich nicht aus. Dabei ist eines der beiden Glieder eventuell nicht durch die Abwesenheit eines Merkmals geprägt, sondern lediglich in Hinblick auf das Merkmal inhaltlich unbestimmt. Es wird verwendet wenn man sich nicht festlegen möchte, da das andere Element mit einem Merkmal versehen ist und somit festgelegter ist. (vgl. Sokol, 2001, S.58+59) Bei der Opposition zwischen dem Femininum und dem Maskulinum handelt es sich um eine inklusive Opposition. Das Feminine hat das Merkmal [weiblich], wohingegen das Maskuline unbestimmt ist. Es beinhaltet die Merkmale [männlich] und [menschlich]. Dadurch wird das feminine von dem maskulinen inkludiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das maskuline stellt ein Archilexem dar. Nach Samel ist das Archilexem geschlechtsneutral, da es um das Merkmal [männlich] reduziert wurde und somit dem Sexus enthoben wurde. (vgl. Samel, 2000, S.67) Hausherr-Mälzer stellt heraus, dass das Archilexem immer das Größere, Positivere und Wichtigere ist. Bei den Nutztieren ist es das nützlichere Geschlecht, bei den Raubtieren das stärkere Geschlecht und bei den relativen Adjektiven dasjenige, dass das Mehr bedeutet. Aus der Perspektive der Frau ist das Archilexem männlich und daraus folgt, dass die Frau diskriminiert wird. (vgl. Hausherr-Mälzer, 1990, S.104)

3. Das Relativ- und Interrogativpronomen wer

Das Relativ- und Interrogativpronomen wer ist auf vielerlei Weisen defektiv. Es besitzt keine Pluralform und hat nur zwei Genera im Singular, wie man aus der folgenden Tabelle erschließen kann. Bei der Dativform von was besteht keine Einigkeit. (vgl. Pittner, 1996, S.73)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es ist relevant das Genus von wer herauszufinden um die Diskriminierung von Frauen in der Sprache zu belegen. Im Folgenden werden unterschiedliche Positionen in Hinblick auf die Genus frage dargestellt und schlussendlich das Genus von wer bestimmt.

3.1 Die Genuszuweisung

Die Genuszuweisung erweist sich als problematisch, da die Wissenschaftler sich nicht einig sind. Einige gehen davon aus, dass wer den Genus maskulin hat, andere wiederrum vertreten die These, dass es ein Neutrum und somit weder maskulin noch feminin ist. Auch in den Grammatiken finden sich widersprüchliche Darstellungen.

3.1.1 Genusneutralität

In der Grammatik von Helbig und Buscha wird nicht nach dem Genus unterschieden. Die Pronomen wer und was bezeichnen Person und Nicht-Person. Die Geschlechtsfrage wird abstrahiert. Engel verfolgt in seiner Grammatik dieselbe Auffassung, dass mit wer nach Menschen und mit was nach Dingen gefragt wird. Somit gehen beide Grammatiken von einer Genusneutralität aus und setzen nur den Unterschied zwischen wer und was als relevant. (vgl. Pittner, S.73) Nach androzentischer Auffassung ist wer geschlechtsabstrahierend, wobei allerdings auffällig ist, dass es nur durch maskuline Pronomen wieder aufgenommen werden kann.

3.1.2 Genushaltigkeit

Andere Grammatiken bezeichnen die Form durchaus als genushaltig, allerdings bestehen Uneinigkeiten darüber, welches Genus wer einnimmt. Die Duden-Grammatik bezeichnet die Formen von wer als maskuline und feminine Form. Eisenberg dagegen, bezeichnet was als neutrale Form und wer als ausschließlich maskuline Form. Pittner erbringt den Beweis, dass wer maskulin ist und bestätigt damit die Annahme Eisenbergs. Bei wer handelt es sich weder um eine neutrale Form noch um eine zweigeschlechtliche. Diese Annahmen beruhen auf einer Verwechselung von Genus und Sexus. Das lässt sich daran feststellen, dass die Thesen der Neutralität und Zweigeschlechtlichkeit dadurch begründet werden, dass sowohl nach Frauen als auch nach Männern gefragt wird. Dies ist allerdingt nicht relevant, da es sich dabei um das natürliche und nicht das grammatische Geschlecht handelt. Beweise dafür, zeigen sich in den Sätzen wo zwischen Genus und Sexus eine Diskrepanz besteht. Dies ist der Fall, wenn sich Sätze nur auf Frauen beziehen können und das Pronomen wer trotzdem durch männliche Pronomen aufgenommen wird. (vgl. Pittner, S.)

