Depressive Patienten unter antidepressiver Therapie. Vergleich des Parallelverlaufs der Parameter Schlaf, Kognition und Affekt


Diplomarbeit, 2012

90 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

DANKSAGUNGEN

ABSTRACT

ZUSAMMENFASSUNG

INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGEN

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG
1.1 DEPRESSION
1.1.1 EPIDEMIOLOGIE
1.1.2 DEPRESSION IN ÖSTERREICH
1.1.3 ÄTIOLOGIE UND PATHOGENESE
1.1.4 KLINIK UND VERLAUF
1.1.5 DIAGNOSEKRITERIEN
1.2 SCHLAF
1.2.1 SCHLAFPHYSIOLOGIE
1.2.2 SCHLAF UND DEPRESSION
1.2.3 ANTIDEPRESSIVE PHARMAKOTHERAPIE UND SCHLAF
1.2.4 SCHLAFENTZUGSTHERAPIE (WACHTHERAPIE)
1.3 KOGNITION UND EXEKUTIVE FUNKTIONEN
1.3.1 PHYSIOLOGIE UND NEUROANATOMISCHE GEDÄCHTNISSTRUKTUREN
1.3.2 KOGNITION UND DEPRESSION
1.4 AFFEKT, STIMMUNG UND EMOTION
1.4.1 PHYSIOLOGISCHE GRUNDLAGEN
1.4.2 AFFEKT UND DEPRESSION
1.5 ANTIDEPRESSIVE THERAPIE
1.5.1 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE
1.5.2 PSYCHOTHERAPIE

2. ZIELSETZUNG UND STUDIENHYPOTHESE
2.1 BEGRÜNDUNG DER FALLZAHL
2.2 RISIKOABSCHÄTZUNG
2.3 ETHISCHE GESICHTSPUNKTE

3. PATIENTEN UND METHODEN
3.1.PATIENTEN
3.1.1 EINSCHLUSSKRITERIEN
3.1.2 AUSSCHLUSSKRITERIEN
3.1.3. DEMOGRAFISCHE DATEN
3.1.4 DIAGNOSEN
3.1.5 PSYCHIATRISCHE BEGLEITERKRANKUNGEN
3.1.6 MEDIKATION
3.2 METHODEN
3.2.1 BECK DEPRESSIONS INVENTAR (BDI)
3.2.2 HAMILTON DEPRESSION SCALE (HAMD)
3.2.3 PITTSBURGH SCHLAFQUALITÄTSINDEX (PSQI)
3.2.4 AKTUELLE STIMMUNGSSKALA (ASTS)
3.2.5 TRAIL MAKING TEST (TMT)
3.2.6 MÜNCHNER GEDÄCHTNISTEST (MGT)

4. ERGEBNISSE, AUSWERTUNG UND ANALYSE
4.1 SCHWERE DER DEPRESSION
4.2 AFFEKT
4.3 SCHLAF
4.4 KOGNITION/ GEDÄCHTNIS
4.5 SYMPTOMREGREDIENZ
4.6 HAUPTBELASTUNGSFAKTOREN

5. DISKUSSION
5.1 AUSFALLQUOTE
5.2 STIMMUNG
5.3 KOGNITION
5.4 SCHLAF
5.5 GESCHLECHTERSPEZIFISCHE AUSSAGEN
5.6 SCHLUSSFOLGERUNGEN
5.7 KLINISCHE IMPLIKATIONEN

6. ANHANG
6.1 VERWENDETE FRAGEBÖGEN
6.2 CURRICULUM VITAE

8. LITERATURVERZEICHNIS

Danksagungen

Besonderen Dank möchte ich Frau Dr. Anna Holl aussprechen, die mich bei der Gestaltung und Durchführung meiner Diplomarbeit unterstützte und mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand.

Ich danke meinen lieben Patienten, die meinem Lehrbuchbild der Depression so viele unterschiedliche Gesichter verliehen haben, für ihre Geduld, ihr Vertrauen und für die lehrreichen Gespräche.

Ich danke meinen Eltern, Heidi und Siegfried Mörkl, die mir mein Studium ermöglicht haben. Weiters möchte ich meiner Liebe Manuel für die seelische Unterstützung durch die Höhen und Tiefen unsres gemeinsamen Alltags danken- und für den roten Faden darin, den er immer griffbereit hatte, wenn ich ihn aus den Augen verlor. Ich danke meinem Großvater Ernest Szalai für die geduldige technische Unterstützung.Besonders danken möchte ich auch meiner lieben Großmutter, Elisabeth Szalai, für ihre Herzlichkeit, ihre Zeit, ihren Zuspruch und ihren Rückhalt, durch den sie mir sowohl zu meinen Leistungen als auch zu mir selbst verholfen hat. Ihr sei diese Arbeit gewidmet.

Abstract

BACKGROUND: Depression is a common disease with impact on many mental and

cognitive functions. The aim of this study was to determine which symptoms of depression (i.e. sleep, executive functions, memory and mood) improved in depressed patients during a three-week treatment period.

METHODS: This is a monocentric, open, pilot study. We analyzed depression symptoms in 19 patients who met ICD-10 criteria for a depressive episode. We assessed patients with tests for depression severity (Becks depression inventory, BDI; Hamilton Rating Scale for Depression, HAMD), mood (Aktuelle Stimmungsskala, ASTS), executive functions (Trail making test A and B, TMT A and TMT B), sleep (Pittsburgh Sleep Quality Index, PSQI) and memory (Münchner Gedächtnis Test, MGT). These tests were applied at hospital admission and after three weeks.

RESULTS: There was a highly significant change in scores of the BDI ([t(18)= 4.99, p ≤0.001]), HAMD ([t(18)= 5.5, p≤0.001]), ASTS ([t(18)= 4.5, p≤0,001]) and PSQI ([t(18)=4.231, p=0.001]) between baseline and week three and a minor improvement in scores of executive functions (TMT A ([t(18)=3.012, p=0.007]); TMT B ([t(18)=1.418, p=0.173]). Scores of verbal memory (MGT ([t(18)=-1.742, p=0,099]) did not change significantly during the three weeks.

CONCLUSION: The results suggest that depressed patients receiving anti-depressant therapy show major changes of mood and sleep but not of memory and executive functions during a three-weeks treatment period with antidepressive medication. More clinical trials should be conducted to prove these findings.

