Employer Branding: Wie können Unternehmen den "War for Talents" gewinnen und qualifizierte Mitarbeiter binden?


Fachbuch, 2015

215 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Christian Schmidt: Employer Branding. Notwendigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten
1 Einleitung
2 Notwendigkeit von Employer Branding
3 Aufbau einer Arbeitgebermarke
4 Fazit
Literaturverzeichnis

Nicole Klein: Nachhaltige Unternehmenspolitik – ein Wettbewerbsvorteil im “War for Talents”?
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffserläuterungen
3 Theoretischer Hintergrund
4 Aktuelle Forschung zum Thema Arbeitgeberwahl
5 Eigene empirische Untersuchung
6 Schlussbetrachtung
Anhang A
Anhang B
Literaturverzeichnis

Jakob Stoffel: The War for Talent. Gewinnen und Binden von High Potentials am sich wandelnden Arbeitsmarkt
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
Zusammenfassung
1 Einleitung
2 Konzeptionelle Grundlagen des Personalmanagements von High Potentials
3 Praxiskonzepte zum Gewinnen und Binden von High Potentials
4 Fazit
Literaturverzeichnis

Nico Oertel: Employer Branding. Personalmarketing mit Zukunft
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Bestimmung wichtiger Begrifflichkeiten
3 Der Employer Branding Prozess
4 Employer Branding in der Praxis
5 Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis
Anhang

Einzelbände

1 Einleitung

Die nachfolgende Arbeit befasst sich mit der Thematik des Employer Brandings. Zielsetzung ist es, auf den kommenden Seiten die Bedeutung dieser unternehmensstrategischen Maßnahme herauszuarbeiten, ihre einzelnen Bestandteile zu beleuchten und die Gestaltungsmöglichkeiten eines Employer Branding Konzepts aufzuzeigen.

In den letzten Jahren ist immer wieder von den Auswirkungen des demographischen Wandels die Rede. So ergab das Ergebnis, einer im Jahre 2009 von den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder durchgeführten Vorausberechnung, dass sich die Bevölkerungsstruktur in Deutschland innerhalb der nächsten 20 Jahre deutlich verändern wird (s. Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland (2030 Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung); Quelle: Entnommen aus: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2011, S. 24.

In der Abbildung 1 ist die Gegenüberstellung der kalkulierten Bevölkerungspyramiden aus den Jahren 2008 und 2030 abgebildet. Es ist ersichtlich, dass sich die gesellschaftliche Altersstruktur zunehmend nach oben hin verschieben wird. Insbesondere die für Unternehmen wichtige Schicht der Personen im erwerbsfähigen Alter schrumpft diesen Schätzungen nach um etwa 7,5 Millionen Menschen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sinkt infolgedessen um etwa sieben Prozentpunkte. Verstärkt wird dieser Trend zusätzlich durch den akuten Geburtenrückgang in Deutschland. Die Gruppe der unter 20-Jährigen wird sich daher voraussichtlich von 15,6 Millionen Menschen bis 2030 auf etwa 12,9 Millionen Menschen reduzieren (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2011, S. 23f.). Dem Arbeitsmarkt stehen immer weniger junge Arbeitnehmer zur Verfügung. Es wird vermutet, dass sich dies bereits innerhalb der nächsten Jahre anhand eines deutlichen Mangels an qualifizierten, jungen Mitarbeitern bemerkbar macht (vgl. DEGW, 2008, S. 6f.). Dieser relevante Wettbewerbsfaktor wird nach und nach zum knappen Gut und belastet damit auch Deutschland als Wirtschaftsstandort. Aufgrund der fehlenden Ressourcen können Wachstumspotenziale nicht ausreichend genutzt werden. So ist laut des Instituts der deutschen Wirtschaft aufgrund dieser demographischen Entwicklung bereits derzeit mit einem jährlichen Verlust von rund 20 Milliarden Euro zu rechnen, Tendenz steigend (vgl. Hummel, 2012, S. 140). Die Unternehmen konkurrieren also immer stärker um gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte. In diesem Zusammenhang wird häufig von einem Kampf um Talente, dem sogenannten „War for Talents“ gesprochen (vgl. Bruch/Kunze/Böhm, 2010, S. 42).

Das Angebot an verfügbaren Arbeitsplätzen für qualifizierte Fach- und Führungskräfte übersteigt aktuell die Nachfrage nach freien Vakanzen. Das Kräfteverhältnis verschiebt sich und der Arbeitsmarkt wandelt sich somit von einem Verkäufer- in einen Käufermarkt. Ähnlich wie im Konsumgütermarketing, müssen sich nun Unternehmen auch auf dem Arbeitsmarkt über eine gute Markenführung Gedanken machen. Denn wer sich mit einer starken Arbeitgebermarke besser positionieren kann als der Wettbewerb, erhöht die Chancen, den Bedarf an geeigneten Arbeitnehmern decken zu können. Experten sind sich daher sicher, dass die Relevanz des Employer Brandings in den nächsten Jahren kontinuierlich ansteigen wird (vgl. Stotz/Wedel, 2009, S. 49).

2 Notwendigkeit von Employer Branding

Nachdem eingangs bereits kurz erläutert wurde, weshalb die Bedeutung des Employer Brandings in den kommenden Jahren zunehmen wird, stellen sich nun zunächst die Fragen danach, was unter Employer Branding verstanden wird, welche Eigenschaften eine starke Arbeitgebermarke ausmachen und wie eine solche sukzessive aufgebaut werden kann. Diese Fragen werden auf den kommenden Seiten beantwortet.

2.1 Was ist Employer Branding?

Der Begriff „Employer Branding“ entstammt dem Marketingbereich. „Employer“, bedeutet im Englischen „Arbeitgeber“ und „Brand“ ist der Ausdruck für „Marke“. Unter einer „Employer Brand“ wird folglich die Arbeitgebermarke verstanden (vgl. Buckesfeld, 2009, S. 22). Obwohl dies zunächst einmal relativ selbsterklärend wirkt, finden sich in der Fachliteratur unterschiedlichste Definitionen des Employer Branding Konzepts. Eine einheitliche, wissenschaftliche Begriffsabgrenzung ist bisher nicht vorhanden. Jedoch scheint zumindest ein Konsens in der Fachwelt in Bezug auf die enge Verknüpfung zwischen Employer Branding und dem Konzept der klassischen Markenführung zu bestehen. So wird unter anderem die Terminologie des Marketing auf die Arbeitgebermarke übertragen, indem zum Beispiel auch hier immer wieder vom „Image“ oder der „Identität“ die Rede ist (vgl. Böttger, 2012, S. 17ff.). Diese Verknüpfung zwischen Marketing und Employer Branding geht jedoch noch weiter.

Gerade in den letzten Jahren sind sich Unternehmen immer mehr der Bedeutung der eigenen Corporate Brand, der Unternehmensmarke, bewusst geworden. Heute ist es nicht nur wichtig, das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung vom Wettbewerb zu differenzieren, sondern ein individuelles Vorstellungsbild des ganzen Unternehmens zu schaffen (vgl. Buckesfeld, 2009, S. 23). Marken wie Apple oder Coca-Cola haben dies vorgemacht und zählen nicht umsonst zu den wertvollsten Marken der Welt. Starke Corporate Brands wirken sich direkt auf den Unternehmenserfolg sowie die Marktkapitalisierung an der Börse aus (vgl. Nölting, 2012). Wesentlich bei einer Corporate Brand ist der ganzheitliche Ansatz der Markensteuerung. Die Corporate Brand richtet sich anders als reine Produktmarken nicht nur an einzelne Bezugsgruppen, zum Beispiel den Kundenstamm, sondern an alle Stakeholder eines Unternehmens. Buckesfeld beschreibt in diesem Zusammenhang den Teil der Corporate Brand, der sich gezielt an die aktuellen sowie potenziellen Mitarbeiter eines Unternehmens richtet, als Employer Brand (s. Abbildung 2) (vgl. Buckesfeld, 2009, S. 22f.). Die Arbeitgebermarke bildet dieser Definition folgend einen wesentlichen Teilbereich der Unternehmensmarke.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die Anspruchsgruppen einer Corporate Brand; Quelle: Entnommen aus: Buckesfeld, 2009, S. 23.

Auf diesen Grundlagen basierend, ist der Begriff des Employer Brandings bzw. des Personalmarketings als ein umfassendes und vor allem managementrelevantes Leitkonzept zu verstehen. Es ist auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet, das heißt in seinem Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse aktueller sowie potenzieller Mitarbeiter (vgl. Lippold, 2011, S. 6). Employer Branding ist der strategische Prozess des Aufbaus einer Arbeitgebermarke. Dabei geht es aber nicht nur darum den Arbeitgeber an sich populär zu machen, weshalb der Ausdruck „Personalmarketing“ oftmals auch missverständlich ist, sondern darüber hinaus auch die Arbeitgeberqualität zu steigern und eine Orientierung für die Weiterentwicklung der gesamten Organisation zu bieten (vgl. BPM, 2011, S. 3). Die Zielsetzung des Employer Brandings sei laut Lippold die personale Wertschöpfung mit Hilfe von Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung zu optimieren. Personalmarketing hat interne als auch externe Wirkungsfelder und betrifft die Aktionsbereiche Personalbeschaffung / Recruiting sowie die Personalbetreuung (vgl. Lippold, 2011, S. 6f.). Diese recht weitgefasste Auslegung des Employer Branding Begriffs bildet auch die Grundlage der vorliegenden Arbeit.

2.2 Wieso Employer Branding?

Bereits in der Einleitung dieser Arbeit wurde erläutert, dass mit Hilfe der Arbeitgebermarke das eigene Unternehmen vom Wettbewerb abgegrenzt werden kann. Insbesondere im Kontext der Thematik des demographischen Wandels sowie den daraus entstehenden Herausforderungen für Unternehmen, ist dem Employer Branding Prozess damit eine große Bedeutung zuzuschreiben. Die Wesentlichen Hauptfunktionen einer Arbeitgebermarke werden im Folgenden nun nochmals näher betrachtet.

Wie auf den vorherigen Seiten beschrieben, richtet sich das Employer Branding an interne und externe Bezugsgruppen. Ähnlich verhält es sich mit den Funktionen einer Arbeitgebermarke. Auch diese sind in eine interne Sicht, die des Arbeitgebers und eine externe Sicht, die des Arbeitnehmers zu unterteilen. Die Hauptfunktionen des Employer Brandings aus Arbeitgebersicht sind Präferenzbildung, Differenzierung sowie Emotionalisierung. Eine Arbeitgebermarke soll dazu beitragen eine stark ausgeprägte Präferenz in der Zielgruppe zu erreichen, das heißt, der Arbeitgeber soll anderen gegenüber bevorzugt werden. Dies erfordert aber auch eine Differenzierung von den Wettbewerbern. Unternehmen müssen sich aus der Masse abheben um als attraktiv empfunden zu werden (vgl. Stotz/Wedel, 2009, S. 29ff.). Ein mögliches Konzept um sich zu differenzieren, stellt die Emotionalisierung dar. Eine emotional aufgeladene Employer Brand löst bei der Zielgruppe Gefühle aus und erzeugt Bilder in den Köpfen. Emotionalisierung schafft damit einerseits Markentreue bei den aktuellen Mitarbeitern und beeinflusst andererseits die Arbeitgeberwahl von potenziellen Angestellten. Alle drei genannten Funktionen stehen in einer Beziehung zueinander und bedingen sich gegenseitig (vgl. Andratschke/Regier/Huber, 2009, S. 15).

Als die wesentlichen Hauptfunktionen einer Arbeitgebermarke aus Arbeitnehmersicht lassen sich Orientierung, Identifikation und Vertrauen nennen. Die wohl auf den ersten Blick offensichtlichste Funktion ist das Schaffen von Orientierung. Die Wahl des richtigen Arbeitgebers gestaltet sich für potenzielle Mitarbeiter nicht immer leicht. Aufgrund einer Vielzahl an unterschiedlichen Informationen über die Unternehmen wirkt der Arbeitsmarkt intransparent. Hier bietet eine Marke einen Orientierungspunkt für die Zielgruppe. Sie vereint funktionale ebenso wie emotionale Informationen und trägt damit wesentlich zur Entscheidungsfindung der Zielgruppe bei. Eng damit verbunden ist auch die Identifikation mit dem Unternehmen. Zusammen mit funktionalen und emotionalen Informationen werden durch eine Marke auch Wertevorstellungen vermittelt. Im Kopf des potenziellen Mitarbeiters entsteht auf diese Weise ein konkretes Bild des Unternehmens. Er entscheidet daraufhin für sich, ob diese Merkmale zu ihm passen könnten. Decken sich die Wertevorstellungen eines Unternehmens mit den eigenen, schafft dies Identifikation und innere Bindung (vgl. Stotz/Wedel, 2009, S. 33ff). Durch die Zugehörigkeit zu einem Unternehmen mit dem sich die eigenen Mitarbeiter identifizieren können wird Zufriedenheit geschaffen. Doch nicht nur das, auch der eigene soziale Status wird höher bewertet, wenn die Identifikation mit dem eignen Arbeitgeber hoch ist. Das Unternehmen wird als Prestigeobjekt betrachtet und die Arbeitgebermarke trägt zur emotionalen Bedürfnisbefriedigung bei (vgl. Andratschke/Regier/Huber, 2009, S.19).

