Das Recht der Frauen auf Erwerb. Die Geschichte von 150 Jahren Frauenerwerbsfrage


Essay, 2015

15 Seiten


Leseprobe


Debatten, Entwicklungen, Wegmarken (1865-2015)

Der Kampf für das Recht auf Erwerb, für die angemessene Anerkennung weiblicher Arbeit und ihre gerechte Entlohnung war von Anfang an eine zentrale Forderung der Frauenbewegung. Vor 150 Jahren, auf der ersten deutschen Frauenkonferenz in Leipzig 1865, gründete Louise Otto-Peters zusammen mit anderen Weggefährtinnen den „Allgemeinen Deutschen Frauenbund“ (ADF) unter dem Motto „Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen!“ In ihrer Eröffnungsansprache forderte sie: „Menschen werden wollen die Frauen und teilnehmen am Kranz der Arbeit und des Sieges.“ Der ADF deklarierte die Erwerbsarbeit zur „Pflicht und Ehre des weiblichen Geschlechts“ und forderte die „Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihren der Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen.“ Neben den Bildungsbestrebungen war die Erwerbsarbeit für Frauen das wichtigste Vereinsziel. Da die Frauenversammlung in Leipzig während des Jahrestages der Leipziger Völkerschlacht stattfand, wurde sie von der Presse höhnisch als „Leipziger Frauenschlacht“ tituliert.

1866, ein Jahr nach Gründung des ADF, veröffentlichte Louise Otto-Peters ihre Abhandlung „Das Recht der Frauen auf Erwerb. Blicke auf das Frauenleben der Gegenwart“. Die politische Denkerin und Wegbereiterin der deutschen Frauenbewegung setzte sich in dieser Schrift vehement für das Recht der Frauen auf eigenen Erwerb und eine eigene Berufsausübung ein. Bereits 1865 hatte sie zusammen mit Auguste Schmidt, Ottilie von Steyber und Henriette Goldschmidt den „Leipziger Frauenbildungsverein“ und dessen Presseorgan „Die neuen Bahnen“ gegründet, das sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1895 redigierte.

Die von dem Philosophen Ernst Bloch als rote Demokratin charakterisierte Louise Otto-Peters wurde 1819 in Meißen als engagierte sozialkritische Schriftstellerin des Vormärz geboren. Als der liberale Politiker, Publizist und Verleger Robert Blum im Jahr 1843 in den „Sächsischen Vaterlandsblättern“ die Frage nach der Teilnahme der weiblichen Welt am Staatsleben stellte, antwortete ihm „ein sächsisches Mädchen“ mit dem folgenden Kommentar: „Die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht.“ Hinter dem Pseudonym des „sächsischen Mädchens“ verbarg sich Louise Otto-Peters, die bereits in früher Jugend für die Gleichstellung der Frau eintrat. In der ersten öffentlichen Versammlung des Leipziger Frauenbildungsvereins formulierte sie 1865 folgende prägnante Forderung: „Wir verlangen nur, dass die Arena der Arbeit auch für uns und unsere Schwestern geöffnet werde.“ In ihrer Rede, die sie auf der ersten deutschen Frauenkonferenz hielt, forderte sie, dass die Frauen das Recht haben müssten, „sich aus der bisherigen Unterordnung zu der ihnen gebührenden Gleichberechtigung neben dem Manne emporzuheben.“ Und sie fügte hinzu:

„Bewusstes Handeln, das ist es, was uns vor allem fehlt: über das spezifisch Weibliche wird das Menschliche vergessen. Einen neuen Lebensodem wird die Wiedergeburt der Frau in die Schöpfung bringen; Menschen werden wollen die Frauen und teilnehmen am Kranz der Arbeit und des Sieges.“1

Um etwa die gleiche Zeit richtete in Berlin der Präsident des „Centralvereins in Preussen für das Wohl der arbeitenden Klassen“, Dr. Adolf Lette, an den Vorstand des Zentralvereins eine „Denkschrift über die Eröffnung neuer und die Verbesserung der bisherigen Erwerbsquellen für das weibliche Geschlecht.“ In dieser Denkschrift wurde aber auch deutlich gesagt, was nicht geplant war: „Was wir nicht wollen und niemals, auch nicht in noch so fernen Jahrhunderten wünschen und bezwecken, ist die politische Emanzipation und Gleichberechtigung der Frauen.“

Der Lette-Verein, wie er bald nach seinem Präsidenten genannt wurde, war ein bürgerliches Unternehmen, das zur wirtschaftlichen Selbständigkeit der ledigen Frauen aus den Mittelschichten beitrug, was ein großer Gewinn war. Dennoch wurde er nicht von dem liberalen Geist geprägt, der die Leipziger Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins so nachhaltig prägte.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert äußerten sich auch andere Politiker und Wissenschaftler zur Frage der Berufstätigkeit von Frauen. August Bebel, der von Louise Otto-Peters geschätzte Vorsitzende des Leipziger Arbeiterbildungsvereins und spätere sozialdemokratische Parteivorsitzende, widmete sich der Frauenfrage in seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“:

„Die Frau in der neuen Gesellschaft ist sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig, sie ist keinem Schein von Herrschaft mehr unterworfen, sie steht dem Mann als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin ihrer Geschicke. Sie wählt für ihre Tätigkeit diejenigen Gebiete, die ihren Wünschen, Neigungen und Anlagen entsprechen und ist unter den gleichen Bedingungen wie der Mann tätig.“2

Eine Analyse der häuslichen Arbeit nahmen ebenfalls Karl Marx und Friedrich Engels vor. Engels konstatierte in seiner Schrift „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“:

„Die Befreiung der Frau wird erst möglich, sobald diese auf großen, gesellschaftlichen Maßstab an der Produktion sich beteiligen kann, und die häusliche Arbeit sie nur noch in unbedeutendem Maß in Anspruch nimmt.“3

Auch andere führende Persönlichkeiten der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert haben sich mit der beruflichen Situation von Frauen und der Erwerbsfrage befasst.

Für den Frühfeminismus in Deutschland werden – neben Louise Otto-Peters - vor allem drei Frauen genannt, deren Schriften einen großen Einfluss auf die Frauenbewegung und die weitere Entwicklung der beruflichen Stellung der Frau hatten. Dabei handelt es sich um Henriette Goldschmidt und ihre Schrift „Die Frauenfrage innerhalb der modernen Kulturentwicklung“ (1877), um die Wegbereiterin der höheren Mädchenbildung Hedwig Kettler und ihre beiden Texte „Die Konkurrenz der Frau“ (1890) und „Gleiche Bildung für Mann und Frau“ (1891) sowie Hedwig Dohm und ihre drei Schriften „Erziehung zum Stimmrecht der Frau“ (1908), „Eine Nachlese zum Frauenstimmrecht“ (1918) und „Die Idealisten des Antifeminismus“ (1912). Hedwig Dohm forderte in ihren Texten das Selbstbestimmungsrecht für Frauen, das Stimmrecht, die Zulassung zur Berufsausbildung, die Zulassung zu den Hochschulen und das Recht zu beruflicher Betätigung. In ihrer Sammlung polemischer Aufsätze, die 1901 unter dem Titel „Die Antifeministen“ erschien, schrieb sie:

„Mehr Stolz ihr Frauen! Wie ist es möglich, dass ihr euch nicht aufbäumt gegen die Verachtung, die euch noch immer trifft. Auch heute noch? Ja, auch heute noch. Revolutionen werden nicht mit Rosenwasser gemacht. Es braucht aber nicht gerade Blut zu sein. Die Zeit ist die größte Revolutionärin; nur schreitet ihr eherner Schritt langsam, langsam aufwärts. Und das ist die tiefe Tragik der Vorausdenkenden, dass sie ihre Zeit nie erleben, das heißt, sie kommt erst, wenn sie gegangen sind.“4

Zugleich richtete sich die Verfasserin dieser Zeilen immer wieder mit Fragen und Appellen an ihre Leserinnen:

„Warum lernt ihr eure Kraft nicht kennen, warum geratet ihr nicht in Wut, meine sanften Schwestern, auch dann nicht, wenn der ehrenwerte Herr dekretiert, dass „die Frau nur Pflichten hat, aber keine Rechte“. Wer verweigert euch Rechte? Der Mann. Kann er das? Ja, er macht die Gesetze. So entrafft ihm das Monopol der Gesetzgebung (und müsstet ihr als Suffragettes die Werbetrommel rühren). Monopole sind Hemmschuhe für die Entwicklung. Mit diesem Monopol bildet das starke Geschlecht einen Männertrust, der sich gegen die Beteiligung der Frau an den gewinnbringenden Geschäften des Lebens wendet.“5

In der Zeit von 1890 bis 1908, in der die Mehrzahl der genannten Schriften verfasst wurde, erfuhr die Frauenbewegung einen großen Aufschwung. Zahlreiche Frauenvereine bildeten sich und es gab eine Vielfalt an Forderungen. Dabei ging es nicht nur um gesetzliche, ökonomische und politische Gleichstellung der Frauen, sondern auch um das Erwachen und Bewusstwerden einer freien, eigengesetzlichen Persönlichkeitsbildung und der Teilnahme an der Gestaltung der Gesellschaft.

[...]


1 Louise Otto-Peters: Das erste Vierteljahr im Deutschen Frauenverein, Leipzig 1890, S. 34.

2 August Bebel: Die Frau und der Sozialismus, Stuttgart 1921, S. 474.

3 Friedrich Engels Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, Zürich 1884, S. 181.

4 Hedwig Dohm: Die Antifeministen, Berlin 1901, S. 164.

5 Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Recht der Frauen auf Erwerb. Die Geschichte von 150 Jahren Frauenerwerbsfrage
Autor
Jahr
2015
Seiten
15
Katalognummer
V294298
ISBN (eBook)
9783656919971
ISBN (Buch)
9783656919988
Dateigröße
383 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Recht auf Erwerb, Feminismus, Frauenrechte, Gleichstellung, Frauenbewegung
Arbeit zitieren
Nicola Hille (Autor:in), 2015, Das Recht der Frauen auf Erwerb. Die Geschichte von 150 Jahren Frauenerwerbsfrage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/294298

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