Die Nutzung der Fernstraßen aus ökonomischer Perspektive


Masterarbeit, 2015

83 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einleitung

2 Problemstellung und theoretischer Lösungsansatz
2.1 Status quo des deutschen Fernstraßenverkehrs
2.2 Aktuelle Diskussion in Deutschland
2.3 Effizienzverständnis
2.4 Stau als externer Effekt
2.5 Pigou-Steuer

3 Modifikation des Ansatzes von Pigou
3.1 Relaxation der Annahmen
3.2 Gestaltung der Staugebühr
3.3 Mögliche Umlenkungseffekte
3.3.1 Haupteffekte
3.3.2 Neben- und Ferneffekte
3.4 Umsetzung in die Praxis

4 Fazit

Quellenverzeichnis

Rechtsquellenregister

Anhang A: Heterogene Reisezeiten

Anhang B: Nettonutzenänderungen der Berufstätigen

Anhang C: Nettonutzenänderungen der Nicht-Arbeitnehmer

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Externe Kosten 17

Abbildung 2: Mobilitätsaltemativen und ihre Zeitkosten 69

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Katalog der Komfortfaktoren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) stellt eine steigende gewerbliche als auch private Nachfrage nach physischer Mobilität auf deutschen Straßen fest.[1] Doch in den letzten zehn Jahren wurde die Kapazität der Straßeninfrastruktur relativ geringfügig zum Verkehr ausgebaut,[2] so dass es vermehrt zu hohem Verkehrsaufkommen auf deutschen Straßen kommt. Ein sol- ches Ereignis wird vom Bundesamt für Strassen ASTRA als Stau bezeichnet,[3] welches mit negativen Konsequenzen für Verkehrsteilnehmer einhergeht. Diese Arbeit wird solche Ereignisse untersuchen und eine Maßnahme zur Vermeidung von Staus aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens diskutieren.

Daraus ergeben sich die ersten Forschungsfragen: mit welchem Ansatz kann das Stauaufkommen vermieden werden und ob damit ein gesellschaftliches Wohl­fahrtsoptimum erzielt werden kann? Tatsächlich wird in der Literatur eine optima­le Lösung zur Steuerung des hohen Verkehrsaufkommens von Pigou geboten, die mit ihrer Herangehensweise detailliert vorgestellt wird.[4] Jedoch kann dieser theo­retische Ansatz aufgrund mangelnder Realitätsnähe nicht in die Praxis umgesetzt werden. Daher wird eine Gesellschaft mit zwei Verkehrsteilnehmergruppen und mit von Pigou abweichenden Annahmen konstruiert. Es soll geprüft werden, ob das modifizierte Modell eine effiziente Lösung entsprechend dem gewählten Effi­zienzverständnis liefert. Die abschließende Forschungsfrage ist, ob das vorgestell­te Steuerungsinstrument in die Realität umgesetzt werden kann und auf welche Grenzen es bei der Implementierung stößt.

Die vorliegende Arbeit ist folgend aufgebaut. Zuerst wird der Status quo des deut­schen Straßenverkehrs erläutert und die Problemstellung des hohen Verkehrsauf­kommens geschildert. Es wird festgestellt, dass zu bestimmten Zeiträumen die Nachfrage nach Mobilität die Kapazität der Straße an einigen Straßenabschnitten übersteigt und das Gut Straße somit knapp wird. Das Kapitel 2.2 gibt einen Über­blick über die aktuelle Diskussion über die Erhebung einer Abgabe für die Auto­bahnnutzung durch Personenkraftwagen (Pkw) in Deutschland. Dabei wird der Fokus auf die politische Intention gelegt.

Aus den statistischen Befunden hinsichtlich des Straßenverkehrs in Deutschland ergibt sich die Frage, wie eine effiziente Nutzung der Straßeninfrastruktur zu ge­währleisten ist, ohne diese weiter ausbauen zu müssen. Zuerst muss der Begriff Effizienz geklärt werden. Demzufolge wird im nächsten Kapitel das Effizienzver­ständnis entsprechend der Theorie der Neoklassik vorgestellt. Dazu werden die dazugehörigen Annahmen erläutert. Das Kapitel 2.4 stellt das Stauproblem als externen Effekt dar und veranschaulicht die für die Gesellschaft auftretenden ne­gativen Konsequenzen eines hohen Verkehrsaufkommens. Anhand dieser Konse­quenzen ist der Bedarf, verkehrssteuernde Maßnahmen zu ergreifen, ersichtlich. Pigou schildert in seinem Ansatz, wie den externen Effekten begegnet werden soll und welche gesellschaftlichen Wohlfahrtseffekte daraus resultieren. Er liefert dazu eine optimale Lösung des Stauproblems in Form der Einführung einer Steuer.

Trotzdem stößt sein Vorschlag in der Literatur aufgrund mangelnder Realitätsnä­he auf Kritik.[5] Darauf folgend wird sein Modell modifiziert. Es werden Kriterien, die das Mobilitätsverhalten der Verkehrsteilnehmer beeinflussen, diskutiert. Dabei soll Nähe zur Praxis durch Modifikation ursprünglicher Annahmen geschaffen werden. Das Kapitel 3.2 stellt ein Preissystem zur Erhebung einer Straßennut­zungsgebühr[6] vor. Im Anschluss werden kurzfristige und langfristige Konsequen­zen der Einführung einer Staugebühr auf das Mobilitätsverhalten der Verkehrs­teilnehmer diskutiert. Dabei werden Ergebnisse der bereits implementierten Stra­ßennutzungsgebühren aus dem Ausland vorgestellt. Des Weiteren wird geprüft, ob das modifizierte Modell eine gesellschaftliche Wohlfahrt entsprechend dem formulierten Effizienzverständnis generiert. Das Kapitel 3.4 veranschaulicht Prob­leme der Implementierung des hier vorgestellten Modells in die Praxis. Abschlie­ßend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf weitere For­schungsbereiche geboten.

2 Problemstellung und theoretischer Lösungsansatz

In diesem Kapitel wird das Stauproblem auf deutschen Femstraßen anhand der Daten und Fakten des aktuellen Straßenverkehrs sowie der Straßeninfrastruktur dargestellt. Dazu werden zuerst einschlägige Begrifflichkeiten geklärt und eine Eingrenzung des Forschungsbereichs vorgenommen. Anschließend wird die aktu­elle Thematik der Politik zur Erhebung einer Abgabe auf deutsche Autobahnen vorgestellt. Zudem findet eine theoretische Schilderung des optimalen Ansatzes zur Reduktion des hohen Verkehrsaufkommens statt. Das angewandte Wohl­fahrtskriterium zur Bewertung der Konsequenzen der staumindernden Maßnah­men entstammt der Theorie der Neoklassik. Die negativen Folgen von Staus wer­den in der Literatur mit externen Kosten begründet. Dazu wird ein Lösungsansatz von Pigou reproduziert, der eine optimale gesellschaftliche Wohlfahrt generiert.

