Steuerentzug und Steueroasen. Ausgewählte Modelle


Bachelorarbeit, 2013

79 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1. Einleitung

2. Steuerentzug: Steuerhinterziehung und Steuervermeidung
2.1 Was ist Steuerhinterziehung?
2.2 Das Grundmodell der Steuerhinterziehung von Allingham und Sandmo (1972)
2.2.1 Annahmen
2.2.2 Optimum
2.2.3 Ergebnis
2.2.4 Kritische Auseinandersetzung
2.3 Was ist Steuervermeidung? – Abgrenzung zur Steuerhinterziehung
2.4 Das Grundmodell der Steuervermeidung von Cross und Shaw nach Wrede (1993)
2.4.1 Annahmen
2.4.2 Optimum
2.4.3 Ergebnis
2.5 Modellvergleich und Überleitung

3. Steueroasen
3.1 Merkmale der Steueroasen
3.2 Bedeutung und Auswirkungen – Modelltheoretische Untersuchungen
3.2.1 Das Modell von Desai, Foley und Hines (2006b)
3.2.1.1 Annahmen
3.2.1.2 Ergebnis
3.2.1.3 Auswirkung einer Veränderung der firmenspezifischen Kosten auf ausländische Direktinvestitionen
3.2.1.4 Kritische Auseinandersetzung
3.2.2 Das Modell von SLEMROD und WILSON (2009)
3.2.2.1 Annahmen
3.2.2.2 Angebot der öffentlichen Güter im Gleichgewicht
3.2.2.3 Eliminierung der Steueroasen
3.2.2.4 Kritische Auseinandersetzung
3.2.3 Das Modell von Johannesen (2010)
3.2.3.1 Annahmen
3.2.3.2 Maximierungsproblem des multinationalen Unternehmens
3.2.3.3 Optimalitätsbedingungen
3.2.3.4 Symmetrisches Gleichgewicht
3.2.3.5 Asymmetrisches Gleichgewicht
3.2.3.6 Die Steueroase im Modell – Separierendes Gleichgewicht
3.2.3.7 Separierendes Gleichgewicht vs. symmetrisches Gleichgewicht
3.2.3.8 Separierendes Gleichgewicht vs. asymmetrisches Gleichgewicht
3.2.3.9 Zahlenbeispiel
3.2.3.10 Kritische Auseinandersetzung und Bezug zur Realität
3.3 Modellvergleich

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Auswirkung einer Erhöhung des Bruttoeinkommens auf den Steuervermeidungsanteil unter der Annahme steigender Grenzkosten

Abbildung 2: Skizzierung des asymmetrischen Gleichgewichts

Abbildung 3: Skizzierung des separierenden Gleichgewichts

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Steuern stellen Zwangsabgaben ohne direkte Gegenleistung dar. Sie werden unter anderem erhoben, um soziale Umverteilung zu organisieren und Leistungen der öffentlichen Hand zu finanzieren. Dabei werden Steuern zum Teil progressiv erhoben, was bedeutet, dass staatliche Leistungen zum Großteil von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen finanziert werden. Seit Erhebung der Steuer beschäftigen sich Individuen damit, der Steuer-last auszuweichen bzw. sich ihr zu entziehen1. Im Zuge der Globalisierung und der steigenden Mobilität des Kapitals ergaben sich jedoch sowohl für multinationale Unternehmen als auch für Privatpersonen neue Wege und Alternativen, welche den Steuerentzug vereinfachen und dadurch die Steuereinnahmen erheblich mindern. Einer dieser Wege ist die Verlagerung von Vermögen und Gewinnen in eine der Steueroasen, wo Kapital steuerfrei verwaltet bzw. vermehrt wird. Dies führt sowohl in Hochsteuerländern als auch in Entwicklungsländern zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe2. Die zunehmende Internationalisierung, die hohe Mobilität des Kapitals, die Informationsbereitstellung durch das Internet und nicht zuletzt der steigende Wettbewerb zwischen den rund 40 Steueroasen haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Nutzung der Steueroasen immer einfacher wird. Dies spiegelt sich auch in aktuellen Medienberichten wieder. Die Zahl der angeklagten Unternehmen und Privatpersonen, welche Vermögen in Steueroasen verlagert haben, nimmt stetig zu. Insbesondere Unternehmen werden jedoch immer kreativer, finden Schlupflöcher in den komplexen Steuersystemen und vermeiden Steuern in Millionenhöhe.

Die zunehmende Bedeutung der Steueroasen zeigt sich auch in der wissenschaftlichen Forschung. Diese hat in den letzten Jahren eine Vielzahl verschiedener Modelle hervor-gebracht, welche die Auswirkungen der Steueroasen auf die restlichen Länder untersuchen. Die Literatur kommt dabei zu keinem eindeutigen Ergebnis. Viele der Autoren3 beweisen sogar, dass die Gegenwart der Steueroasen positive Auswirkungen auf andere Länder haben kann.

