Absicht - Ziel - Störung - Wendung. Eine Sendungsanalyse am Beispiel der Serie "Revenge"


Hausarbeit, 2014

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition, Dramaturgie und Narration von Serien
2.1 Ansätze zur Definition von Serien
2.2 Dramaturgie und Narration in Serien
2.2.1 Seriendramaturgie
2.2.2 Narration in Serien
2.3 Elemente des Storytellings
2.3.1 Das Motiv
2.3.2 Die Absicht
2.3.3 Das Ziel
2.3.4 Die Störung und der ungestörte Zustand
2.3.5 Der Konflikt
2.3.6 Die Beruhigung
2.3.7 Haupt- und Teilabsichten

3 Analyse der Serie Revenge
3.1 Methodik
3.2 Vorstellung und Einordnung der Serie Revenge
3.2.1 Handlung und Figuren
3.2.2 Formale Einordnung der Serie
3.3 Dramaturgie in Revenge
3.4 Narration in Revenge
3.5 Elemente des Storytellings in Revenge

4 Zusammenfassung

5 Literaturverzeichnis

6 Medienverzeichnis

7 Anhang

1 Einleitung

„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.“

Eine Tatsache, die viele Serienautoren vermutlich ausnutzen, um die Zuschauer ihrer Serien buchstäblich an der Nase herumzuführen. Zeitgenössische Fernsehserien haben derzeit den Ruf, inhaltlich anspruchsvoll zu sein oder sein zu müssen. Je komplizierter, desto besser. Fans von Fernsehserien wie Lost (ABC, 2004) oder Revenge (ABC Studios, 2014a) beschäftigen sich exzessiv damit, die Mysterien der Serienwelten zu entschlüsseln und im Internet für jedermann zugänglich zu machen, z.B. in der Form von Wikis (vgl. „Revenge ABC Wiki“, 2014). Die Schriftstellerin Erin Balser schreibt über die Serie Revenge: „ Revenge is a fast-paced, complicated, and character-driven show with many plot twists and unanswered questions“ (Balser, 2012, S. 4).

Doch was ist es, was diese Serien so besonders macht? Welche Elemente in der Struktur von Fernsehserie lassen die Serie letztendlich anspruchsvoll und kompliziert wirken? Die Autorin der vorliegenden Arbeit nimmt an, dass sich entsprechende Antworten in der Dramaturgie und Narration von Fernsehserien finden lassen.

Daher lautet die Forschungsfrage:

Mit welchen dramaturgischen und narrativen Mitteln werden die Elemente Motiv, Absicht, Ziel, Störung und Wendung in der Fernsehserie Revenge (Noyce, Beesley, Shakman, Fink, & Hunter, 2011) dargestellt?

Zudem wird angenommen, dass es sich bei Revenge um eine narrativ komplexe Serie handelt.

Um dies zu untersuchen, wird die Arbeit in zwei Bereiche unterteilt. Im ersten Teil werden die theoretischen Grundlagen zur Definition, Dramaturgie und Narration besprochen. Außerdem soll vertieft auf die Elemente des Storytellings eingegangen werden. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Theorie auf die gewählte Beispielserie Revenge angewendet. Auf die Vorstellung und Einordnung der Serie folgen die Analyse von Dramaturgie, Narration und der Elemente Motiv, Absicht, Ziel, Störung und Wendung sowie weiterer Teilkomponenten des Storytellings. Im letzten Kapitel werden die Erkenntnisse zusammengefasst, um die Forschungsfrage zu beantworten. Außerdem soll ein Ausblick auf zukünftige Untersuchungen gegeben werden.

2 Definition, Dramaturgie und Narration von Serien

In diesem Kapitel wird zunächst eine Definition von Serien vorgenommen, welche zur Einordnung der Beispielserie in Kapitel 3 dienen soll. Außerdem wird kurz auf die Dramaturgie von Serien eingegangen sowie deren Narration, mit den Schwerpunkten Motiv, Absicht, Ziel, Störung und Wendung.