2.1 Status quo des deutschen Fernstraßenverkehrs

Die Bundesrepublik Deutschland bietet eine adäquate Straßeninfrastruktur für heterogene Verkehrsteilnehmer, die weiterhin unter der Berücksichtigung der vor­handenen finanziellen Mittel nachhaltig gewartet und ausgebaut wird. Die Länge des gesamten deutschen Straßennetzes lag laut dem BMVBS bei ca. 643 500 km im Jahr 2012 und unterteilt sich in fünf Straßenklassen.[7]

Autobahnen und Bundesstraßen zählen zum Fernverkehrsnetz und sind für den weiträumigen Verkehr bestimmt.[8] Die aktuelle Länge der Autobahnen beträgt 12 917 km und der Bundesstraßen 39 389 km.[9] Auf diesen Straßen[10] soll sowohl der Personen- als auch der Güterverkehrsfluss mit einer relativ hohen Geschwin­digkeit im Vergleich zu anderen Straßenklassen zurückgelegt werden. Es gilt laut dem §1 der Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 km/ h auf Autobahnen bei „günstigen Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen“.[11] Auf Bundesstraßen ist die Richtge­schwindigkeit vom Ausbau der Straße abhängig. Sie kann 100 km/ h oder 130 km/ h betragen.[12] Diese Geschwindigkeiten werden vom Bundesverkehrsmi­nisterium so festgelegt und an unterschiedliche Straßenabschnitte angepasst, so dass eine geringe Risikogefahr für einen Straßenunfall besteht und gleichzeitig ein schnelles Fahren gewährleistet wird.[13]

Zu den Nutzern der Fernstraßen zählen der motorisierte Individualverkehr sowie die gewerblichen Transportunternehmen, die Güter und Personen befördern. Da­bei handelt es sich um inländische und aufgrund der geographischen Lage Deutschlands ausländische Fahrzeuge unterschiedlicher Klassen.

Der finanzielle Träger der Straßenbaulast dieser Straßenklasse ist hauptsächlich der deutsche Staat,[14] der jährlich ca. fünf Milliarden Euro für die Straßeninfra­struktur ausgibt.[15] Dazu zählen sämtliche Maßnahmen und Aktivitäten zum Aus­bau, zur Erweiterung und Unterhaltung der Straßeninfrastruktur.[16]

Dennoch wurden im Jahr 2013 laut dem ADAC 415 000 Staumeldungen mit einer Gesamtlänge von 830 000 km in Deutschland registriert.[17] Es ist eine Zunahme der Staulänge sowie seiner Eintrittsfrequenz über die letzten zehn Jahre festzustel­len.[18] Diese Ursache kann u. a. auf den zunehmenden privaten Fahrzeugbesitz[19] und den steigenden Güterverkehr zurückgeführt werden.[20] Laut dem Kraftfahrt­Bundesamt waren 52,97 Millionen Kraftfahrzeuge (Kfz), davon 43,85 Millionen Pkw, zum 1. Januar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet.[21] Hinzu kommen noch ausländische Fahrzeuge, die den deutschen Straßenverkehr zu ge­werblichen oder privaten Zwecken nutzen. Der Anteil ausländischer Fahrzeuge lag im Vergleich zum Gesamtverkehr auf Autobahnen bei 11% im Jahr 2010. Im Vergleich zu 2003 ist dieser um 30,5% gestiegen.[22] Bleibt die steigende Tendenz des privaten Fahrzeugbesitzes und somit des individuellen und gewerblichen Ver­kehrs erhalten oder intensiviert sich,[23] wird es zu einem noch dichteren Verkehr bei der aktuellen Straßeninfrastruktur kommen, so dass als Folge stark ausgelaste­te Straßen zu erwarten sind. In dieser Arbeit liegt der Fokus ausschließlich auf dem motorisierten Individualverkehr. Dabei sind Fußgänger und Personen des nicht-motorisierten Verkehrs ausgeschlossen, da ihnen die Nutzung von Fernstra-ßen untersagt ist[24].

Die Straßeninfrastruktur zählt zu den öffentlichen Gütern, die durch die Nicht- Ausschließbarkeit sowie Nicht-Rivalität gekennzeichnet sind[25]. Laut § 7 Art. 1 FStrG sind Fernstraßen der Öffentlichkeit gewidmet.[26] Die beiden Merkmale des öffentlichen Gutes besagen, dass alle Verkehrsteilnehmer die vom Staat bereitge­stellten Straßen gleichzeitig und unbeschränkt nutzen können.

Jedoch werden aufgrund der hohen Nachfrage nach Mobilität die beiden Merkma­le des öffentlichen Gutes nicht erfüllt. Es kommt zu bestimmten Zeiträumen zu kurzfristigen Verknappungen der Fernstraßen[27]. Es entsteht eine temporäre Rivali­tät zwischen den Verkehrsteilnehmern um die knappe Ressource Straße, wenn die Verkehrsnachfrage die vorhandene Kapazität[28] übersteigt. Dabei handelt es sich um eine partielle Rivalität. Das bedeutet, dass andere Wirtschaftssubjekte von der Nutzung der Straße zwar nicht ausgeschlossen sind, werden aber in ihrem Nutzen beeinträchtigt, indem z. B. die Fahrgeschwindigkeit zurückgeht[29].

Die partielle Rivalität tritt erst ab einer bestimmten Verkehrsdichte [30] auf einem Straßenabschnitt auf, ab welcher die Verkehrsteilnehmer anfangen sich gegensei­tig zu beeinträchtigen. Dadurch entstehen Qualitätsverluste u. a. in Form des Ge­schwindigkeitsrückganges und demzufolge des Zeitverlustes, da die Fahrt mehr [31] Reisezeit beansprucht. Dieses Phänomen entspricht in der Literatur dem klassi-sehen Allmende-Problem[32].

Die Mobilität stellt eine abgeleitete Tätigkeit dar, da sie als Mittel zum Zweck der Erzielung einer anderen Aktivität dient. Der Verkehrsteilnehmer möchte eine Be­tätigung ausüben, wie z. B. Einkaufen, Arbeiten oder der Freizeitbeschäftigung nachgehen, die räumlich von ihm entfernt ist und zu ihrer Ausübung eine Fahrt zu einem anderen Ort unternehmen muss[33]. Unternommene Fahrten werden den wirt­schaftlich relevanten Aktivitäten zugeordnet. Der Güterverkehr umfasst distributi­ve Prozesse, die zum wirtschaftlichen Wachstum beitragen. Auch im Personen­verkehr haben unternommene Fahrten einen ökonomischen Charakter. Beim Be­rufstätigen z. B. wird die Mobilität des Faktors Arbeit gewährleistet. Bei der Aus­übung einer Freizeitaktivität wird hingegen eine Dienstleistung am Markt in An­spruch genommen.