Volkswirtschaftliche Problemstellungen wurden seit Entstehung der Volkwirtschaftslehre unter vereinfachten Annahmen modelliert und untersucht. Trotz der vereinfachten Annahmen lassen sich mit dieser Vorgehensweise volkswirtschaftliche Probleme erkennen, analysieren und lösen. Diese Arbeit analysiert mit Hilfe ausgewählter, aktueller Modelle die Auswirkungen der Steueroasen auf die wirtschaftliche Tätigkeit, Steuereinnahmen und Wohlfahrt in den restlichen Ländern. Da Steueroasen im Allgemeinen zur Minderung der Steuerlast genutzt werden und Beihilfe zur Steuerhinterziehung bzw. Steuervermeidung leisten, wird im ersten Teil dieser Arbeit zunächst auf die Problematik des Steuerentzugs eingegangen und dieser modelltheoretisch erläutert. Dabei soll der erste Teil zum besseren Verständnis der modelltheoretischen Überlegungen im zweiten Teil dieser Arbeit beitragen. Ziel dieser Arbeit ist es, mit Hilfe ausgewählter Modelle die bei Steuerhinterziehung und Steuervermeidung entscheidenden Faktoren zu erläutern, um darauf aufbauend die Auswirkungen der Steueroasen auf andere Länder modelltheoretisch untersuchen zu können4.

2. Steuerentzug: Steuerhinterziehung und Steuervermeidung

Steuern werden bei nahezu sämtlichen ökonomischen Aktivitäten durch den Staat erhoben. Obwohl Steuern Zwangsabgaben darstellen, deren Zahlung der Steuerpflichtige nicht verweigern kann, kann die Höhe der Steuerlast durch entsprechende Handlungen und Maßnahmen stark verändert werden. Zur Entstehung einer Steuerschuld muss zunächst ein Steuertatbestand erfüllt sein. Die Höhe der Steuerschuld ist abhängig von der Steuer-bemessungsgrundlage und dem Steuersatz. Auf den Steuersatz hat der Steuerpflichtige keinen direkten Einfluss, die Bemessungsgrundlage und damit die Steuerschuld kann jedoch durch legale und illegale Aktivitäten des Steuerpflichtigen verringert werden. Des Weiteren kann durch Falsch-Angabe oder Nicht-Angabe steuerlich relevanter Tatbestände erst gar keine Bemessungsgrundlage entstehen5.

Alle Aktivitäten, die dem Ziel der Reduktion der Steuerschuld eines Steuerpflichtigen dienen, werden in dieser Arbeit unter dem Begriff Steuerentzug subsummiert. Dieser in der Literatur selten verwendete Begriff soll in dieser Arbeit als Überbegriff der Steuerhinterziehung und Steuervermeidung dienen.

Die folgenden Kapitel definieren die Begriffe Steuerhinterziehung und Steuervermeidung und erklären aus modelltheoretischer Sicht, welche Faktoren die Entscheidung, Steuern zu hinterziehen bzw. zu vermeiden, begründen und beeinflussen.

2.1 Was ist Steuerhinterziehung?

Unter Steuerhinterziehung wird meist eine illegale Steuervermeidung in Abgrenzung von legalen Formen verstanden6. Die juristische Perspektive in Deutschland betrachtet die Steuerhinterziehung als einen Vorgang, bei dem der Steuerzahler gegenüber den Finanz-behörden falsche oder unvollständige Angaben macht oder relevante Tatsachen nicht angibt und dadurch Steuern verkürzt7 bzw. nicht rechtmäßige Steuervorteile erlangt. Dies kann mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden8. Dabei geht das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Vorsätzlichkeit des Handelns ein9. Laut Strafgesetzbuch ist grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln strafbar10. Dies gilt auch im Falle der Steuer-hinterziehung. Handelt der Steuerpflichtige fahrlässig, kommt allenfalls eine Ordnungs-widrigkeit in Betracht11. In der Praxis lässt sich jedoch in vielen Fällen nicht entscheiden, ob es sich um einen vorsätzlichen Betrugsversuch oder ein Versehen handelt. Angesichts der komplexen Steuergesetze ist ein Versehen nie auszuschließen. Diese Komplexität ist auch ein Grund dafür, warum viele Steuerpflichtige das Steuerrecht als ungerecht empfinden und die Hinterziehung von Steuern sogar legitimieren12. Sie vermuten, nicht alle legalen Steuer-minderungen nutzen zu können, da sie über entsprechende Gesetze nicht informiert sind und deshalb zu viel Steuern zahlen13. In den USA beispielsweise gaben im Jahre 1979 sechs Prozent der US-Steuerzahler ihr zu versteuerndes Einkommen zu hoch an, vermutlich unabsichtlich14.

Ob und in welchem Ausmaß Steuern hinterzogen werden, hängt von vielen Faktoren ab. Zur Darstellung dieser Problematik wurde im Jahre 1972 von Allingham und Sandmo ein Modell veröffentlicht, welches die entscheidenden Faktoren definiert und darauf aufbauend erklärt, ob und in welchem Ausmaß Steuern hinterzogen werden.

2.2 Das Grundmodell der Steuerhinterziehung von Allingham und Sandmo (1972)

Steuerhinterziehung ist ein individuelles Entscheidungsproblem unter Unsicherheit15. Jeder Steuerpflichtige kann unter Umständen durch Steuerhinterziehung einen höheren Nutzen bzw. ein höheres Nettoeinkommen erzielen, nämlich dann, wenn der Steuerbetrug nicht durch die zuständige Finanzbehörde aufgedeckt wird. Dies ist der Grundgedanke des Standardmodells eines rationalen Steuerhinterziehers von Michael G. Allingham und Agnar Sandmo. Es ist eines der bekanntesten Modelle über Steuerhinterziehung und wird in der Literatur oftmals zitiert und beschrieben.

2.2.1 Annahmen

Ausgangspunkt sei ein rationaler Steuerpflichtiger, der über ein exogenes Bruttoeinkommenverfügt, welches nur dem Steuerpflichtigen bekannt ist. Der Steuerpflichtige entscheidet über die Höhe des gegenüber den Finanzbehörden deklarierten Einkommensund kann zwischen zwei Strategien wählen:

1) Angabe des zu deklarierenden Einkommens in der Höhe des tatsächlichen Brutto-einkommens,.
2) Nicht-Angabe steuerlich relevanter Einkommensteile und damit Entscheidung zur Steuerhinterziehung, .

