Wigalois. Ein sichtbarer Held?


Seminararbeit, 2013

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

I. Was ist Sichtbarkeit

II. Die Sichtbarkeit bei Wirnts Wigalois
1. Die Umgebung
1.1. Der Wald
1.2. Der Weg
2. Der Tugendstein
3. Der Saal von Roaz
4. Die Mutter Florie
5. Der magische Gürtel

III. Ist Wigalois ein sichtbarer Held?

IV. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Primärliteratur
2. Sekundärliteratur
3. Internetquellen

I. Was ist Sichtbarkeit?

„Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in der Wahrnehmung wäre.“

- Arabisches Sprichwort -1

Dass man nur glaubt und weiß was man sieht, ist für uns heute nichts neues. Doch auch die Dichter und Autoren im Mittelalter wussten dies schon lange. Nicht umsonst bedeutet die schlechte Sicht im Wald Gefahr und Abenteuer. Nicht umsonst brauchen Helden feste Wege, die sie beschreiten können. Und nicht umsonst bleibt einiges in Geschichten unklar, weil der Erzähler es im Dunkeln lässt. Im Dunkeln? Ja, denn Licht und die richtige Perspektive sind Grundvoraussetzungen für ein vollständiges Erzählen. Dunkelheit erschwert es dem Erzähler alles wahrzunehmen und dies auch schildern zu können. Auch der Blickwinkel ist entscheidend. Lässt der Erzähler seinen Helden einmal aus den Augen, kann es passieren, dass er ihn verliert. Das würde bedeuten etwas nicht wiedergeben zu können. Die Geschichte würde abrupt enden. Doch ist die simpelste und wichtigste Voraussetzung, dass der Erzähler vor Ort ist. Alles, was der Narrator selbst nicht sieht, kann er auch dem Leser nicht weitergeben. Somit ist die triviale Definition von Sichtbarkeit: „Erkennbarkeit; sichtbare, deutliche Beschaffenheit“2.

Wirnt von Grafenberg war kein Neuling auf diesem Gebiet als er „Wigalois“ schrieb. Anhand einiger ausgewählten Passagen möchte ich nun aber überprüfen, ob er sich immer an de Leitsatz „Sichtbarkeit impliziert Erzählbarkeit“ gehalten hat.

II. Die Sichtbarkeit bei Wirnts Wigalois

1. Die Umgebung

1.1. Der Wald

Zunächst sollte man die Umgebung, in der sich Wigalois befindet, genauer betrachten. Der Wald ist in jedem Artusroman ein wichtiger Bestandteil. Auch „Wirnt verlegt sehr weite Strecken […] in die freite Natur, insbesondere in den Wald“3. Schon am Anfang der Erzählung, vor Allem in den Versen 176-200, wird der Wald explizit erwähnt. Er grenzt direkt an Karidol. Dadurch wird indirekt die Schutzfunktion hervorgehoben, da man zuerst den fôreis durchqueren muss um zur Burg zu gelangen. Gleichzeitig werden hier die Grenzen aufgezeigt. Karodil ist das Zentrum und wird von allen Seiten abgeschirmt. Der Wald dient sozusagen als „[...] topographische Trennlinie [...]“4.

Doch auch zum Vergnügen dient der Wald. Artus geht oft dort auf die Jagd, vor allem wenn keine Aventiuren bevorstehen. So erkennt der Leser auf den ersten Seiten die wichtige Bedeutung des Waldes und erkennt „Wald“ als Signalwort für Abenteuer und Grenzübergänge.

Sichtbar wird das insbesondere bei der Rettung einer Jungfrau vor zwei Riesen. Wigalois, Nereja und der Zwerg bereiten sich nach einer langen Tagesreise einen Schlafplatz auf einer Wiese vor, als plötzlich Klagerufe aus dem Wald ertönen. Wigalois folgt der Stimme. Da der Mond hell leuchtet und deshalb die Sicht auch im Wald nicht getrübt ist, kann der Erzähler auch im Wald alles wiedergeben. Wirnts Beschreibung des Waldes lässt von vorneherein auf ein Abenteuer schließen:

der was r û ch und enge;

durch dorne und durch gedrenge

vour er wol eine mîle ('Wigalois', V. 2061-2064)