Das Bundesamt für Strassen ASTRA definiert den Stau als einen Verkehrsfluss von Fahrzeugen mit einer Geschwindigkeit von weniger als 10 km/ h auf einem Straßenabschnitt außer Orts.[34] Jedoch im Zusammenhang mit der Congestion Theory [35] handelt es sich bei einem Stau um eine Differenz zwischen der tatsächli­chen Reisezeit pro Kilometer ohne jegliche Behinderung des Verkehrsflusses und der Reisezeit auf der stark ausgelasteten Straße, d. h. wenn die tatsächliche Ge­schwindigkeit auf einer Strecke niedriger ist als die maximal Mögliche.[36] Nach dieser Definition kommt es zum Stau auf einem Straßenabschnitt sobald dort eine partielle Rivalität auftritt.

Es lassen sich zwei Arten von Staus unterscheiden, die nach der Ursache ihrer Entstehung differenziert sind. Die Staus können durch lokale situative Störereig­nisse, wie z. B. Autounfälle, witterungsbedingte Ereignisse oder Baustellen, ent­stehen. Dies sind zufällige, unerwartete und temporäre Ereignisse, die die ur­sprüngliche Kapazität der Straße vorübergehend einschränken. Treten solche Er­eignisse auf einem Straßenabschnitt nicht auf, wird ein unbeschränkter Verkehrs­fluss gewährleistet. Die zweite Stauart entsteht dadurch, dass die Verkehrsnach­frage die vorhandene Kapazität des Straßenabschnitts stark auslastet, ohne dass diese durch externe Ereignisse beeinflusst wird[37].

In dieser Arbeit wird der Fokus auf die zweite Stauart gelegt, da für diese Maß­nahmen geschaffen werden sollen, um das hohe Verkehrsaufkommen zu vermei­den. Außerdem unterstreicht ihr Anteil am gesamten Stauaufkommen die Not­wendigkeit solche Maßnahmen zu ergreifen. Die ADAC-Studie von 2008 zeigt, dass 63% der Staus auf deutschen Autobahnen aufgrund eines hohen Verkehrs­aufkommens entstanden sind[38]. Sparmann hingegen geht von 40% aller Staus aus, die hohes Verkehrsaufkommen als Ursache haben.[39] Somit ergibt sich die Frage, auf welche Instrumente zurückgegriffen werden soll, um den Stau zu reduzieren. Als Folge der hohen Anzahl an Staumeldungen im Jahr 2013 schlägt der Automo­bilclub ADAC den Ausbau des Autobahnnetzwerkes vor.[40] Auf den ersten Blick ist der Vorschlag des Automobilclubs plausibel, doch aus Kostengesichtspunkten stößt er auf Kritik.

Der Staat besitzt ein natürliches Monopol auf die Straßeninfrastruktur[41] und somit sind mit dem Ausbau des Straßenverkehrsnetzes hohe Fixkosten verbunden. Von besonderer Bedeutung sind versunkene Kosten, die irreversible Fixkosten darstel­len. Daher kann die Straßeninfrastruktur zu keinem anderen Zweck als der Mobi­lität genutzt werden[42]. Ein natürliches Monopol liegt vor, wenn ein Unternehmen eine Leistung auf dem Markt kostengünstiger anbietet kann, als mehrere Unter­nehmen. Dies lässt sich mit der Kostenstruktur der steigenden Skalenerträge be­gründen. Steigende Skalenerträge liegen vor, wenn die Outputmenge eines Gutes überproportional mit dem Anstieg der eingesetzten Inputfaktoren ansteigt. Die zunehmende Outputmenge senkt die Durchschnittkosten der Produktion, weil die variablen Kosten der Produktion gering und Fixkosten relativ hoch ausfallen.[43] Im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr entsprechen Fixkosten dem Ausbau des Verkehrsnetzes und variable Kosten den Kosten für Aufrechterhaltung und War­tung des Straßennetzes.[44] Des Weiteren liegen bei der Straßeninfrastruktur Ver­bundeffekte vor, da ein bereits ausgebautes Netzwerk sowohl für den Güter- als auch für den Personentransport genutzt werden kann.[45]

Aufgrund solcher Kostenstrukturen des natürlichen Monopols ist der Ausbau von Fernstraßen mit dem Ziel der Reduktion von temporären Staus wirtschaftlich nicht sinnvoll. Jedoch in der Literatur zu Congestion Theory sind sich die Autoren ei­nig, dass das Auftreten von Staus ineffizient ist und daraus sich individuelle Nut­zeneinbußen sowie negative Wohlfahrtseffekte für die gesamte Gesellschaft erge­ben.

2.2 Aktuelle Diskussion in Deutschland

Der aktuelle Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt plant für Anfang 2016 die Einführung einer Straßennutzungsgebühr, der so genannten Pkw-Maut.[46] Die Intention der Einführung der Maut ist zusätzliche Einnahmen für die Instandhal­tung und für den Ausbau des Straßennetzes zu generieren[47]. Die bereits in Deutschland existierenden Einnahmequellen in Form der Kfz-Steuer und der Mi­neralölsteuer werden zu Fremdzwecken verwendet, so dass ein finanzieller Man­gel für Investition in die Straßeninfrastruktur zu verzeichnen ist. Somit sollen die Einnahmen aus der Straßennutzungsgebühr zweckgebunden sein. Zusätzlich wird das Ziel der Verringerung der Umweltbelastung durch Reduktion von Schadstof­femissionen verfolgt.[48]

Das Konzept der Pkw-Maut sieht eine Erhebung der Straßennutzungsgebühr auf alle Kfz bis zu einem Gesamtgewicht von 3,5 t vor.[49] Daher ist die Bezeichnung Pkw-Maut nicht adäquat, da die Gebühr auch auf Lastkraftwagen (Lkw) und Wohnmobile erhoben wird.[50] Da Deutschland geografisch mitten in Europa loka­lisiert ist, sollen nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Fahrer die Gebühr entrichten. Die Höhe der Maut bemisst sich für deutsche Fahrer am Hubraum, Schadstoffklasse und dem Jahr der Zulassung. Eine unterschiedliche Belastung findet bei Fahrzeugen mit einem Benzin- und Dieselmotor statt. Somit folgt ihre