Strategie 1 impliziert also, dass keine Steuern hinterzogen werden. Entscheidet sich der Steuerpflichtige für Strategie 2, hängt die tatsächliche Steuerlast davon ab, ob er ertappt wird oder nicht. Dabei seidie Wahrscheinlichkeit, ertappt zu werden und demnachdie Gegenwahrscheinlichkeit.sei der gesetzliche Steuersatz auf das deklarierte Einkommen X. Entscheidet sich der Steuerpflichtige für Strategie 2 und wird ertappt, zahlt er eine Strafe, die sich aus der Multiplikation des Strafsatzesund dem Teil des Einkommens ergibt, welches nicht angegeben wurde. Dabei ist anzunehmen, dass der Strafsatz höher als der gesetzliche Steuersatz ist,. Fraglich ist nun, für welche Strategie sich der rationale Steuerpflichtige entscheiden wird bzw. wie hochgewählt wird, um den erwarteten Nutzenzu maximieren.

2.2.2 Optimum

Das Maximierungsproblem des rationalen Steuerpflichtigen lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur formalen Vereinfachung soll gelten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ableiten von Gleichung (1) nachergibt die Bedingung erster Ordnung für ein inneres Maximum:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bedingung zweiter Ordnung lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bedingung zweiter Ordnung ist aufgrund der Konkavität der Nutzenfunktion erfüllt.

Die Bedingung erster Ordnung unterliegt nun der genaueren Betrachtung. Da der erwartete Grenznutzen mitabnimmt, gilt an der Stelle

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

und an der Stelle:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gleichung (6) und (7) lassen sich umformen zu:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bedingung (7‘) impliziert, dass der Steuerpflichtige dann Steuern hinterziehen wird, wenn die erwartete Steuerzahlung auf nicht-erklärte Einkommen bzw. die erwartete Bestrafung kleiner als die reguläre Steuerzahlung ist. Da der in Klammern stehende Faktor in Bedingung (6‘) ein positiver Wertist, weisen die Parameter stets positive Werte auf und garantieren eine innere Lösung16.

Dieses doch sehr einfache Modell soll nun um eine weitere Variable erweitert werden. Bedenkt man, dass das Hinterziehen von Steuern nicht nur Auswirkungen pekuniärer Art hat, sondern beispielsweise auch das Ansehen eines Steuerpflichtigen als Teil der Gesellschaft beeinträchtigen kann, so erscheint es sinnvoll, dies im Modell zu berücksichtigen.ist die Reputation des Steuerpflichtigen, wobei angenommen wird, dass das Ansehen eines steuerehrlichen17 Bürgersgrößer als das Ansehen eines Steuerhinterziehersist. Dabei ist zu beachten, dass auch Steuerhinterzieher als steuerehrliche Bürger angesehen werden können, nämlich dann, wenn sie nicht entdeckt werden. Es gilt also:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der erwartete Nutzen ist somit:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bedingung erster Ordnung lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nun soll betrachtet werden, wie sich die Parameterwerte verhalten, wenn gilt:. Es ergibt sich unter Berücksichtigung der Reputation:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da der in Klammern stehende Faktor in (11) wieder ein positiver Wertist und somit der rechte Teil von (11)ist, zeigt sich im Vergleich zu (7‘), dass die Bedingung für lohnende Steuerhinterziehung strikter wird18. Grund dafür ist, dass Steuerhinterziehung im Falle der Entdeckung die Reputation und damit den Nutzen des Steuerpflichtigen verschlechtern würde.

2.2.3 Ergebnis

Mit Hilfe des Standardmodells der Steuerhinterziehung wollen Allingham und Sandmo lediglich einen kleinen Einblick in die Problematik der Steuerhinterziehung geben19. Trotzdem liefern sie einige Erkenntnisse, die auch im Interesse von Staat und Regierung sind.

Es zeigt sich, dass der rationale Steuerpflichtige bei der Auswahl der Strategie den Strafsatz, die Entdeckungswahrscheinlichkeit, den gesetzlichen Steuersatz und seine Reputation berücksichtigt. Der Strafsatz sowie der gesetzliche Steuersatz werden von den Regierungen bestimmt. Durch eine Erhöhung des Strafsatzes bzw. durch eine Minderung des gesetzlichen Steuersatzes können die Regierungen die Anreize zur Steuerhinterziehung verringern und somit das Verhalten der Individuen beeinflussen. Auch die Entdeckungswahrscheinlichkeit hängt im Wesentlichen von den Entscheidungen der Regierungen ab. Wird beispielsweise die Entscheidung getroffen, den Personalaufwand in Finanzbehörden zu erhöhen, wird dies die Entdeckungswahrscheinlichkeit erhöhen20.

Inwiefern die Reputation Einfluss auf das Verhalten des Steuerpflichtigen nimmt, hängt im Wesentlichen von der Steuermoral21 der Gesellschaft ab – In einer Gesellschaft, in der das Hinterziehen von Steuern als „Kavaliersdelikt“ angesehen und gesellschaftlich akzeptiert ist, wird die Reputation auf die Entscheidung der Individuen, Steuern zu hinterziehen oder nicht, wenig Einfluss haben. Staat und Regierung müssen also versuchen, die Steuermoral innerhalb des Landes zu erhöhen. Dies kann beispielsweise durch stärkere Einbeziehung der Steuerpflichtigen bei der Auferlegung neuer Gesetze bzw. Gesetzesänderungen22 oder auch durch eine Vereinfachung des Steuerrechts erfolgen. Dies hätte zur Folge, dass die Bürger sich intensiver mit den Steuergesetzen auseinandersetzen, den Sinn und Zweck der Steuern erkennen und sich bereitwilliger zeigen, diese auch zu bezahlen.