Zusammenfassung

EINLEITUNG: Depression ist eine weit verbreitete Erkrankung mit Auswirkungen auf viele psychische und kognitive Funktionen. Das Ziel der vorliegenden Studie war es zu ermitteln, welche Symptome der Depression (Schlaf, exekutive Funktionen, Gedächtnis und Stimmung) sich innerhalb einer 3-wöchigen, antidepressiven, stationären treatment-as- usual Therapie verbessern.

METHODEN: Es handelt sich um eine monozentrische, offene Pilotstudie, die die Symptome von 19 depressiven PatientInnen, die den ICD-10 Kriterien entsprachen, analysiert. Verwendete Fragebögen waren: Beck Depressions Inventar (BDI), Hamilton Rating Scale for Depression (HAMD), Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI), Münchner Gedächtnis Test (MGT), Trail Making Test A und B (TMT A und B), Aktuelle Stimmungsskala (ASTS). Diese Tests wurden zu Beginn des stationären Aufenthaltes sowie nach 3 Wochen durchgeführt.

ERGEBNISSE: Hochsignifikante Veränderungen konnten der BDI ([t(18)= 4.99, p ≤0.001]), HAMD ([t(18)= 5.5, p≤0.001]), ASTS ([t(18)= 4.5, p≤0,001]) und PSQI ([t(18)=4.231, p=0.001]) aufweisen, es kam weiters zu geringeren Veränderungen der exekutiven Funktionen (TMT A ([t(18)=3.012, p=0.007]); TMT B ([t(18)=1.418, p=0.173]), während das verbale Gedächtnis (MGT ([t(18)=-1.742, p=0,099]) keine signifikante Veränderung aufwies.

DISKUSSION: Die Ergebnisse lassen vermuten, dass eine stationäre, 3-wöchige, antidepressive Therapie großen Einfluss auf Stimmung und Schlaf hat, jedoch nicht auf Gedächtnis und exekutive Funktionen. Um diese Ergebnisse zu überprüfen, sollten weitere größere klinische Studien durchgeführt werden.

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Depression

Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Schlafprobleme- fast jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens mit diesen Symptomen konfrontiert. Häufig können derart beschriebene Symptome die reaktive Folge von einschneidenden Erlebnissen, wie zum Beispiel Schwierigkeiten beruflicher oder privater Natur, Verlusterlebnissen oder Traumata sein. Meist verschwinden diese Symptome nach einer gewissen Zeit von selbst- bei längerem Bestehen können sie aber Anzeichen einer beginnenden Depression sein.

Der Begriff Depression (lat. deprimere = herunter-, niederdrücken) beschrieb ursprünglich den allgemeinen Abbau und die Beeinträchtigung von psychischen Funktionen und stellte somit ein unspezifisches Zustandsbild dar. Emil Kraepelin (1856-1926) bezeichnete mit diesem Begriff melancholische, depressive Zustände sowie eine Erschwerung des Denkens und des Handelns (1). Laut der Definition von Jaspers (1913) beinhaltet die Depression eine tiefe Traurigkeit und eine Hemmung allen seelischen Geschehens. Bleuler (1916) prägte den Begriff der depressiven Trias, die aus depressiver Verstimmung, Hemmung des Gedankenganges und Hemmung der zentrifugalen Funktion des Entschließens, Handelns, inklusive den psychischen Teilen der Motilität, besteht. In jüngerer Zeit wurde auch der Begriff affektive Psychose verwendet (1).

Ätiologisch wurde die Depression unter Berücksichtigung der wissenschaftlich- theoretischen Überlegungen der Basler Schule nach den drei postulierten hypothetischen Ursachen als psychogene, endogene und somatogene Depression klassifiziert. Da diese Einteilung der depressiven Störungen nach der Ätiologie nicht ausreichend belegt werden konnte, basiert die für die österreichische und deutsche Psychiatrie verbindliche Typisierung der verschiedenen Depressionsformen nach ICD-10 (International Classification of Diseases) auf den Kategorien: Polarität, Zeitkriterium, Stärke der Symptomatik und Verlauf (2).

Klinisch lassen sich unipolare affektive Störungen in 3 Gruppen einteilen (2):

1. Depressive Episode oder rezidivierende depressive Episoden, Episoden einer saisonalen, atypischen oder larvierten Depression (vergleiche DSM IV: Major Depression)
2. Dysthymia im Sinne einer anhaltenden, chronischen depressiven Verstimmung (DSM IV: Dysthyme Störung)
3. leichte oder unterschwellige depressive Störungen, die zwar episodisch verlaufen, aber die Kriterien für eine leichte depressive Episode oder für eine Dysthymia nicht erfüllen (DSM IV: Minor Depression, recurrent brief depression)

1.1.1 Epidemiologie

Die WHO (World Health Organisation) gibt an, dass Depressionen die am häufigsten vorkommenden Ursachen von Behinderung in YLDs (years lived with disability) sind. Als DALY (disability-adjusted-life years) wird die Summe aus YLD und YLL (years of life lost) bezeichnet. Den viertgrößten Beitrag zum DALY leistete ebenfalls die Depression. Heutzutage sind Depressionen schon auf Platz 2 der DALYs in der Alterskategorie 15-44 für beide Geschlechter. Für das Jahr 2020 sei laut WHO absehbar, dass Depressionen den 2. Rang der DALYS belegen werden, und dies bei beiden Geschlechtern und in allen Altersgruppen. 121 Millionen Menschen weltweit sind von depressiven Erkrankungen betroffen. 850.000 Menschen nehmen sich aufgrund von Depressionen pro Jahr das Leben (3). Das durchschnittliche Ersterkrankungsalter liegt für die unipolare Depression bei 30- 45 Jahren. Volkswirtschaftlich hat die Depression ebenfalls eine große Bedeutung. Sie liegt neben Herz- Kreislauf-Erkrankungen mit der Beeinträchtigung in gelebten Krankheitsjahren an der Spitze (1).