Auf diese Weise wird Employer Branding zu einem zentralen Faktor der Mitarbeiterbindung. Die letzte wichtige Funktion einer Employer Brand aus Arbeitnehmersicht ist die Vertrauensbildung. Die Wahl eines Arbeitgebers ist risikobehaftet. Eine falsche Entscheidung kann sich maßgeblich auf die eigene Laufbahn auswirken. Wie es wirklich ist, in einem bestimmten Unternehmen zu arbeiten, lässt sich im Vorfeld nur schwer erahnen. Daher muss eine starke Employer Brand neben Orientierung und Identifikation auch Vertrauen schaffen. Die Arbeitgebermarke ist als ein Werteversprechen an die eigenen und die potenziellen Mitarbeiter zu sehen. Die Marke steht für die Sicherstellung einer gleichbleibend hohen Arbeitgeberqualität und trägt dazu bei, die Risiken für den Arbeitnehmer zu minimieren (vgl. Stotz/Wedel, 2009, S. 34).

Es lässt sich festhalten, dass Employer Branding wesentliche Funktionen erfüllt, sowohl für das Unternehmen selbst als auch für die Arbeitnehmer. Aus diesem Grund beschäftigen sich mehr denn je Unternehmen mit dem Aufbau einer Arbeitgebermarke. So ergab eine gemeinsam durchgeführte Befragung der Universitäten Bamberg und Frankfurt am Main zu den aktuellen Trends in der Personalbeschaffung, dass die 1.000 größten deutschen Firmen das Thema Employer Branding direkt hinter der Mitarbeiterbindung als den wichtigsten Trend der kommenden Jahre ansehen (vgl. Weitzel et al., 2013, S. 3). Die Thematik scheint also bekannt. Folglich stellt sich die Frage, wie effektives Employer Branding durchgeführt werden kann.

3 Aufbau einer Arbeitgebermarke

Auf den bisherigen Seiten dieser Arbeit wurden im Wesentlichen die Bedeutung und die Notwendigkeit des Employer Brandings erläutert. Es ging darum, wieso sich Unternehmen mit dem Aufbau einer Arbeitgebermarke beschäftigen müssen. Nachfolgendend soll nun dezidiert auf die Gestaltungsmöglichkeiten eingegangen und die einzelnen Bestandteile eines Employer Branding Konzepts näher betrachtet werden.

Dem Aufbau und der Steuerung einer Arbeitgebermarke liegt das Konzept der strategischen Markenführung zugrunde. Die Deutsche Employer Branding Akademie hat hierzu einen detaillierten Prozess entwickelt, der die einzelnen Schritte auf dem Weg zur Arbeitgebermarke beschreibt:

1. Projekt Setup
2. Analyse
3. Entwicklung der Strategie
4. Kommunikations- & Kreativkonzept
5. Implementierung (extern & intern)
6. Steuerung & Controlling

Anhand dieses Prozesses wird nun nachfolgend die Entwicklung einer Employer Brand veranschaulicht.

3.1 Projekt Setup

Ausgangspunkt jedes Projekts bildet die strategische Basis. Employer Branding muss auf die Strategie des Unternehmens abgestimmt werden. Auf diese Weise werden Leitplanken für den weiteren Projektverlauf festgelegt. Zudem empfiehlt es sich hier bereits unterschiedliche Bereiche des Unternehmens zu involvieren. Die Arbeitgebermarke ist, wie bereits zuvor erwähnt, ein Teil der Corporate Brand, weshalb das Thema Employer Branding nicht nur für das Personalmanagement von Relevanz ist. Genauso sollten auch Personalmarketing, Unternehmenskommunikation, Marketing sowie das komplette Management und die Geschäftsführung eingebunden werden (vgl. BPM, 2011, S. 6f.).

3.2 Analyse

In der Analysephase wird sowohl das eigene Unternehmen als auch die externe Umwelt unter die Lupe genommen. Es geht um das Sammeln von relevantem Datenmaterial mit dem Ziel am Ende der Phase ein klares Bild des eigenen Unternehmens, der Zielgruppe und des Wettbewerbs zu erhalten (vgl. Nagel, 2011, S. 109).

Die Unternehmensanalyse beinhaltet im Grunde eine Identifikation von Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens, eine Untersuchung des Markenkerns sowie der damit verbundenen Nutzenversprechen (vgl. Lukascyk, 2012, S. 15).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Interne Einflussfaktoren des Employer Branding; Quelle: Entnommen aus: Seng/Armutat, 2012, S. 26.

Da die Employer Branding Strategie auf der aktuellen Unternehmenssituation basiert, ist eine umfassende Betrachtung und Analyse an dieser Stelle des Prozesses elementar. Hierbei gilt es die unternehmensinternen Einflussfaktoren zu kennen und in die Betrachtung miteinzubeziehen. Zu diesen Einflussfaktoren zählen unter anderem die Unternehmensvision, die eigenen Marken oder auch die Unternehmenskultur. Seng und Armutat nennen hier insgesamt 15 verschiedene interne Faktoren, die für das Employer Branding von Relevanz sind (s. Abbildung 3). Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle diese Faktoren detailliert zu betrachten, daher wird nur kurz auf die drei bereits genannten Beispiele eingegangen. So bildet die Vision die langfristig angestrebte Organisationsentwicklung zusammen mit dem definierten Selbstzweck eines Unternehmens ab. Ein Blick auf das Marken-Portfolio verrät hingegen, ob bereits bekannte Produktmarken vorhanden sind oder ob das Unternehmen über eine starke Corporate Brand verfügt. Eine Analyse der Unternehmenskultur verdeutlicht, welche Werte gelebt werden oder wie das allgemeine Arbeitsklima ist (vgl. Seng/Armutat, 2012, S. 22f.).

Während im Mittelpunkt der Unternehmensanalyse die Organisation selbst und die internen Einflussfaktoren stehen, betrachtet die Umweltanalyse das externe Umfeld in dem sich das Unternehmen bewegt. Hier wird ein Blick auf relevante Bezugsgruppen und die Wettbewerber geworden. Hilfreich sind dabei die Instrumente des strategischen Managements wie die PEST- oder eine Stakeholderanalyse (vgl. Lukascyk, 2012, S. 15f.). Mit solchen Methoden lassen sich unternehmensexterne Einflussfaktoren identifizieren. Dazu beispielsweise:

- Politik
- Wirtschaft
- Gesellschaft
- Technologie
- Recht

Das Employer Branding bildet eine Schnittstelle zwischen dem Unternehmen selbst und seiner Umwelt. Daher sind diese Faktoren zwingend in den strategischen Planungsprozess aufzunehmen. So ist beispielsweise der bereits zuvor erwähnte demographische Wandel ein Teil der gesellschaftlichen Faktoren, die einen wesentlichen Einfluss auf ein Unternehmen haben können. Ähnlich verhält es sich mit wirtschaftlichen Faktoren, wie der Branchenentwicklung oder möglichen Veränderungen im Wettbewerbsumfeld des Unternehmens. Am Ende der Analysephase müssen die gesammelten Informationen evaluiert und Orientierungspunkte für den weiteren Employer Branding Prozess festgelegt werden. Alles was maßgeblich die Attraktivität als Arbeitgeber beeinflusst, ist für die weitere Planung zu berücksichtigen (vgl. Seng/Armutat, 2012, S. 19ff.). Hilfreiches Instrument ist dieser Stelle ein weiteres Tool des strategischen Managements, die SOWT-Analyse. Hier werden interne Informationen, Strengths (Stärken) und Weaknesses (Schwächen) des Unternehmens, mit den Ergebnissen der externen Betrachtung, Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken), zusammengebracht, um strategische Handlungsempfehlungen abzuleiten (vgl. Stotz/Wedel, 2009, S. 90).

3.3 Entwicklung einer Employer Branding Strategie

Nachdem im Rahmen der Analyse ein Bild des eigenen Unternehmens sowie der Umwelt entstanden, wird im dritten Schritt ein strategischer Ansatz entwickelt. Den Kern bildet hier die Erarbeitung einer Arbeiterpositionierung aus den zuvor gesammelten Informationen (vgl. Lehmann, 2012, S. 33ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Dimensionen der Employer Value Proposition; Quelle: Entnommen aus: Ruf, 2011, S. 54.

Bei der Suche nach positionierungstauglichen Aspekten bietet es sich an, zum Beispiel Unternehmenskultur, Arbeitswelt oder unternehmensinterne HR-Angebote zu durchforsten. Wichtig ist stets, jeden Ansatz zu validieren, damit sich mögliche Chancen und Risiken lokalisieren lassen. Ein weiterer Bestandteil dieser Phase ist das Definieren der Markenidentität, der Employee Value Proposition (EVP). Dies geschieht meist auf Grundlage einer kritischen Selbstreflexion sowie dem Ausarbeiten der Arbeitgeberidentität (vgl. BPM, 2011, S. 6f.). Die EVP bildet den Mittelpunkt der Arbeitgebermarke sowie aller Employer Branding Maßnahmen. Sie ist als die zentrale Kernaussage zu verstehen, die erklärt, was einen Arbeitgeber auszeichnet und ihn interessant macht (s. Abbildung 4); (vgl. Ruf, 2011, 53f.). Idealerweise sollte die EVP aus einem kurz und prägnant formulierten Argument bestehen, was in der Realität jedoch nicht immer möglich ist. Es empfiehlt sich trotzdem, auf mehr als drei zentrale Argumente zu verzichten, um ein klares und eindeutiges Bild am Arbeitsmarkt zu gewährleisten (vgl. Lehmann, 2012, S.37). Ein gutes Beispiel für eine solche Employer Value Proposition bietet die Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Im Mittelpunkt aller Employer Branding Maßnahmen des Unternehmens steht die Aussage: „Whenever you join, however long you stay, the exceptional Ernst & Young experience will last you a lifetime.“ (vgl. Nikravan, 2013)

3.4 Kommunikations- & Kreativkonzept

Sobald die Arbeitgeberpositionierung klar ist, muss die inhaltliche Botschaft an die Zielgruppe vermittelt werden. Zu diesem Zweck werden ein Kommunikations- bzw. ein Kreativkonzept ausgearbeitet. Es gilt die Employee Value Proposition in eine Bild- und Textsprache zu verpacken und eine Kampagne auszuarbeiten. Diese Aufgabe obliegt meist einer Werbeagentur (vgl. Trost, 2008, S. 129f.). Wichtig ist bei einem Kampagnenentwurf darauf zu achten, dass über alle gewählten Instrumente des Marketingmix konsistente Signale ausgesendet werden. Die Zielgruppe muss über jedes Medium, sei es eine Stellenanzeige, ein Messestand oder der Internetauftritt eine identische Grundbotschaft und ein einheitliches Gefühl vermittelt bekommen. Ein graphisches Hilfsmittel kann an dieser Stelle die Einführung eines Keyvisuals sein, dass einen hohen Wiedererkennungswert erzeugt. Ein Beispiel für ein solches Keyvisual ist das Silberpfeilchen“ der Firma Continental. Dieses wird von Continental seit 2005 in den verschiedensten Medien genutzt (s. Abbildung 5); (vgl. Lehmann, 2012, S.37ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Keyvisual von Continental in einer Stellenanzeige; Quelle: Entnommen aus: Stepstone, 2014.