Berechnung dem Schema des Kfz-Steuergesetzes. Sie wird in Form einer elektro­nischen Vignette umgesetzt, die eine Gültigkeit von zwölf Monaten hat. Ausländi­sche Verkehrsteilnehmer haben mehrere Optionen zur Auswahl. Sie können eine Zehn-Tages-Vignette in Höhe von 10 Euro, eine Zwei-Monats-Vignette in Höhe von 22 Euro oder eine Jahres-Vignette erwerben. Die Obergrenze der Jahres­Vignette ist auf 130 Euro begrenzt.[51] Bei Zuwiderhandlung soll ein Bußgeld in Höhe von 160 Euro bzw. von 260 Euro bei wiederholter Ordnungswidrigkeit so­wohl von den Inländern als auch von den Ausländern gezahlt werden.[52] Elektro­fahrzeuge, Motorräder, Behinderte sowie Individuen, die nachweisen können, dass sie die Bundesstraßen nicht nutzen,[53] sind von der Zahlungsplicht der Maut befreit.[54]

Die Einführung einer Mautgebühr in Deutschland verursacht zusätzliche monetäre Belastungen für Verkehrsteilnehmer, die bereits eine Kfz-Steuer sowie die Mine­ralölsteuer entrichten. Ein solcher Vorschlag der Maut kann bei den Betroffenen auf Nicht-Akzeptanz stoßen und den Verlust von Wählerstimmen für CSU- Politiker (Christlich-Soziale Union) bedeuten.[55] Aus diesem Grund schlug Dobrindt vor, dass die von Inländern bezahlte Straßennutzungsgebühr mit der Kfz-Steuer verrechnet werden soll. Somit entsteht keine zusätzliche monetäre Belastung für den deutschen Fahrer. Daher sind ausländische Nutzer der deut­schen Autobahn und Bundesstraßen alleinige Träger der Straßennutzungsge­bühr.[56]

Im Jahr 2008 zählte die Bundesanstalt für Straßenwesen im Durchschnitt 5275 ausländische Fahrzeuge pro Tag, die das deutsche Autobahnnetz nutzten[57]. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs an den ausländischen Fahrzeugen lag bei 46%. Dies ist eine Steigerung des individuellen Personenverkehrs von ca. 26,1% im Vergleich zum Jahr 2003. Der größte Anteil an ausländischen Fahrern des motorisierten Individualverkehrs stammt aus den Nachbarstaaten, wie den Niederlande, Polen und Österreich. Der Anteil des ausländischen Personenver-kehrs am Gesamtverkehr in Deutschland liegt bei 6,7%[58].

Die Politik berücksichtigt bei ihrem Vorhabenjedoch das Auftreten von Stauprob­lemen im deutschen Straßenverkehrsnetz nicht, obwohl dadurch individuelle und soziale Effizienzverluste laut der Congestion Theory entstehen. Solche Effizienz­aussagen sind jedoch nur dann möglich, wenn ein Wohlfahrtskriterium als Argu­mentationsgrundlage gewählt wurde. In dieser Arbeit wird von einem Markt ent­sprechend der neoklassischen Theorie ausgegangen, weil diese einen fundierten Argumentationsrahmen, insbesondere im Bereich des Marktversagens,[59] bietet.

2.3 Effizienzverständnis

Bei der betrachteten Problemstellung handelt es sich um das hohe Verkehrsauf­kommen, welches zur Verknappung von Fernstraßen führt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eine effiziente Fernstraßennutzung zu gestalten. Dieser Sachver­halt entspricht der Theorie der Neoklassik, die sich vorrangig mit dem Allokati­onsproblem von knappen Ressourcen beschäftigt.[60]

Bei der neoklassischen Allokationseffizienz handelt es sich um ein Optimierungs­problem. Es wird von einer gegebenen Anfangsausstattung ausgegangen, in der vorhandene Ressourcen auf Gesellschaftsmitglieder verteilt sind. Dabei ist diese Verteilung nicht effizient, denn durch die Reallokation dieser Ressourcen kann ein gesellschaftlicher Wohlfahrtsgewinn entsprechend dem Effizienzverständnis resultieren.[61] Es wird eine enge Korrelation der ökonomischen Wohlfahrt mit der gesellschaftlichen Wohlfahrt angenommen.[62]

Da die neoklassische Theorie mehrere Ausrichtungen hat, wird hier eine Eingren­zung auf die Vertreter der Lausanner und der Chicagoer Schule vorgenommen.[63] Léon Walras ist Repräsentant der Grenznutzenschule in Lausanne. Auf ihn ist die Theorie der subjektiven Wertlehre[64] und des Allgemeinen Gleichgewichts[65] zu­rückzuführen.[66] Vilfredo Pareto entstammt derselben Schule und arbeitete am Ansatz des Allgemeinen Gleichgewichts von Walras weiter.[67] Er geht jedoch von einer anderen Nutzenmessung der Wohlfahrt aus. Auf seinen Namen ist das soge­nannte Pareto-Kriterium zur Evaluierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt zu­rückzuführen, welches 1906 in „Manuale d'economia politica“ verfasst wurde.[68] Denselben Ansatz verfolgen Kenneth Arrow und Gerard Debreu, indem sie die Optimalitätsbedingungen für das Bestehen eines Gleichgewichts nach Walras un­tersuchten.[69] Die zwei Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik entstammen ihrer Analyse[70]. Die Vertreter der Chicagoer Schule wandten die Grundidee von Walras auf einen einzigen Markt mittels einer Partialanalyse an[71]. Es fand eine kontinu­ierliche Entwicklung der Theorie der Neoklassik durch eine mannigfaltige Aus­richtung der Vertreter statt. Die Kernaussage und das Gesamtkonzept der Neo-klassik bliebenjedoch erhalten[72].

In der Neoklassik werden wirtschaftliche Sachverhalte mit dem individualen Handeln der Marktakteure erklärt[73]. Dazu wird das Verhalten der Wirtschaftssub­jekte analysiert. Eine hinreichende Bedingung für die neoklassische Allokations­effizienz ist die Marktform des vollkommenen Wettbewerbs, der folgende An- nahmen zugrunde liegen[74].