1.1.2 Depression in Österreich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Häufigste selbst berichtete Erkrankungen nach Geschlecht Jahrbuch der Statistik 2008 (4)

Die obige Grafik stellt die am häufigsten selbst berichteten Erkrankungen der österreichischen Bevölkerung im Jahr 2008 dar. Die Stichprobe bestand aus 15.000 ÖsterreicherInnen ab dem 15. Lebensjahr. Es ist ersichtlich, dass in allen Altersgruppen Frauen häufiger über Erkrankungen berichten als Männer. 40% mehr Frauen als Männer leiden laut der oben gezeigten Grafik an Depressionen (4). In einer Gesundheitsbefragung der Statistik Austria im Jahr 2006/2007 (5) gaben 76,7% der Österreicher depressive Symptome an. Die jährliche Anzahl der durch Suizid in Österreich verstorbenen Personen ist seit 1987 rückläufig und erreiche im Jahr 2010 einen Tiefstand von 1261 Personen (vgl. Abb. 2). Im Europavergleich liegt Österreich bei den Suizidraten im mittleren Bereich (6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Suizidraten in Österreich nach (6)

1.1.3 Ätiologie und Pathogenese

Für die Entstehung der Depression wird eine multifaktorielle Genese bestehend aus psychosozialen Belastungsfaktoren (life events) und biologischer Disposition vermutet. In empirischen Untersuchungen konnten folgende Ursachen und Faktoren nachgewiesen werden (2):

- Genetische Faktoren

Daten aus Familien- Zwillings und Adoptionsstudien ergaben, dass die Konkordanzraten eineiiger Zwillinge, ebenfalls an einer Depression zu erkranken, bei 50% liegen. Geht man von einer Lebenszeitprävalenz in der Bevölkerung für die depressive Episode von ca. 10% aus, so liegt das Risiko für Angehörige 1. Grades von unipolar Erkrankten bei ca. 15% (7).

- Störung der Neurotransmission

J. Schildkraut und A. Coppen postulierten die Amindefizit Hypothese, die besagt, dass bei unipolaren depressiven Episoden Noradrenalin sowie Serotonin vermindert sind (8,9). Auch die Dichte und Empfindlichkeit der Rezeptoren können vermindert sein. Second-messenger-Systeme sowie die Gen-Expression haben ebenfalls einen Einfluss auf die Entstehung von Depressionen (10).

- Neuroendokrinologische Störungen

Bei vielen depressiven Störungen wurden Beeinträchtigungen der HypothalamusHypophysen- Nebennierenachse gefunden. 50% der depressiven Personen weisen einen pathologischen Daxamethason-Hemmtest auf. Beim Dexamethason- Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH)- Test finden sich bei 80% pathologische Werte (2). Dies könnte auf eine Störung der CRH-vermittelten feed-back Mechanismen zurückzuführen sein (7).

- Hirnmorphologische Veränderungen

Diese können mittels Magnetresonanztomographie (MRT) und Positronenemissionstomographie (PET) sichtbar gemacht werden. Bei einer Depression kann es zu einer Reduktion der grauen Substanz im präfrontalen Cortex und im Hippocampus (Volumensverminderung, verminderte Glia-Dichte und Neuronengröße) kommen. Das funktionelle Magnetic Resonance Imaging (fMRI) weist eine verminderte zerebrale Durchblutung und Glukoseverwertung bei unbehandelten Depressiven nach, diese normalisierte sich jedoch nach abgeklungener Depression wieder (1).

- Chronobiologie

Bei depressiven Patienten findet sich eine Desynchronisation der inneren Uhr, die unter anderem vom Corpus pineale durch die Melatoninproduktion gesteuert wird (11). Durch die Veränderungen im Corpus pineale kommt es zu den klassischen Veränderungen des Tagesrhythmus wie morgendliches Stimmungstief (Morgenpessimum), abendliches Stimmungshoch, unruhiger Schlaf und morgendliches frühes Erwachen. Ebenfalls lässt sich eine an die Jahreszeiten gebundene Rhythmik mit einer Häufung im Herbst und im Frühjahr erkennen.

Psychosoziale Belastungsfaktoren (kritische life-events) Als life-events werden kritische Lebensereignisse, wie Geburt, Tod, Heirat oder Scheidung bezeichnet, die mit psychischem Stress verbunden sind. Holmes und Rahe veröffentlichten 1967 eine Auflistung der 40 wichtigsten kritischen life- events (12). Eine andere verwendete Skala zur Erhebung von Belastungsfaktoren ist die Life Events and Difficulties Schedule von Brown and Harris (13). Kritische Life-Events können bei Disposition eine Depression auslösen. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 10% aller psychischen Erkrankungen von kritischen life- events ausgelöst werden (14).

- Persönlichkeitsfaktoren

Für die Depressionsentstehung sind Persönlichkeitsfaktoren relevant. Tellenbach beschrieb 1961 den typus melancholicus als Primärpersönlichkeit. Dieser ist durch Überkorrektheit, Genauigkeit und Aufopferungsbereitschaft gekennzeichnet (15) und neigt besonders zur Entwicklung einer Depression. Viele Persönlichkeitsfaktoren weisen einen Vulnerabilitätseffekt auf. Dazu zählen unter anderem emotionale Instabilität, Aggressivität und interpersonelle Abhängigkeiten(16).

- Somatische Faktoren

Oft stehen auch körperliche Faktoren in Zusammenhang mit der Entstehung einer Depression. So können chronische Erkrankungen (chronische Polyarthritis, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa) sowie chronische Schmerzzustände und Krebserkrankungen eine Depression verursachen und beeinflussen. Depressive Symptome im Rahmen einer körperlichen oder anderen psychischen Erkrankung werden häufig als sekundäre Depression bezeichnet (17).

1.1.4 Klinik und Verlauf

Bei einer unipolaren Depression kommen nur depressive Symptome vor. Global lassen sich psychische Symptome, psychomotorische Symptome und psychosomatisch-vegetative Symptome unterscheiden (1). Zu der psychischen Symptomatik zählen Freudlosigkeit, Traurigkeit, Interesselosigkeit, Konzentrationsstörungen, Mutlosigkeit, Grübelneigung, Entscheidungsunfähigkeit, Ängste, Schuldgefühle, Unruhe sowie das Gefühl der Gefühllosigkeit. Typische psychomotorische Symptome sind Antriebslosigkeit, Hypomimie, Bewegungsarmut oder Agitiertheit, Stupor und Passivität. Auf somatischer Ebene kommt es zu Biorhythmusstörungen, vegetativen Störungen und körperlichen Symptomen wie Veränderungen des Appetits (gesteigerter oder verminderter Appetit verbunden mit Veränderungen des Körpergewichtes), des Schlafs, des Blutdrucks, der körperlichen Leistungsfähigkeit oder der Verdauung (Obstipation, Diarrhoe, Übelkeit).Des Weiteren kann es zu Störungen der Sexualfunktion (Libidostörungen) und zu Schmerzzuständen kommen (Kopfschmerzen, Rückenschmerzen).