3.5 Implementierung (internes & externes Employer Branding)

Die Implementierung der Arbeitgebermarke findet sowohl intern als auch extern statt und wird auf alle Ebenen heruntergebrochen. Intern bedeutet dies, dass sie für jeden Mitarbeiter und jede Führungskraft erlebbar gemacht wird. (vgl. BPM, 2011, S. 7ff.). So müssen alle internen Instrumente nach den Richtlinien der neuen Strategie gestaltet und angepasst werden. Das umfasst alle HR-Prozesse, HR-Produkte, die Gestaltung der Arbeitswelt genauso wie die Mitarbeiterführung. Jeder Kontaktpunkt mit dem Mitarbeiter wird dabei einbezogen, angefangen bei der internen Rekrutierung über die Integration sowie die Mitarbeiterbindung bis hin zum Austritt. Maßnahmen, die im Rahmen des internen Employer Brandings stattfinden können, sind zum Beispiel die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle, neuer Benefitprogramme oder regelmäßiger Mitarbeitergespräche (vgl. Stotz/Wedel, 2009, S. 107ff.). Solch eine konsequente Umsetzung auf allen Ebenen sorgt dafür, dass die Mitarbeiter die Employer Brand aktiv erleben können. Zugleich erhöht sich auf diese Weise auch die Qualität des Arbeitgebers und die Mitarbeiterzufriedenheit (vgl. BPM, 2011, S. 7).

Das externe Employer Branding fokussiert sich zu großen Teilen auf den Bereich der Personalbeschaffung. Das heißt, es deckt den gesamten Prozess von der Segmentierung und Positionierung auf dem Arbeitsmarkt, über das in Kontakt treten mit geeigneten Bewerbern, bis zum Abschluss des Auswahlprozesses und der Integration ins Unternehmen ab (vgl. Lippold, 2011, S. 30). Darüber hinaus gehören zum externen Employer Branding jedoch auch das Networking (z.B. Alumniprogramme) oder die Corporate Reputation. Diese beinhaltet Synergien zwischen Unternehmensimage und Arbeitgebermarke z.B. in Form von PR oder Corporate Social Responsibility (vgl. BPM, 2011, S. 5). Im Mittelpunkt des externen Employer Brandings steht jedoch zumeist die Gestaltung der Touchpoints zu potenziellen Mitarbeitern. Ein Beispiel für Ausgestaltungsmaßnahmen sind unter anderem die Aufnahme von Hochschulkooperationen oder die Überarbeitung des Bewerbungsprozesses (vgl. Stotz/Wedel, 2009, S. 115ff.). Eine wesentliche Rolle kommt darüber hinaus der Positionierung der Arbeitgebermarke in Form einer zielgruppenspezifischen Kommunikation und Ansprache zu. So müssen die Kanäle richtig gewählt werden, um die Zielgruppen zu erreichen und Aufmerksamkeit zu erregen (vgl. Siebrecht, 2011, S. 57).

3.6 Steuerung & Controlling

Wie bei jedem Wertschöpfungsprozess ist auch beim Employer Branding eine Steuerung unabdingbar. So muss das Ergebnis der Maßnahmen und Aktivitäten mit Hilfe von Kennzahlen und Erfolgsindikatoren messbar sein. Es empfiehlt sich daher, bereits im Laufe des Prozesses, zum Beispiel in der Analysephase, geeignete Zielgrößen zu definieren, mit denen eine spätere Evaluation des Prozesses ebenso wie einzelner Aktivitäten ermöglicht wird (vgl. BPM, 2011, S. 7).

4 Fazit

Der demographische Wandel und der daraus resultierende Fach- und Führungskräftemangel haben erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. So sehen sich viele Unternehmen bei der Besetzung von wichtigen Positionen mit wachsenden Problemen konfrontiert. Sie konkurrieren um qualifizierte Mitarbeiter, im sogenannten „War for Talents“. Der Arbeitsmarkt verschiebt sich im Zuge dessen von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt und das Angebot an freien Vakanzen für gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte übersteigt deren Nachfrage. Umso wichtiger wird es für Unternehmen sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und vom Wettbewerb abzugrenzen. Dabei spielt das Employer Branding eine wesentliche Rolle. Im Zentrum dieses strategischen Prozesses steht der Auf- und Ausbau der Arbeitgebermarke mit der Zielsetzung, die personale Wertschöpfung durch Mitarbeitergewinnung und -bindung zu optimieren. Employer Branding richtet sich folglich sowohl an interne als auch an externe Bezugsgruppen. Bei den eigenen Mitarbeitern stärkt es die Identifikation mit dem Unternehmen und das Zugehörigkeitsgefühl. Ein attraktiver Arbeitgeber sorgt zudem für Zufriedenheit und kann sogar zum Statussymbol werden. Für die Gruppe der potenziellen Mitarbeiter sind starke Arbeitgebermarken Orientierungspunkte. Sie bieten Sicherheit, da eine Marke als ein Werte- und Qualitätsversprechen empfunden wird. Auf diese Weise erleichtern sie die sonst oftmals risikobehaftete Wahl des passenden Arbeitgebers.

Aufgrund dieser Vorteile beschäftigen sich immer mehr Unternehmen mit dem Employer Branding. Jedoch ist dies ein Prozess, der viel Zeit und Gründlichkeit erfordert. Er gliedert sich in sechs Phasen: Setup, Analyse, Strategieentwicklung, Kommunikations- & Kreativkonzept, Implementierung und Controlling. So ist eine gründliche Vorarbeit essentiell. Dazu gehört eine umfassende Analyse des eigenen Unternehmens, z.B. im Hinblick auf Stärken und Schwächen, ebenso wie eine Betrachtung der Umwelt z.B. der Zielgruppe oder des Wettbewerbs. Darauf basierend werden Strategien entwickelt, um die Arbeitgebermarke zu positionieren. Wichtig ist dabei, eine Kernaussage zu definieren, die kurz und prägnant die Einzigartigkeit als Arbeitgeber ausdrückt, die sogenannte Employee Value Proposition (EVP). Letztere steht auch im Mittelpunkt der Umsetzung. Sie muss mit Hilfe von geeigneten Kanälen an die internen und externen Bezugsgruppen mittels Bild- und Textsprache vermittelt werden. Dazu gehört eine konsistente Umsetzung auf allen Ebenen. Das heißt über jeden Kontaktpunkt, sei es intern im Rahmen der Mitarbeiterbetreuung oder extern in der Personalbeschaffung, wird der Zielgruppe die gleiche Botschaft und das gleiche Gefühl vermittelt. Um den Erfolg der einzelnen Maßnahmen bzw. des gesamten Prozesses am Ende bewerten zu können, sollten bereits vorab entsprechende Erfolgsindikatoren und Benchmarks festgelegt werden. Nur auf diese Weise kann der strategische Employer Branding Prozess wirklich gesteuert werden.

Literaturverzeichnis

Andratschke, N., Regier, S., Huber, F. (2009): Employer Branding als Erfolgsfaktor: Eine conjoint-analytische Untersuchung, Lohmar, 2009

Böttger, E. (2012): Employer Branding – Verhaltenstheoretische Analysen als Grundlage für die identitätsorientierte Führung von Arbeitgebermarken, Wiesbaden, 2012

BPM (2011): Service – Employer Branding Konpakt, URL: http://www.bpm.de/sites/default/files/service_1%5B1%5D.pdf, Abruf am 28.01.2014

Bruch, H., Kunze, F., Böhm, S. (2010): Generationen erfolgreich führen: Konzepte und Praxiserfahrungen zum Management des demographischen Wandels, Wiesbaden, 2010

Buckesfeld, Y. (2009): Employer Branding – als Strategie für die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität in KMU, Marl, 2009

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Hummel, T.-R. (2012): Personalmanagement, URL: http://www.springerprofessional.de/die-wertvollsten-marken-der-welt/3536510.html, Abruf am 30.01.2014

Lehmann, M. (2012): Die Employer Brand strategisch ableiten und positionieren, in DGFP e.V. (Hrsg.), Employer Branding – Die Arbeitgebermarke gestalten und im Personalmarketing umsetzen, Bielefeld, 2012, S. 33-40

Lippold, D. (2011): Die Personalmarketing-Gleichung – Einführung in das wertorientierte Personalmanagement, München 2011

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Siebrecht, S. (2012): Umsetzung der Employer Brand in den Personalinstrumenten, in DGFP e.V. (Hrsg.), Employer Branding – Die Arbeitgebermarke gestalten und im Personalmarketing umsetzen, Bielefeld, 2012, S. 53-58

Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2011): Demographischer Wandel in Deutschland: Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung im Bund und in den Ländern,

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Stepstone (2014): Manager (w/m) konzernweite Diagnostik & Karrierepfade (Job ID: 260591),

URL: http://www.stepstone.de/stellenangebote--Manager-w-m-konzernweite- Diagnostik-Karrierepfade-Job-ID-260591-Hannover-Continental-AG--2762997-inline.html?ssaPOP=10&ssaPOR=10, Abruf am 30.01.2014

Stotz, W., Wedel, A. (2009): Employer Branding – Mit Strategie zum bevorzugten Arbeitgeber, München 2009

Trost, A. (2008): Employer Branding – Entwickeln einer Arbeitgebermarke, in: Arbeit und Arbeitsrecht 2008, S. 136-140

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Nicole Klein: Nachhaltige Unternehmenspolitik – ein Wettbewerbsvorteil im “War for Talents”?

2014

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob nachhaltig wirtschaftende Unternehmen einen Vorteil im „War for Talents“ besitzen. Bedingung hierfür ist, dass für Arbeitnehmer nachhaltige Themen von Bedeutung sind und sie eine nachhaltige Unternehmenspolitik bei der Wahl ihres Arbeitgebers berücksichtigen. Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren zum Schlagwort etabliert und wird viel diskutiert. Ebenso werden oft die Vorteile von nachhaltigem Wirtschaften für Unternehmen auf allen Ebenen erforscht, wie z.B. Kosteneinsparungen durch sparsameren Verbrauch von Wasser und Energie oder dem Gerecht werden von Kundenansprüchen mit hohem Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewusstsein. Wenig ergründet ist bis dato jedoch die Fragestellung, ob und inwieweit Nachhaltigkeit für Arbeitnehmer bei der Wahl ihres Arbeitgebers von Relevanz ist.

Hierbei liegt der Fokus vorliegender Arbeit hauptsächlich auf der zukünftigen hochqualifizierten Generation von Arbeitnehmern in Deutschland. Nach der Generation Baby Boomer und Generation X ist die jüngste Generation, die in den Arbeitsmarkt eintritt, die Generation Y. Alternativ finden sich in der Literatur auch die Begriffe „Millennials“ oder Internetgeneration/„Digital Natives“. Genauso uneinheitlich wie die Bezeichnungen, die verwendet werden, ist auch die Altersspanne für diese Generation. In etwa zählen aber Jahrgänge ab 1980 bis 2000 zur Generation Y (Dahlmanns 2014, S. 13 f.). Prägende Entwicklungen der Generation Y auf dem Arbeitsmarkt sind, dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden, die beruflichen Anforderungen steigen, die Erwerbsformen sich ändern hin zu mehr Teilzeitbeschäftigung und Minijobs und es immer mehr befristete Arbeitsverhältnisse und Zeitarbeit gibt (Dahlmanns 2014, S. 21; statistisches Bundesamt 2012, S. 56 f.). Dies impliziert eine höhere Unsicherheit des Arbeitsplatzes und fordert eine höhere Flexibilität und Ausbildung der Generation Y (Dahlmanns 2014, S. 22). Das Thema Umwelt erhielt bei dieser Generation vor allem durch kritische Ereignisse Aufmerksamkeit, wie z.B. Klimawandel, bedrohte Tierarten und den Reaktorunfall von Fukushima (Dahlmanns 2014, S. 24 f.). Dies lässt den Schluss zu, dass ökologische Aspekte stärker in den Fokus dieser Generation rücken und dass sie nachhaltig wirtschaftende Arbeitgeber wertschätzen, die langfristig denken, Stabilität und ein angenehmes Arbeitsklima bieten. Hermann spricht in seinem Buch „Corporate Sustainability Branding“ von einer wachsenden Anzahl an Interessensgruppen, die Nachhaltigkeit von Unternehmen fordern und von höherer Arbeitgeberattraktivität bei Unternehmen mit einem nachhaltigkeitsgeprägten Image, sowohl für potentielle als auch für bestehende Mitarbeiter (Hermann 2005, S. 83, S. 85).

Ob nun Unternehmen mit einer nachhaltigen Unternehmenspolitik tatsächlich die attraktiveren Arbeitgeber sind und inwiefern nachhaltige Aspekte bei der Arbeitgeberwahl eine Rolle spielen, wird im Folgenden untersucht.

