Bildung und Neuhumanismus. Die Bildungstheorie nach Wilhelm von Humboldt


Seminararbeit, 2014

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wilhelm von Humboldt und seine Zeit
2.1 Zur Biographie
2.2 Zur Entstehung des Neuhumanismus
2.3 Ideale des Neuhumanismus

3. Die Bildungstheorie von Wilhelm von Humboldt
3.1 Theorie der Bildung des Menschen
3.2 Die Wechselwirkung von Ich und Welt
3.3 Die Bedingungen von Bildung
3.4 Bildung und Staat

4. Die Bildungsreform im 19. Jahrhundert
4.1 Die Reformgrundsätze Humboldts
4.2 Das dreistufige staatliche Bildungswesen

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Bildung“ - ein Grundbegriff der Pädagogik. Kaum ein anderes Thema sorgt für mehr Verwirrung und Streitpotenzial in Politik und Gesellschaft. Der Begriff „Bildung“ steht im Zentrum der Aufmerksamkeit unserer Gesellschaft und wird in den Medien vermehrt aufgegriffen. Immer wieder wird für gleiche Bildungschancen plädiert. Jedoch ist eine Annäherung an den Begriff mit „erheblichen methodischen Schwierigkeiten verbunden“, da keine eindeutige Definition vorherrscht. Jeder Mensch hat eine andere Vorstellung von Bildung (vgl. Ricken 2006, S. 163). Außerdem unterliegt der Bildungsbegriff einem ständigen Wandel, der sich durch die unterschiedlichen Epochen und den damit verbundenen Denkweisen ergibt.

In der vorliegenden Arbeit wird die Bildungsvorstellung im Neuhumanismus präzise erläutert. Besonders wird dabei auf die „Theorie der Bildung“ Wilhelm von Humboldts eingegangen, der den Neuhumanismus „verkörperte“ und in der Geschichte der Pädagogik eine herausragende Rolle spielt (vgl. Eirmbter-Stolbrink 2005, S. 30). Für ihn war Bildung ein zentrales Thema, mit dem er sich während seines Lebens intensiv auseinandersetzte. Er bezeichnete Bildung als „letzte Aufgabe unsres Daseyns“

(vgl. v. Humboldt o. A./2002, S. 235).

Das Leben und Zeitalter Wilhelm von Humboldts wird im nächsten Kapitel konkretisiert. Dabei wird zunächst seine Biographie mit den wichtigsten Eckdaten skizziert, die zum Verständnis seiner Bildungskonzeption beitragen. Danach wird kurz erläutert, welche Strömungen zur Entstehung des Neuhumanismus geführt haben. Des Weiteren wird die Epoche des Neuhumanismus mit ihren Idealen und Denkweisen dargestellt.

Im dritten Kapitel folgt eine Erläuterung der Bildungstheorie von Wilhelm von Humboldt, die mit Hilfe seiner beiden Schriften „Theorie der Bildung des Menschen“ und „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“ veranschaulicht wird. Bildung unterliegt nach Humboldt bestimmten Bedingungen. Anschließend werden die Verhältnisse zwischen Mensch und Welt wie auch zwischen Bildung und Staat näher beschrieben.

Im vierten Kapitel wird letztendlich dargelegt, welchen Einfluss Wilhelm von Humboldt und seine Vorstellung von Bildung auf das Bildungswesen seiner Zeit hatten. Dies wird anhand der Bildungsreform, die als Bestandteil der preußischen Reformen gilt, erfolgen. Hierbei werden die Reformgrundsätze Humboldts und das daraus resultierende dreistufige Bildungswesen dargestellt.

In dieser Arbeit geht es darum, folgende Fragestellungen zu erörtern: Wie entstand das neue Denken des Neuhumanismus? Wie wirkte sich dieses neue Denken auf die Bildungsidee aus? Was verstand Humboldt unter Bildung und welche Auswirkungen ergaben sich dadurch für das Bildungswesen des 19. Jahrhunderts?

2. Wilhelm von Humboldt und seine Zeit

Um die Zusammenhänge der Bildungstheorie und Wirkungsgeschichte Humboldts zu verstehen, ist ein Hintergrundwissen über die Person Humboldts und die Zeit, in der er lebte, unverzichtbar. Das Leben und die Lehre von Humboldt stehen in einem engen, wechselseitigen Zusammenhang, denn „Humboldt >lebte< seine Ideen“

(vgl. Eirmbter‑Stolbrink 2005, S. 28f).