2.1 Ansätze zur Definition von Serien

In seinem Buch Es wird dein Leben! Familienserien im Fernsehen und im Alltag der Zuschauer (1994) zeigt Lothar Mikos verschiedene Ansätze zur Definition von Serien auf. Diese stehen vor allem mit der Geschichte der Serie in einer engen Verbindung. So bilden die Fortsetzungsgeschichte bzw. der Fortsetzungsroman, die im frühen 19. Jahrhundert erstmals periodisch in Zeitungen gedruckt wurden, den Ursprung der heutigen Fernsehserie (vgl. Mikos, 1994, S. 129 ff.). Diese Fortsetzungsgeschichten waren durch zwei verschiedene Formen gekennzeichnet: Episoden aus dem Heldenleben, die in jeder Folge ihr Ende oder eine Lösung fanden oder in sich abgeschlossene Geschichten, die auf mehrere Folgen aufgeteilt wurden (vgl. ebd., S. 135).

Darauf aufbauend nennt Mikos zwei Ansätze für eine mögliche Definition von Serien. Zum einen von Cantor/Pingree (vgl. 1983, S. 22 ff.). Sie unterscheiden die Serienformen in

„‚mini-series‘, die eine abgeschlossene Geschichte von Anfang bis Ende in mehreren Folgen erzählen, [.] ‚episodic series‘, bei denen in jeder Folge einzelne Episoden abgeschlossen werden und [.] ‚serials‘, die unabgeschlossene Geschichten erzählen“ (Mikos, 1994, S. 135).

Zum anderen beschreibt Mikos einen Ansatz von Geraghty (vgl. 1981, S. 9 ff.), da die Definition von Cantor/Pingree die formalen und inhaltlichen Unterschiede zwischen Nachmittags- und Abendserien nicht berücksichtigen. Geraghty hingegen formuliert als die drei wesentlichen Serien-Charakteristika „die Organisation der Zeit, den Eindruck einer Zukunft (‚sense of a future‘) und das Verweben einzelner Geschichten (‚interweaving of stories‘)“ (Mikos, 1994, S. 135). Lothar Mikos selbst hat beide Konzepte von Cantor/Pingree und Geraghty ergänzt bzw. erweitert. Dem Ansatz von Geraghty fügt er „ein viertes Moment“ (ebd., S. 136) hinzu, nämlich die Verbindung der Personen innerhalb einer Serie auf einer sozialen und räumlichen Ebene. Diese Ebenen werden in Serien durch Ehe-, Familien-, Hausgemeinschaften, Kollegen und Freundeskreise dargestellt (vgl. ebd.). Bei dem Versuch einer formalen Aufteilung von Serien als narrative Programmformen lehnt Mikos seine Definition stark an Cantor/Pingree an (vgl. ebd., S. 136 f.). Er unterscheidet in den Mehrteiler „mit einer abgeschlossenen Geschichte, die von Anfang bis Ende erzählt wird“ (Mikos, 1994, S. 136), die Reihe, „in der einzelne Episoden aus dem Leben der Protagonisten erzählt werden“ (ebd., S. 137) und die Serie, „die eine offene, zukunftsorientierte Geschichte erzählt, die prinzipiell auf Unendlichkeit angelegt ist“ (ebd.).