Folgende syndromatologische Depressionsformen können unterschieden werden (2):

- larvierte Depression (versteckte Depression hinter körperlicher Symptomatik)
- gehemmte Depression (Anzeichen von Gehemmtheit, Verlangsamung, Antriebsverlust)
- agitierte Depression (ängstliche Unruhegefühle, Hektik)
- anankastische Depression (zwanghaftes Denken)
- wahnhafte Depression (Schuldwahn, Versündigungswahn, Verarmungswahn)
- melancholische Depression (Hang zum Perfektionismus)
- atypische Depression (vermehrte Kränkbarkeit, starke Gewichtsveränderungen)
- nihilistische Depression

Depressive Episoden können akut oder langsam beginnen. Die erste Episode ist in vielen Fällen schwächer ausgeprägt als die folgenden Episoden. Die Dauer einer unbehandelten Episode beträgt häufig bis zu einem Jahr. Dazwischen können auch krankheitsfreie Intervalle von der Dauer von Monaten bis Jahren liegen. Depressive Episoden verlaufen vorwiegend zyklisch, wobei die Zyklusdauer zwischen 4 und 5 Jahren liegt. Eine Remission ist nach der akuten Phase bei zwei Drittel der Patienten zu erwarten, allerdings erleiden 80% ein Rezidiv. 10% der Patienten weisen einen chronischen langjährigen Verlauf auf. Viele erleiden auch ein Residuum mit asthenischen Insuffizienzsyndromen (2). Sofern eine Depression schon in der Primärversorgung diagnostiziert wird ist die Heilungschance auch als hoch anzunehmen. Die Basisversorgung greift oft auf Antidepressiva zurück, die in 60-80% Wirkung zeigen (18).

1.1.5 Diagnosekriterien

Die depressive Episode wird nach ICD-10 folgendermaßen definiert (2,19):

1. Die Episode muss mindestens 2 Wochen andauern 2. Es sind keine Symptome vorhanden die die Kriterien der manischen oder hypomanischen Episode erfüllen
3. Die Episode ist nicht auf einen Missbrauch psychotroper Substanzen oder organische Störung zurückzuführen
4. Mindestens 2 Hauptsymptome müssen vorliegen. Zu den Hauptsymptomen zählen: anhaltende depressive Stimmung, Interesselosigkeit, verminderter Antrieb und Aktivität
5. Ein oder mehrere Zusatzsymptome wie Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls, Schuldgefühle, Suizidgedanken, Konzentrationsminderung, psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit, Müdigkeit, Schlafstörungen (Früherwachen, Morgentief), Appetitverminderung sowie somatische Symptome (Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Libidoverlust).

Je nach Anzahl und Intensität der aufgetretenen Symptome wird zwischen einer leichten (F32.0) einer mittelgradigen (F32.1) oder einer schweren (F32.2) Depression unterschieden.

F32.0 Leichte depressive Episode

Zwei bis drei der angeführten Hauptsymptome und 2 zusätzliche Symptome müssen über einen Zeitraum von 2 Wochen vorhanden sein. Die einzelnen Symptome haben aber keine deutliche Ausprägung. Es liegt eine Beeinträchtigung des Patienten vor, er kann aber die meisten seiner Aktivitäten weiterhin fortsetzen.

F32.1 Mittelgradige depressive Episode

Vier oder mehr Symptome sind vorhanden, davon mindestens zwei der drei Hauptsymptome und mindestens drei der Zusatzsymptome. Einige der Symptome müssen dabei besonders ausgeprägt vorliegen, alternativ kann zur Diagnosestellung auch eine große Symptomvielfalt vorhanden sein. Der Patient hat große Schwierigkeiten seinen sozialen, häuslichen und beruflichen Aktivitäten nachzugehen.

F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome

Alle drei Hauptsymptome und mindestens vier zusätzliche Symptome müssen vorhanden sein. Dabei sollten einige Nebensymptome sehr ausgeprägt vorliegen. Die Symptome müssen mindestens 2 Wochen andauern, in Ausnahmefällen ist die Diagnosestellung bei besonders schwerer Ausprägung der Symptomatik mit quälendem Charakter auch nach kürzerer Symptomdauer erlaubt. Es besteht zusätzlich ein Verlust des Selbstwertgefühls, Wertlosigkeits- und Schuldgefühle. Ebenfalls können Suizidgedanken und Suizidhandlungen auftreten, auch liegen oft somatische Beschwerden vor.

F32.3 Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen

Zusätzlich zu den Kriterien von F32.2 treten Halluzinationen, Wahn, psychomotorische Hemmung bis zum depressiven Stupor auf. Soziale Aktivitäten sind nicht mehr möglich, es besteht akute Suizidgefahr und stark verminderte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme.

1.2 Schlaf

1.2.1 Schlafphysiologie

Grundsätzlich können der REM-Schlaf und der NREM Schlaf (non-rapid-eye-movement Schlaf) voneinander unterschieden werden. Der NREM Schlaf wird als orthodoxer Schlaf bezeichnet, während der REM Schlaf, in dem charakteristische, schnelle Augenbewegungen auftreten, als paradoxer Schlaf bezeichnet wird. Früher wurde der REM Schlaf als Traumschlaf bezeichnet (20), diese Annahme wurde jedoch 1962 widerlegt (21). Rechtschaffen und Kales führten 1968 die internationale Klassifikation der Schlafstadien ein, die bis heute Gültigkeit besitzt.

1.2.1.1 Schlafstadien

Der NREM Schlaf kann in 4 Stadien unterschiedlicher Tiefe gegliedert werden, die zyklisch mehrmals pro Nacht durchlaufen werden. Im EEG (Elektroenzephalogramm) sind je nach Schlafstadium charakteristische Wellen zu erkennen, deren Frequenz in Hz (Hertz) angegeben wird (Vgl. Abb. 3).