2.2.4 Kritische Auseinandersetzung

Die vereinfachten Annahmen eines jeden Modells lassen immer viel Raum für Kritik. Zunächst geht das Modell davon aus, dass Steuerhinterziehung nur mit Hilfe einer Alternative durch-geführt werden kann: der Deklarierung eines zu geringen Einkommens bzw. der Verschlei-erung steuerlich relevanter Einkommen. In der Realität werden jedoch Steuern oft mit Hilfe anderer Maßnahmen hinterzogen. Beispielsweise werden überhöhte Kosten oder gar nicht angefallene Kosten geltend gemacht. Die vereinfachte Annahme im Modell ist jedoch vertretbar, wenn man bedenkt, dass alle Maßnahmen ein Ziel verfolgen: Sie sollen die Bemessungsgrundlage, das zu versteuernde Einkommen, mindern bzw. keine Bemessungs-grundlage entstehen lassen und somit zu einer geringeren Steuerlast führen.

Der zweite Kritikpunkt betrifft die Entdeckungswahrscheinlichkeit. Diese ist im Modell als konstante Größe gegeben. Dies würde bedeuten, dass die Finanzbehörden unabhängig von der Höhe des Einkommens die Steuererklärungen überprüfen. De facto ist es aber so, dass Steuerpflichtige mit hohem Einkommen genaueren und strengeren Untersuchungen unterliegen. Grund dafür ist, dass höhere Bruttoeinkommen zum einen mehr Anreize zur Steuerhinterziehung bieten, was auch nicht im Modell berücksichtigt wird und zum anderen höhere Nachzahlungen für die Finanzbehörden erwarten lassen. Des Weiteren könnte kritisiert werden, dass sowohl Steuersatz als auch Strafsatz konstante Größen sind, Einkommensteuertarife aber häufig progressiv ausgestaltet sind und Strafsätze variieren.

Abgesehen von den vereinfachten Annahmen stellt die Annahme rationalen Handelns ein weiteres Problem dar. Es wird von nutzenmaximierenden Individuen ausgegangen, was aus folgendem Grund nicht der Realität entspricht: Sowohl die Entdeckungswahrscheinlichkeit als auch die angeordneten Strafen sind in der Realität so gering, dass die Höhe hinterzogener Steuern rational handelnder Individuen enorm viel größer wäre23. Im Modell wird dies nur teilweise durch Einführung einer nicht monetären Größe, die Reputation des Steuer-pflichtigen, berücksichtigt. Diese Größe fungiert als Sammelvariable, enthält jedoch nur Faktoren, die sich bei Aufdeckung des Steuerbetrugs verändern und damit den Nutzen des Individuums mindern24. Die individuelle Steuermoral und weitere persönliche, soziale und psychologische Faktoren werden jedoch nicht berücksichtigt. Genau diese sind aber Grund für eine hohe Steuerehrlichkeit und die Tatsache, dass trotz geringer Entdeckungswahr-scheinlichkeit und niedriger Strafsätze Steuern gezahlt werden25. Da Allingham und Sandmo aber von rationalen Individuen ausgehen, werden persönliche, soziale und psychologische Faktoren nicht berücksichtigt und somit die Hinterziehungsentscheidung nicht exakt abgebildet.

2.3 Was ist Steuervermeidung? – Abgrenzung zur Steuerhinterziehung

„It used to be said that there were two things that were unavoidable: death and taxes. There is a widespread feeling today that under our present tax code only one of these is unavoidable.” 26

Joseph E. Stiglitz

Unter dem Begriff der Steuervermeidung werden sämtliche Handlungen eines Individuums verstanden, die dazu dienen, auf legale Weise die individuelle Steuerlast zu senken27. Im Gegensatz zur Steuerhinterziehung liegt der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat also nicht vor28.

Steuern können sowohl von Privatpersonen als auch von Unternehmen mit Hilfe unzähliger Möglichkeiten vermieden werden. Eine Möglichkeit dazu wäre die Nutzung der Steueroasen, worauf in dieser Arbeit der Schwerpunkt gelegt wird. Kapitalkonten und Investitionen in Steueroasen sind völlig legal, solange daraus resultierende Kapitalerträge im Inland gemeldet und versteuert werden. Den in Deutschland wohnenden Privatpersonen bieten sich deshalb wenig legale Möglichkeiten, da diese unbeschränkt steuerpflichtig sind29 und demnach auch die im Ausland erzielten Erträge den inländischen Steuersätzen unterliegen. Im Gegensatz dazu bieten sich Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten30: Beispielsweise werden Gewinne an ausländische Partnergesell-schaften übertragen, die niedrigeren Steuersätzen oder gar keiner Besteuerung unterliegen. Im Gegenzug nimmt das Unternehmen bei der Partnergesellschaft ein Darlehen auf und mindert dadurch die Bemessungsgrundlage aufgrund der Fremdkapitalzinsen31. Ein beliebtes Instrument zur internationalen Verschiebung von Gewinnen sind Verrechnungspreise32. Verrechnungspreise oder auch Transferpreise sind Preise, die für verschiedene innerbetrieb-liche Leistungen eines Konzerns angesetzt werden. So werden hohe Preise angesetzt, wenn Unternehmen in Hochsteuerländern Produkte von Partnergesellschaften in Niedrigsteuer-ländern erwerben, um den Gewinn der Unternehmen in Hochsteuerländern möglichst gering zu halten. Dieses Prinzip funktioniert besonders gut bei immateriellen Gütern, beispielsweise Lizenzen33. Unternehmen bezahlen Lizenzgebühren an eine Partnergesellschaft, welche über die immateriellen Vermögenswerte verfügt und optimaler Weise im Niedrigsteuerland angesiedelt ist. So werden die Gewinne der Partnergesellschaft im Niedrigsteuerland erhöht und die des Unternehmens im Hochsteuerland gemindert. Auf diese Weise konnten insbesondere internationale Technologiekonzerne in den letzten Jahren Milliarden an Dollar einsparen34.

