Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen. Chancen der Suizidprävention an Schulen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen

3. Suizidtheorien

4. Suizide bei Kindern und Jugendlichen
4.1 Schwierigkeiten des Kindes und Jugendalters
4.2 Suizide bei Kindern und Jugendlichen

5. Suizidpräventionsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche
5.1 Suizidprävention allgemein und deren Anwendung auf Kinder und Jugendliche
5.2 Prävention im Schulalltag

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„In der Altersgruppe der 15- bis 20-jährigen sind Suizide seit Jahren die zweithäufigste Todesursache nach den tödlichen Verkehrsunfällen.“1 Diese vom Statistischen Bundesamt erfasste Tatsache zeigt, dass Suizidalität bei Jugendlichen kein Einzelfall ist. Bei der Frage, wie es kommen kann, dass eine erhebliche Anzahl an Jugendlichen beschließt ihr Leben zu beenden, kommt unweigerlich ebenso die Frage auf, wie dies verhindert werden kann.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Suizidalität von Jugendlichen und welche Chancen eine Suizidprävention, insbesondere mit der Erziehungsinstutition Schule, bringen kann. Um das Thema im Rahmen des Umfangs dieser Hausarbeit fassen zu können, sollen hierfür zunächst einige Begriffsbestimmungen gemacht werden. Dies sorgt vor allem dafür allgemeine Missverständnisse zu klären und die Verwendung der Begriffe festzulegen. Anschließend werden ausgewählte Suizidtheorien, verkürzt, in ihren einschlägigen Thesen dargestellt und auf ihre Anwendung auf Jugendliche geprüft. Dies soll die Basis sein, um Suizidalität bei Jugendlichen, zumindest annähernd, erklären zu können und mögliche Präventionsstrategien zu erarbeiten. Im Folgenden ist die Schwierigkeit des Kindes- und Jugendalters zu betrachten, da diese aufschlussreich zu den gegebenen statistischen Zahlen steht. Es wird erklärt, warum Kinder- und Jugendliche einen Ausweg im Suizid sehen und wie diese Denkweise zustande kommen kann. Erweitert wird darauf im Anschluss eingegangen, wobei nicht nur die Aspekte des Suizids bei Kindern und Jugendlichen aufgezeigt werden sollen, sondern auch deren allgemeines Verständnis für den Tod und das Leben Vor allem wird der Fokus hierbei auf die Jugendlichen gerichtet, da Suizide bei Kindern eine absolute Ausnahme darstellen. Ist das Phänomen der Kinder und Jugendsuizide erfasst, ist es dann möglich über Präventionsmöglichkeiten zu diskutieren. Hierfür sollen nicht nur die allgemeinen Präventionsmaßnahmen betrachtet werden, sondern insbesondere auf den Lernraum Schule eigegangen werden. Es wird diskutiert inwiefern Suizidprävention an Schulen betrieben werden kann und soll und wie dieses schwere Thema angegangen werden kann. Die Schule ist insofern für dieses Thema als wichtig anzusehen, weil Kinder und Jugendliche den größten Anteil ihres Tages an der Schule verbringen, aber auch weil sie dort die Einbindung in die Gesellschaft und mögliche Konflikte primär außerhalb der Familie erleben. Daher wird hier von einer großen Einflussmöglichkeit der Schule auf Jugendliche ausgegangen. Im Fazit sollen dann die Handlungsmöglichkeiten an Schulen und deren Auswirkungen diskutiert werden. Zudem muss die Frage gestellt werden, inwiefern es Lehrern, neben ihres Lehrauftrages, möglich ist, eine derartige pädagogische Leistung zu vollbringen.

In dieser Arbeit wird nicht auf die Religion einbeziehenden Aspekte eingegangen werden, da eine Suizidprävention erarbeitet werden soll, die auch außerhalb der Religion diskutiert werden kann.

2. Begriffsbestimmungen

Bevor auf verschiedene Suizidtheorien, die Suizidprävention, Suizidalität bei Kindern und JugendlLchen und die Einbindung der Schule in die Thematik eingegangen wird, sollen hier kurz einige Begriffe und deren Verständnisweise erläutert werden.