Kurz vor dem Einschlafen, beim entspannten Wachsein, kommt es bei geschlossenen Augen zum Auftreten von α-Wellen (8-13 Hz), die sich gegen Ende der Einschlafphase vermindern. In der nächst tieferen Schlafphase 1 kommt es zum Auftreten von θ-Wellen (4-7 Hz). Auch können scharfe Vertexzacken sichtbar werden. Diese werden als physiologischer Einschlafmoment bezeichnet. Das Einschlafstadium ist instabil, es kommt zu kurzen traumartigen Eindrücken, Wachperioden und Muskelzuckungen. In der Schlafphase 2 werden die θ -Wellen von spindelförmigen Wellen (Schlafspindeln) und K- Komplexen abgelöst. Schlafspindeln sind regelmäßige, auf- und abschwellende Wellen und haben eine Frequenz von 10-15 Hz. Der K-Komplex stellt eine biphasische Welle mit hoher Amplitude und einer Dauer von >0,5 Sekunden dar. Die Tiefschlafstadien 3 und 4 sind durch į-Wellen (0,5-3 Hz) geprägt. Es treten nun keine Augenbewegungen mehr auf. Der Muskeltonus ist auf einem sehr niedrigen Niveau. Der SWS (slow wave sleep) entspricht den Tiefschlafstadien 3 und 4. Die Weckschwelle ist hoch. Der REM-Schlaf bildet das Ende eines Schlafzyklus und folgt nach der Tiefschlafphase. Dabei kommt es bei bestehen bleiben der atonischen Muskulatur zu schnellen Augenbewegungen, erhöhter Herz- und Atemfrequenz und zu gelegentlichem, kurzem Muskelzucken. Im EEG gleicht er dem Stadium 1. Die einzelnen Schlafphasen wiederholen sich pro Nacht 4-5 Mal, wobei ein Schlafzyklus ungefähr 90 Minuten dauert. Die ersten beiden Zyklen werden als Kernschlaf und die Folgezyklen als Füllschlaf bezeichnet. Morgens wird der NREM Schlaf flacher und kürzer, die REM Phasen wachsen auf über 30 Minuten an (22, 23).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Schlafstadien bei gesunden Erwachsenen mit charakteristischen EEG Mustern nach (24)

Die zirkadiane Rhythmik des Schlafes wird vom Nucleus suprachiasmaticus (SCN) des anterioren Hypothalamus gesteuert. Er gibt eine Periode von 24 Stunden vor, die durch externe Zeitgeber, wie helles Licht synchronisiert wird (24).

1.2.1.2 Schlaffunktion und Regulation

Schlaf ist für die ordnungsgemäße Funktion des menschlichen Gehirns unabdingbar.Schlafentzugsexperimente konnten zeigen, dass es bei längerer Wachphase vermehrt zu Aufmerksamkeitsstörungen, verlangsamtem Arbeitsgedächtnis, Gedächtnisstörungen, Abnahme der Leistungsfähigkeit und depressiver Verstimmung kommt. Ebenfalls führt Schlafentzug zur Abnahme der Körperkerntemperatur, einer Funktionsminderung des Immunsystems und zu einer erhöhten Variabilität der Herzfrequenz (25, 26, 27). Der SWS wird nach Schlafentzug zuerst nachgeholt, er dürfte also für die Erhaltung der körperlichen Homöostase (Immunsystem, Temperaturregulation) essentiell sein (28). Zur Funktion des Schlafes gibt es unterschiedliche Theorien. Dazu zählen: Energieeinsparung (29),Thermoregulation (30), Regeneration und Entgiftung (31) sowie Bewusstseins- und Gedächtnisbildung (32).

Der Prozess der Schlafregulation wird durch 3 unterschiedliche Prozesse beschrieben(33):

- Homöostatischer Prozess (die vorangegangene Schlaf- und Wachzeit bestimmt das Schlafbedürfnis)
- Zirkadianer Prozess (Die Wachheit wird durch zirkadiane Regelkreise bestimmt, das Schlafbedürfnis ist abhängig von der Tageszeit)
- Ultradianer Prozess (organisiert den Wechsel von REM zu NREM Schlaf)

Es gibt zahlreiche Modelle die versuchen die Regulation des Schlafes darzustellen. Dazu zählen das reziproke Interaktionsmodell von Hobson und das Zwei-Prozess-Modell von Borbély (34). Auf diese beiden Modelle wird im Folgenden eingegangen. 1975 entwickelten Hobson und McCarley das Modell der reziproken Interaktion von aminergen und cholinergen Neuronen in der mesopontinen Kreuzung des Hirnstamms. Diese Neurone sind verantwortlich für die Koordination des REM und NREM Schlafs. In der formatio reticularis des Hirnstamms (FR) befinden sich cholinerge Neurone mit dem Transmitter Acetylcholin (ACh). Diese erzeugen den REM-Schlaf. Die Antagonisten dieser Neurone sind die aminergen Neurone, zu denen die noradrenergen (NA) und serotonergen (5-HT) Neurone gehören. Die noradrenergen Neurone befinden sich im Locus coeruleus (LC) und die seroternergen in den Raphe-Kernen (RK). Zwischen den einzelnen Neuronengruppen besteht eine reziproke Interaktion. Wenn also die cholinergen Neurone die aminergen Neurone aktivieren, hemmen die aminergen wiederum die cholinergen Neurone (Vgl. Abb. 4, S.12).

Wachbewusstsein und NREM Stadien haben einen aminergen Antrieb, die subkortikale Produktion von NA im LC und von 5-HT im RK ist hoch. Im REM Schlaf werden diese beiden Transmitter und ihre Produktionsstätten unterdrückt. Weiters besteht im REM- Schlaf eine Hyperaktivität mesenzephal-retikulärer und basaler cholinerger Strukturen, die das thalamo-kortikale System exzessiv aktivieren. Die Zellgruppen des Stammhirnes (aminerg und cholinerg) hemmen sich also gegenseitig und bestimmen das Gleichgewicht zwischen REM und NREM Schlaf (34).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: reziprokes Interaktionsmodell nach Hobson und Pace-Schott adaptiert aus (54).

Im Zwei-Prozess-Modell beschreibt Borbély die zwei ineinander übergehenden Prozesse S und C. Der Prozess S ist ein homöostatischer Prozess, der je nach Wachdauer ansteigt und durch Schlaf abgebaut wird (vgl. Abb. 4). Er kann mit der Intensität der Delta-Wellen gleichgesetzt werden, da diese auch bei Schlafminderung vermehrt auftreten. Der Prozess C gibt den uhrzeitabhängigen Schlafdrang wieder. Für ihn wird der SCN verantwortlich gemacht, der bis zur Schlafenszeit Wecksignale aussendet (34).