Auch Robert Nelson (2013) definiert verschiedene narrative Formen für Serien. Dazu bemerkt er, dass das Fernsehdrama bis zur Jahrtausendwende nur kleine Veränderungen in seiner „narrativen Ökonomie“ (Nelson, 2013, S. 21) erlebte. Neue Formen der Narration haben sich vor allem durch technologische Entwicklungen in der Fernsehindustrie ergeben und damit die Produktion und Distribution beeinflusst (vgl. ebd.). Da das Fernsehen nach wie vor ein Massenmedium ist, bedarf es nach Nelson „der Entwicklung besonderer Formen der offenen Erzählung“ (ebd., S. 21). Damit greift er jedoch schon vor, denn als erste narrative Form benennt er den klassischen Handlungsbogen im Fernsehspiel (vgl. ebd., S. 22), der einer einfachen Dramenkurve eines Fünf-Akt-Schemas entspricht und nur einen einzigen Handlungsbogen besitzt. Das Fernsehspiel als solches unterscheidet sich vom Theater lediglich durch das vorgegebene Zeitfenster von 30 bis 60 Minuten und die Verwendung von Cliffhanger vor Werbepausen bei kommerziellen Sendern (vgl. ebd., S. 23). Als zweite narrative Form nach Nelson sei die Flexi-Narrative genannt. Bei dieser unterscheidet Nelson zunächst ebenfalls zwischen series und serial, wobei series die abgeschlossenen Episoden ohne offenes Ende sind und serials Handlungsbögen über mehrere Episoden haben. Da beide Formen alleinstehend nachteilige Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten der Zuschauer haben – bei series fehlt der Anreiz zum Wiedereinschalten der Serie, bei serials wird bei z.B. einer verpassten Episode tendenziell nicht wiedereingeschalten – empfiehlt Nelson die Kombination beider Formen, um die jeweiligen Vorteile zu verbinden. Daraus resultiert die Flexi-Narrative, die häufig in Krankenhausserien Anwendung findet (vgl. ebd., S. 23 f.). Als dritte Form der Narration in Serien definiert Nelson langformatige High-End-Dramaserien. Mit dieser Kategorisierung meint er „ein hochwertiges Konzept und hohe Produktionswerte aus Sicht der Industrie“ (ebd., S. 27). Zudem glaubt Nelson, dass „lange Formate am besten funktionieren, wo es eine episodische Series -Dimension in einer Flexi-Narrative -Form gibt“ (ebd.). Bei serials hingegen sollte die Länge vorher bekannt sein – wenn dies nicht umsetzbar ist, dann sollte zu Gunsten einer größeren Flexibilität auf die episodische series zurückgegriffen werden (vgl. ebd.). Der Vorteil für Fernsehserien liegt schließlich darin, dass im Laufe der Produktion der verschiedenen Staffeln die narrative Form geändert werden kann, was nicht zuletzt mit der Bindung der Zuschauer an die Sendung und den Sender in einem Zusammenhang steht (vgl. ebd., S. 27 f.).

2.2 Dramaturgie und Narration in Serien

2.2.1 Seriendramaturgie

Lothar Mikos geht in seiner Abhandlung von 1994 davon aus, dass es neben einer Vielzahl an Reihengenres, wie Detektivreihen oder Krankenhausreihen, nur ein wirkliches Seriengenre gibt, nämlich die Familienserie (vgl. Mikos, 1994, S. 138 f.). Damit meint er jedoch weniger die Familie in einem „streng soziologischen Sinn“ (ebd., S. 139), sondern eher die Beziehung zwischen Objekten und Figuren auf einer psychoanalytischen Ebene (vgl. ebd.). Mikos behauptet zudem, dass der familiäre Rahmen am geeignetsten dazu sei, um die „Entwicklung der quasi unendlichen Geschichte“ (ebd.) einer Serie voranzutreiben. Mikos definiert das Seriengenre der Familienserie folgendermaßen:

„Eine Familienserie ist ein narratives Genre, in dem eine oder mehrere Familien im Mittelpunkt stehen. Die Familien sind an einen Ort, die Heimstatt der Familie, gebunden. Das Leben der Familien verläuft zyklisch und ist zukunftsorientiert, also prinzipiell nicht abgeschlossen. Zentrales Element der Erzählung sind die familialen Interaktionsstrukturen, die sich aus den Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder untereinander, der Beziehungen zu anderen Familien oder sonstigen dritten Personen ergeben. Dabei spielen glückliche wie tragische Momente, Konflikte und Probleme eine entscheidende Rolle“ (Mikos, 1994, S. 139).