Wer nicht verhütet, der kann schwanger werden.

Wer nicht verhütet, *die kann schwanger werden.

Das ersetzen von der durch die wird allerdings als ungrammatisch abgelehnt, da die grammatische Kongruenzregel verletzt wird. Diese besagt, dass geschlechtsabstrahierende Pronomen im Maskulinum nur durch Maskulina wieder aufgenommen werden dürfen. (vgl. Samel, S.95) Somit wurde bewiesen, dass wer in seiner Funktion als Relativpronomen maskulin ist. Als Interrogativpronomen wird wer ebenfalls durch ein maskulines Possessivpronomen aufgenommen.

„Wer hat seinen Bh in der Waschmaschine vergessen?“ „Wer hat ihren Bh in der Waschmaschine vergessen?“

Wenn die Aufnahme durch ein feminines Possessivpronomen erfolgt, erweckt dies den Eindruck, dass es sich um den Bh einer dritten Person handelt. Der Satz wird fehlinterpretiert. Pittner bestätigt somit Eisenbergs Theorie, dass wer maskulin ist. (vgl. Pittner, S.74) Harnisch vertritt ebenfalls die Position, dass wer maskulin und was neutral ist. Er schließt dies aus dem Vergleich mit dem nicht defektiven Pronomen der.

„Wer kein Geld hat, der hat nichts zu verlieren.“

„Wer kein Geld hat, *die hat nichts zu verlieren.“

Wer wird durch die maskuline Form aufgenommen und nicht durch die feminine oder neutrale Form. Es bestände die Möglichkeit einer Wiederaufnahme durch die feminine Form, davon wird allerdings kein Gebrauch gemacht. (vgl. Harnisch, S.71+72) Pusch vertritt ebenso die These, dass wer maskulin ist. (Pusch, S.90) Die Feministinnen gehen davon aus, dass wer männlich ist und somit die Unsichtbarkeit der Frauen fördert. Dies dient ihnen als Forschungsgrundlage. Wer wird sowohl für Frauen als auch für Männer verwendet. Allerdings fühlen sich die Frauen nicht angesprochen, da sie unter der maskulinen Form subsumiert werden. Die mögliche Verwendung der weiblichen Form wird entweder als ungrammatisch abgelehnt oder fehlinterpretiert.

3.2 Lösungsvorschläge der feministischen Linguistik

Nachdem nun bewiesen wurde, dass es sich bei dem Pronomen wer um eine maskuline Form handelt, geht es jetzt um die Frage, wie man diese Art der Diskriminierung gegenüber Frauen beseitigen und eine geschlechtergerechte Sprache fördern kann. Das vorhandene Problem muss gelöst werden, da die Unsichtbarkeit der Frauen in der Sprache nicht mehr haltbar ist und die Gleichberechtigung der Geschlechter immer wünschenswerter wird. Die nachfolgenden Lösungsvorschläge zeigen Möglichkeiten auf, um diese Gleichberechtigung zu erreichen. Nachdem sie vorgestellt wurden, wird ihre Umsetzbarkeit im täglichen Sprachgebrauch untersucht.

3.2.1 Kreation einer femininen Form

Aufgrund der bestehenden Analogie zwischen der und wer besteht die Möglichkeit eine feminine Form zu kreieren. Der Vergleich mit dem nicht defektiven Pronomen der, führt zu folgenden Ergebnissen. (vgl. Pittner, S.74)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Harnisch stellt, aufbauend auf dem Lösungsvorschlag von Pittner, unterschiedliche Konstellationen von wer und wie vor. Eine mögliche Konstellation wäre die, dass es ein generisches wer gibt, dass die Opposition wie enthält.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine andere Konstellation wäre, dass es ein spezifisches wer und ein spezifisches wie gibt. Bei dieser Gruppierung ist kein Hyperonym vorhanden. (vgl. Harnisch, S.77)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Feministinnen würden letztere Konstellation bevorzugen, da wer und wie den gleichen Stellenwert haben. Bei der ersten Möglichkeit nimmt die maskuline Form eine übergeordnete Rolle ein, der die feminine Form untergeordnet wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die inklusive Opposition im Konflikt mit der feministischen Sprachkritik
Hochschule
Universität Passau  (Germanistik)
Veranstaltung
Feministische Linguistik
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V295709
ISBN (eBook)
9783656945215
ISBN (Buch)
9783656945222
Dateigröße
652 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
opposition, konflikt, sprachkritik
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Sabine Ginster (Autor:in), 2012, Die inklusive Opposition im Konflikt mit der feministischen Sprachkritik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295709

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