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Abbildung 5: Modell der Schlafregulation nach Borbély aus (34).

1.2.2 Schlaf und Depression

Als wichtiger Faktor sowohl für die Entstehung der Depression als auch für die Diagnostik ist die Schlafqualität anzusehen. Neben anderen Symptomen gehören Schlafstörungen im ICD-10 zu Nebensymptomen der Depression. Depression und Schlafprobleme treten sehr häufig komorbid auf und stehen in Zusammenhang. Über 90% der depressiven Patienten berichten von verminderter Schlafqualität (35). Depressive Erkrankungen korrelieren mit der Schwere und der Chronizität von Insomnien, chronische Insomnien können aber auch als Residualsymptom nach Remission auftreten. Sofern eine Insomnie besteht, ist von einer höheren Rezidivwahrscheinlichkeit der depressiven Erkrankung auszugehen. In einer großen Populationsstudie wurde festgestellt, dass Schlafstörungen oft depressiven Erkrankungen vorausgingen und nicht erst im Rahmen der Depression auftraten (36). In Längsschnittstudien wurden Schlafstörungen als Risikofaktor für die Entwicklung einer Depression abgeleitet (37, 38). Auch kann Schlaflosigkeit als negativer prognostischer Faktor für Depressionen angesehen werden (39).

Die Internationale Klassifikation der Schlafstörungen(40) definiert Schlaflosigkeit als das Vorliegen eines Schlafproblems trotz adäquater Schlafmöglichkeit. Im Rahmen von depressiven Episoden treten unterschiedliche Arten von Insomnien auf. Von 90% der Patienten wird im Rahmen einer depressiven Erkrankung über insomnische Symptome berichtet während nur 10% an einer Hypersomnie leiden (7). Zu den Schlafstörungen bei Depression zählen Ein- und Durchschlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen, unerholsamer Schlaf und unter Umständen auch eine Hypersomnie. Des Weiteren sind die Tiefschlafanteile reduziert und der REM-Schlaf ist vorverlagert (7). Präventiv sollten Patienten mit Ein- und Durchschlafstörungen bei depressivem Syndrom darauf achten, morgens regelmäßig aufzustehen und es vermeiden vormittags das Schlafdefizit nachzuholen, da es besonders vormittags zu ausgedehnten REM-Schlafperioden kommt, und sich die Patienten danach meist schlechter fühlen (7). Einen Überblick über die Schlafveränderungen bei depressiven Erkrankungen zeigt Abb. 6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Vergleichende Schlafprofildarstellung eines gesunden und eines depressiven Probanden aus (7) .

Polysomnographische Untersuchungen ergeben bei depressiven Patienten eine verminderte Schlafkontinuität, die sich aus verkürzter Gesamtschlafzeit, reduzierter Schlafeffizienz,einer verlängerten Einschlaflatenz, einer längeren Wachzeit in den frühen Morgenstunden und häufigem Aufwachen in der Nacht zusammensetzt (41,42). Der Tiefschlaf-Anteil bei Depressiven ist vermindert, die REM-Anteile sind erhöht (44). Die Vorverlagerung des REM-Schlafs wird beim reziproken Interaktionsmodell von Hobson und McCarley als Anzeichen für eine gestörte Balance aminerger und cholinerger Neuronengruppen diskutiert. Dies konnte durch PET-Untersuchungen veranschaulicht werden, und zwar nicht nur für Regionen im Hirnstamm, die REM-Schlaf generieren und steuern, sondern auch für Strukturen im dorsolateralen und präfrontalen Kortex. Die Aktivität von Neuronengruppen kann indirekt durch den Glucosemetabolismus dargestellt werden. In PET- Untersuchungen zur Feststellung der Aktivität spezifischer Gehirnareale mit [[18]F]- Fluor-2-Desoxy-D-Glukose zeigten depressive Patienten im Vergleich zu gesunden Probanden eine Abnahme des Glucosemetabolismus im gyrus frontalis, dem präfrontalem Cortex, dem gyrus temporalis, der Insel und dem rechten Cingulum, sowie Thalamus und Vermis im Übergang zum NREM Schlaf. Daraus lässt sich schließen, dass abnormale Funktion der thalamocorticalen Bahnen den Schlafproblemen bei depressiven Patienten zu Grunde liegt (43).

1.2.3 Antidepressive Pharmakotherapie und Schlaf

Durch die meisten antidepressiven Psychopharmaka wird auch die Schlafarchitektur verändert. So führt die Gabe von fast allen Antidepressiva (Ausnahme: Trimipramin) zur Unterdrückung des REM-Schlafs. Sedierende bzw. antriebssteigernde Substanzen haben einen positiven bzw. negativen Effekt auf den Schlaf. Klassische tri- und tetrazyklische Antidepressiva verbessern in der Regel den Schlaf, während es bei Selektiven-Serotonin- Reuptake- Inhibitoren (SSRI) zu vermehrten Auftreten von Schlaflosigkeit kommen kann. Eine besondere Gruppe von Antidepressiva mit Einfluss auf das Schlafverhalten stellen Melatonin Rezeptor Agonisten dar, die auf die Rezeptortypen MT-1 und MT-2 wirken können. Dazu zählen Agomelatin und Ramelteon. Diese Pharmazeutika mit Wirkung auf den SCN haben neben ihrer antidepressiven Wirkkomponente (5HT2c-Rezeptor- Antagonisten) mittelfristig Einfluss auf die Schlaflatenz und modulieren den NREM Schlaf (44,45).

1.2.4 Schlafentzugstherapie (Wachtherapie)

Die Schlafentzugstherapie ist das einzige Verfahren, das zu einer sofortigen Besserung der depressiven Symptomatik führt. Diese hält allerdings nicht lange an und wird schon mit dem nächsten Nachtschlaf aufgehoben. Man unterscheidet zwei Anwendungsvarianten. Bei der ersten wird der Patient die ganze Nacht wach gehalten, eine stimmungsaufhellende Wirkung wird bei 50-60% der Patienten beobachtet. Beim partiellen Schlafentzug muss der Patient nur die zweite Nachthälfte wach bleiben. Es kommt zu ähnlichen antidepressiven Effekten (46).