Aufbauend auf dieser Definition der Familienserie hat Mikos ebenfalls die Dramaturgie in Serien dieser Art untersucht (vgl. ebd., S. 143 ff.). Ein besonderes Kennzeichen der Familienserie ist die Abgrenzung zu klassischen Dramen oder Hollywood-Filmen durch die ausbleibende Wiederherstellung der zerstörten Ordnung. Mikos bezeichnet die Familienserie auch als die „Verkörperung der permanent gestörten Ordnung schlechthin“ (ebd., S. 143). Dadurch, dass jedwede Lösung von Problemen einen Anlass für neuen Konfliktstoff bietet, wird die Handlung dramatisiert und somit auf Endlosigkeit ausgelegt. Mikos verwendet an dieser Stelle den Begriff der „sozialen Dramen“ nach Turner, welche vier Phasen aufweisen (vgl. Turner, 1989, S. 110 ff.):

1. Bruch (einer sozialen Norm, eine Regelverletzung, ein Verstoß gegen ein Gesetz, einen Brauch oder gegen die Etikette),
2. Krise,
3. Bewältigung und
4. Reintegration oder Anerkennung der Spaltung.

Entscheidend in der Handlung sozialer Dramen bzw. in Familienserien ist jedoch nicht der Konfliktauslöser an sich, sondern die Art und Weise wie Protagonisten mit der Konflikt-situation umgehen (vgl. Mikos, 1994, S. 144). Somit handeln Familienserien vordergründig von den persönlichen Schicksalen der Protagonisten, ihren Leidenschaften und der psychologischen Verarbeitung ihrer Probleme (vgl. ebd., S. 149). Die Konflikte werden hingegen immer aus der Sicht aller beteiligten Figuren der Serie geschildert (vgl. ebd.).

Wie auch Nelson (2013) in seiner Definition von Serien anklingen lässt, schreibt Douglas (2007, S. 19) von der Existenz verschiedener Aktschemata in Serien. So wurden einzelne Episoden lange Zeit in vier Akte aufgeteilt, bedingt durch die vorgegebenen viertelstündigen Werbepausen kommerzieller Fernsehsender. Vor den Unterbrechungen konnten somit Cliffhanger oder auch Plot Points bzw. Wendepunkte eingebaut werden, die beim Zuschauer Spannung erzeugen. Die Entwicklung ging schließlich hin zu Episoden in fünf Akten, entsprechend einer klassischen Dramenkurve. Der amerikanische Fernsehsender ABC beantragte 2006 sogar Episoden in sechs Akten und eine eher seltene Sieben-Akt-Struktur bildete sich heraus (vgl. ebd., S. 19). Douglas fügt jedoch hinzu, dass Serien nicht-kommerzieller Fernsehsender, kurz Pay-TV, nicht an Werbepausen gebunden und daher eher wie Spielfilme aufgebaut sind (vgl. ebd., S. 20).

Vivien Bronner geht in der Seriendramaturgie einen Schritt weiter und zeigt zwei dramaturgische Serienkonzepte auf: Quest und Daily Struggle. Quests sind von einem Ziel, einem Auftrag, einer Mission geprägt, die von einem oder mehreren Protagonisten verfolgt werden (vgl. Bronner, 2004, S. 103 f.). Das Team der Serie agiert im Hauptplot, ihm gegenüber steht der Antagonist, der von außen in die Geschichte eingreift und kein beständiger Charakter der Serie ist (vgl. ebd.). Das Serienkonzept Daily Struggle beschreibt einen alltäglichen Kampf, den Konflikt der Protagonisten untereinander, wobei es keinen Antagonisten von außen gibt (vgl. ebd., S. 104 f.). „Eindringlinge von außen sind nicht nötig oder nur Auslöser für Konflikte innerhalb der festen Besetzung“ (ebd., S. 105). Zur Seriendramaturgie zählt Bronner außerdem den Hauptkonflikt und den inneren Konflikt (vgl. ebd., S. 109 ff.). Der Hauptkonflikt, in welchem der Protagonist gegen den Antagonist kämpft, wird nie aufgelöst. Sofern der Konflikt bereits zu Beginn der Serie mit einer möglichen Lösung präsentiert wird, besteht die Gefahr, dass die Serie ihre Hauptspannung verliert und schließlich kein Potenzial für eine Weiterführung bietet. Der innere Konflikt bezieht sich zumeist auf den Protagonisten und wird ebenfalls entweder nie gelöst oder in jeder Episode aufs Neue, z.B. durch die Konfrontation der Figur mit ihren Ängsten.