Die bei der Steuervermeidung entscheidenden Faktoren sollen im folgenden Abschnitt anhand eines Modells erläutert werden.

2.4 Das Grundmodell der Steuervermeidung von Cross und Shaw nach Wrede (1993)

Die Ökonomik behandelte mit Kosten verbundene Steuervermeidung über Jahre hinweg nur am Rande35. Der Fokus wurde auf die Modelle der Steuerhinterziehung gelegt. Um Steuer-hinterziehung und Steuervermeidung gemeinsam analysieren und miteinander vergleichen zu können, wurde von Cross und Shaw ein einfaches Modell entwickelt, welches die Vermeidungsentscheidung unter Berücksichtigung einer Kostenfunktion untersucht. Das Modell findet in der Literatur verschiedene Formen und Ausprägungen. Die meisten der Autoren beziehen sich dabei auf das Modell im Public Finance36. Gegenstand dieser Arbeit ist jedoch das Modell nach Wrede (1993). Dieses wurde ausgewählt, da im Gegensatz zu dem im Public Finance davon ausgegangen wird, dass der Steuervermeidungsanteil keiner Besteuer-ung unterliegt. Diese Annahme deckt sich mit den Annahmen der Modelle im dritten Kapitel. Dort wird angenommen, dass der Anteil des Gesamtgewinns eines Unternehmens, welcher in Steueroasen verlagert wird und als Steuervermeidungsanteil interpretiert werden kann, von der Besteuerung ausgenommen ist.

2.4.1 Annahmen

Gegeben ist das Bruttoeinkommen, der Steuersatzund die Kostenfunktion der Steuer-vermeidung. Der Steuerpflichtige maximiert seinen Nutzendurch geeignete Wahl des Steuervermeidungsanteils, wobeidie obere Grenze darstellt. Wie bereits angemerkt wird davon ausgegangen, dasskeiner Besteuerung unterliegt37. Die Kostenfunktion der Steuervermeidung erfüllt38:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die erste und die zweite Ableitung der Kostenfunktion sind also stets positiv. Dies impliziert, dass bei Erhöhung des Steuervermeidungsanteils immer zusätzliche Kosten der Steuer-vermeidung entstehen.

2.4.2 Optimum

Die Konsummöglichkeiten des Steuerpflichtigen entsprechen dem Nettoeinkommen ohne Steuervermeidung zuzüglich des Ertrags und abzüglich der Kosten der Steuervermeidung. Es gilt also das folgende Maximierungsproblem zu lösen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die optimale Entscheidung des Steuerpflichtigen ist durch den Ausgleich von Grenzertrag der Steuervermeidungund Grenzkosten der Steuervermeidunggekennzeichnet.

Steuervermeidung ist genau dann individuell optimal, wenn gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4.3 Ergebnis

Der Steuerpflichtige wird sich nur dann für Steuervermeidung entscheiden, wenn die Grenzkosten der Steuervermeidungkleiner oder gleich dem Grenzertragsind, der sich durch Steuervermeidung erzielen lässt. Sind die Grenzkosten kleiner als der Grenzertrag, wird der Steuerpflichtige den Steuervermeidungsanteilsolange erhöhen, bis entweder die Grenzkosten gleich dem Grenzertrag sind, oder die obere Grenzeerreicht ist. Die Höhe der optimalen Steuervermeidung hängt von der Kostenstruktur, dem Steuersatz und dem Bruttoeinkommen ab39. Ist die Kostenfunktion nur durch den Anteil vermiedener Steuern bestimmt und verläuft streng konvex, führt ein Anstieg des Bruttoeinkommens oder des Steuersatzes zu einem Anstieg des Steuervermeidungsanteils40, was durch Abbildung 1 veranschaulicht wird. Im Gegensatz dazu führen steigende Kosten der Steuervermeidung zu einer Minderung des Anteils an vermiedenen Steuern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung1: Auswirkung einer Erhöhung des Bruttoeinkommens auf den Steuervermeidungsanteil unter der Annahme steigender Grenzkosten, eigene Darstellung.

2.5 Modellvergleich und Überleitung

Beim Vergleich des Modells von Allingham und Sandmo mit dem von Cross und Shaw lassen sich Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede feststellen. Vom Aufbau her sind die Modelle ähnlich. Beide formulieren ein individuelles Nutzenmaximierungsproblem, welches unter der Wahl der optimalen Höhe des Betrags, auf den keine Steuern gezahlt werden sollen, gelöst wird. Außerdem wird in beiden Modellen von rational handelnden Individuen ausgegangen, welche moralische Aspekte nicht berücksichtigen.