Die Allokationseffizienz setzt sich aus Verwendungseffizienz und Produktionsef­fizienz zusammen. Alle Mitglieder einer Gesellschaft werden in zwei Gruppen, Konsumenten und Produzenten, aufgeteilt. Dabei können Wirtschaftssubjekte sowohl natürliche als auch juristische Personen sein. Die Verwendungseffizienz bezieht sich auf Konsumenten, die ihren Konsum unter Restriktionen maximieren möchten. Die Produktionseffizienz tangiert hingegen die Anbieterseite, die bei gegebenen Ressourcen ihren Output und dementsprechend den Gewinn maximie-ren möchte[75]. Eine solche Unterscheidung der Marktakteure ist nicht zwingend notwendig, da das Prinzip der Nutzenmaximierung unter gegebenen restriktiven Bedingungen fur beide Gruppen gilt.[76] Deshalb nimmt Walras keine Differenzie­rung der Wirtschaftssubjekte vor und geht von einer reinen Tauschwirtschaft aus. In seinem Modell wird der Produktionssektor nicht berücksichtigt.[77]

In der Neoklassik entsprechen die Wirtschaftssubjekte dem Leitbild des Homo oeconomicus. Mit diesem Menschenbild lässt sich das Verhalten der Marktakteure erklären und prognostizieren. Das wesentliche Merkmal solcher Individuen ist, dass sie ihre Entscheidungen über den Konsum von Ressourcen instrumentell ra­tional treffen. Es wird eine unbegrenzte geistige Fähigkeit der Individuen unter­stellt. Die emotionalen Charaktereigenschaften entsprechen nicht dem Menschen­bild des Homo oeconomicus[78]. Die Nutzen der Wirtschaftssubjekte entsprechen dem Gossenschen Typ[79] und weisen einen abnehmenden Grenznutzen auf. Somit nimmt der Nutzwert des Konsums mit jeder zusätzlichen Einheit der Ressource marginal ab[80]. Die Wirtschaftssubjekte konkurrieren miteinander auf dem Markt um die vorhandenen Ressourcen. Dabei verfolgen sie das Ziel der individuellen Nutzenmaximierung, welches bestimmten Restriktionen unterliegt. Sie wählen dasjenige Konsumbündel[81] aus, der ihnen den meisten Nutzen generiert[82]. Die Präferenzen der Individuen sind dabei über den Zeitraum konstant, vollständig und homogen. Sie werden mittels der Nutzenfunktionen erfasst[83]. Die Entschei- dungen der Akteure werden voneinander unabhängig getroffen[84].

Eine Entscheidungsfindung kann nach einem beliebigen Evaluierungsverfahren, welches der rationalen Bewertung entspricht, vollzogen werden[85]. Die Kosten­Nutzen-Analyse kann als Entscheidungsverfahren in der Neoklassik angewandt werden. Sie ist ein analytisches Verfahren, in welchem der Aufwand des Kon­sums ihrem Nutzen gegenüber gestellt wird. Dabei weisen beide Beurteilungskri­terien einen Geldwert auf, um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, und werden ex ante ermittelt. Aus der Evaluierung resultiert ein Nettonutzen. Ist dieser positiv, entscheidet sich das Individuum für den Konsum.[86]

Im Modell von Walras findet eine kardinale Nutzenmessung statt[87]. Dabei kann die Frage beantwortet werden, um wie viel ein Konsumbündel einem anderen über- bzw. untergeordnet ist. Bei der Modifikation des Modells von Walras durch Pareto ist die kardinale Nutzenmessung nicht erforderlich. Es findet eine ordinale Messung der Nutzwerte der Gesellschaftsmitglieder statt. Daher sind interperso­nelle Vergleiche der Nutzwerte ausgeschlossen[88]. Durch eine ordinale Nutzen­messung kann eine Präferenzordnung der bewerteten Konsumbündel vollständig,reflexiv, stetig und widerspruchfrei aufgestellt werden[89].

Damit die Marktakteure Konsumalternativen bewerten können, müssen sie über vollständige Informationen ex ante verfügen. Dazu zählt die Transparenz am Markt über alle möglichen Ressourcenbündel und die daraus resultierenden Fol­gen. Diese Annahme impliziert eine vollkommene Voraussicht der Akteure über ihre Alternativen.[90]

Eine weitere Annahme der vollkommenen Konkurrenz ist, dass Marktakteure als Preisnehmer auf dem Markt agieren. Ihr Marktanteil ist gering, so dass sie die Marktpreise durch ihr Verhalten am Markt nicht beeinflussen können und diese als gegeben hinnehmen. Diese Annahme impliziert, dass auf einem solchen Markt identische bzw. ähnliche Ressourcen angeboten werden, die gegeneinander substi­tuiert werden können.[91]

Des Weiteren gibt es keine Markteintrittsbarrieren für weitere Wirtschaftssubjekte am vollkommenen Markt. Es existieren somit keine Kosten, die das Verhalten der Wirtschaftssubjekte bei der Auswahl des Konsumbündels beeinflussen könnten. Somit liegen auf dem Markt keine Informations- oder Transaktionskosten vor[92].

Die neoklassische Theorie ist statisch, so dass eine konstante Anzahl an Wirt­schaftssubjekten und Ressourcen angenommen wird. Die am Markt vorhandene Technik unterliegt keiner Entwicklung. Die vorhandenen Ressourcen sind unbe­schränkt mobil und unbeschränkt teilbar auf alle Gesellschaftsmitglieder. Zusätz­lich wird der Zeitaspekt außer Acht gelassen, so dass die Wirtschaftssubjekte sich ohne Zeitverzögerung an den neuen Zustand anpassen[93].

Das individuelle, nutzenmaximierende Verhalten der Akteure und die Markttrans­parenz fuhren zu einem Marktgleichgewicht, in dem das Angebot an Ressourcen der Gesamtnachfrage entspricht. Dieser generiert einen Gleichgewichtspreis, bei dem der Markt permanent geräumt ist. Es findet somit eine vollständige Verwen­dung der Ressourcen statt. Es findet eine an dem Grenznutzen orientierte Preisfin­dung statt. Simultan werden auch die Gleichgewichtsmengen bestimmt. Andere Preise sind aufgrund der vollkommenen Informationen nicht möglich. Daher sind Arbitragemöglichkeiten ausgeschlossen. Der Marktmechanismus fuhrt ständig zu einem Marktgleichgewicht bei vollkommener Konkurrenz.[94]

Es wird zwischen einem allgemeinen und einem partialen Gleichgewicht in den beiden Schulen differenziert. Die allgemeine Gleichgewichtsanalyse besagt, dass alle Märkte der betrachteten Gesellschaft sich im Gleichgewicht befinden. Diese Analyse wird angewandt, wenn zwischen den Märkten Interdependenzen beste­hen. Finden Veränderungen der Preise und Mengen einer Ressource auf einem Markt statt, können andere Märkte dadurch betroffen werden. Bei substituieren­den Ressourcen verändern Marktakteure ihre Bedürfnisse, sobald eine Verände­rung der Preise stattfinden, so dass Auswirkungen auf Märkte der substituierenden Ressourcen in Form der Preis- und Mengenveränderung entstehen. Dabei werden auch rückwirkende Einflüsse berücksichtigt. Bei der Allgemeinen Gleichge­wichtsanalyse werden Preise und Mengen auf allen Märkten gleichzeitig be­stimmt.[95] Die Partialanalyse hingegen betrachtet ein Gleichgewicht auf einem einzigen Markt. Es wird somit implizit unterstellt, dass keine Wechselwirkungen zwischen den Märkten bestehen. Die anderen Märkte sind unabhängig vom be­trachteten Markt und befinden sich ständig im Marktgleichgewicht laut der An­nahme.[96]