2.2.2 Narration in Serien

Figuren sind für die Narration einer Serie unerlässlich.

„Präsentiert die Serie eine ganze Gruppe von wichtigen Figuren, so ist zu entscheiden, in welchem Maße sie zusammenarbeiten sollen. Die Kollaboration ist eine praktische Methode, um viele verschiedene Handlungslinien gleichzeitig voranzutreiben, ohne die Dosis zu überschreiten, die in einer Folge Platz hat“ (Smith, 2010, S. 109).

Smith schreibt jedoch auch, dass sich die Differenzen zwischen den Protagonisten nach einiger Zeit erschöpfen und nicht mehr ausreichend Konfliktpotenzial bieten können (vgl. ebd., S. 97). Daher müssen Charaktere auch oft aus einer Serie ausscheiden – nur selten betrifft dies die Protagonisten, denn diese gelten als „unverwundbar“ (ebd., S. 112). Deswegen meint Smith, ist es die Aufgabe der Gast-Darsteller in Serien zu sterben (vgl. ebd.).

Figuren sind die Objekte, mit denen in Serien erzählt wird. Die Frage, wie erzählt wird, fasst Mittell (2012) für zeitgenössische Serien unter dem Begriff der narrativen Komplexität, einem Erzählmodus, zusammen. Mittell bemerkt dazu, dass es ungeeignet ist, das narrato-logische Modell geschlossener Spielfilme einfach auf langfristige Serien zu übertragen (vgl. Mittell, 2012, S. 98), da Spielfilme gerade für narrative Komplexität weniger empfänglich sind als Fernsehserien (vgl. ebd., S. 102). Die komplexe Narration macht sich in Fernsehserien vor allem durch das Abweichen von Regeln bemerkbar und grenzt sich somit von konventionsgesteuerten, herkömmlichen Serien ab (vgl. ebd., S. 100). Bezogen auf die rein formalen Aspekte von Serien sieht Mittell in der narrativen Komplexität die „Verschiebung des Gleichgewichts“ (ebd., S. 105) zwischen Episoden- und Fortsetzungs-serien, wie sie zuvor u.a. von Mikos definiert wurden. Das heißt, es ergibt sich ein „Wechselspiel zwischen episodischem und fortsetzungsorientiertem Erzählen“ (ebd., S. 106).

Mittell nennt weiterhin fünf Erzählstrategien zur Umsetzung narrativer Komplexität (vgl. ebd., S. 115): Zum einen ist es möglich, Änderungen in der Chronologie der Erzählung, so genannte Analepsen, vorzunehmen. Durch Rückblenden lassen sich die Backstory bzw. die Backstorywound (vgl. Krützen, 2004) der Figuren darstellen. Rückblenden erleichtern die Umsetzung diverser Aspekte der Gesamtstory, die in den reinen Plot so nicht eingebaut werden können. Als dritte Erzählstrategie können Traum- oder Fantasiesequenzen alternative Handlungsstränge ausdrücken und damit den Plot erweitern. Zudem kann ein und dieselbe Geschichte aus mehreren Blickwinkeln verschiedener Figuren erzählt werden. Als letzte und fünfte Strategie nennt Mittell die Voice-Over-Narration. Viele Serien bedienen sich dieser Strategie, um einer Episode einen Rahmen zu geben. Die Voice-Over-Narration funktioniert wie ein allwissender Erzähler, hat Einfluss auf den Tonfall der Sendung und liefert erklärende Übergänge zwischen einzelnen Episoden (vgl. Mittell, 2012, S. 115).