Der Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zeigt sich auch anhand der Modelle: Aufgrund der Legalität der Steuervermeidung sind im Modell von Cross und Shaw Entdeckungswahrscheinlichkeiten und eventuelle Sanktionen nicht zu berück-sichtigen. Dafür entstehen bei der Vermeidung von Steuern Kosten, welche bei der Hinter-ziehung von Steuern im Modell von Allingham und Sandmo (zunächst) nicht anfallen. In deren Modell wird angenommen, dass das Hinterziehen von Steuern nur durch die Verschleierung von Einkommensteilen möglich ist, wobei keine Kosten anfallen. Kosten können jedoch dann entstehen, wenn Steuern hinterzogen werden und dieser Betrug durch die Finanzbehörde aufgedeckt wird. Die möglichen Strafzahlungen und deren Ungewissheit sind jedoch Grund dafür, dass sich nur der erwartete Nutzen berechnen lässt. Der tatsächliche Nutzen kann im Gegensatz zum Modell von Cross und Shaw nicht berechnet werden.

Im Optimum ist die Höhe des Steuerentzugs in beiden Modellen abhängig von den Kosten, genauer gesagt von den erwarteten Strafzahlungenund den Grenzkosten der Steuervermeidung. Steuern werden nur dann hinterzogen bzw. vermieden, wenn die (erwarteten) Kosten kleiner sind als der Betrag, der durch Steuerentzug eingespart werden kann. Außerdem ist die optimale Höhe des Steuerentzugs in beiden Modellen von dem gesetzlichen Steuersatz abhängig. In beiden Modellen führt eine Erhöhung des gesetzlichen Steuersatzes zu einer Erhöhung der optimalen Höhe zu hinterziehender bzw. zu vermeidender Steuern. Erstaunlich ist, dass eine Änderung des Bruttoeinkommens im Modell von Allingham und Sandmo die optimale Höhe der zu hinterziehenden Steuern nicht beeinflusst. Im Gegensatz dazu steigt im Modell von Cross und Shaw die optimale Höhe der zu vermeidenden Steuern, wenn das Bruttoeinkommen steigt. In der Realität sind bei einem erhöhten Einkommen, insbesondere bei progressiven Steuersätzen, definitiv mehr Anreize zum Steuerentzug gegeben, was nur im Modell von Cross und Shaw berücksichtigt wird.

Die Modelle machen die Unterschiede zwischen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung deutlich. In der Realität lässt sich jedoch oftmals keine klare Grenze ziehen, wann Steuervermeidung aufhört und Steuerhinterziehung anfängt. Aufgrund der komplexen Steuerrechtssysteme und der „partielle[n] Ambiguität steuerrechtlicher Bestimmungen“41 lassen sich steuerlich relevante Sachverhalte oftmals nicht eindeutig bestimmen. Häufig handelt es sich um Grenzfälle, die von Finanzbehörden, Steuerberatern und Steuerpflichtigen jeweils unterschiedlich bewertet werden42. Die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität sind fließend. Besonders schwere Fälle werden deshalb oftmals vor Gericht entschieden.

Das Problem der „partielle[n] Ambiguität steuerrechtlicher Bestimmungen“43 zeigt sich insbesondere dann, wenn multinationale Unternehmen mit Hilfe von Steueroasen die steuerlichen Bemessungsgrundlagen verringern. Wie bereits erläutert, bieten sich Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, wie Steueroasen zur Minderung der Steuerlast genutzt werden können. Dabei fällt es oftmals schwer zu beurteilen, ob die getroffenen Maßnahmen der Unternehmen legale Steuervermeidung oder illegale Steuerhinterziehung darstellen. Ein gutes Beispiel hierfür sind Verrechnungspreise. Diese müssen sich nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (engl. arm’s length principle) an der Höhe des Preises orientieren, der sich für gleiche Güter unter gleichen Umständen zwischen zwei unabhängigen Parteien ergeben hätte44. Dieser Preis ist oftmals schwer zu bestimmen, insbesondere bei immateriellen Vermögenswerten. Der Verrechnungspreis kann deshalb innerhalb einer bestimmten Bandbreite gewählt werden, wodurch auf legale Weise Gewinne verlagert und Steuern gespart werden können45. Werden zu hohe bzw. zu niedrige Preise angesetzt, liegt illegale Steuerhinterziehung vor. Insbesondere bei der unternehmerischen Nutzung der Steueroasen fällt deshalb die Einordnung in das Gebiet der Steuervermeidung bzw. der Steuerhinterziehung oftmals schwer.

Im Folgenden sollen nun zunächst die einzelnen Merkmale, welche Steueroasen charakterisieren, aufgeführt werden, um danach modelltheoretisch die Auswirkungen der Steueroasen auf andere Länder untersuchen zu können.

3. Steueroasen

Steueroasen werden sowohl von Privatpersonen als auch von Unternehmen zur Minderung der Steuerlast genutzt, indem Gewinne und Vermögen auf unterschiedlichen Wegen in die Steueroasen verlagert werden. Etwa 15 Prozent aller Staaten, ungefähr 40 an der Zahl, gelten als Steueroasen46. Aufgrund der steigenden Mobilität des Kapitals und der globalen Märkte wurde der Zugang zu den Steueroasen erleichtert und hat sich deshalb in den letzten Jahrzehnten als beliebte Alternative zur Entziehung der Steuerlast entwickelt. Dadurch entstehen in Hochsteuerländern jährlich Steuerausfälle in Milliardenhöhe und nehmen mehr und mehr zu47. Steueroasen werden deshalb als immer größer werdende Gefahr sowohl für Industrieländer als auch für Entwicklungsländer angesehen48.