Der weitere Verlauf dieser Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst werden die Begriffe „War for Talents“ und Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung zum besseren Verständnis erläutert und erklärt. Welche Bedeutung hat der „War for Talents“ für Unternehmen? Wieso werden die Begriffe Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung immer öfter verwendet? Welche Ziele verfolgt eine nachhaltige Unternehmenspolitik? Diese Fragen werden im zweiten Kapitel beantwortet. Danach werden im dritten Kapitel einige Theorien erläutert, die erste Hinweise darauf geben, wieso nachhaltige Unternehmen von Arbeitnehmern als attraktiver bewertet werden könnten. Dies sind Theorien über Arbeitgeberwahlverhalten, interne Marketingtheorie und Erkenntnisse aus der Glücksforschung. Während Arbeitgeberwahltheorien Aufschluss darüber geben, mit welchen psychologischen Hintergründen die Wahl für oder gegen einen Arbeitgeber fällt, untersucht die Glücksforschung, welche Aspekte im Leben glücklich machen. Die Erkenntnisse zeigen, dass dies nicht in großem Maße nur materielle Dinge sind und dass ab einem bestimmten Einkommen ein noch höheres Einkommen kaum glücklicher macht. Die interne Marketingtheorie betrachtet einen Arbeitsplatz als ein Produkt, welches unterschiedliche Bedürfnisse eines Arbeitnehmers erfüllen kann. Im vierten Kapitel werden Forschungen der letzten Jahre vorgestellt, die aufzeigen, auf was zukünftige und junge Arbeitnehmer bei der Wahl ihres Arbeitgebers achten und was ihnen im Beruf und persönlich im Leben wichtig ist. Anschließend werden im fünften Kapitel die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung präsentiert. In einer Onlineumfrage wurden Studenten verschiedener Fachrichtungen aus ganz Deutschland darüber befragt, welche Faktoren für sie bei der Arbeitgeberwahl von Relevanz sind und welche Werte ihnen persönlich wichtig sind. Nach einem Einblick in die Methodik der Untersuchung werden die Ergebnisse sowohl univariat als auch bivariat analysiert. Das Zusammenhangsmaß Cramers V zeigt den Zusammenhang zwischen persönlichen Werten und der Relevanz bestimmter Arbeitgeberfaktoren. Die Ergebnisse werden abschließend kurz diskutiert. In der Schlussbetrachtung, welche das sechste und letzte Kapitel dieser Arbeit ist, werden die zentralen Ergebnisse noch einmal aufgegriffen und es wird auf weiterführende Aspekte hingewiesen.

2 Begriffserläuterungen

Dieses Kapitel erläutert, was unter dem Begriff „War for Talents“ zu verstehen ist, wie er sich äußert und wie wichtig hochqualifiziertes Personal für ein Unternehmen ist. Anschließend wird Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung erklärt. Es wird darauf eingegangen wie relevant diese Begriffe allgemein und auch in der Politik sind und wie Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene einzuordnen ist.

2.1 War for Talents

Der „War for Talents“, den man ins Deutsche übersetzen kann mit Kampf um die Besten, wird sich in den nächsten Jahren verschärfen und an Bedeutung zunehmen. Die Unternehmensberatung Roland Berger prognostiziert: „The war for talent will intensify up to 2030. Key regions and countries such as Western Europe, the US and China suffer a serious shortage of qualified employees“ (Roland Berger Strategy Consultants 2011, S. 111). Unter „Talent“ ist jemand zu verstehen, der eine höhere fachliche Ausbildung besitzt, motiviert ist und sich in seinem Beruf engagiert. Zudem spielen soziale Kompetenzen eine Rolle. Dennoch werden wohl in jedem Unternehmen die Anforderungen an Talente etwas verschieden sein, sodass Talente unterschiedliche spezifische Merkmale und fachliche Fähigkeiten aufweisen (Gay 2013, S. 46 f.). Synonym wird in der Literatur auch der Begriff High Potentials verwendet. In dieser Arbeit wird Talent mit Personen, die über einem Hochschulabschluss verfügen, gleichgesetzt. Dies ist vereinfachend, aber nicht exakt, da sowohl Personen ohne Hochschulabschluss als Talent angesehen werden können, sowie nicht alle Personen mit Hochschulabschluss ein Talent im Sinne der obigen Definition sind.

Die Tendenz geht zu einem steigenden Bedarf an Talenten. Die Gründe hierfür sind verschieden. Der Übergang zur Wissensgesellschaft, der technische Fortschritt, durch welchen einfache Aufgaben von Maschinen übernommen werden und die zunehmende Vernetzung der Welt, die mit höherer Komplexität einhergeht, da immer mehr in globalen Dimensionen gedacht wird, sind einige davon (Blumenthal et al. 2013, S. 593). Kann dieser Bedarf mit Blick auf den demographischen Wandel in Deutschland noch gedeckt werden? Werding prognostiziert, dass die Anzahl erwerbstätiger Personen von 2012 bis 2030 um 8,5 % und bis 2040 um 15 % sinken wird (Werding 2013, S. 30). Dem gegenüber steht allerdings ebenso eine qualitative Veränderung der Bevölkerung, denn prozentual mehr Personen streben einen Hochschulabschluss an (Werding 2013, S. 33). Dies mildert die absolute Zahl fehlender Hochschulabsolventen ab. Wichtig ist zudem, wie sich die Nachfrage an Talenten entwickeln wird. Wie bereits erwähnt, geht die Tendenz zu einem steigenden Bedarf an Hochschulabsolventen. Diesen Bedarf genau zu prognostizieren ist allerdings weitaus schwieriger als die Berechnung der zukünftigen Anzahl an Erwerbspersonen. Sie unterliegt viel stärker Schwankungen und hängt u.a. von der wirtschaftlichen Situation des Landes, rechtlichen Regelungen, technischem Fortschritt und Innovationen ab (Hansen und Hauff 2013, S. 66).

Die Ergebnisse einer aktuellen DIHK-Unternehmensbefragung von 20.000 Unternehmen besagen, dass jedes vierte Unternehmen mit einem Fachkräftemangel konfrontiert ist, wobei KMUs am stärksten betroffen sind. Ein Fachkräftemangel besteht nach dem DIHK dann, wenn eine Stelle länger als zwei Monate nicht besetzt werden kann (DIHK 2014, S. 2). Bei einer Umfrage von Haufe im Jahr 2013 hingegen, bei der gefragt wurde „Bemerken Sie bereits die Auswirkungen des Fachkräftemangels in Ihrem Unternehmen?“ beantworteten 67 % der 212 Unternehmen diese Frage mit Ja (Haufe 2013, S. 5). Die Ansicht über einen Fachkräftemangel scheint oftmals subjektiv zu sein. Arbeitgeber reden lieber von einem Mangel, in der Hoffnung auf die Politik dergestalt Einfluss nehmen zu können, dass die Politik den Bestand an Fachkräften erweitert, sodass sie besser zwischen Bewerbern wählen können. Zudem geht ein höheres Arbeitsangebot auch mit einem niedrigeren Preis, hier einem niedrigeren Gehalt, einher. Bei einem starken Fachkräftemangel sollten die durchschnittlichen Reallöhne eher steigen, anstatt zu sinken, wie es aktuell der Fall ist. Daher ist die Perspektive der Unternehmen auf den Fachkräftemangel kritisch zu betrachten. Arbeitssuchende hingegen, die wissen, dass sie nicht die einzigen sind, die sich auf diese Stelle bewerben, werden dann wohl auch keinen Mangel sehen (Wirtschaftswoche 2012). Die Bundeagentur für Arbeit schreibt in ihrem Arbeitsmarktbericht 2013, dass sich kein flächendeckender Fachkräftemangel in Deutschland zeigt, jedoch in einzelnen Berufsgruppen und Regionen Mangelsituationen bzw. Engpässe erkennbar sind (Bundesagentur für Arbeit 2013, S. 5).

Selbst ungeachtet der Frage wie stark ein Fachkräftemangel ausfallen wird, ist es für ein Unternehmen entscheidend, hochqualifiziertes Personal zu gewinnen. Um erfolgreich zu sein, braucht ein Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil. Immer mehr tritt ins Bewusstsein der Unternehmer, dass die eigenen Mitarbeiter ein wichtiger Faktor sind, um einen Wettbewerbsvorteil zu generieren (Pfeffer 2002, S. 61 ff.). Eine Begründung hierfür liefert die Resource-Based Theory. Der Wettbewerbsvorteil und somit der Erfolg eines Unternehmens hängt ab von den vorhandenen Ressourcen im Unternehmen und der effektiven Nutzung dieser Ressourcen (App et al. 2012, S. 264). Ein Wettbewerbsvorteil ist allerdings erst nachhaltig, wenn er nicht leicht von Konkurrenten zu imitieren ist (Greening und Turban 2000, S. 256). Da jeder Mitarbeiter einzigartig ist, können diese wichtigen Humanressourcen nicht kopiert werden. So wird qualifiziertes und motiviertes Personal zum kritischen Erfolgsfaktor.

Sicherlich haben Unternehmen schon immer um die qualifiziertesten Fachkräfte und Experten „gekämpft“, allerdings bestärken demographische Entwicklungen und vor allem steigende Anforderungen an Arbeitnehmer den „War for Talents“. Hochqualifizierte und motivierte Mitarbeiter sind ausgesprochen wichtig für den Erfolg und die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens.

2.2 Nachhaltigkeit

Viel zu oft wird der Begriff Nachhaltigkeit mit Umweltschutz gleichgesetzt, wodurch Nachhaltigkeit nicht in seiner Ganzheit erfasst wird. Umweltschutz ist eine vieler Facetten einer nachhaltigen Entwicklung. Dieses Kapitel dient zum besseren Verständnis der umfassenden Begriffe Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung, die immer häufiger verwendet werden. Es geht nicht darum eine feste Definition zu vermitteln, sondern einen Überblick zu verschaffen, welche Entwicklung Nachhaltigkeit von der Idee bis hin zum umfassenden Konzept durchlaufen hat.

2.2.1 Begriff und Geschichte

Nachhaltigkeit hat seinen Ursprung vom englischen „sustainable development“ (deutsch: nachhaltige Entwicklung). Die etymologischen Wurzeln finden sich jedoch im lateinischen Wort „sustinere“, welches übersetzt aufrechterhalten oder bewahren heißt. Anfänglich wurde es hauptsächlich in Bezug auf die Umwelt verwendet, später wurde es umfangreicher definiert, ökonomische und soziale Aspekte kamen hinzu. Mittlerweile lassen sich in der Literatur über 70 Definitionen von Nachhaltigkeit finden (Mathieu 2002, S. 11). Trotz der zahlreichen Definitionen herrscht noch längst keine Klarheit über die Ausgestaltung einer nachhaltigen Entwicklung. So schreibt die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages, dass „die gesellschaftlichen Vorstellungen von nachhaltig zukunftsverträglicher Entwicklung sowohl zeit-, situations- als auch kultur- und wissensabhängig sind.“ (Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1998, S. 16). Ferner schreibt sie: „Folglich kann auch nicht vorgegeben oder definiert werden, wie eine nachhaltig zukunftsverträgliche Gesellschaft oder eine nachhaltige Wirtschaft konkret auszusehen hat“ (Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1998, S. 16).

Die Grundidee der Nachhaltigkeit ist, dass man nur so viel verbraucht, wie auch nachwachsen kann und auch nur so viel Umweltverschmutzung produziert, wie von der Natur aufgenommen werden kann (Spindler, S. 16). Dieses Denken ist sicherlich nicht neu, sondern vielmehr wichtiger geworden, in einer Welt, in der die Möglichkeiten der Ausbeutung und das Bevölkerungswachstum rasant zunehmen. Bereits seit Jahrtausenden leben Naturvölker nach dem Paradigma „von den Zinsen leben, nicht von der Substanz“ (Sebaldt 2002, S. 23). Im 18. Jahrhundert entstand die erste systematische wissenschaftliche Abhandlung von Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft (Hermann 2005, S. 61). Zu dieser Zeit verstand man darunter, dass „nicht mehr Holz gefällt wird, als die Natur jährlich darin erzeugt, und auch nicht weniger“ (Kasthofer 1818, S. 71, zit. nach Birnbacher und Schicha 1996). Es ging darum den ganzen Ertrag zu ernten, ohne die Substanz zu vermindern. Die moderne Nachhaltigkeitsdebatte begann jedoch erst viel später, als Umweltbelastungen, wie z.B. Smog in Großstädten und Wasserverunreinigungen, vermehrt entdeckt wurden und die Erkenntnis ins Bewusstsein gelangte, dass Öl und andere Rohstoffe endlich sind (Sebaldt 2002, S. 31 f.).