2.1 Zur Biographie

Wilhelm von Humboldt wurde am 22. Juni 1767 als Sohn eines preußischen Majors und Kammerherrn in Potsdam geboren. Er wuchs zusammen mit seinem Bruder Alexander von Humboldt, der 1769 geboren wurde, auf dem Familienbesitz Schloss Tegel auf (vgl. Eirmbter‑Stolbrink 2005, S. 32f). Die Humboldt-Brüder erhielten auf Schloss Tegel eine private Erziehung durch angesehene Hauslehrer wie beispielsweise Joachim Heinrich Campe (1746-1818) und Gottlob Johann Christian Kunth (1757-1829). Durch den Privatunterricht erhielten die Brüder bereits weitreichende Sprachkenntnisse in Französisch, Latein, Griechisch und Hebräisch (vgl. ebd.).

Im Jahre 1787 begann Humboldt in Frankfurt/Oder ein Studium der Rechtswissenschaft und wechselte nach nur einem Semester an die Universität Göttingen, um sich intensiv mit der Klassischen Philologie und Philosophie auseinanderzusetzen. Durch die Beschäftigung mit dem klassischen Altertum entwickelte er eine kritische Haltung gegenüber seiner nach der Aufklärung erfolgten Erziehung. Die Aufklärung hielt seiner Ansicht nach zu sehr am Nützlichkeitsprinzip fest, sodass sie im Inneren des Menschen nichts bewirkte (vgl. Vallentin 1999, S. 98f). Nach insgesamt vier Semestern beendete Humboldt schließlich sein Studium ohne Universitätsabschluss (vgl. Dörpinghaus et al. 2006, S. 67).

Während seiner Bildungsreise nach Paris im Jahre 1789 wurde er durch die dort vorherrschende Französische Revolution stark beeinflusst. Er sah zwar, dass eine Revolution schnell zu einer Veränderung politisch-gesellschaftlicher Situationen führt, aber die Situation des Menschen ganz und gar nicht verbessert. Revolutionen seien laut Humboldt ein Unterdrückungsmechanismus und hätten auf die Freiheit einen negativen Einfluss (vgl. Vallentin 1999, S. 111f). Nach seiner Bildungsreise wurde Humboldt dann Referendar am Kammergericht in Berlin. Nach kurzer Zeit schied er wieder aus dem Staatsdienst aus und zog sich zurück. Im Jahre 1792 verfasste er, als theoretische Rechtfertigung seines Ausscheidens aus dem Staatsdienst, eine seiner größten Schriften: „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“ (vgl. Knoop/Schwaab 1999, S. 90).

Die Heirat mit Caroline von Dacheröden im Jahre 1791 „bedeutet für Humboldt in den darauf folgenden Jahren ein Leben in Abgeschiedenheit und in finanzieller Sicherheit, das ihm in Einsamkeit, Harmonie und Konzentration auf die Sache die Suche nach der Bildung ermöglicht“ (vgl. Eirmbter-Stolbrink 2005, S. 35). Durch den Umzug nach Jena im Jahre 1794 bekam er direkten Kontakt zu Goethe und Schiller, was für ihn „das größte Bildungserlebnis seines Lebens“ bedeutete (vgl. Knoop/Schwaab 1999, S. 91). Er unternahm in den darauf folgenden Jahren zahlreiche Reisen, studierte und forschte.

Im Jahre 1809 wurde Humboldt, nach Tätigkeit als Preußischer Gesandter in Rom, zum Geheimen Staatsrat und Leiter der Sektion für Kultus und Unterricht im preußischen Innenministerium ernannt. In dieser Position gelang ihm eine umfassende Reform des deutschen Bildungswesens, auf die im Verlaufe dieser Arbeit noch näher eingegangen wird. Seine Amtszeit endete auf freiwilliger Basis bereits im Jahre 1810 (vgl. Dörpinghaus et al. 2006, S. 67f).

Ab 1813 war er in unterschiedlichen Funktionen im Dienste des preußischen Staates tätig. Im Jahre 1829 zog er sich dann endgültig ins Privatleben zurück und widmete sich bis zu seinem Tode auf Schloss Tegel dem Studium der Sprachen (vgl. ebd.). Wilhelm von Humboldt starb am 08. April 1835 und wurde im Park von Tegel beigesetzt (vgl. Knoop/Schwaab 1999, S. 92).

Humboldt lebte und wirkte in einer Zeit des Umbruchs. Über Antike, Renaissance und Aufklärung entwickelte sich ein Zeitalter, in dem der Mensch mehr als zuvor im Mittelpunkt stand.

2.2 Zur Entstehung des Neuhumanismus

Der Neuhumanismus fand seine Anfänge in Deutschland in der Mitte des 18. Jahrhunderts und fiel mit dem Höhepunkt der deutschen Aufklärung zusammen (vgl. Vallentin 1999, S. 90). Der Neuhumanismus richtete sich dabei gegen das Nützlichkeitsdenken der Aufklärung und kann als eine Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen der Zeit betrachtet werden (vgl. Baumgart 2007, S. 83). Insgesamt trugen mehrere Strömungen zur Entstehung des Neuhumanismus bei.

