Die tiefenpsychologische Deutung der Religion nach Sigmund Freud


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Freuds Biographie
1.2. Was beeinflusste Freuds Erkenntnisse?

2. Ausgewählte religionswissenschaftliche Theorien aus Freuds Werk
2.1. Zwangshandlung und Religionsausübungen
2.2. Freuds Theorie zur Religionsbildung in der Urhorde
2.3. Freud und die Muttergöttinnen
2.4. Die Zukunft der Religion nach Freud

3. Der Mann Moses und der Monotheismus
3.1. Freuds Mosesthesen
3.2. Die Idee des Monotheismus und ihre Wirkung
3.3. Freuds Sicht des Judentums und des Christentums
3.4. Freuds modifiziertes Modell der Religionsentstehung und der Wahrheitsgehalt der Religion

4. Freuds Religionskritik

5. Kritik an Freud

6. Fazit

7. Literaturliste

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der „Tiefenpsychologischen Deutung der Religion nach Sigmund Freud“. Es sollen FREUDS Modelle der Religionsbildung und Religionskritik genauso herausgearbeitet werden. Um FREUDS Werke zufrieden stellend kritisch zu untersuchen, ist es nötig, FREUDS Biographie und im Besonderen FREUDS Verhältnis zu seinem Vater herauszuarbeiten und ihre Einflussnahme auf FREUDS Werk zu untersuchen. Des Weiteren soll gezeigt werden, wie FREUD rezipiert worden ist und warum es auch heute noch lohnend ist, sich mit FREUDS Theorien zu beschäftigen. Diese Arbeit verwendet hauptsächlich Primärquellen, da FREUD sich mehrfach mit religionswissenschaftlich relevanten Fragestellungen befasst hat und diese textkritisch untersucht werden können. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf FREUDS Werk „Der Mann Moses und der Monotheismus“. Anhand ausgewählter Textstellen wird versucht zu zeigen, wie FREUD sein Modell einer ägyptisch initiierten monotheistischen Religionsstiftung für die jüdische Religion entwickelt und konzipiert. Abschließend soll eine kritische Würdigung FREUDS erfolgen.

1.1. Freuds Biographie

FREUD wurde am 6.5.1856 in Freiburg geboren.[1] Er entstammte der dritten Ehe des Jakob Freud mit Amalie Nathansohn[2] und war das erste von acht Kindern.[3] Aus erster Ehe hatte Jakob Freud bereits erwachsene Kinder.[4] FREUDS Familie war also eine sogenannte „Patchworkfamilie“, und es ist oft untersucht worden, inwieweit er davon geprägt und beeinflusst wurde. Zudem kam FREUD aus einem jüdischen Elternhaus.[5] In früher Kindheit zog er mit seinen Eltern nach Wien, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte.[6] Im Alter von ungefähr sieben Jahren studierte FREUD zusammen mit seinem Vater die Bibel,[7] und er bekam Hausunterricht.[8] Er zeigte laut eigener Aussage in seiner Jugendzeit ein großes Interesse an kulturwissenschaftlichen Fragestellungen[9], besonders im religiösen Bereich, und verstand seine Arbeiten im hohen Alter zu diesen Themen als das eigentliche Interesse seines Lebens.

„Frühzeitige Vertiefung in die biblische Geschichte, kaum daß ich die Kunst des Lesens erlernt hatte, hat, wie ich viel später erkannte, die Richtung meines Interesses nachhaltig bestimmt.“[10] <

Sein Verhältnis zu seiner Mutter war gut[11], während sein Verhältnis zu seinem Vater ambivalent war.[12]

Nach Beendigung seiner Schulzeit entschloss sich FREUD, Arzt zu werden.[13] Er wurde der Begründer der Psychoanalyse, was ihm Weltruhm bringen sollte. Seine kulturwissenschaftlichen Arbeiten entstanden erst zu einem späteren Zeitpunkt in seinem Leben. Die für diese Arbeit relevanten Arbeiten FREUDS sind in chronologischer Abfolge:

„Zwangshandlung und Religionsausübung“ (1907), „Totem und Tabu“ (1912/13), „Die Zukunft einer Religion“(1927) und zuletzt „Der Mann Moses und die monotheistische Religion. Schriften über die Religion.“ (1939). Zudem gab er die Zeitschrift „Imago“ heraus[14], in der zuerst FREUDS Aufsätze „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ veröffentlicht wurden. FREUD hatte sechs Kinder[15], von denen seine Tochter Anna selbst bekannt geworden ist. Zu FREUDS wichtigsten Mitarbeitern und Schülern zählt auch C.G. Jung, der sich allerdings später von FREUD distanzierte.[16] Da FREUD jüdischer Abstammung war, hatte die Politik der 30er Jahre in Deutschland Einfluss auf sein Leben. 1933 wurden seine Schriften öffentlich verbrannt.[17] 1939 emigrierte FREUD nach London, wo er 1939 im Alter von 83 Jahren an Gaumenkrebs starb.[18]

1.2. Was beeinflusste Freuds Erkenntnisse?

In wieweit FREUDS ambivalentes Verhältnis zu seinem Vater Einfluss auf seine Theorien hatte, ist oft diskutiert worden. Dass FREUDS Vaterbild jedoch Einfluss auf seine Arbeiten genommen hat, ist unbestritten.

So ist denkbar, „[…]dass das Vorhandensein wesentlich älterer, schon verheirateter Halbbrüder und jüngerer Onkel im Geist des kleinen Sigmund die Schwierigkeiten der Identifizierung mit dem Vater aktivieren musste.“[19]

Diese Schwierigkeiten der Identifizierung mit seinem Vater führten FREUD letztlich dazu, diesen nach dem Tode zu überhöhen, so wurden die, „[…]Phantasien Freuds zum Tode seines Vaters untersucht, der zu einem unsterblichen Vater geworden war, […].“[20]

So spiegelt sich diese Ambivalenz der Gefühle in Freuds Werk „Totem und Tabu“ in Hinblick auf die Entstehung der Religion in der Urhorde (siehe auch Kapitel 2.2.)

Es ist ebenfalls bekannt, dass FREUD viele seiner Ergebnisse aus der Psychoanalyse bezog. Viele Erkenntnisse gewann FREUD dadurch, dass er sich sein Leben lang selbst analysierte und die so gewonnen Erkenntnisse für seine Psychoanalyse nutzte.[21]

Auch FREUDS religiöse Einstellung ist in Hinblick auf das Verständnis seiner Schriften, welche sich mit Religion befassen, wichtig. So wird FREUD von KÜNG als Atheist aufgefasst[22], von GAY als „gottloser Jude“ in seinem Buch „Ein gottloser Jude[23]. Sigmund Freuds Atheismus und die Entwicklung der Psychoanalyse.“ dargestellt, und YERUSHALMI sieht FREUD stark jüdisch geprägt und zuletzt als sich der Religion wieder angenähert.[24]

FREUDS Selbstverständnis kann aus seinen Texten extrahiert werden.

„Nein, unsere Wissenschaft ist keine Illusion. Aber es wäre eine Illusion zu glauben, daß wir irgendwoher sonst bekommen könnten, was sie uns nicht geben kann.“[25]

In einer weiteren Textstelle heißt es:

„Wenn unsere Arbeit uns zu einem Ergebnis führt, daß die Religion auf eine Menschheitsneurose reduziert und ihre großartige Macht in der gleichen Weise aufklärt wie den neurotischen Zwang bei den einzelnen unserer Patienten, […].“[26] so wird deutlich, dass FREUD der Religion durchaus kritisch gegenüberstand. FREUD selber verstand sich wohl als Atheist, zumindest lässt sich seine religionskritische Einstellung anders nicht zufrieden stellend erklären. Ebenfalls eine religionskritische Textstelle bietet zugleich die wohl knappste und trotzdem gute Zusammenfassung von FREUDS Theorien.