Zur Beurteilung der gesellschaftlichen Wohlfahrt wird in der Neoklassik das Pare- to-Kriterium verwendet[97]. Dabei wird die gesellschaftliche Wohlfahrt aus indivi­dualistischer Perspektive abgeleitet, indem Änderungen der Nutzwerte im Ver­gleich zu Nutzwerten in der Anfangsausstattung jedes Individuums betrachtet werden. Es findet ein Übergang von der Mikroebene zur Makroebene statt, so dass auf eine gesellschaftliche Wohlfahrt mittels des Pareto-Kriteriums geschlos- sen werden kann[98] Das Pareto-Kriterium besagt, dass aufgrund der Ressour­cenallokation kein einziges Individuum einer Gesellschaft Nutzeneinbuße erleiden darf und dafür mindestens ein Individuum derselben Gesellschaft einen Nutzen­zuwachs erhält[99]." Findet eine derartige Nutzenveränderung statt, handelt es sich um einen pareto-verbesserten Zustand im Vergleich zur Ressourcenverteilung in der Ausgangssituation. Dabei findet ordinale Nutzenmessung statt. Erzielt ein einziges Individuum einen höheren Nettonutzen aus der Ressourcenallokation ohne ein anderes Individuum schlechter zu stellen, so deutet dies auf eine Steige­rung der gesellschaftlichen Wohlfahrt.[100] Bei der kardinalen Nutzenmessung setzt sich gesellschaftliche Wohlfahrt additiv aus dem individuellen Nutzen der Mit­glieder der Gesellschaft zusammen.

Ein Pareto-Optimum wird erreicht, wenn kein weiteres Individuum der Gesell­schaft einen Nutzenzuwachs durch die Ressourcenallokation erzielen kann.[101] Es kann aufgrund unterschiedlicher Verteilungen beliebig viele Pareto-Optima ge­ben. Eine gerechte Verteilung der Ressourcen wird mit der pareto-optimalen Al-lokationjedoch nicht gewährleistet[102].

Die Arbeiten von Arrow und Debreu lieferten Erkenntnisse, die in den Hauptsät­zen der Wohlfahrtsökonomik zusammengefasst werden. Die Effizienz wird durch diese zwei Sätze beschrieben. Der erste Satz besagt, dassjede Ressourcenallokati­on, die zu einem Marktgleichgewicht führt, pareto-optimal ist. Der zweite Satz bedeutet, dass jeder pareto-optimaler Zustand ein Marktgleichgewicht darstellt[103]. Der Marktmechanismus führt zur Bildung eines Gleichgewichtspreises, der zu einem Marktgleichgewicht fährt. Dieses Gleichgewicht entspricht einem pareto- optimalem Zustand, in dem die gesellschaftliche Wohlfahrt optimal ist.[104]

2.4 Stau als externer Effekt

Das Modell der Neoklassik beschreibt einen idealtypischen Markt mit vollkom­menen Bedingungen für ein Marktgleichgewicht. Wenn jedoch eine oder mehrere Bedingungen der neoklassischen Theorie nicht erfüllt sind, kann kein pareto- optimaler Zustand erreicht werden.[105] Deshalb kommt es zu einem sogenannten Marktversagen. Im Zusammenhang mit der Congestion Theory sind unter Markt­versagen externe Effekte zu verstehen. Beim Vorliegen solcher Effekte kann das Marktgleichgewicht durch den Preismechanismus nicht erreicht werden, so dass es zu einer Fehlallokation der gesellschaftlichen Ressourcen auf dem Markt kommt.[106]

Die Externalitäten können sowohl positiv als auch negativ sein. Allgemein wird unter externen Effekten die direkte Einflussnahme eines Individuums durch sein Verhalten auf das Wohlbefinden der anderen Individuen verstanden. Dabei wird implizit angenommen, dass es keine Kompensationen für das beeinflussende Indi­viduum gibt[107]. Hier werden ausschließlich negative externe Effekte - die so ge­nannten externen Kosten - behandelt[108]. Externe Kosten liegen vor, wenn ein Ak­teur durch sein Verhalten der Gesellschaft Kosten auferlegt, die er selber nicht deckt und daher bei seiner individuellen Entscheidungsfindung nicht berücksich­tigt. Somit werden die externen Kosten von der Gesellschaft getragen.[109] Dabei handelt es sich um ein anthropozentrisches Konzept, da der negative Einfluss auf den Menschen ausgeübt wird.[110]

Das Konzept der externen Kosten wird anhand einer graphischen Darstellung er­läutert. Die Abbildung 1 veranschaulicht das Auftreten von externen Effekten im Verkehrssystem sowie ihre Wirkungen auf die gesellschaftliche Wohlfahrt. Auf der Abszisse ist die Verkehrsdichte abgetragen. Diese ist als Anzahl der Fahrzeu­ge auf einem Straßenabschnitt innerhalb einer Periode zu verstehen.[111] Die Ordi­nate zeigt die Höhe der anfallenden Grenzkosten bzw. des generierten Nutzen an. Die grüne Nachfragekurve stellt die aggregierte Nachfrage der Gesellschaft nach motorisiertem Individualverkehr dar>[112]. Sie setzt sich aus dem individuellen Grenznutzen der Mitglieder der Gesellschaft additiv zusammen und verläuft linear fallend, da die Nachfrage bei steigenden Preisen im Regelfall zurückgeht. Sie zeigt die marginale Zahlungsbereitschaft der Verkehrsteilnehmer[113].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Externe Kosten (Quelle: in Anlehnung an Storchmann (1999): 21.)

Die beiden steigend verlaufenden Kurven stellen individuelle bzw. private und soziale bzw. gesellschaftliche Grenzkosten jedes Fahrzeugs dar. Dies sind die zusätzlich anfallenden Kosten bei jedem Verkehrsteilnehmer, der sich bereits auf der Straße befindet. Die zusätzliche Belastung wird durch ein weiteres, in den Straßenabschnitt einfahrendes Fahrzeug verursacht. Es wird eine positive Korrela­tion der Kosten mit der steigenden Verkehrsdichte unterstellt, die progressiv zu­nehmen. Individuelle Kosten fallen bei jedem einzelnen Verkehrsteilnehmer an und werden ausschließlich von ihnen getragen.[114]

[...]


[1] Vgl. BMVBS (2006): 63-66, 105, 111-113.

[2] Vgl. Statistik-Portal (2014a).

[3] Unter einem Stau wird ein Verkehrsfluss mit einer Geschwindigkeit von weniger als 10 km/ h verstanden. Vgl. Bundesamt für Strassen ASTRA (2015a).

[4] Vgl. Kapitel 2.5.