Der Begriff Humanismus hat seinen Ursprung in der Antike und lässt sich vom lateinischen Wort „Humanitas“ ableiten, das übersetzt „Menschlichkeit“ oder „Menschenliebe“ bedeutet. Die Sprache galt dabei als das Kriterium der Unterscheidung von Mensch und Tier wie auch des Gebildeten vom Ungebildeten. Durch sie bekam man einen Zugang zur Sphäre des Geistigen und Göttlichen. Vor allem die lateinische Sprache war von besonderer Bedeutung (vgl. Blankertz 1992, S. 89f).

In der Renaissance (1300-1600) fand man bereits eine klassische humanistische Bildungsbewegung vor. Damit ist genauer eine im 15. Jahrhundert in Italien entstandene Gelehrtenbewegung gemeint, mit der eine „Hinwendung zur menschlichen Weltgestaltung und zur Selbstgestaltung des Menschen“ erreicht werden sollte (vgl. Ruhloff 2006, S. 405f). Charakteristisch war hierbei die Rückbesinnung zur Antike. Die lateinische und griechische Sprache, Literaturen, Wissenschaften und Künste der Antike sollten wieder aufgegriffen werden, um sich mit ihnen intensiv auseinanderzusetzen (vgl. ebd.). Alles sollte sich an der Antike und vor allem an der römischen Antike orientieren (vgl. Blankertz 1992, S. 90f).

Bereits um 1700 begann dann in ganz Europa ein verstärktes Interesse am antiken Griechentum. Zunächst galt dieses Interesse nur kleineren Zirkeln von Gelehrten, das sich aber nach und nach auszubreiten schien. Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) gelang es durch seine Schrift aus dem Jahre 1755: „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst“ den neuen Humanismus in Deutschland zu popularisieren (vgl. ebd., S. 91f). Erst danach entwickelte sich in Deutschland eine neue Altertumswissenschaft, die eine Bevorzugung der Griechen vor den Römern zur Folge hatte. Die griechische Sprache hatte nun auch Vorrang vor der lateinischen Sprache (vgl. Vallentin 1999, S. 90f). Die Menschen fingen an ein „Identifikationsobjekt außerhalb der Enge kirchlicher und ständischer Bindungen“ zu suchen und fanden die Antwort in dem von Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) gegebenen Begriff der „Natur“. Die Griechen galten als ein Volk, welches der Natur noch sehr nahe gestanden hatte und wurden als Ursprung der europäischen Kultur angesehen (vgl. Blankertz 1992, S. 92). Des Weiteren bildeten sich die Einzelwissenschaften vom Menschen heraus. Altertumswissenschaft und Anthropologie wurden somit zu den Leitdisziplinen. Dadurch entwickelte sich eine „Lehre von der Bildung des Menschen, die ihr Zentrum im Menschen selbst hatte“ (vgl. Borst 2011, S. 57).

Breite Kreise des deutschen Bürgertums sahen zudem im Neuhumanismus die Chance zur gesellschaftlichen Emanzipation. Zur Zeit der Aufklärung dachte man, man könne die Krisen der ständischen Gesellschaft mit einer aufgeklärten Erziehung überwinden. Dies erwies sich als eine bloße Illusion. Die Krise in der Landwirtschaft verschärfte sich. Weite Teile der Bevölkerung lebten in Armut und die Hoffnungen auf politische Reformen wurden enttäuscht. Der Ausbruch der Französischen Revolution im Jahre 1789 verstärkte das Krisenbewusstsein der deutschen Gebildeten. Sie sahen nur in einer Liberalisierung von Staat und Gesellschaft die Hoffnung, den deutschen Ländern einen revolutionären Umsturz durch Frankreich zu ersparen (vgl. Baumgart 2007, S. 84f). Baumgart bezeichnet die neuhumanistische Bildungstheorie als eine Antwort auf die Herausforderung der Französischen Revolution (vgl. ebd., S. 85).

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Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Bildung und Neuhumanismus. Die Bildungstheorie nach Wilhelm von Humboldt
Hochschule
Universität Trier
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
20
Katalognummer
V295513
ISBN (eBook)
9783656934578
ISBN (Buch)
9783656934585
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wilhelm von Humboldt, Neuhumanismus, Bildung
Arbeit zitieren
Tatjana Müller (Autor:in), 2014, Bildung und Neuhumanismus. Die Bildungstheorie nach Wilhelm von Humboldt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295513

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