Großes Aufsehen erregte ein 1972 veröffentlichter Bericht des Club of Rome mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ (engl. Originaltitel “The Limits to Growth“). In dieser Studie wurden mit Hilfe von Computermodellierungen Zukunftsszenarien unseres Planeten simuliert. Speziell wurden die Faktoren Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelproduktion, Industrialisierung, Umweltverschmutzung und Ausbeutung von Rohstoffen für die nächsten 100 Jahre untersucht (Meadows et al. 1972, S. 15, S. 18). Dabei wurde berücksichtigt, dass sich die Faktoren sowohl selbst als auch gegenseitig beeinflussen (Meadows et al. 1972, S. 75 f.). Im Mittelpunkt stand die Frage, was passiert, wenn sich die fünf Faktoren ihren jeweiligen Grenzen annähern (Meadows et al. 1972, S. 110). Damit ist gemeint, dass jeder dieser Faktoren eine natürliche Obergrenze hat, folglich nicht unendlich weiter wachsen kann. Die Grenze der Nahrungsmittelproduktion ist beispielsweise dadurch gegeben, dass die bebaubare Fläche der Erde begrenzt ist. Durch Einsatz von Technologien und verbesserter Ausnutzung der Fläche kann diese Grenze zwar sehr hoch sein, doch wird sich die Nahrungsmittelproduktion nicht unendlich ausdehnen lassen.

In Abbildung 2.1. ist das Ergebnis einer Computermodellierung zu sehen. Der betrachtete Zeitraum erstreckt sich von 1900 bis 2100. Von 1900 bis 1970 stimmen die Werte der Simulation mit denen der Realität überein, sofern die Daten vorhanden waren. Ab 1970 hat man versucht die Trends fortzusetzen bis 2100. Nahrungsmittelproduktion, Bevölkerung und Industrieproduktion wachsen exponentiell. Dadurch steigt die Umweltverschmutzung und die Rohstoffvorräte schwinden kontinuierlich. Werden die Obergrenzen des Wachstums erreicht, führt dies aufgrund der Wechselwirkungen zu einem Zusammenbruch des ganzen Systems, bei dem die Bevölkerung sinkt, die Rohstoffvorräte erschöpft und Nahrungsmittel- und Industrieproduktion auf niedrigen Niveau sind (Meadows et al. 1972, S. 111–113).

Abbildung 1: Zukunftsszenario

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Meadows et al. 1972, S. 110, S. 113.

Das Ergebnis: Bei Fortführung der Wachstumstrends von 1900 bis 1970 würde der globale Zusammenbruch noch innerhalb der nächsten 100 Jahre erfolgen. Für die Autoren liegt der Grund hierfür bei dem exponentiellen Wachstum von Bevölkerung und Kapital (Meadows et al. 1972, S. 129). Sie fordern deswegen einen Übergang von Wachstum zu einem Gleichgewicht, bei dem die natürlichen Grenzen des Wachstums bei keinem der untersuchten Faktoren überschritten wird, sondern die natürlichen Grenzen akzeptiert und eingehalten werden (Meadows et al. 1972, S. 141, S. 154). Kritiker werfen der Studie vor, dass sie zu viele Vereinfachungen treffe (Zeit 2012). Die Autoren selbst weisen in ihrem Buch darauf hin, dass sie keine Exaktheit der Zahlenwerte erwarten, jedoch davon ausgehen, dass die Trends und das Verhalten des Modells stimmen (Meadows et al. 1972, S 108 f.). Die Autoren bewerten ihre Simulationen sogar als optimistisch, da sie nach eigenen Angaben optimistische Werte herangezogen haben und beschleunigende Ereignisse wie Kriege, Epidemien u.Ä. außer Acht gelassen haben (Meadows et al. 1972, S. 112). Sie heben in ihrem Buch ebenfalls hervor, dass es der Zweck dieser Studie war, einen Gedankenanstoß zu geben, damit eine breite Öffentlichkeit darüber diskutiert (Meadows et al. 1972, S. 17). Die Erkenntnis, dass quantitatives Wachstum bei endlichen natürlichen Ressourcen nicht unbegrenzt möglich ist und das damit verbundene Bewusstsein, dass Ressourcen erhalten und geschützt werden müssen, ist im Nachhaltigkeitsgedanken ganz zentral. In der Folgezeit wurden weitere Studien veröffentlicht und Konferenzen abgehalten, welche die Wirkungen und Zusammenhänge von Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch, Bevölkerungswachstum und ignoranten Lebensstilen ergründen (Hermann 2005, S. 63 f.).

Nachdem das Interesse einer breiten Öffentlichkeit für dieses Thema geweckt worden war, folgte 1987 die unter dem Namen Brundtland-Bericht bekannt gewordene Veröffentlichung „Our Common Future" (deutsch: unsere gemeinsame Zukunft). Dieser Bericht war im Auftrag der 1983 gegründeten Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) der Vereinten Nationen entstanden. Ziel war es, die derzeitigen Probleme zu analysieren und Handlungsstrategien für wachsende ökologische und soziale Probleme zu entwickeln, um nachhaltige Entwicklung bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus zu ermöglichen. Folgende Problemkomplexe wurden dabei herausgearbeitet: Bevölkerungswachstum, Engpässe in der Nahrungsmittelproduktion, Schwund von Ressourcen, Belastung der Umwelt, das Aussterben von Arten und Urbanisierung (Sebaldt 2002, S. 36 f.). Ebenfalls wurde gewarnt: „Many present efforts to guard and maintain human progress, to meet human needs, and to realize human ambitions are simply unsustainable – in both the rich and poor nations. They draw too heavily, too quickly, on already overdrawn environmental resource accounts to be affordable far into the future without bankrupting those accounts“ (WCED 1987, S. 7). Besondere Relevanz erhielt die in diesem Bericht enthaltene Definition von Nachhaltigkeit: Sustainable development “meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (WCED 1987, S. 7). Diese Definition wird bis heute oft übernommen. Neben intragenerationaler Gerechtigkeit (Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich) geht es auch um intergenerationale Gerechtigkeit (Verantwortung für zukünftige Generationen) (Mathieu 2002, S. 12 f.). War das Verständnis von Nachhaltigkeit bislang eher ökologischer Natur, kamen mit diesem Bericht soziale und ökonomische Komponenten hinzu. Der Bericht bekam allgemein große Zustimmung, allerdings wurde oft bemängelt, dass er nicht konkret genug sei (z.B. Mathieu 2002, S. 17). Die Kommission empfahl regelmäßige Folgekonferenzen zum Thema Nachhaltigkeit zu initiieren (WCED 1987, S. 272).

Auf Basis dieser Empfehlung wurde im Juni 1992 in Rio de Janeiro die „Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung“ (UNCED) abgehalten. Sie gilt als weltweite Anerkennung des Leitbildes Nachhaltigkeit, schließlich nahmen 178 der knapp über 200 Staaten der Erde teil. Zum ersten Mal wurden auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu politischen Verhandlungen eingeladen. Aus diesem „Erdgipfel“, wie diese Konferenz gerne genannt wird, ging die Agenda 21 hervor (Sebaldt 2002, S. 38-40). Dieses Leitpapier für nachhaltige Entwicklung beinhaltet konkrete Handlungsaufträge auf globaler und nationaler Ebene zur Einhaltung nachhaltiger Entwicklung (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1992, S.1). Im September 2002 und 2011 gingen die Folgekonferenzen „Rio + 10“ in Johannesburg und „Rio + 20” in Rio de Janeiro hervor. Sie zeigten zwar, dass das Thema noch immer hochaktuell und relevant ist und die Staaten sich zu Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen, jedoch kam es in keinem hohen Maße zu neuen Fortschritten. Gründe waren u.a. die Interessenskonflikte zwischen Nord und Süd (Hermann 2005, S. 65 f.). Nachhaltigkeit hat längst den Einzug in die politische Diskussion gefunden, jedoch lässt sich über die Erfolgsgeschichte bisher noch streiten.

Das Nachhaltigkeitskonzept ist zwar auf der Makroebene anzusiedeln, jedoch kann es auch auf kleinere Ebenen übertragen werden, z.B. auf Unternehmen. Es ist zu unterscheiden zwischen der statischen Sichtweise, die das Unternehmen als ein geschlossenes System betrachtet und der dynamischen Sichtweise, die das Unternehmen als ein offenes System auffasst, das im Austausch mit seiner Umwelt steht. Bei der statischen Sichtweise ist das Unternehmen selbst ein nachhaltiges System. Bei der dynamischen Sichtweise leistet das Unternehmen einen Beitrag dazu, Nachhaltigkeit auf höherer Ebene zu implementieren. Ein erfolgreiches nachhaltiges Unternehmen sollte beides erreichen, sowohl intern mit den eigenen Mitarbeitern und Ressourcen schonend umgehen, als auch einen Beitrag leisten für die Umwelt, mit der es in Verbindung steht (Parrish 2010, S. 512).

2.2.2 Drei-Säulen-Modell im Unternehmenskontext

Das Drei-Säulen-Modell (engl. Triple Bottom Line) ist ein Konzept, welches Nachhaltigkeit in die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales unterteilt. Im Folgenden wird dieses Modell im Kontext des Unternehmens vorgestellt.

Unter die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit fällt der Erhalt der ökonomischen Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft (Glaser 2006, S. 67). Auf Unternehmen übertragen bedeutet dies das langfristige Überleben des Unternehmens und eine stabile wirtschaftliche Entwicklung. Dadurch ergeben sich als Unternehmensziele Rentabilität, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit, um die Existenz des Unternehmens zu gewährleisten. Die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit beinhaltet die Erhaltung natürlicher Ressourcen und die Schonung der Umwelt. Ziele der Unternehmen sind hier die Reduzierung von schädlichen Emissionen, der Einsatz erneuerbarer Energien und der sparsame Umgang mit natürlichen Ressourcen (Weinrich 2013, S. 44-46). Die soziale Nachhaltigkeit umfasst sowohl den Erhalt des eigenen Humankapitals (der eigenen Arbeitnehmer), als auch des Sozialkapitals der Gesellschaft (Dyllick und Hockerts 2002, S. 134). Es geht um eine gerechte Ressourcen- und Chancenverteilung und die Ausrichtung auf ein „gutes“ Leben, sowohl materiell als auch immateriell (Siebenhüner 2001, S. 86). Ziele sind Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, Gleichberechtigung von Minderheiten und der Geschlechter, Schonung humaner Ressourcen (keine Ausbeutung) und Wahrung der beruflichen Bedürfnisse der Mitarbeiter.

Kritisiert wird an diesem Modell des Öfteren die Gleichstellung der drei Dimensionen (z.B. Haugh und Talwar 2010, S. 385). Eine eindeutige Zuordnung zu den drei Dimensionen ist nicht immer möglich, da sie sich teilweise thematisch überschneiden. Die drei Dimensionen stehen in Wechselwirkungen und haben eine komplexe Beziehung zueinander. Unternehmen sind auf Humankapital und natürliche Ressourcen angewiesen, sodass die Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Dimension Voraussetzungen für das Überleben des Unternehmens sind (Meffert und Münstermann 2005, S. 1). Andersherum ist auch die ökonomische Dimension Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen in der Lage ist, sich um die anderen Dimensionen zu kümmern. Auf praktischer Ebene gestaltet es sich oft als schwierig allen drei Dimensionen in gleicher Weise gerecht zu werden, wenn zum Beispiel Geld nur für eines, z.B. entweder Mitarbeiterschulungen oder Spenden für soziale Projekte, zur Verfügung steht. Doch auch wenn nicht alle Ziele vollständig erreicht werden können, ist es dennoch sinnvoll, danach zu streben, damit sie zumindest eher erreicht werden (Mathieu 2002, S. 13).

Mit dem Konzept der Nachhaltigkeit eng verwandt ist Corporate Social Responsibility (CSR), welches die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft behandelt. Ursprünglich ging es vornehmlich um die soziale Komponente, in moderneren Auffassungen spielen jedoch auch ökonomische und ökologische Aspekte eine Rolle (Meffert und Münstermann 2005, S. 20 f.). CSR umfasst freiwillige soziale und ökologische Bemühungen eines Unternehmens, wobei die Wirtschaftlichkeit Voraussetzung für diese ist (App et al. 2012, S. 266).