Die Entwicklung der Steueroasen reicht bis ins 19. Jahrhundert. Die ersten Steueroasen haben sich mit großer Wahrscheinlichkeit in den USA entwickelt49. Um die Staatseinnahmen zu erhöhen, wurden in den 1880er Jahren in New Jersey Steuergesetze eingeführt, die Anreize für ausländische Unternehmen boten, um Unternehmen aus dem benachbarten New York anzulocken. Wenige Jahre später wurden auch im Bundesstaat Delaware neue Gesetze eingeführt, um ausländische Unternehmen anzulocken. In den 1920er Jahren wurde diese Praxis auch in Europa erstmals umgesetzt50. In Großbritannien entstand zu dieser Zeit die Idee der „virtuellen Niederlassungen“51, welche zwar im Inland registriert, aber nicht unter-nehmerisch tätig sind und somit nicht der inländischen Besteuerung unterliegen. Einige Jahre später wurde in der Schweiz das Bankgeheimnis eingeführt, welches die Weitergabe von Informationen über schweizerische Konten verbot, danach in vielen Steueroasen Anwendung fand52 und heute massiv in der Kritik steht.

Die modernen Steueroasen entwickelten sich in den 60er Jahren im Zuge der Entstehung des Euromarktes53 bzw. der Offshore-Finanzmärkte54 und nicht wie üblicherweise angenommen aufgrund der steigenden Besteuerung55. Ab dieser Zeit an wurde die Ausnutzung von Steuergefällen zur Steuerersparnis über die Grenzen eines Landes hinweg immer beliebter. Dies führte zu einem enormen wirtschaftlichen Erfolg der Steueroasen seit den 1980er Jahren56. Steueroasen gewannen zunehmend an Bedeutung und stehen deshalb immer mehr im Interesse der Medien.

3.1 Merkmale der Steueroasen

In der Literatur lässt sich keine einheitliche Definition über Steueroasen finden. Die Schwierigkeit besteht darin, die Kriterien einer Steueroase eindeutig festzulegen57. Deshalb sind sich Wissenschaftler, Organisationen und Länder auch nicht darüber einig, wie viele Steueroasen es gibt und welche dazu gehören. Bezeichnet man im weitesten Sinne Steueroasen als Länder, die Steueranreize geben, dann kommen wohl die meisten Nationen in Frage58. Um Steueroasen von den restlichen Ländern abgrenzen zu können, sollen im Folgenden die Merkmale erläutert werden, die im Allgemeinen auf Steueroasen zutreffen und diese als solche ausmachen.

1. Keine oder niedrige Ertragsteuerbelastung

Dies ist wohl der Hauptgrund, warum Steueroasen als solche betitelt werden. Steueroasen sind Länder oder Gebiete, in denen die Ertragsteuerbelastung erheblich niedriger ist als die vergleichbare Steuerlast im Wohnsitzland des Anlegers bzw. Investors59. Dabei gilt es, auch im Hinblick auf modelltheoretische Überlegungen, zwischen reinen Steueroasen und Niedrigsteuerländern zu unterscheiden. Während Niedrigsteuerländer lediglich durch die Anwendung niedriger Steuersätze gekennzeichnet sind, bieten Steueroasen Investoren eine Null – oder nahe Nullbesteuerung und darüber hinaus weitere Faktoren, die den Informationsaustausch mit anderen Ländern stark begrenzen. Diese Faktoren, auf die neben anderen im Folgenden eingegangen werden soll, werden von der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) als die eigentlichen Merkmale der Steueroasen genannt60 und immer wieder kritisiert bzw. bekämpft61.

2. Bank – und Geschäftsgeheimnis

In den meisten Steueroasen sind die Geschäfte von Anlegern und Investoren durch das Bankgeheimnis geschützt62. Wie bereits erwähnt, entstand das Bankgeheimnis in den 30er Jahren in der Schweiz und fand danach in vielen Steueroasen Anwendung. In der Theorie besagt das Bankgeheimnis, dass Geschäfte zwischen Banken und Kunden streng anonym zu behandeln bzw. zu führen sind und kein Informationsaustausch über bestehende Konten zwischen inländischen Steuerbehörden und ausländischen Banken stattfindet63. Steuerabkommen und weitere Gegenmaßnahmen, insbesondere die der OECD, haben in der Praxis in bestimmten Fällen jedoch dazu geführt, dass inländische Steuerbehörden sehr wohl Zugriff auf ausländische Konten haben, etwa dann, wenn ein Steuerstrafverfahren gegen den Betroffenen läuft64. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatte beispielsweise die Einführung eines Standards der OECD im Jahre 2002, im Folgenden als OECD-Standard bezeichnet. Der Standard enthält Bestimmungen, die den Informationsaustausch zwischen den Staaten und die internationale Transparenz verbessern sollen65.

[...]


1 Vgl. Sahm (2012), S. 32, 36.

2 Vgl. Dreßler (1995), S. 2 und 3.

3 Welche Autoren dies sind, wird im dritten Kapitel deutlich.

4 Es ist zu beachten, dass die einzelnen Symbole der verschiedenen Modelle dieser Arbeit teilweise nicht mit der Literatur übereinstimmen und umbenannt wurden, um eine einheitliche Symbolik in dieser Arbeit zu gewährleisten.

5 Vgl. Wrede (1993), S. 10.

6 Vgl. Beckmann (2003), S. 3.

7 Steuerverkürzung meint, dass Steuern „nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden“ (siehe §370 AO Abs. 4).