[5] Vgl. Fritsch (2011): 57-60; Hödl/ Müller (1986): 9-15.

[6] Eine Straßennutzungsgebühr ist eine Abgabe für die Nutzung der Straßeninfrastruktur durch den motorisierten Verkehr. Die Termini Straßennutzungsgebühr und Staugebühr werden in dieser Arbeit synonym verwendet. Für nähere Erläuterungen vgl. Kapitel 3.1.

[7] Die fünf Straßenklassen sind Autobahnen, Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen. Vgl. ProMobilität (2014).

[8] Vgl. §1 Abs. 1 FStrG.

[9] Vgl. BMVI (2014a).

[10] In dieser Arbeit werden ausschließlich Fernstraßen behandelt. Jegliche weitere Termini, wie Straße, Autobahn, Bundesstraße oder Infrastruktur, werden synonym verwendet.

[11] Diese Richtgeschwindigkeit betrifft Personenfahrzeuge als auch Kraftfahrzeuge mit einem Ge­wicht bis zu 3,5 t. Für andere Fahrzeugarten gelten differenzierte Geschwindigkeitsrestriktionen. Vgl. §3 StVO i. V. m.§1 Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung.

[12] Zum Inhalt „Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen“ vgl. §1 FStrG i. V. m.§3 Abs. 3 StVO.

[13] Vgl. BMVBS (2010): 29-30, 33-35.

[14] Vgl. § 5 FStrG.

[15] Vgl. ADAC-Statistik (2013).

[16] Vgl. § 9 FStrG.

[17] Bei dieser Erhebung wurden alle Stauarten, die sich hinsichtlich der Ursache differenzieren, erfasst. Vgl. ADAC (2013).

[18] Vgl. ADAC (2013); Statistik-Portal (2013).

[19] Vgl. Kfz-Auskunft (2015a).

[20] Vgl. Bundesregierung (2014); Statistisches Bundesamt (2014).

[21] Vgl. Kraftfahrt-Bundesamt (2014).

[22] Zum Inhalt „ausländischer Verkehr“ vgl. Lensing (2010): 3,16.

[23] Die Veränderung des Pkw-Bestandes vom 1997 bis 2007 veranschaulicht die steigende Tendenz zum Fahrzeugbesitz. Vgl. BMVBS (2006): 63-66; Kraftfahrt-Bundesamt (2007); Statistisches Bundesamt (2015).

[24] Vgl. § 3 StVO.

[25] Vgl. Pindyck/ Rubinfeld (2013): 922.

[26] Vgl. § 7 Art. 1 FStrG.

[27] Dabei geht es nicht um Verknappung des gesamten Straßenverkehrsnetzes oder der gesamten Straße sondern eines einzelnen Straßenabschnitts einer Fernstraße. Die Begrifflichkeiten werden jedoch synonym verwendet.

[28] Kapazität eines Straßenabschnitts entspricht der maximal möglichen Anzahl an Fahrzeugen, die sich auf diesem Straßenabschnitt befinden können. Dabei werden Fahrzeugarten nicht beachtet, obwohl diese sich hinsichtlich der Länge unterscheiden und dementsprechend unterschiedliches Kapazitätsvolumen verursachen.

[29] Vgl. Glückler et al. (2012): 141-142.

[30] Verkehrsdichte ist die Anzahl der Fahrzeuge auf einem Straßenabschnitt innerhalb einer Zeit­periode. Verkehrsaufkommen und -dichte werden synonym verwendet. Vgl. Ammoser/ Hoppe (2006): 23; Knieps (2007): 48.

[31] Unter Reisezeit wird die tatsächlich benötigte Zeit verstanden, die ein Fahrzeug für das Passie­ren einer Strecke benötigt.

[32] Vgl. Fritsch (2011): 92-94; Weimann (2006): 387-398.

[33] Mobilität kann auch einen originären Konsumcharakter haben. Der Verkehrsteilnehmer nutzt die Straße, weil er Vergnügen am Fahren empfindet. Er verfolgt kein spezifisches Ankunftsziel. Zum Inhalt „Mobilität“ vgl. Dorsch (2014): 17; Grandjot (2002): 34.

[34] Jedem Geschwindigkeitsintervall wird ein verbaler Ausdruck zur Differenzierung verliehen. Die Termini werden zur Kommunikation der Verkehrsinformationen an Verkehrsteilnehmer verwen­det. Vgl. Bundesamt für Strassen ASTRA (2015a).

[35] Congestion Theory ist ein Forschungsgebiet, das sich mit den Themen rund um das Stauauf­kommen, insbesondere seiner Reduktion bzw. Vermeidung, befasst. Vgl. Gullberg/ Isaksson (2009): 30-31; Santos/Verhoef (2011): 563.

[36] Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Definition für Stau entsprechend der Congestion Theo­ry verwendet. Vgl. Bellmann (2009): 5-6.

[37] Vgl. Treiber/ Kesting (2010): 261.

[38] Vgl. ADAC (2008): 4.

[39] Vgl. Sparmann (2007): 15.

[40] Vgl. ADAC-Statistic (2013).

[41] Vgl. Grandjot (2002): 35.

[42] Zum Inhalt „versunkene Kosten“ vgl. Baumol/ Willig (1981): 406-407.

[43] Zum Inhalt „Skalenerträge“ vgl. Baumol/ Willig (1981): 409-410; Train (1994): 7-9.

[44] Vgl. Gützkow (2002): 16-17.

[45] Vgl. Grandjot (2002): 35-36; Train (1994): 7-11.

[46] Maut ist eine monetäre Abgabe für die Nutzung von Straßen. Vgl. Klaus/ Krieger (2008): 423.

[47] Vgl. BMVI (2014c).

[48] Vgl. BMVI (2014c); Die Welt (2014).

[49] Vgl. BMVI (2014b): 1.

[50] Vgl. § 3 StVO.

[51] Zum Inhalt „Bemessungsgrundlage,, und „Höhe der Maut“ vgl. BMVI (2014b): 1-2.

[52] Vgl. Die Welt (2014).

[53] Es muss ein Fahrtenbuch zum Nachweis vorgelegt werden. Vgl. Die Welt (2014).

[54] Vgl. MBVI (2014b): 1; Die Welt (2014).

[55] Die Akzeptanz einer Straßennutzungsgebühr in der Bevölkerung ist für die Etablierung eines solchen Systems von hoher Relevanz. Die mannigfaltige Konfrontation in der Literatur mit diesem Thema belegt, dass dieser Sachverhalt nicht unterschätzt werden darf. Vgl. Francke/ Kaniok (2013); Odeck/ Kjerkreit (2010). In Edinburgh z. B. ist die Einführung der Straßengebühr an der mangelnden Akzeptanz bei den Bewohnern gescheitert. 73% der Bewohner lehnten ein solches verkehrssteuerndes System ab. Vgl. Ryley (2005): 130.