„Ich habe seit damals nie mehr bezweifelt, dass die religiösen Phänomene nur nach dem Muster der uns vertrauten neurotischen Symptome des Individuums zu verstehen sind, als Wiederkehren von längst vergessenen, bedeutsamen Vorgängen in der Urgeschichte der menschlichen Familie, dass sie ihren zwanghaften Charakter eben diesen Ursprung verdanken und also Kraft ihres Gehaltes an historischer Wahrheit auf die Menschen

wirken.“[27]

Die Entwicklung der FREUDSCHEN Theorien zu diesem Fazit möchte ich nun gerne aufzeigen und komme zu der Erkenntnis, dass es durchaus legitim ist anzunehmen, dass FREUDS Biographie, die sein Innenleben erheblich mitgestaltete, Einflussnahme auf seine Werke ausübte.

Ein Teil seiner Quellen für seine kulturwissenschaftlichen Arbeiten entstammte seiner psychoanalytischen Praxis und stellten FREUDS eigene Arbeitsergebnisse dar. Für seine kulturwissenschaftlichen Werke war FREUD jedoch auf Material angewiesen, welches nicht aus seinem Arbeitsbereich stammte. Also rezipierte und verarbeitete FREUD Material aus anderen Fachbereichen, so z.B. aus der Ethnologie.

2. Ausgewählte religionswissenschaftliche Theorien aus Freuds Werk

2.1. Zwangshandlung und Religionsausübungen

In diesem ersten Aufsatz FREUDS von 1907 zur Religion stellte er grundlegende Thesen zu seinem Religionsverständnis vor. FREUD begann, indem er seine Hauptthese formulierte, nämlich dass Zwangshandlungen und Religionsausübungen Ähnlichkeiten aufweisen.

„Ich bin gewiß nicht der erste, dem die Ähnlichkeit der sogenannten Zwangshandlungen Nervöser mit den Verrichtungen aufgefallen ist, durch welche der Gläubige seine Frömmigkeit bezeugt.“[28]

Die Zwangshandlung zeichnet sich dadurch aus, dass sie individuell ist und im Privaten stattfindet.[29] Die Hauptbedeutung der Zwangshandlung bleibt dem Ausführenden verschlossen.[30] Die Ursache der Zwangsneurose ist in der Verdrängung einer Triebregung, die meist sexueller Art ist, zu suchen.[31] Die Zwangsneurose ist laut FREUD „ein halb komisches, halb trauriges Zerrbild einer Privatreligion.“[32]

Die Religionsausübung unterscheidet sich von der Zwangshandlung dadurch, dass sie öffentlich und in Gemeinschaft ausgeübt wird.[33] Bei ihrer Ausübung ist der Zweck besser bekannt oder sollte zumindest einem Religionsspezialisten, z.B. einem Priester, bewusst sein.[34] Die Religionsbildung beinhaltet einen Verzicht auf Triebregungen, die vor allem sozialschädliche Tendenzen aufweisen.[35] Nach Darstellungen der Unterschiede von Zwangshandlung und Religionsausübung komme ich nun zu ihren Gemeinsamkeiten. Beiden Handlungen liegt der Wunsch nach Abwehr der Versuchung und Schutz gegen erwartetes Unheil zugrunde.[36] Beide Handlungen weisen einen Sinn auf, der gedeutet werden kann.[37] Vor allem die gewissenhafte Ausführung der Handlungen ist wichtig, und es existiert ein Verbot der Störung bei der Ausübung. Die Nichtausübung löst in beiden Fällen Angst bzw. Gewissensangst aus.[38] Bei beiden Handlungen stellen die Bußhandlungen eine wichtige Komponente dar.[39] Mit der Zeit tritt das Zeremoniell als wesentlicher Bestandteil hervor, und der zugrunde liegende Gedanke tritt in den Hintergrund.