Unter Vuizidalen Gedanken wird eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema Tod oder dem Verlangen selbVW zu sterben bezeichnet.2

Suizidale Absichten entstehen beim Übergang von der gedanklichen Auseinandersetzung zum konkreten 3lanen weiterer Schritte des Suizids. Hierzu gehören die Organisation eines Suizidmittels, sowie die Planung des Suizids.3

Der Suizidversuch bezeichnet die tatsächliche Umsetzung der Suizidplanung4 Der Begriff impliziert, dass bei dem SuizidversucK die Durchführung des Suizids nicht erfolgt ist und der Suizident überlebt hat.

Eine Suizidhandlung ist „(…) jede gegen das eigene Leben gerichtete Handlung (…)“5. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Tod beabsichtigt wurde oder nicht oder ob sie zum Tod geführt hat oder nicht.6

Ferner muss zwischen den Begriffen Selbstmord, Freitod und Suizid unterschieden werden. Der Begriff Selbstmord drückt in sich eine ethische Verwerflichkeit aus.7 Zudem wird der Begriff häufig mit einem strafrechtlichen Tatbestand verbunden, der nicht nur die gesellschaftliche Tabuisierung des Themas sondern indirekt auch ein Verbot ausdrückt.8 Die Bezeichnung Freitod hingegen drückt im Akt der Selbsttötung die Freiheit des Menschen in den Vordergrund.9 Die Verwendung des Begriffes durch den Suizident erfolgt dann, wenn er vermitteln möchte, dass er sich selbst zu der Tat entschieden hat und keine Mitschuld anderer einbeziehen möchte.10 Außerdem enthält dieser Begriff die Gefahr der Heroisierung, da oftmals Menschen die sich für jemanden oder eine Sache opfern mit dem Freitod schmücken.11 Die Bezeichnung einer Selbsttötung als Suizid, ist die wertfreiHste.12 Dadurch wird eine Distanz zum eigentlich unmittelbaren Thema aufgebaut und eine wissenschaftliche Auseinandersetzung ermöglicht.13

Wie der Begriff Jugendlicher, aber auch das Jugendalter definiert wird hängt stark vom Wissenschaftsgebiet ab, da insgesamt keine Einigkeit darüber herrscht. Im juristischen Bereich gilt ein Mensch als Jugendlicher wenn er zwischen 14 und 19 Jahren alt ist.14 Für das angestrebte Untersuchungsgebiet ist diese Spanne aber zu eng. Die Definition des Jugendalters wird thematisch dadurch gekennzeichnet, dass es sich um ein psychisches „(…) Spannungsverhältnis[ses] zwischen Individuation (…) und Integration (…)“15 handelt. Es wird davon ausgegangen, dass ein Kind sich in der Altersspanne von 6 bis 12 Jahren befindet, ein Jugendlicher zwischen 13 und 20 und ein heranwachsender zwischen 20 und 27 Jahren.

Die Adoleszenz bezeichnet allgemein die Lebensphase, die für den Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenalter verantwortlich ist.16 Insgesamt wird in der Literatur über Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen oft über das Problem der Adoleszenz und nicht über die Probleme des Kinder und Jugendalters gesprochen. Die Adoleszenz beginnt mit der Pubertät und umfasst biologische, physiologische und psychologische Aspekte des Heranwachsens.17 Die Altersphase für die Adoleszenz beginnt mit dem 12. Lebensjahr und kann bis zum 24. Lebensjahr ausgedehnt sein.18 Der Begriff umfasst somit eine größere Spanne als die oben gekennzeichneten, beinhaltet dafür in seiner Definition eine allgemeine Bezeichnung dafür heranzuwachsen und sich zu einem Erwachsenen zu entwickeln.

Da nun ein Grundverständnis für die zu behandelnden Begriffe hergestellt wurde, kann nun auf eine ausführliche Diskussion verschiedener Suizidtheorien und ihre Anwendbarkeit auf Kinder und Jugendliche eigegangen werden.

3. Suizidtheorien

In diesem Kapitel sollen verschiedene Suizidtheorien in ihrem Kern erläutert werden. Sie werden nur auf ihre Hauptthesen hin dargestellt, da eine ausführliche Diskussion der Theorien das Maß dieser Arbeit überschreiten würde. Ferner soll ihre Anwendung auf das Thema Suizidalität bei Kindern und insbesondere Jugendlichen eingegangen werden. Besonders soziologische und psychologisch-, pychatrisch-, psychosoziale Erklärungsmodelle sind geeignet, um sich der Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen anzunähern.