8 Vgl. §370 AO Abs. 1.

9 Vgl. Franzen (2008), S. 72 und 73.

10 Vgl. §15 StGB.

11 Vgl. Herbrand (2012), S. 326 und §378 AO Abs. 1.

12 Vgl. Franzen (2008), S. 72.

13 Vgl. Peffekoven (2008), S. 225.

14 Vgl. Roth, Scholz, Witte (1989), S. 50.

15 Vgl. Allingham, Sandmo (1972), S. 324.

16 Vgl. Allingham, Sandmo (1972), S. 326.

17 Steuerehrlichkeit: Korrekte Angabe der relevanten Daten bei der Steuererklärung, vgl. Schaltegger, Schneider, Torgler (2008), S. 228.

18 Vgl. Allingham, Sandmo (1972), S. 327.

19 Vgl. ebd.

20 Vgl. Ondracek (2008), S. 235.

21 Steuermoral: Die intrinsische Motivation, Steuern zu zahlen, vgl. Frey, Torgler (2007), S. 140. „[…], eine grundsätzliche, innere Bereitschaft der Bürger, einen Beitrag zur Finanzierung von Gemeinschaftsprojekten zu leisten.“, siehe Schaltegger, Schneider, Torgler (2008), S. 228.

22 Vgl. Schaltegger, Schneider, Torgler (2008), S. 229.

23 Vgl. Schaltegger, Schneider, Torgler (2008), S. 228.

24 Vgl. Allingham, Sandmo (1972), S. 326.

25 Vgl. Schaltegger, Schneider, Torgler (2008), S. 228.

26 Siehe Stiglitz (1985), S. 325.

27 Vgl. Schellhorn (2005), S. 11.

28 Vgl. Franzen (2008), S. 72.

29 Vgl. §1, Abs. 1 EStG.

30 Es ist zu beachten, dass diese Möglichkeiten von den unterschiedlichen Steuergesetzen der Länder abhängig sind, in welchen die Unternehmen ihren Sitz haben.

31 Vgl. Hines (2005), S. 68.

32 Vgl. Giegold (2003), S. 36.

33 Vgl. Giegold (2003), S. 37.

34 Vgl. Uken (2012), S. 1.

35 Vgl. Wrede (1993), S. 30.

36 Diese Form des Modells findet sich in Cross, Shaw (1982), auf S. 37 und 38.

37 Vgl. Wrede (1993), S. 30.

38 Vgl. Wrede (1993), S. 31.

39 Vgl. Wrede (1993), S. 32.

40 Vgl. Wrede (1993), S. 34.

41 Siehe Franzen (2008), S. 73.

42 Vgl. Franzen (2008), S. 73.

43 Siehe Franzen (2008), S. 73.

44 Vgl. Dharmapala (2008), S. 667.

45 Vgl. Verhülsdonk (2009), S. 6.

46 Die genaue Anzahl der Steueroasen ist definitionsabhängig und variiert deshalb in der Literatur: Dharmapala, Hines (2009), S. 1058 nennen 40 Steueroasen, Hines & Rice (1994), S. 150 nennen 41 Steueroasen. Im Gegensatz dazu gehen diverse Organisationen, beispielsweise der Internationale Währungsfonds von 60 Steueroasen und mehr aus, vgl. Christensen, Kapoor (2004), S. 4.

47 Vgl. Dreßler (1995), S. 2 und 3.

48 Vgl. Giegold (2003), S. 41 - 43.

49 Vgl. Palan, Murphy, Chavagneux (2009), S. 47.

50 Vgl. Palan, Murphy, Chavagneux (2009), S. 48.

51 Siehe ebd.

52 Vgl. Palan, Murphy, Chavagneux (2009), S. 48.

53 Euromarkt: „Der Euromarkt ist ein nicht regulierter Finanzmarkt institutioneller Großhändler“, siehe Palan, Murphy, Chavagneux (2009), S. 50.

54 Offshore-Finanzmarkt: Ein Markt, in dem Banken finanzielle Mittel von Ausländern aufbringen und diese Mittel investieren oder an andere Ausländer verleihen, vgl. Palan (2012), S. 1.

55 Vgl. Palan, Murphy, Chavagneux (2009), S. 50.

56 Vgl. Hines (2005), S. 94.

57 Vgl. OECD (1987), S. 21.

58 Vgl. Winteler (1991), S. 24.

59 Vgl. Dreßler (1995), S. 13.

60 Vgl. beispielsweise OECD (2000), S. 10.

61 Ein erster Meilenstein in der Bekämpfung der Steueroasen wurde 1998 mit dem OECD-Bericht „Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue“ gesetzt, vgl. Winner (2009), S. 6.

62 Vgl. OECD (1987), S. 22.

63 Vgl. Palan, Murphy, Chavagneux (2009), S. 48.

64 Vgl. Doggart, Schönwitz (2007), S. 88 und Johannesen, Zucman (2012), S. 1.

65 Vgl. Winner (2009), S. 7 und 8 und OECD (2002), Article 1.

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Steuerentzug und Steueroasen. Ausgewählte Modelle
Hochschule
Universität Hohenheim
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
79
Katalognummer
V293640
ISBN (eBook)
9783656911692
ISBN (Buch)
9783656911708
Dateigröße
809 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Bachelorarbeit wurde inhaltlich mit 1,0 bewertet. Wenige formale Fehler wurden bemängelt (Zitierweise).
Schlagworte
steuerentzug, steueroasen, ausgewählte, modelle
Arbeit zitieren
Christian Lohss (Autor:in), 2013, Steuerentzug und Steueroasen. Ausgewählte Modelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293640

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