Nachhaltigkeit ist ein fortlaufender Gedanke, der sich in Zukunft noch weiterentwickeln wird. Wichtig für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ist das Verständnis von Nachhaltigkeit als ein umfassender Begriff, der nicht mit Umweltschutz gleichzusetzen ist. Im Folgenden, vor allem in der eigenen empirischen Untersuchung, wird auf das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit zurückgegriffen.

3 Theoretischer Hintergrund

Im folgenden Kapitel werden verschiedene Theorien erläutert, die im Zusammenhang mit Arbeitgeberwahlverhalten stehen und die Bedeutung eines Berufes näher betrachten. Diese Theorien geben Aufschluss darüber, ob und unter welchen Umständen nachhaltige Unternehmenspolitik für Arbeitnehmer attraktiv ist.

3.1 Arbeitgeberwahltheorien

Die Theorie der sozialen Identität (engl. Social Identity Theory) stammt aus der Sozialpsychologie. Sie besagt, dass sich Menschen über die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen definieren (Tajfel 1978, S. 63). Solch eine soziale Gruppe kann die religiöse Zugehörigkeit, das Geschlecht, eine Altersspanne oder die Zugehörigkeit zu einem Land sein. So würde man sich selbst definieren beispielweise als Katholik, als Frau, als Teenager oder als Schweizer. Auch das Unternehmen, in dem wir arbeiten stellt eine Gruppe dar, über die wir uns definieren. Das Komplement zur sozialen Identität ist die persönliche Identität. Sie beinhaltet z.B. persönliche Interessen und Fähigkeiten. Persönliche und soziale Identität zusammen bilden das Selbstkonzept, welches die Frage „Wer bin ich?“ beantwortet. Daher bestimmt die soziale Identität zu einem Teil mit, wer wir sind (Ashforth und Mael 1989, S. 21 f.).

Allgemein hat ein Individuum das Bedürfnis nach positiv wahrgenommener sozialer Identität (Mummendey 1984, S. 19 f.). Durch Zugehörigkeit zu einem Unternehmen, welches positive Werte vertritt und ein gutes Image hat, können wir uns selbst aufwerten. Diese Aufwertung (und auch Abwertung) erfolgt vor allem durch den Vergleich mit anderen Gruppen (Tajfel 1982, S. 106). Daraus folgt, dass zwei Bedingungen erfüllt sein müssen, damit wir durch die Wahl eines bestimmten Arbeitgebers unser Selbstkonzept verbessern können: Das Unternehmen muss einen guten Ruf und ein hohes Ansehen allgemein haben und sich zudem darin von anderen Unternehmen abheben. So ein positives Image kann z.B. dadurch hervorgerufen werden, dass das Unternehmen nachhaltig agiert. Wenn ein Unternehmen dafür bekannt ist, besonders nachhaltig zu sein, verbessert dort zu arbeiten das Selbstbild (wie sehe ich mich), wenn Nachhaltigkeit als etwas Positives angesehen wird. Greening und Turban schreiben „We suggest prospective job applicants will be attracted to firms with positive, rather than negative, CSP because these prospective job applicants would have more positive self-concepts if they worked for firms with a strong CSP“ (Greening und Turban 2000, S. 272). Cable und Turban zeigen, dass Unternehmen mit einer besseren Reputation bei Bewerbern bessere Chancen haben, da eine bessere Reputation den Stolz für dieses Unternehmen zu arbeiten positiv beeinflusst (Cable und Turban 2003, S. 2259).

Die Theorie vom „Person-Organisation Fit“ besagt, dass Individuen nach einem Unternehmen suchen, welches zu ihnen passt. Ein Unternehmen wird als passend empfunden, wenn die Werte und Kultur des Unternehmens und die eigenen persönlichen Werte kompatibel sind (Kristof 1996, S. 1, S. 3 f.). Demnach suchen potentielle Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz danach aus, wie stark ein Unternehmen zu ihren Interessen, ihrer Persönlichkeit, ihren Präferenzen und ihren Bedürfnissen passt (Lievens et al. 2001, S. 31). So werden verschiedene Persönlichkeiten von verschiedenartigen Unternehmen angezogen (Kristof 1996, S. 21 f.). Legt man beispielsweise persönlich viel Wert auf soziales Engagement, so wird man eher von wohltätigen Unternehmen angezogen als von Unternehmen, deren Ziel ausschließlich Profitmaximierung ist, auch wenn die zu verrichtenden Aufgaben die gleichen sind. Die Übereinstimmung der Werte zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer ist insofern wichtig als Werte über die Zeit relativ beständige Grundüberzeugungen sind (Chatman 1991, S. 459). Rynes und Cable sind sogar der Auffassung, dass Arbeitssuchende sich mindestens genauso viele Gedanken darüber machen, das richtige Unternehmen zu wählen wie darüber, den richtigen Beruf auszuwählen (Rynes und Cable 2003, S. 56). Cable und Judge zeigen in ihrer Studie „Person–Organization Fit, Job Choice Decisions, and Organizational Entry“, dass es bei der Arbeitgeberwahl eine Rolle spielt, wie die potentiellen Arbeitnehmer die Übereinstimmung (den Fit) der Werte der Organisation mit den eigenen auffassen (Cable und Judge 1996, S. 301 f.). Nach dieser Theorie haben nachhaltige Unternehmen vor allem einen Vorteil bei Arbeitnehmern, denen Nachhaltigkeit persönlich wichtig ist, die nachhaltig leben und diese Lebenseinstellung ebenfalls im Arbeitsleben ausleben wollen. Diese Personengruppe wird oft als LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) bezeichnet. Es handelt sich hierbei um einen Lebens-/ Konsumentenstil, der auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Charakteristisch ist für die LOHAS vor allem das Bewusstsein für die eigene Gesundheit, Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte, ein stark ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein, ein wertebasiertes Konsumverständnis und Genuss/ Lebensfreude. Der Anteil der LOHAS an der deutschen Bevölkerung wird meistens zwischen 20 und 25 % geschätzt (Klein 2014, S. 67-72, S. 75). Ein nicht zu verachtender Teil, bei dem man sich mit nachhaltiger Unternehmenspolitik als attraktiver Arbeitgeber positionieren kann.

Die Signalling-Theorie befasst sich mit Informationsasymmetrien. Potentielle Arbeitnehmer haben weniger Informationen über das Unternehmen und wissen nicht, wie die Arbeitsbedingungen dort sind. Deswegen sind Bewerber empfänglich für „Signale“, die das Unternehmen sendet. Sie werten diese als Hinweise darauf, wie es ist in dem Unternehmen zu arbeiten (Greening und Turban 2000, S. 258). Nachhaltige Unternehmenspolitik kann ein Signal für positive Arbeitsbedingungen sein. Faire Behandlung der Mitarbeiter und soziales sowie ökologisches Engagement verbessern den Ruf eines Unternehmens, wenn diese nach außen kommuniziert werden. Die Studie von Cable und Turban zeigt, dass Arbeitsuchende die Arbeitsbedingungen besser bewerten, wenn das Unternehmen einen guten Ruf hat (Cable und Turban 2003, S. 2259).

3.2 Interne Marketingtheorie

Interne Marketingtheorie (engl. internal marketing theory) betrachtet die Mitarbeiter eines Unternehmens als interne Kunden. Die freie Stelle bzw. der Arbeitsplatz wird hierbei als Produkt angesehen, welches dem Kunden bzw. dem Arbeitnehmer verkauft werden soll. Das Unternehmen hat dabei die Aufgabe, das Produkt Arbeitsplatz so zu gestalten, dass es den Bedürfnissen des Kunden gerecht wird. Dieser besteht aus einem Bündel verschiedener Produkteigenschaften. Je besser die Eigenschaften des Produktes Arbeitsplatz, desto eher wird es vom Kunden gekauft. Die Bedürfnisse der Kunden sind facettenreich, reichen über finanzielle Bedürfnisse, wie beispielsweise ein hohes Gehalt, über das Bedürfnis nach Entwicklungsmöglichkeiten bis zu ideologischen, psychologischen und sozialen Zielen (Du et al. 2013, S. 3-6). William George meint dazu, dass zwar jeder Mitarbeiter gut und fair bezahlt werden möchte, die Motivation vieler Arbeitnehmer jedoch daraus resultiert, dass ihre Arbeit ein erstrebenswertes, höheres Ziel verfolgt (George 2001, S. 42).

Jeder Arbeitnehmer hat verschiedene Bedürfnisse und eine unterschiedliche Gewichtung der Bedürfnisse. In der Literatur werden drei verschiedene Arten von Arbeitnehmern unterschieden, die Arbeit entweder als Job, als Karriere oder als Berufung ansehen. Ersteren geht es um finanzielle Belohnung. Die Arbeit dient eher zur angenehmen Gestaltung der Freizeit. Die Karrieretypen haben ein persönlicheres Verhältnis zu ihrer Arbeit. Ihnen geht es primär um persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Die letzte Art der Arbeitnehmer sieht ihren Beruf mehr als Berufung und als Teil ihres Selbst. Sie legen mehr Wert auf gesellschaftliche Werte und haben höhere ideologische Ansprüche als die anderen beiden Typen (Du et al. 2013, S. 8 f.). Nachhaltige Unternehmenspolitik erweitert Eigenschaften des Produktes Arbeitsplatz, sodass der Arbeitgeber ein Produkt anbieten kann, welches mehr Bedürfnisse erfüllt. Anders ausgedrückt: Arbeitnehmer mit höheren ideologischen Ansprüchen an einen Beruf werden eher das Produkt Arbeitsplatz eines nachhaltigen Unternehmens nachfragen. Neben den ideologischen Bedürfnissen erfüllt Nachhaltigkeit ebenfalls das Bedürfnis nach Entwicklung (Du et al. 2013, S. 31).

3.3 Glücksforschung

In der Glücksforschung beschäftigt man sich mit Glück im Sinne von subjektivem Wohlbefinden. Es werden zwei „Arten“ von Wohlbefinden unterschieden: emotionales Wohlbefinden, welches momentanes Glück anzeigt und kognitives Wohlbefinden im Sinne einer generellen Lebenszufriedenheit (Ruckriegel 2012, S. 71; Diener et al. 2010, S. xi). Es wird dabei beachtet, dass Wohlstand sich nicht nur durch materielle Güter äußert, sondern durch hohe Lebensqualität, die viel mehr Aspekte umfasst (Michaelis 2012, S. 16). Zentral ist in der Glücksforschung die Frage, welche Faktoren Wohlbefinden und Glück auslösen. Forscher haben als solche Glücksfaktoren soziale Beziehungen, physische und psychische Gesundheit, Engagement und befriedigende Erwerbstätigkeit, persönliche Freiheit, Lebenseinstellung und Mittel zur Befriedigung materieller (Grund-) Bedürfnisse identifiziert (Ruckriegel 2012, S. 73 f.).

Obwohl in der wirtschaftlichen Lehre gerne die Maximierung des Nutzens mit der Maximierung von Geld gleichgesetzt wird, ist dies in der Realität nicht oft direkt zu beobachten. Gerade in wohlhabenden Ökonomien ist der Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen und Wohlbefinden schwach korreliert (Umweltbundesamt 2008, S. 47). Höherer materieller Wohlstand führt nicht zwangsweise zu höherem Glücksempfinden, vor allem führt er nicht automatisch zu dauerhaftem kognitivem Wohlbefinden. Dieser Zusammenhang zwischen Einkommen und Glück wird als Easterlin-Paradoxon bezeichnet. Dies lässt sich zum einen mit Anspruchsinflationierung erklären: mit steigendem Einkommen steigen ebenfalls die Ansprüche und Erwartungen. Das höhere Einkommen und der damit verbundene materielle Konsum werden zur Selbstverständlichkeit, das Glücksmaß verschiebt sich nach oben. Zum anderen spielt wie bereits bei der Theorie der sozialen Identität der soziale Vergleich eine große Rolle. Bei einem gleichen Anstieg für alle steigt das Glück nicht, da man relativ zu anderen noch dasselbe Einkommen hat (Ruckriegel 2012, S. 83 f.). Folglich werden reiche Menschen prinzipiell nicht zufriedener, wenn sie noch reicher werden, jedoch sind sie tendenziell glücklicher als arme Menschen. Das Easterlin-Paradoxon wurde bereits von einigen Autoren bestätigt (z.B. Blanchflower und Oswald 2000; Diener und Oishi 2003; Myers 2000), indem in westlichen Nationen die Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens mit den Ergebnissen von Zufriedenheitsbefragungen verglichen wurden. Ein sehr herausragendes Beispiel ist China. Während das reale Pro-Kopf-Einkommen von 1994 bis 2005 um das 2,5-fache anstieg und auch der materielle Wohlstand stark zunahm, nahm die Lebenszufriedenheit nicht zu. Die Anzahl zufriedener Chinesen nahm sogar ab (Kahneman und Krueger 2006, S. 15). Überträgt man diese Ergebnisse auf die individuelle Ebene, so bedeutet dies, dass bei einem hohen Gehalt ein noch höheres Gehalt nicht unbedingt langfristig glücklicher macht. Arbeitnehmern könnte es wichtiger oder gleich wichtig sein flexible und geregelte Arbeitszeiten und eine Arbeit mit einem höheren Sinn zu haben, anstatt einer sehr hochbezahlten.