Die Schlafentzugstherapie ist keine eigenständige Therapieform. Zur Ergänzung können gleichzeitig Antidepressiva, Lichttherapie oder ein prolongiertes Schlaf-Wach- PhasenVerschiebungsregime eingesetzt werden, bei dem die Patienten nach dem Schlafentzug nachmittags schlafen und dann die Schlafphase über einen Zeitraum von einer Woche wieder in die ursprüngliche Phasenposition zurückverlagert wird. Dabei kann die Stimmung längerfristig stabilisiert werden (48).

Die Wirksamkeit von partiellem und totalen Schlafentzug (47) lassen vermuten, dass der REM Schlaf eine Rolle in der Entstehung von zumindest einigen klinischen Symptomen der Depression spielt. Auch die Anwendung von selektivem REM-Schlaf, der nur unter Bedingungen eines Schlaflabors erreicht werden kann, zeigt Verbesserungen, wird jedoch aus Kosten- und Personalgründen nicht flächendeckend eingesetzt (2).

1.3 Kognition und exekutive Funktionen

Als Kognitionen werden Strukturen oder Prozesse des Erkennens und Wissens bezeichnet. Darunter fallen die Prozesse des Wahrnehmens, Schlussfolgerns, Erinnerns, Denkens und Entscheidens sowie deren Strukturen (48). Zu den exekutiven Funktionen zählen Prozesse des Problemlösens, des mentalen Planens, der Initiation und der Inhibition von Handlungen (49). Sowohl kognitive als auch exekutive Funktionen können während einer Depression negativ beeinflusst werden. Im Folgenden soll auf physiologische Grundlagen eingegangen werden und im Anschluss Veränderungen der Kognitionen sowie der exekutiven Funktionen anhand von Studien beleuchtet werden.

1.3.1 Physiologie und neuroanatomische Gedächtnisstrukturen

Man unterscheidet grundsätzlich ein implizites (nicht-deklaratives) von einem explizitem (deklarativem, Wissens-) Gedächtnis. Das implizite Gedächtnis umfasst das unbewusste Gedächtnis und speichert Fertigkeiten sowie assoziative und nicht assoziative Lerninhalte. Assoziative Lerninhalte sind Konditionierungen bestimmter Reflexe, das nicht assoziative Lernen umfasst Gewohnheiten und Reflexwege. Am implizitem Gedächtnis sind folgende Strukturen beteiligt: Striatum (prozedurales Gedächtnis), Kleinhirn (motorische Reflexe), Neokortex (Bahnung und Ergänzung von zuvor Erlerntem), Amygdala (emotionale Einflüsse bei assoziativem Lernen). Das explizite Gedächtnis speichert theoretische Lerninhalte (Zeichen, Symbole, Begriffe, Fakten) und Episoden (persönlich erlebte Ereignisse und Erfahrungen). Bevor das explizite Gedächtnis eine Information abspeichert wird diese in den Assoziationsfeldern aufbereitet und anschließend im medialen Temporallappensystem (bestehend aus Hippocampus, peri- entorhinaler-, parahippokampaler Kortex) gespeichert. Außerdem stellt es einen Kontext zwischen Zeit und Ort des Ereignisses her.

Der explizite Lernvorgang beginnt im sensorischen Gedächtnis. Dieses speichert Inhalte nur sehr kurz (<1 Sekunde). Ein geringer Anteil dieser Information kann ins primäre Gedächtnis (Kurzzeitgedächtnis) gelangen, das die Fähigkeit besitzt 7 Informationseinheiten (Wörter, Zahlen) für einige Sekunden zu speichern. Dies geschieht wahrscheinlich durch in den Neuronenverbänden kreisende Erregungen. Die Inhalte des Kurzzeitgedächtnisses werden durch häufiges Üben ins sekundäre Gedächtnis (Langzeitgedächtnis) gebracht. Die kreisende Erregung wird sodann durch biochemische Mechanismen ersetzt. Es kommt zur Verstärkung der synaptischen Verbindungen, die frühe long-term potentiation (LTP) genannt wird (23). Dieser Vorgang wird auch als Konsolidierung bezeichnet und findet größtenteils im Hippocampus statt. Der Hippocampus hat die Aufgabe die Informationen aus verschiedenen sensorischen Systemen zu integrieren, zu verarbeiten und zum Cortex zurückzusenden. Darüber hinaus ist er auch für die Koordination der Gedächtnisinhalte verantwortlich (50). Der frühen LTP schließen sich in weiterer Folge die späten LTP-Phasen an, bei denen es zu langfristigen genomischen Veränderungen der Synapsen kommt. Die Abrufgeschwindigkeit des Langzeitgedächtnisses ist jedoch recht langsam. Dinge, die man hingegen häufig braucht, werden im tertiären Gedächtnis gespeichert (eigener Name, Schreib- und Lesefähigkeit), was ein schnelleres Abrufen möglich macht (23).

1.3.1.1 Neurotransmitter des Gedächtnisses

Als Neurotransmitter des Gedächtnisses gelten Noradrenalin, Glutamat, Acetylcholin (explizites Gedächtnis) und Dopamin (implizites Gedächtnis), wobei des noradrenerge System insgesamt das Aufmerksamkeitsniveau der gesamten Hirnrinde steuert (51). Das noradrenerge Bündel entspringt aus der ventrolateralen Formatio reticularis, dem Ncl. solitarius, dem Locus coeruleus, der Oliva superior und den Ncl. subcoeruleus und geht dann in das mediale eurotransmitter des Gedächtnisses gelten Noradrenalin, Glutamat, Acetylcholin (explizites Gedächtnis) und Dopamin (implizites Gedächtnis), wobei des noradrenerge System insgesamt das Aufmerksamkeitsniveau der gesamten Hirnrinde steuert (51). Das noradrenerge Bündel entspringt aus der ventrolateralen Formatio reticularis, dem Ncl. solitarius, dem Locus coeruleus, der Oliva superior und den Ncl. subcoeruleus und geht dann in das mediale Vorderhirnbündel über um zum Cortex zu gelangen (52).