Der Begründer der soziologischen Forschung Durkheim bezeichnet einen MenschHQ dann als suizidgefährdet, wenn er nicht ausreichend in die Gesellschaft integriert ist und isoliert wird.19 Der Integrationsgrad eines Menschen in einer Gruppe ist somit entscheidend und das Problem der Suizidalität in der Natur der Gesellschaft zu suchen.20 Auch wenn es sich bei Durkheim eher um eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung geht, die nicht das Individuum behandelt, ist sie doch auch auf Jugendliche anwendbar. In Betrachtung der Jugendgeneration als eigene Gesellschafsform mit ihren eigenen Schwerpunkten, wie Schule, Verein, Cliquen, dann ist es durchaus möglich eine Gefährdung der Jugendlichen zu sehen, wenn sie aus ihrer eigenen Gesellschaft ausgeschlossen werden. Denn auch hier kommt es zu einer drastischen Individuation, die zur sozialen Desintegration führt und so zu einer Gefährdung der inneren Verfassung.21 Diese eher oberflächliche These haben Gibbs und Martin ausgearbeitet zur Sozialen Statusintegration.22 Die Erweiterung liegt vor allem in der Kritik an Durkheim, dass kein Grad der Integration angegeben wurde, der keine Aussage über Ausgeschlossenheit oder Isolation macht.23 Einen weiteren Schritt macht Jacobs, indem er vom isolierenden Entwicklungsprozess spricht. Er legte eine Studie über Suizide und Suizidversuche von Jugendlichen in den USA an und stellte fest, dass der Suizidversuch seinen Ursprung darin hatte, dass ein subjektiver Prozess erhöhter Isolation stattgefunden hat.24 Er spricht von einer „langandauernden Problemgeschichte bis zum Einsetzen der Adoleszenz“.25 Diese Problemgeschichte besteht darin, dass es zu einer Eskalation von Problemen kommt, die bereits im Jugendalter begonnen haben. Der Mangel an Anpassungstechniken zur Bewältigung neuer und alter Probleme führt zum Beendigen aller sozialen Kontakte und einem Prozess der den Suizid zur Lösung zwischen Denken und Tat macht.26 Demnach gibt es vier Phasen der unangepassten Verhaltensweisen: Auflehnung, Rebellion, Rückzug und schließlich die Suizidhandlung.27 Ebenso für die Suizidalität bei Jugendlichen sind die Aussagen Beckers zu beachten. Er betrachtet den Suizid als extrem Form von „abweichendem Verhalten“28. Abweichendes Verhalten besteht, wenn sich jemand gegen die gesellschaftlich definierten Normen verhält. Demzufolge kann nur dann abgewichen worden, wenn zuvor Regeln und Normen erstellt werden.29 Kinder und Jugendliche sind vielen selbst aufgestellten Normen und Zwängen unterworfen. Dies bezieht sich nicht nur auf das Konsumverhalten, sondern auch die Freizeitaktivitäten und die Sprache sind bei Kindern und Jugendlichen stets Bestandteil dessen, ob man einer Gruppe angehört oder ausgeschlossen wird. Abgesehen von der Erklärung der Suizidalität gibt es auch Erklärungsansätze, die sich mit der Botschaft des Suizids auseinandersetzen. So beschreibt Douglas die Suizidhandlung als einen Hinweis auf die ungünstige Lage des Suizidenten und Kobler und Stotland erkennen die Suizidhandlung als Hilferuf und Appell an die soziale Umwelt.30 Auf diesen Aspekt wird an einem späteren Zeitpunkt nochmals genau eingegangen.