„[…]so daß allmählich das kleinliche Zeremoniell der Religionsausübung zum Wesentlichen wird, welches deren Gedankeninhalt beiseite gedrängt hat.“[40]

Hier wird FREUDS religionskritischer Ansatz klar verdeutlicht. Zudem wirft FREUD der Religion vor, die Triebregungen, welche sie verpönt, zu fördern, indem diese „gerade im Namen und angeblich zugunsten der Religion vollführt werden.“[41]

Freuds Fazit lautet wie folgt: „Neurose ist das pathologische Gegenstück zur Religion, und die Religion ist eine universelle Zwangsneurose.“[42]

2.2. Freuds Theorie zur Religionsbildung in der Urhorde

Um FREUDS Urhordentheorie verstehen zu können, ist es notwendig, sich mit FREUDS Ansichten zur Religionsentwicklung zu beschäftigen. Für ihn bildet der Totemismus die älteste Religion,[43] und diesen ist zudem allen Kulturen als Phase zueigen.[44] FREUD schließt dies aus seiner Auswertung von Beobachtungen bei rezenten primitiven Völkern, die im 19. Jh. Gemacht wurden. Das Totem ist laut FREUD „In der Regel ein Tier, ein essbares, harmloses oder gefährliches, gefürchtetes, seltener eine Pflanze oder eine Naturkraft (Regen, Wasser), welches in einem besonderen Verhältnis zu der ganzen Sippe steht.“[45]

[...]


[1] Zinser (1997), S.90

[2] Grubrich-Simitis (1991), S.36

[3] Küng (1987), S.18

[4] Küng (1987), S.18

[5] Yerushalmi (1991), S.95

[6] Grubrich-Simitis (1991), S.38

[7] Yerushalmi (1991), S.95

[8] Yerushalmi (1991), S.101

[9] Küng (1987), S.17

[10] Küng (1987), S.17f.

[11] Küng (1987), S.18

[12] Fromm (1959), S.59-64

[13] Küng (1987), S.20

[14] Zinser (1997), S.96

[15] Zinser (1997), S.92

[16] Yerushalmi (1991), S.71

[17] Zinser (1997), S.96

[18] Zinser (1997), S.96

[19] Lebovici&Crémieux (1974), S.160

[20] Lebovici&Crémieux (1974), S.160

[21] Gubrich-Simitis (1991), S.38

[22] Küng (1987), S.23

[23] Gay (1987), S.162

[24] Yerushalmi (1991), S.113

[25] Freud (1927), S.158

[26] Freud (1939), S.66

[27] Freud (1939), S.68

[28] Freud (1907), S.7

[29] Freud (1907), S.9

[30] Freud (1907), S.11

[31] Freud (1907), S.12; siehe auch Albrecht (2005), S.56

[32] Freud (1907), S.9

[33] Freud (1907), S.9

[34] Freud (1907), S.11

[35] Freud (1907), S.13

[36] Freud (1907), S.12

[37] Freud (1907), S.9

[38] Freud (1907), S.8

[39] Freud (1907), S.13

[40] Freud (1907), S.13

[41] Freud (1907), S.14

[42] Freud (1907), S.14

[43] Freud (1912/13), S.199

[44] Freud (1912/13), S.159

[45] Freud (1912/13), S.48

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die tiefenpsychologische Deutung der Religion nach Sigmund Freud
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Religionswissenschaftliches Seminar)
Veranstaltung
Hauptseminar. Titel der Lehrveranstaltung: Monotheismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V295115
ISBN (eBook)
9783656928874
ISBN (Buch)
9783656928881
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Monotheismus;, Moses;, Urhorde;, Freud
Arbeit zitieren
Deborah Karl-Brandt (Autor:in), 2006, Die tiefenpsychologische Deutung der Religion nach Sigmund Freud, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295115

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