Jason Mittell weist aber auch darauf hin, dass Zuschauer durch narrative Komplexität und unkonventionelle Erzählstrukturen teils verwirrt werden. Oftmals fehlen explizite Wegweiser, wodurch „Momente narrativer Desorientierung“ (ebd., S. 116) geschaffen werden.

2.3 Elemente des Storytellings

Das nachfolgende Kapitel gibt einen tieferen Einblick in die Möglichkeiten des Geschichtenerzählens. Die herausgearbeiteten Aspekte dienen als Grundlage für die Analyse in Kapitel 3. In den folgenden Abschnitten werden die narrativen Elemente Motiv, Absicht, Ziel und Störung sowie weitere untergeordnete Elemente betrachtet. Dabei werden vor allem die Ausführungen von Eugene Vale (1992) dargelegt. Zwar bezieht Vale seine Erkenntnisse vor allem auf den abgeschlossenen Film – die Autorin der vorliegenden Arbeit ist jedoch der Meinung, dass diese narrativen Konzepte auch grundlegend auf Fernsehserien übertragen werden können. Bei Abweichungen wird jedoch an entsprechender Stelle darauf hingewiesen.

2.3.1 Das Motiv

Vale erklärt zunächst den Zusammenhang zwischen den genannten narrativen Elementen:

„Ein Handlungsmotiv kann zu einer Handlungsabsicht führen. Bevor wir handeln, müssen wir die Absicht haben zu handeln. Einer Absicht liegt immer der Wunsch zugrunde, ein bestimmtes Ziel zu erreichen“ (Vale, 1992, S. 122).

Dabei gibt es auch eine festgelegte Reihenfolge, in der die Elemente in einer Handlung auftreten: Motiv, Absicht, Ziel.

Laut Vale handelt kein menschliches Wesen ohne Motive (vgl. ebd., S. 123 ff.). Zudem gibt es zwei verschiedene Arten von Motiven, Affinität und Repulsion. Affinität meint den Wunsch von Figuren mit etwas verbunden zu sein, z.B. mit einer anderen Person durch das Empfinden von Liebe. Repulsion hingegen bezeichnet den Wunsch nach Trennung, zumeist wenn sich zwei Figuren hassen, also Feinde sind. Prinzipiell gehen Motive mit Schmerz bzw. der Angst vor Schmerz einher. Mit Schmerz meint Vale an dieser Stelle, wenn zwischen zwei Figuren der jeweils entgegengesetzte Zustand von Affinität oder Repulsion herrscht. Tritt der schmerzliche Zustand ein, z.B. wenn zwei Feinde aufeinander treffen oder zwei sich Liebende getrennt werden, entsteht das Motiv (vgl. ebd., S. 124).

2.3.2 Die Absicht

Die Absicht meint jegliche Handlungen, die auf die Zukunft gerichtet sind und tritt auf unterschiedliche Art und Weise in Erscheinung (vgl. ebd., S. 125). Sie kann (un-)bewusst, (un-)freiwillig, direkt oder indirekt, offensichtlich oder versteckt sein (vgl. ebd., S. 125). Jedoch ist nach Vale die bewusste Absicht am wichtigsten für eine Geschichte, denn sie spiegelt die „Durchsetzung des menschlichen Willens“ (ebd., S. 125) wider. Außerdem muss eine Absicht nicht immer zum gewünschten Ergebnis führen – „Beabsichtigtes kann eintreten oder vereitelt werden“ (Vale, 1992, S. 126), denn zwischen Absicht und Ziel sind jederzeit Hindernisse möglich. Des Weiteren beschreibt Vale die Absicht als den einzigen „Konfliktauslöser und das einzige Element, das in die Zukunft führt“ (ebd., S. 126). Konflikte entstehen also, wenn unterschiedliche Absichten aufeinander treffen.