[56] Vgl. BMVI (2014c).

[57] Die Werte wurden auf Autobahnen zu unterschiedlichen Zeiträumen an 474 Zählstellen gemes­sen. Vgl. Lensing (2010): 7-9.

[58] Zum Inhalt „ausländische Fahrzeuge“ vgl. Lensing (2010): 16-18.

[59] Detaillierte Erläuterung zum Marktversagen im Kapitel 2.3.

[60] Vgl. Grandjot (2002) : 7 ; Mas-Colell et al. (1995): 313. Die Ansätze der Vertreter der neoklassischen Theorie sind gut etabliert und werden in der Sekun­därliteratur ohne Angabe von Originalquellen verwendet. Außerdem sind neue Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der Allokationseffizienz entstanden, die hier Verwendung finden. Aus diesen Gründen werden in dieser Arbeit Sekundarquellen zur Zitation verwendet. Dennoch wird versucht, Angaben aus den Originalquellen weitgehend zu verwenden.

[61] Vgl. Cirillo (1979): 48.

[62] Vgl. Pigou (1932): 107-108.

[63] Für weitere Ausrichtungen der Neoklassik vgl. Schneider (2001).

[64] Die subjektive Wertlehre besagt, dass Nutzen aus dem Konsum einer zusätzlichen Einheit mar- ginalabnimmt. Vgl. Walras (1956): 115-131, 143-152.

[65] Vgl. Walras (1956): 132-142.

[66] Zum Inhalt „Lausanner Schule“ und „Léon Walras“ vgl. Kolb (2008): 70; Schneider (2001): 350-352.

[67] Vgl. Kolb (2008): 71; Pareto (1971): 130-132, 177-179.

[68] Zum Inhalt „Vilfredo Pareto“ vgl. Pareto (1906); Prieß (2010): 67-68.

[69] Vgl. Arrow (1951); Debreu (1952).

[70] Vgl. Endres (2007): 724; Martiensen (2000): 51-52.

[71] Vgl. Schneider (2001): 357.

[72] Vgl. Schneider (2001).

[73] Vgl. Kirchgässner (2013): 12; Martiensen (2000): 173.

[74] Vgl. Fritsch (2011): 25-27; Walras (1956): 255-266.

[75] Zum Inhalt „Verwendungs- und Produktionseffizienz“ vgl. Arrow (1951): 507-508; Kleinewe- fers (2008): 43.

[76] Vgl. Pareto (1971): 109, 261, Walras (1956): 296-297.

[77] Zum Inhalt „Tauschwirtschaft“ vgl. Walras (1956): 83-91.

[78] Zum Inhalt „Homo oeconomicus“ vgl. Kirchgässner (2013): 13-15; Martiensen (2000): 130-131, 141-142; Saßmannshausen (2009): 68-71.

[79] Der Gossensche Typ resultiert aus der subjektiven Wertlehre und besagt, dass ein Individuum seinen Konsum anhand des zusätzlichen Nutzwertes, die eine zusätzliche Konsumeinheit generiert, bewertet. Vgl. Gossen (1854): 1-2.

[80] Vgl. Kolb (2008): 66-67.

[81] Ein Konsumbündel setzt sich aus mehreren Ressourcen zusammen.

[82] Zum Inhalt „Nutzenmaximierung“ vgl. Kirchgässner (2013): 13-14; Walras (1956): 115-131.

[83] Vgl. Kirchgässner (2013): 40; Mas-Colell et al. (1995): 40, 42.

[84] Vgl. Arnold (2014): 214; Mas-Colell et al. (1995): 311.

[85] Vgl. Dompere (2004): 23.

[86] Vgl. Dompere (2004): 13-16.

[87] Vgl.Walras(1956): 115-131.

[88] Zum Inhalt „ordinale Nutzenmessung“ vgl. Cirillo (1979): 42.

[89] Vgl. Mas-Colell et al. (1995): 40, 42.

[90] Vgl. Martiensen (2000): 142, 181; Russell/ Wilkinson (1979): 218.

[91] Vgl. Arnold (2014): 214-215; Pindyck/ Rubinfeld (2013): 385.

[92] Vgl. Pindyck/ Rubinsfeld (2013): 386.

[93] Vgl. Grandjot (2002): 6.

[94] Vgl. Fritsch (2011): 41; Mas-Colell etal. (1995): 314-315; Russell/Wilkinson (1979): 217-218.

[95] Zum Inhalt „Allgemeine Gleichgewichtsanalyse“ vgl. Pindyck/ Rubinfeld (2013): 799-800; Walras (1956): 132-142.

[96] Zum Inhalt „Partielles Gleichgewicht“ vgl. Pindyck/ Rubinsfeld (2013): 798; Russell/ Wilkin­son (1979): 216.

[97] Vgl. Kleinewefers (2008): 61.

[98] Vgl. Pareto (1971): 269.

[99] Vgl. Pareto (1971): 261.

[100] Vgl. Pareto (1971): 261-162.

[101] Vgl. Pareto (1971): 269.

[102] Vgl. Mas-Colell etal. (1995): 313.

[103] Zum Inhalt „Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik“ vgl. Cirillo (1979): 48; Schlieper (1969): 32.

[104] Vgl. Weinereich (2004): 154.

[105] Vgl. Cirillo (1979): 51.

[106] Zum Inhalt „Marktversagen“ und „externe Effekte“ vgl. Pigou (1932): 129, 172-174; Weine­reich (2004): 87.

[107] Vgl. Pigou (1932): 183-187.

[108] Somit werden die Termini externe Kosten und externe Effekte synonym verwendet.

[109] Zum Inhalt „externe Effekte“ vgl. Bellmann (2009): 6; Knieps (2007): 42; Mas-Colell et al. (1995): 352.

[110] Es existieren auch biozentrische Konzepte der externen Effekte. Dabei übt der externe Effekt eine Auswirkung auf die Natur aus. Vgl. Puls (2009): 8.

[111] Vgl. Knieps (2007): 48.

[112] Vgl. Pigou (1932): 801.

[113] Vgl. Arnold (2014): 57-59; Weinereich (2004): 162.

[114] Vgl. Knieps (2007): 42; Pigou (1932): 131-134; Storchmann (1999): 20.

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Die Nutzung der Fernstraßen aus ökonomischer Perspektive
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
83
Katalognummer
V295538
ISBN (eBook)
9783656933595
ISBN (Buch)
9783656933601
Dateigröße
770 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Maut, Stau, Straßenverkehr, Infrastruktur, Straßennutzungsgebühr, Pigou-Steuer
Arbeit zitieren
Vera Riesenweber (Autor:in), 2015, Die Nutzung der Fernstraßen aus ökonomischer Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295538

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