Psychologische Erklärungsansätze haben im Vergleich zu soziologischen Ansätzen das Individuum im Vordergrund. Daher wird der Suizid auch nicht vordergründig als eine Handlung aus einem Gesellschaftszwang heraus betrachtet, sondern als Individueller Prozess und individuelle Handlung. Vor allem mit Betrachtung der zunehmenden Schülersuizide setzte der psychoanalytische Verein Wiens mit den Individuellen Prozessen des Suizids auseinander. Bereits diese wiesen darauf hin, dass vieles in den Schulstrukturen als Suizidfördernd betrachtet werden muss.31 In der Aggressionstheorie Freuds kommt zum Ausdruck, dass ein Suizid dann entsteht, wenn ein Mensch Gewalt gegen sich richtet, die im Grunde einem anderen gilt.32 Beim Verlust einer geliebten Person kann es dabei zur Trauer kommen, die nach Freud nach einiger Zeit überwunden werden kann, oder aber zur Melancholie umschlagen, die zu einem verminderten Selbstwertgefühl und Selbstvorwürfen führt, die bis zur eigenen Vernichtung hin zermürbend sein können.33 Menninger greift diese Gedanken auf, und fügt hinzu, dass der eigentliche Hass auf ein äußeres Objekt, auf den Suizidenten umschlägt und der daraufhin erfolgte Suizid als lebenslange Strafe für das verhasste Objekt wirken soll.34 Stengel setzt sich vor allem mit dem Suizidversuch auseinander und erkennt ihn ihm einen „appellativen, lebensbejahenden Charakter“35 Er unterscheidet Jugendliche, die eine tatsächliche Suizidhandlung vollziehen von Jugendlichen, die einen Suizidversuch unternehmen und Jugendlichen, die ihr Überleben eines Suizidversuchs dem Schicksal überlassen und Gottes Willen als Überlebensgrund annehmen.36

[...]


1 Dr. med. Gabriele, Ellsäßer: Unfälle, Gewalt, Selbstverletzung bei Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse der amtlichen Statistik zum Verletzungsgeschehen 2011. Statistisches Bundesamt Wiesbaden 2013. S. 16, 38

2 Vgl. Birte, Hagenhoff: Umgang mit Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen. Landeshauptstadt Düsseldorf. Schulpsychologische Beratungsstelle. 2. Auflage. S. 2 - 11, S. 2

3 Vgl. Hagenhoff: Umgang mit Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen. S. 2

4 Vgl. Ebd. S. 2

5 Langer, Jürgen; Karl Frielingsdorf (Hg.): Auf Leben und Tod. Suizidalität bei Jugendlichen als Herausforderung für die Schülerseelsorge. Frankfurt am Main 2001. Europäischer Verlag der Wissenschaften. S.26 - 308,S. 35

6 Vgl. Ebd. S. 35

7 Vgl. Ebd. S. 35

8 Vgl. Ebd. S. 35

9 Vgl. Ebd. S. 36

10 Vgl. Ebd. S. 37

11 Vgl. Ebd. S. 37

12 Vgl. Ebd. S. 38

13 Vgl. Ebd. S. 38

14 Vgl. Ebd. S. 26

15 Vgl. Ebd. S. 26

16 Vgl. Helmut, Remschmidt: Adoleszenz. Seelische Gesundheit und psychische Krankheit. http://www.aerzteblatt.de/archiv/141051/Adoleszenz-seelische-Gesundheit-und-psychische-Krankheit (24.09.2014)

17 Vgl. Ebd.

18 Vgl. Ebd.

19 Vgl. Ebd. S.67

20 Vgl. Carolina, Zöschg - Schwienbacher: Suizid von Kindern und Jugendlichen unter pädagogischer und theologischer Perspektive. Brixen 1996. Konferenzblatt Beihefte 15. S. 13 - 64, S.13

21 Vgl. Ebd.S. 14

22 Vgl. Langer: Auf Leben und Tod. Suizidalität bei Jugendlichen als Herausforderung für die Schülerseelsorge. S. 67

23 Vgl. Ebd. S. 68

24 Vgl. Ebd. S. 68

25 Vgl. Ebd. S. 68

26 Vgl. Ebd. S.69

27 Vgl. Zöschg - Schwienbacher: S. 15

28 Vgl. Ebd. S.14

29 Vgl. Ebd. S.14

30 Vgl. Ebd. S.15

31 Vgl. Ebd. S. 17

32 Vgl. Ebd. S. 17

33 Vgl. Ebd. S. 17

34 Vgl. Langer: S. 71

35 Vgl. Zöschg - Schwienbacher:.S. 18

36 Vgl. Ebd. S.18

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen. Chancen der Suizidprävention an Schulen
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
Suizid, Suizidassistenz und Suizidverhütung
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
17
Katalognummer
V293903
ISBN (eBook)
9783656931560
ISBN (Buch)
9783656931577
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Suizid, Kinder, Jugendliche, Philosophie, Ethik
Arbeit zitieren
Käthe März (Autor:in), 2014, Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen. Chancen der Suizidprävention an Schulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293903

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