2.3.3 Das Ziel

„Das Ziel ist ein in der Zukunft liegendes Ergebnis“ (Vale, 1992, S. 127). Ein Ziel besteht aus den Komponenten Abstand und Wegrichtung. Damit meint Vale vor allem den Abstand zwischen Motiv und Ziel, die so genannte Absichtsdauer. „Motiv und Ziel können ebenso nahe beieinander liegen oder aber mit einem größeren zeitlichen Abstand aufeinander folgen“ (ebd., S. 127). Ein Ziel kann von mehreren Personen gleichermaßen verfolgt werden, denn gemeinsame Ziele stellen Verbindungen zwischen Figuren her. Ungleiche Ziele zwischen Figuren wirken hingegen repulsiv. Vale betont aber, dass es für die Dramaturgie wichtig ist, „Absichten von Personen auf dasselbe Ziel auszurichten“ (ebd., S. 128), da sonst zu unterschiedliche Handlungsbögen entstehen, die den Zuschauer verwirren können.

2.3.4 Die Störung und der ungestörte Zustand

Wenn in Filmen wie auch in Serien eine Störung in der Handlung auftritt, dann muss zuvor ein ungestörter Zustand geherrscht haben. Dieser ungestörte Zustand impliziert, dass „kein Motiv für ein Handeln“ (Vale, 1992, S. 130) vorhanden ist, woraus sich ebenfalls keine Ereigniskette bilden kann. Die absolute Ungestörtheit ist jedoch weder im Film noch in Serien möglich und kann lediglich als Einleitung für eine Geschichte dienen (vgl. ebd., S. 131). Der ungestörte Zustand muss allerdings nicht im gegenwärtigen Plot dargestellt werden, sondern kann z.B. auch in Form von Flashbacks angedeutet werden (vgl. ebd.). Die Störung selbst wird schließlich durch zwei Faktoren hervorgerufen: Ein Objekt bzw. eine Figur, die Liebe oder Hass empfindet und ein Objekt bzw. eine Figur, die diese emotionalen Zustände auslöst. Letztendlich müssen diese beiden Faktoren so ausgestaltet sein, dass sie Affinität oder Repulsion erzeugen (vgl. ebd.). Eine Störung muss über die gesamte Länge der Geschichte andauern (vgl. ebd., S. 133), d.h. gerade bei Serien, die zunächst erst einmal unbegrenzt in ihrer staffelweisen Dauer sind, muss die Störung so komplex sein, dass sie über mehrere Staffeln hinweg anhält. Um das zu gewährleisten, müssen in der Handlung Ereignisse stattfinden, die jeglichen Repulsions- oder Affinitätskräften entgegenwirken (vgl. ebd., S. 134). Das Ergebnis einer jeden Störung ist jedoch, dass nur eine Kraft bestehen kann: Entweder die Affinität oder die Repulsion (vgl. ebd.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Absicht - Ziel - Störung - Wendung. Eine Sendungsanalyse am Beispiel der Serie "Revenge"
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Department für Medien und Kommunikation)
Veranstaltung
Mediendramaturgie
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
29
Katalognummer
V294859
ISBN (eBook)
9783656926948
ISBN (Buch)
9783656926955
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Serien, TV, Sendungsanalyse, Narration, Qualitätsserien, Revenge
Arbeit zitieren
Marie-Kristin Kirschning (Autor:in), 2014, Absicht - Ziel - Störung - Wendung. Eine Sendungsanalyse am Beispiel der Serie "Revenge", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/294859

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