Nachdem Wigalois die Riesen erblickt und realisiert, dass sie eine Jungfrau bedrängen, kommt es sofort zu einem Kampf. Der erste Riese ist schnell mit einem gezielten Schlag getötet. Beim Zweiten wendet er eine Taktik an: Er flieht in ein Dornengebüsch um nicht gesehen zu werden und kann von dort aus seinem Gegner einige Wunden zufügen, bis er diesen am Morgen endgültig besiegt. Durch das Dickicht kann aber nicht nur der Riese Wigalois nicht mehr sehen. Der Erzähler kann gleichermaßen den Kampf nicht verfolgen. Aufgrund dessen kann er dem Leser den Kampf nicht im Detail schildern. Einzig die Momente, in denen Wigaois den Riesen verwundet und somit kurze Zeit aus dem Schutz des Dickichts tritt, nehmen Erzähler und somit Leser war. Wirnt hält sich also im Wald an die Regel der Sichtbarkeit. Was gesehen wird, wird erzählt. Was man nicht sehen kann, kann nicht erzählt werden.

1.2. Der Weg

Da der Wald ein anderer Raum als der Artufhof ist, braucht der Held einen Weg um zum oder durch den Wald zu gelangen. „Der Ritter weiß nicht immer, wo er die Aventiure finden kann […], und deswegen bietet die Erzählung dieses Verhältnis von Ritter und Weg bisweilen so dar, als bestimme der Weg, wohin der Ritter gelangt“5.

Im Wigalois wird der Weg verschieden benannt: strâze, vart, wege oder auch pfat. In der Ruel-Episode wird dies thematisiert, als Wigalois abkommt. Er reitet nämlich eine strâze entlang, dass in der de Gruyter Übersetzung treffend als „befestigter Weg“ übersetzt wird. Es scheint, als wäre der Weg öfter schon begangen geworden und als hätte er ein Ziel am Ende. Aber der Held ist so in Gedanken, dass er sich auf einen stîc wiederfindet. Der ist, im Gegensatz zur Straße, unbefestigt und von Gras bewachsen. Der Leser wird hellhörig und erwartet eine bevorstehende Aventiure. Als der Weg zudem noch in einen Wald führt, kommen hier einige Signalwörter zusammen. Doch Wirnt beschreibt den Pfad noch weiter, denn er ist voll von umgestürzten Bäumen, sodass Wigalois absetzten und sein Pferd führen muss. Hier ist der Weg „so, daß der Held im nächsten Moment auf die Aventiure treffen wird“6. Und genau solch eine Situation tritt ein. Wigalois trifft auf das wilde Waldweib Ruel und entkommt nur knapp seinen Tod.

Doch es scheint nicht, als wäre die Straße immer da. „Vielmehr taucht sie erst auf, wenn eine Figur sie sieht oder begeht“7. Erst als Wigalois den Weg betritt wird dieser vom Erzähler erkannt und geschildert. Ein Pfad oder eine Straße wird erst wichtig, sofern sie zum Handlungsstrang beiträgt oder die Spannung aufbaut. Da der Leser bei einem gefährlichen Weg buchstäblich Gefahr vermutet, wird genau diese Spannung verstärkt. Jedoch hält sich der Autor hier an die Regel der Sichtbarkeit. Erst als die Hauptfigur aus seinen Gedanken „aufschreckt“ erkennt der Erzähler den unbefestigten Pfad. Somit bestätigt sich hier: Was gesehen wird, kann erzählt werden.

2. Der Tugendstein

Die erste längere Textstelle über die Sichtbarkeit findet man beim Einzug Wigalois' am Artushof. In der Mitte des Hofes steht ein Stein, den Wirnt wiefolgt beschreibt:

[...]


1 Vgl. http://www.sprechgeraet.de/Nichts-ist-im-Verstand-was-nicht-zuvor-in-der-Wahrnehmung-waere.z1041.html und http://zitate.net/zitate/suche.html?query=nichts+ist+im+verstand+was+nicht+zuvor (Stand beide: 04.03.2013)

2 Vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Sichtbarkeit (Stand: 06.03.2013)

3 Vgl. C. Faßbender 2010, S. 162.

4 Vgl. Verschiedene Autoren, Scientia Poetica 2010, S. 226.

5 Vgl. U. Störmer-Caysa 2007, S. 65.

6 Vgl. U. Störmer-Caysa 2007, S. 65.

7 Vgl. U. Störmer-Caysa 2007, S. 65.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Wigalois. Ein sichtbarer Held?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Wirnt von Grafenberg: Wigalois
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
13
Katalognummer
V292705
ISBN (eBook)
9783656898122
ISBN (Buch)
9783656898139
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Proseminar
Schlagworte
wigalois, held
Arbeit zitieren
Lisa Demmel (Autor:in), 2013, Wigalois. Ein sichtbarer Held?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292705

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