Wie bereits erwähnt beeinflusst ferner die Erwerbstätigkeit die Lebenszufriedenheit. Es besteht ein starker negativer Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Lebenszufriedenheit (Di Tella et al. 2001, S. 337). Über den Einkommensverlust hinaus fehlt den Arbeitslosen Sinnstiftung. Sie haben ein geringeres Selbstwertgefühl und bekommen weniger Anerkennung (Grimm 2006, S. 14 f.). Dies impliziert, dass es beim Beruf um höhere Ziele geht als nur um das Verdienen von Geld. Dieser unentgeltliche negative Effekt der Erwerbslosigkeit ist sogar größer als der finanzielle negative Effekt auf die Zufriedenheit (Ferrer-i-Carbonell 2012, S. 45). Helliwell und Huang zeigen, dass Vertrauen am Arbeitsplatz zu den Kollegen und Vorgesetzten einen starken signifikant positiven Einfluss auf das Wohlbefinden hat (Helliwell und Huang 2005, S. 18, 36).

Die vorgestellten Arbeitgeberwahltheorien geben einen Einblick in die psychologischen Hintergründe bei der Arbeitgeberwahl. Wenn Nachhaltigkeit als ein positiver Wert angesehen wird oder den Arbeitnehmern Nachhaltigkeit sogar im Privatleben wichtig ist, werden Unternehmen mit einer nachhaltigen Unternehmenspolitik von diesen bevorzugt. Die Erkenntnisse der Glücksforschung und der internen Marketingtheorie zeigen, dass nicht nur materielle Dinge wichtig sind. Ab einem bestimmten Einkommen macht ein höheres Einkommen kaum glücklicher. Da Menschen tendenziell nach einem glücklichen Leben streben, kann man daraus den Schluss ziehen, dass es Arbeitnehmern nicht nur um ein hohes Gehalt geht. Beide Theorien implizieren, dass Arbeitnehmer vielseitige Bedürfnisse haben und deswegen Arbeitgeber zu bevorzugen sind, die verschiedenen Bedürfnisse erfüllen, nicht nur materielle. Für alle Theorien ist wichtig, dass das Unternehmen die nachhaltigen Werte kommuniziert. Allerdings müssen diese auch wirklich im Unternehmen gelebt werden, sonst besteht das Risiko eines Bruches des psychologischen Vertrags, wenn die Erwartungen mit der Realität nicht übereinstimmen (App et al. 2012, S. 272).

4 Aktuelle Forschung zum Thema Arbeitgeberwahl

Eine Theorie ist wissenschaftlich erst dann von Wert, wenn sie empirisch bekräftigt werden kann. In diesem Kapitel werden einige Umfrageforschungen und Studien zum Thema Arbeitgeberwahl und Wunscharbeitgeber vorgestellt, um zu untersuchen, ob die Generation Y nachhaltige Aspekte bei einem Arbeitgeber berücksichtigt.

4.1 Kienbaum Absolventenstudie 2009/2010

Für diese Studie wurden 353 Absolventen verschiedener Fachrichtungen befragt. 60 % von diesen absolvierten ihr Studium in Wirtschaftswissenschaften. Sie wurden u.a. gefragt, welche Kriterien und Eigenschaften ihnen bei Arbeitgebern und welche Werte ihnen persönlich wichtig seien (Kienbaum 2010).

Abbildung 2: Entscheidungskriterien (Kienbaum)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kienbaum 2010, eigene Darstellung.

68 % der Absolventen geben an, dass die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, die ein potenzieller Arbeitgeber bietet, das wichtigste Entscheidungskriterium sind und 51 % legen Wert auf eine kollegiale Arbeitsatmosphäre. Auf Platz drei liegt mit 43 % ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit und auf dem vierten Platz mit 31% folgt die Vergütung (2008 waren es hier noch 78 %) (Kienbaum 2010).

Abbildung 3: Merkmale Wunscharbeitgeber (Kienbaum)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kienbaum 2010, eigene Darstellung.

Für 54 % der Absolventen ist eine internationale Ausrichtung das wichtigste Merkmal ihres Wunscharbeitgebers. 34 % legen Wert auf ein ansprechendes Angebotsportfolio, jeweils 30 % der Befragten ist Kreativität und Flexibilität im späteren Arbeitsleben wichtig. Auf Nachhaltigkeit legen 24 % und auf soziales Engagement 9 % der Absolventen Wert und eine bekannte Marke ist für nur 7 % der Studierenden entscheidend (Kienbaum 2010).

Abbildung 4: Persönliche Werte (Kienbaum)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kienbaum 2010, eigene Darstellung.

Die wichtigsten Werte und Ziele sind immateriell: die meisten Teilnehmer der Umfrage gaben an erster Stelle in ihrem Leben Familie und Freunde an, gefolgt von Selbstverwirklichung und Gesundheit. Erfolg und Karriere kommen erst auf dem vierten Platz der Lebensprioritäten. Genuss und Konsum werden lediglich von 4 % für bedeutungsvoll erachtet, Reichtum ist nur knapp 1 % der Befragten wichtig (Kienbaum 2010).

Aus den Ergebnissen der Studie kann man direkt ablesen, dass knapp ein Viertel der befragten Absolventen Nachhaltigkeit als bedeutungsvoll erachtet. Dass eine Trennung zwischen Nachhaltigkeit und sozialem Engagement stattfand, ist fragwürdig, da soziales Engagement als ein Nachhaltigkeitskriterium angesehen werden kann. Allgemein ist es schwierig, danach zu fragen, wie wichtig Nachhaltigkeit ist, wenn dies vorher nicht genau definiert oder abgegrenzt wurde. Wie bereits erörtert, ist Nachhaltigkeit ein sehr umfangreicher Begriff, der sich stetig weiterentwickelt und unterschiedlich definiert wird. Es bietet sich vielmehr an, einzelne Aspekte der Nachhaltigkeit zu verwenden und bei der Auswertung zur Kategorie Nachhaltigkeit zu summieren, da es für die Befragten leichter ist, auf konkrete Sachverhalte zu antworten. Bezieht man sich auf die WIN-Initiative für nachhaltiges Wirtschaften des Landes Baden-Württemberg, bei der messbare Nachhaltigkeitskriterien vorgeschlagen werden, zählen auch Aus- und Weiterbildungen der Mitarbeiter zu nachhaltigem Wirtschaften. Dadurch wird die Innovationskraft des Unternehmens erhalten und so der Unternehmenserfolg langfristig gesichert (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2012). Dies würde dem wichtigsten Entscheidungskriterium persönliche Entwicklungsmöglichkeit entsprechen. Ebenso kann es als nachhaltig angesehen werden, für wenige Überstunden zu sorgen und flexible Arbeitszeiten anzubieten, da dadurch die humanen Ressourcen geschont werden. Dies kommt dem Wunsch nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, vor allem Familie, entgegen, welches von 43 % als wichtiges Entscheidungskriterium genannt wurde. Interessant ist auch, dass die Vergütung als Entscheidungskriterium im Vergleich zum Jahr 2008 stark zurückgegangen ist und erst auf Platz vier erscheint. Dies bestärkt die Ergebnisse aus der Glücksforschung, nach der ab einem gewissen Niveau noch mehr Geld nicht zufriedener macht und immaterielle Werte eine bedeutende Rolle spielen.

4.2 Studie Bettina Lis 2012

Bettina Lis hat für ihre Studie „The relevance of corporate social responsibility for a sustainable human resource management“ eine Umfrage an 193 Studenten in Deutschland durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, welche der vier CSR Dimensionen „Diversität“, „Umwelt“, „Produkt“ und „Arbeitnehmer Absicherung“ den Arbeitssuchenden am wichtigsten sind (Lis 2012, S. 285-287). Dabei bedeutet „Diversität“, dass das Unternehmen Frauen und Minderheiten unterstützt, „Umwelt“ meint, dass das Unternehmen umweltfreundliche Produkte herstellt, „Produkt“ steht für die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte durch Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems und „Arbeitnehmer Absicherung“ äußert sich durch betriebliche Altersvorsorge. Den Studenten wurden Beschreibungen von imaginären Unternehmen vorgelegt, die sich in den vier Dimensionen unterscheiden (Lis 2012, S. 295). Abbildung 4.4 zeigt eine Beschreibung, bei der alle Dimensionen vom Unternehmen erfüllt werden.

Abbildung 5: Szenario mit allen CSR-Dimensionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Lis 2012, S. 287.

Danach sollten sie auf einer Skala angeben, wie sehr sie den Aussagen zustimmen, dass sie für das Unternehmen arbeiten wollen würden, dass sie das Unternehmen in die engere Auswahl bei der Arbeitsplatzentscheidung nehmen würden, dass sie einen Arbeitsplatz in diesem Unternehmen attraktiv finden würden und dass sie sich sehr anstrengen würden, um für das Unternehmen zu arbeiten (Lis 2012, S. 295). Die abhängige Variable bei der Regression ist die Unternehmensattraktivität, welche definiert ist als positive Einstellung gegenüber einer Organisation, die assoziiert wird mit der Motivation dort zu arbeiten (Lis 2012, S. 287).

Alle vier Dimensionen haben einen signifikanten Einfluss auf die Unternehmensattraktivität. Den stärksten Einfluss haben „Diversität“ und „Arbeitnehmer Absicherung“ (Lis 2012, S. 288). Da alle vier Dimensionen auch zum Begriff Nachhaltigkeit gehören (die Überschneidung des Modells Nachhaltigkeit und dem modernen Verständnis des CSR wurde bereits erwähnt), ist dies ein Beweis dafür, dass zumindest einige Nachhaltigkeitsaspekte die Unternehmensattraktivität steigern. Den stärksten Einfluss hat hier die soziale Dimension.

4.3 Ernst & Young Absolventenstudie 2012/2013

An dieser Befragung haben sich 483 Studierende verschiedener Fachrichtungen aus ganz Deutschland beteiligt. Von den Befragten sind 57 % weiblich und 43 % männlich. 45 % sind Masterstudenten, 32 % Bachelorstudenten, 20 % streben ein Diplom, 3 % einen Magister- und 1 % einen Examensabschluss an (Ernst & Young 2013, S. 3).

Welche Werte und Ziele sind Ihnen im Leben wichtig? (Mehrfachnennung möglich, maximal drei)

Abbildung 6: Werte und Ziele (Ernst Young)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ernst & Young 2013, S. 5.

Diese Ergebnisse bestärken überwiegend die Ergebnisse der Kienbaumstudie und die Erkenntnisse aus der Glücksforschung, da Familie/Freunde und Gesundheit zu den relevantesten Werten zählen. Nachhaltige Werte wie beispielsweise Verantwortung, ökologische Nachhaltigkeit und soziales Engagement sind für die Befragten im Durchschnitt wichtiger als Konsum und Reichtum.

Welche Eigenschaften und Angebote eines Arbeitgebers sind für Sie ausschlaggebend bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber? (Mehrfachnennung möglich, maximal fünf)

Abbildung 7: Eigenschaften und Angebote Arbeitgeber (Ernst & Young)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ernst & Young 2013, S. 23.

Am relevantesten sind für die Studierenden Entwicklungsmöglichkeiten, Work-Life-Balance und eine kollegiale Arbeitsatmosphäre. Ethische Prinzipien sind ebenfalls für knapp jeden fünften Befragten ausschlaggebend bei der Arbeitgeberwahl und für 14 % soziales Engagement. Die Vergütung ist für 38 % ein entscheidender Faktor; im Jahr zuvor wurde die Vergütung noch von gut der Hälfte der Befragten (49 %) als wesentliches Entscheidungskriterium genannt (Ernst & Young 2013, S. 23). Auch bei dieser Umfrage fällt wieder auf, dass die Vergütung im Vergleich zu vorangehenden Umfragen in den Hintergrund rückt.