Der Neurotransmitter Dopamin zählt zur Gruppe der Katecholamine, deren Ausgangspunkt das Tyrosin darstellt, aus dem zunächst Dopa gebildet wird. Dopamin hat Einfluss auf viele psychische Bereiche, darunter emotionale Reaktionen, Gedächtnis, Lernen und Bewegungen (53). Dopamin tritt in 3 Bahnen als wesentlicher Transmitter auf: dem mesolimbischem System, dem mesokortikalem System und dem tubuloinfundibulärem System. Das mesolimbische System gilt als ÄBelohnungszentrum“, das mesokortikale System ist maßgeblich an der Aktivierung kognitiver Funktionen (Denken, Aufmerksamkeit, Sozialverhalten) beteiligt (54). Deswegen wirkt sich auch im kognitiven Bereich ein Dopaminmangel negativ aus.

1.3.2 Kognition und Depression

Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen, verminderte Motivierbarkeit, eingeschränktes Planungs- und Problemlösungsverhalten und psychomotorische Verlangsamung können Anzeichen einer schweren Depression sein. Bei depressiven Patienten ist das Denken häufig weitgehend dominiert von kontinuierlichen, beharrlichen und willentlich kaum zu beeinflussenden negativen Gedanken. Die Kranken erleben es als äußerst schwierig, sich auf äußere Reize, wie sie beispielsweise im Alltag regelmäßig auftreten, zu konzentrieren (55).

Es existieren mehrere Hypothesen, die die Ursachen von neurokognitiven Dysfunktionen bei depressiven Patienten beschreiben. Eine von diesen Hypothesen ist die Leistungshypothese. Diese besagt, dass die Leistung von depressiven Patienten bei anstrengenden Aufgaben mehr nachlässt als bei automatisierten Handlungen. Eine weitere ist die Hypothese der kognitiven Geschwindigkeit, welche besagt, dass Depressionen hauptsächlich von kognitiver Verlangsamung charakterisiert werden, und dass diese Verlangsamung ursächlich für andere kognitive Einschränkungen ist (56). Eine weitere Hypothese ist die der globalen Dysfunktion. Depressive Patienten leiden demnach an einer großen Vielfalt von diffusen, kognitiven Symptomen, die nicht auf eine einzelne Fehlfunktion zurückzuführen sind (57).

Die Auswirkungen von depressiven Episoden auf neurokognitive Funktionen sind noch nicht hinreichend erforscht. Die dazu durchgeführten Studien variieren methodologisch sehr stark, sind durch ein heterogenes Patientengut gekennzeichnet und liefernwidersprüchliche Ergebnisse. Es gibt Unterschiede bei jüngeren und älteren Patienten, ferner werden auch genderspezifische Ursachen vermutet (58).

Jüngere Depressive entwickeln laut Studien weniger häufig eine psychomotorische Verlangsamung als ältere Patienten (59). Bei jungen Patienten kann als Frühsymptom der Depression ein gestörtes verbales Gedächtnis auftreten, während in der Frühphase exekutive Funktionen, psychomotorische Aktivität‚Verarbeitung und Aufmerksamkeit normal sind (60,61). Bei den meisten älteren, depressiven Patienten persistieren neurokognitive Defizite (verlangsamte Informationsverarbeitung, exekutive Dysfunktionen) auch nach der klinischen Remission der Depression. Dem zu Grunde liegend sind möglicherweise schon vorher bestehende Dysfunktionen, vaskuläre Risikofaktoren, und Erkrankungen der weißen Hirnsubstanz (62). Andere Studien zeigen, dass es depressionsabhängige Defizite vor allem bei exekutiven Funktionen und Verarbeitungsgeschwindigkeit gibt, fanden jedoch keine signifikante Veränderung von bei Gedächtnis, psychomotorischer Geschwindigkeit oder Reaktionszeit (63). Patienten, die mit Antidepressiva behandelt werden, können ihre kognitiven und mnestischen Leistungen zwar verbessern, sie übertreffen jedoch die mnestischen Leistungen gesunder Probanden nicht (63).

1.3.2.1 Depression und Gedächtnis

Gedächtnisstörungen von depressiven Patienten sind unabhängig vom momentanen Gemütszustand, die Schwere der auftretenden Gedächtnisstörungen hängt unter anderem von der Anzahl der bisher durchgemachten depressiven Episoden ab. Im Gegensatz zum Aufmerksamkeitsdefizit, das abhängig vom momentanen Zustand des Erkrankten ist, können sie als charakteristisch für eine depressive Episode gewertet werden (64). Laut Studien lässt sich vermuten, dass Gedächtnisfunktionen des medialen Temporallappens für explizite Gedächtnisstörungen bei depressiven Patienten verantwortlich sein könnten, jedoch kann nicht spezifisch der Temporallappen dafür verantwortlich gemacht werden, da es sowohl Probleme bei der Gedächtniskodierung, beim Wiederabrufen von Gedächtnisinhalten, bei Erinnerung und Wiedererkennung gibt (65,66). Depressive Patienten haben Schwierigkeiten mit Gedächtnistests, die eine kontinuierliche Anstrengung erfordern welche sich von automatisch ausgeführten Tätigkeiten unterscheidet (67). Das implizite Gedächtnis scheint deswegen nur wenig betroffen zu sein.

Die Gedächtniskonsolidierung, die im Hippocampus stattfindet, ist bei depressiven Patienten mit multiplen depressiven Episoden ebenfalls erschwert. Diese wiesen in Studien eine Verminderung des Hippocampusvolumens auf, das noch mehr abnimmt, je länger eine depressive Episode andauert. Die Behandlung mit Antidepressiva verändert das Hippocampusvolumen nicht, jedoch verbessert sie die Erinnerungsfunktion (68). Der Hippocampus ist ebenfalls reich an Corticosteroidrezeptoren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Depressive Patienten unter antidepressiver Therapie. Vergleich des Parallelverlaufs der Parameter Schlaf, Kognition und Affekt
Hochschule
Medizinische Universität Graz  (Universitätsklinik für Psychiatrie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
90
Katalognummer
V293276
ISBN (eBook)
9783656983903
ISBN (Buch)
9783656983835
Dateigröße
3553 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
depressive, patienten, therapie, vergleich, parallelverlaufs, parameter, schlaf, kognition, affekt
Arbeit zitieren
Sabrina Mörkl (Autor:in), 2012, Depressive Patienten unter antidepressiver Therapie. Vergleich des Parallelverlaufs der Parameter Schlaf, Kognition und Affekt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293276

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