4.4 Forsa Umfrage 2013

Im November und Dezember 2013 führte das Marktforschungsinstitut Forsa im Auftrag der ALTANA Gruppe eine Befragung von 250 Berufseinsteigern aus Industrieunternehmen zwischen 18 und 35 Jahren mit einer Berufserfahrung zwischen zwei und fünf Jahren durch. Ganz oben auf der Liste der relevanten Kriterien für die Arbeitgeberwahl stehen mit 87 % ein kooperatives Arbeitsklima, mit 66 % Gestaltungsspielraum und mit 56 % attraktive Aufstiegsperspektiven. Ein hohes Gehalt ist nur für 28 % der Berufseinsteiger ausschlaggebend bei der Arbeitgeberwahl. Wichtiger als das Finanzielle sind den Befragten außerdem Erfolg (47 %), Image und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens (jeweils 34 %) (Institut für nachhaltige Unternehmensführung und Ressourcenplanung 2014).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, eine angemessene Work-Life-Balance und eine angenehme Arbeitsatmosphäre für die allermeisten Befragten die wichtigsten Entscheidungskriterien sind. Ebenfalls zu sehen ist ein Rückgang der Relevanz der Vergütung. Gründe könnten sein, dass Studenten eher hochqualifizierte Berufe anstreben und diese auch eher gut bezahlt werden, sodass Vergütung keine so große Rolle mehr spielt, was die Glücksforschung bestätigen würde. Das eigene seelische und körperliche Wohlbefinden ist weitaus wichtiger als Konsum, Genuss oder Reichtum. Es geht der Generation Y nicht nur um eine Erhöhung des Einkommens, sondern um eine Steigerung der Lebensqualität, die viele Aspekte umfasst. Für einige der Studienteilnehmer sind bei der Arbeitgeberwahl ebenfalls Faktoren wichtig, die sie nicht direkt betreffen, wie z.B. soziales Engagement, ethische Prinzipien und andere Nachhaltigkeitsaspekte. In Anlehnung an die im dritten Kapitel vorgestellten Arbeitgeberwahltheorien, kann man annehmen, dass dies nicht auf alle Arbeitssuchenden zutrifft, sondern auf diejenigen, die Nachhaltigkeit als bedeutsam und erstrebenswert ansehen und dem Faktor Nachhaltigkeit einen hohen persönlichen Stellenwert einräumen. Auch wenn es bis dato noch nicht ausreichend explizit untersucht wurde, liefern die vorgestellten Studien und Umfragen Indizien dafür, dass nachhaltige Unternehmen von der Generation Y als Arbeitgeber bevorzugt werden.

5 Eigene empirische Untersuchung

5.1 Design und Methodik

Die Datenerhebung erfolgte in Form einer Onlineumfrage mit Hilfe der Befragungssoftware Unipark der Questbeck AG. Die Umfrage war Teilnehmern vom 15.07.2014 bis zum 18.08.2014 zugänglich. Diese Form der Datenerhebung wurde gewählt, da so viele potentielle Teilnehmer erreicht werden können, unabhängig von Ort und Zeit. Zwar werden bei einer Onlineumfrage nur Teilnehmer erreicht, die regelmäßig das Internet nutzen, allerdings kann bei der angestrebten Zielgruppe davon ausgegangen werden, dass dies auf die meisten Personen zutrifft und somit kein Problem darstellt. Die Befragung richtete sich an Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen in ganz Deutschland. Verbreitet wurde die Umfrage im Internet über die Social Media Plattform Facebook. Das Ausfüllen des Fragebogens nahm in etwa vier bis fünf Minuten Zeit in Anspruch. Durch das Speichern von Cookies wurde zudem eine mehrfache Teilnahme derselben Person verhindert, jedoch ermöglicht, den Fragebogen zu einem späteren Zeitpunkt an der gleichen Stelle fortzusetzen.

Einführend wurden Fragen zu Geschlecht, Alter und Bildung gestellt. Danach wurden die Teilnehmer gebeten, die Relevanz verschiedener Faktoren für sie bei der Arbeitgeberwahl anzugeben. Die genaue Aufgabenstellung lautete:

Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor der Wahl Ihres Arbeitgebers. Nehmen Sie hierbei an, dass Sie mehrere Arbeitgeber zur Auswahl haben, und das Einstiegsgehalt, der Standort und die zu verrichtenden Aufgaben ähnlich sind und in einem für Sie angemessenen Bereich liegen.

Wie relevant sind folgende Faktoren für Sie, wenn Sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden? Für die Beantwortung wurde eine vierstufige Ratingskala verwendet, die von 1= sehr relevant bis 4= irrelevant reichte. Es wurde eine vierstufige Skala gewählt, damit sich die Teilnehmer in eine Richtung hingehend entscheiden mussten („Forced Choice“). Zusätzlich gab es immer die Möglichkeit die Antwortoption „kann ich nicht beantworten“ zu wählen, die als Missing Value nicht in die Bewertung einfloss. Die Faktoren beinhalten Eigenschaften, Angebote und Merkmale von Arbeitgebern, die sich den drei Nachhaltigkeitsdimensionen ökonomisch, sozial und ökologisch zuordnen lassen. Als Vergleich sind auch solche Attribute eines Arbeitgebers dabei, die nichts über Nachhaltigkeit aussagen und sich eher traditionellen Wunscharbeitgebern (traditionelle Dimension) zurechnen lassen. Zudem bezog sich eine Frage darauf, wie relevant es für die Teilnehmer ist, dass das Unternehmen zu den eigenen persönlichen Werten passt. Für die Befragten war diese Aufteilung jedoch nicht sichtbar und die Faktoren in zufälliger Reihenfolge angeordnet. Die Faktoren wurden hauptsächlich in Anlehnung an die WIN-Charta und Mathieu S. 25 f. erstellt.

In der abschließenden Frage ging es um die persönlichen Werte und Ziele der Befragten. Es war eine Mehrfachwahl folgender Werte möglich: Statussymbole, viel Freizeit, Verantwortung übernehmen, Umweltbewusst zu leben, intensives Familienleben, soziales Engagement, Erfolg im Beruf und gesellschaftliche Anerkennung. Diese Werte und Ziele finden in der Literatur oft Anwendung (Kirchgeorg und Günther 2006, S. 37; Sponheuer 2009, S. 161; Weinrich 2013, S. 175). Der vollständige Fragebogen ist in Anhang A zu sehen.

5.2 Auswertung

Insgesamt wurde der Onlinefragebogen von 745 Teilnehmern vollständig ausgefüllt. Es wurden diejenigen Teilnehmer aussortiert, die unter 21 Jahre oder über 34 Jahre alt waren. Zudem wurden alle Studenten entfernt, die sich im Bachelorstudium oder Examensstudium im ersten bis dritten Semester befanden. Dadurch wurden Studienanfänger und diejenigen, die nicht zur Generation Y gehörten, ausselektiert. Nach der Bereinigung der Daten basiert die weitere statistische Analyse auf einer Stichprobe von 653 ausgefüllten Fragebögen.

Abbildung 8: Zusammensetzung der Stichprobe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung.

Bei der Frage nach dem angestrebten Bildungsabschluss wurde unter „Sonstige“ folgendes angegeben: Sechs Teilnehmer hatten gerade ihr Studium beendet, drei promovierten zum Zeitpunkt der Umfrage, eine/r befand sich im Gap Year zwischen Bachelor und Master und eine/r strebte sowohl einen Master-, als auch ein Examensabschluss an. Unter „Sonstige“ beim Fachbereich wurden am häufigsten Rechtswissenschaften, Wirtschaftsingenieursstudium, Architektur und Kombinationsfächer genannt. 19 % hatten vor Ihrem Studium bereits eine Berufsausbildung absolviert.

Die Abbildungen 5.3 bis 5.5 zeigen die Relevanz der Arbeitgeberfaktoren, sortiert nach den Nachhaltigkeitsdimensionen bzw. der traditionellen Dimension. Diese Einteilung ist nicht immer als trennscharf zu betrachten, da manche Faktoren mehreren Dimensionen gleichermaßen zugeordnet werden können. So wurde z.B. die Herstellung hochwertiger Produkte der ökologischen Dimension zugeordnet, da hochwertige Produkte aus hochwertigen, unschädlichen Materialien hergestellt werden und eine gewisse Qualität auch mit einer gewissen Produktlanglebigkeit einhergeht, wodurch weniger Müll produziert wird und weniger Ressourcen für Neuproduktion verbraucht werden. Genauso gut könnte man dies jedoch auch der ökonomischen Dimension zuordnen, da hochwertige Produkte ein Wettbewerbsvorteil sein können und somit den langfristigen Erfolg des Unternehmens sichern.

Abbildung 9: Ökonomische Nachhaltigkeitsdimension

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung.

Eine hohe Arbeitsplatzsicherheit ist für 92 % der Befragten relevant oder sehr relevant. 70 % der Studienteilnehmer gaben an, dass es für sie von Relevanz oder sogar hoher Relevanz ist, dass das Unternehmen auf langfristige Gewinnerzielung ausgerichtet ist, lediglich für 6 % ist dies irrelevant. Die restlichen Aspekte der ökonomischen Nachhaltigkeit sind relativ ausgeglichen und teilen die Absolventen in zwei fast gleich große Gruppen, die hauptsächlich zu relevant bzw. zu wenig relevant tendieren.

Abbildung 10: Soziale Nachhaltigkeitsdimension

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung.

Für 90 % der Befragten ist es relevant oder sehr relevant, dass es flexible Arbeitszeiten gibt. 93 % gaben an, dass Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen entscheidend bei der Wahl des Arbeitgebers sind. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Teilnehmer der Umfrage noch sehr jung und noch nicht fertig ausgebildet sind. Für 84 % ist es wichtig oder sehr wichtig, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer im Unternehmen unbefristete Vollzeit-Verträge hat, für nur 3 % ist dies bei der Arbeitgeberwahl irrelevant. Gerade diesem Wunsch wird in der Realität nicht nachgekommen, da wie bereits im ersten Kapitel erwähnt, die atypischen Beschäftigungsverhältnisse zunehmen. Ebenfalls sehr wichtig sind den Befragten Aktivitäten, die den Zusammenhalt im Unternehmen fördern (wie z.B. Betriebsausflüge, Betriebsfeiern), regelmäßige Mitarbeiterzufriedenheitsmessungen, geregelte Arbeitszeiten (selten Überstunden) und flache Hierarchien. Am wenigsten relevant ist in dieser Dimension die Unterstützung sozialer Projekte durch das Unternehmen, Er ist aber immer noch für 41 % der Befragten von Relevanz.

Abbildung 11: Ökologische Nachhaltigkeitsdimension

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Erhebung, eigene Darstellung.

Für 68 % ist es relevant oder sehr relevant, dass das Unternehmen für Mensch und Umwelt unbedenkliche Produkte herstellt und für 76 %, dass das Unternehmen hochwertige Produkte herstellt. Dass sich das Unternehmen aktiv für Umweltschutz einsetzt ist für 40 % wichtig bei einem Arbeitgeber. Die geringste Relevanz erhält hier das Vorhandensein eines Umweltbeauftragten. Ein Grund könnte hier sein, dass einige diesen Aspekt eher mit dem Titel als mit der inhaltlichen Funktion verbinden, sodass es nicht unbedingt notwendig ist, dass es einen Ansprechpartner im Unternehmen gibt, der diesen Titel trägt. Die restlichen Aspekte befinden sich im Bereich von 31 % bis 35 % von relevant bis sehr relevant.

[...]

Ende der Leseprobe aus 215 Seiten

Details

Titel
Employer Branding: Wie können Unternehmen den "War for Talents" gewinnen und qualifizierte Mitarbeiter binden?
Autoren
Jahr
2015
Seiten
215
Katalognummer
V295494
ISBN (eBook)
9783656932529
ISBN (Buch)
9783956871689
Dateigröße
3519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
employer, branding, unternehmen, talents, mitarbeiter
Arbeit zitieren
Christian Schmidt (Autor:in)Nicole Klein (Autor:in)Jakob Stoffel (Autor:in)Nico Oertel (Autor:in), 2015, Employer Branding: Wie können Unternehmen den "War for Talents" gewinnen und qualifizierte Mitarbeiter binden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295494

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