Das Akzentsystem des Bosnischen, Kroatischen und Serbischen


Seminararbeit, 2013

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einige sprachwissenschaftliche Grundlagen

3. Das klassische Akzentsystem des BKS
3.1. Das Vierakzentsystem des BKS
3.2. Regeln für den Akzent im BKS
3.3. Die semantisch-differenzierende Rolle der prosodischen Eigenschaften im BKS

4. Akzentuelle Unterschiede zwischen BK(M)S
4.1. Bosnisch
4.2. Kroatisch
4.3. Montenegrinisch
4.4. Serbisch

5. Zusammenfassung
5.1. Unterschiede
5.2. Gemeinsamkeiten

6. Literaturverzeichnis

Abkürzung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Unter allen Sprachen der indo-europäischen Gruppe haben das zu den südslawischen Sprachen gehörende Bosnische, Kroatische und Serbische besondere prosodische Eigenschaften, nämlich einen singulären Akzent, der für diese Sprachen ein Alleinstellungsmerkmal ist oder wie in Tošović (2010a: 409) formuliert […] „eine Besonderheit in der slawischen Welt darstellt“ […] und deshalb auch besondere Beachtung verdient.

Deshalb habe ich mich entschieden, motiviert auch durch die intensive Beschäftigung mit den suprasegmentalen Eigenschaften von Sprachen im Proseminar Phonologie am Institut für Sprachwissenschaft, für meine Präsentation und die daraus folgende Proseminararbeit das Thema des Akzentes im BKS zu wählen.

Nach einer kurzen Darstellung der sprachwissenschaftlichen Grundlagen und der Beschreibung des „klassischen“ Vierakzentsystems, das auf Vuk Karadžić zurückgeht, sollen der Stand der Forschung zur Prosodie des BKS und die Ergebnisse bzw. Bemühungen zur Normierung der prosodischen Eigenschaften anhand der von mir ausgewerteten Literatur beschrieben werden.

Diese Normierungstendenzen und –ansätze sind zum einen eine logische Folge der politischen Entwicklung auf dem Territorium Ex-Jugoslawiens, wo sich nach dem Zerfall Jugoslawiens und den sich anschließenden Kriegen neue Nationalstaaten mit eigenen Nationalsprachen konstituierten.

Andererseits sind Sprachen lebende Organismen, die einem steten Wandel unterliegen, der in unterschiedlichen Zeitabständen und durch äußere Einflüsse – so auch politische – zwangsläufig zu einer Veränderung der Kodifizierung bzw. der Normierung dieser Sprachveränderungen führt.

Die Rechtschreibreform des Deutschen zum Beginn des 21. Jahrhunderts sei hier als ein Beispiel aus einem anderen Sprachraum angeführt.

So wird auch für die untersuchten Sprachen BKS […] „von niemandem bestritten, dass sich die heutige Zeit in vielerlei Hinsicht von jener Vuks und Daničić' unterscheidet.“ (Tošović 2010b: 480) und dass sie deshalb einer den heutigen Sprachgegebenheiten entsprechenden Normierung bedürfen.

Wie sich anhand der Literaturrecherchen erweisen wird, sind diese Bestrebungen in den einzelnen Ländern und ihren Sprachen unterschiedlich ausgeprägt oder sprachpolitisch aktuell.

2. Einige sprachwissenschaftliche Grundlagen

Die Begriffe Phonetik und Phonologie sind beide von dem griechischen Wort [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], das „Ton, Stimme, Laut“ bedeutet, abgeleitet.

Phonetik und Phonologie untersuchen also lautliche Erscheinungen, sie haben denselben Untersuchungsgegenstand, nämlich die Lautgestalt der Sprache.

Allerdings ist trotz der engen Verknüpfung der beiden Disziplinen der Sprachwissenschaft die wissenschaftliche Betrachtungsweise der durch sie untersuchten Phänomene grundlegend verschieden.

Der Gegenstandsbereich der Phonetik als Teilgebiet der Lautlehre sind die materiellen Eigenschaften mündlicher Äußerungen, die materielle Seite der Sprachlaute. Da alle Menschen die gleichen physiologischen Voraussetzungen haben, sind die grundsätzlichen Erkenntnisse der Phonetik unabhängig von der jeweiligen betrachteten Sprache.

Die Phonologie als funktionale Lautlehre dagegen untersucht die funktionelle Seite der Sprachlaute, d.h. die Funktionen und Eigenschaften von Sprachlauten als Element eines bestimmten Sprachsystems, die bedeutungsdifferenzierenden oder distinktiven Eigenschaften von Lauten.

Prosodie ist die Gesamtheit lautlicher Eigenschaften einer Sprache, die nicht an den einzelnen Laut als ihr minimales Segment, sondern an eine größere lautliche Einheit wie Silbe, Wort, Satz gebunden ist.

Die prosodischen Eigenschaften einer solchen umfassenderen lautlichen Äußerung werden deshalb auch suprasegmentale Eigenschaften genannt, weil sie nur in einem segmentübergreifenden Bezugsrahmen wahrgenommen und bestimmt werden können.

Zu diesen prosodischen Eigenschaften oder Suprasegmentalia auf Wortebene gehören:

- die Tonbewegung (Qualität der lautlichen Einheit)
- die Dauer (Quantität der lautlichen Einheit)
- der Akzent (Intensität der lautlichen Einheit),

die immer im Vergleich zu den umgebenden lautlichen Einheiten (Segmenten) betrachtet werden.

Phrasen und Sätze können durch eine bestimmte Satzmelodie oder eine rhythmische Gliederung gekennzeichnet sein.

Die Funktionen der Suprasegmentalia sind sehr vielfältig. Sie können indexikalischer, paralinguistischer oder auch expressiver Natur sein, wenn man sie unter dem phonetischen Blickwinkel betrachtet.

Die sprachliche Funktion der Suprasegmentalia besteht darin, auf Silben-, Wort- oder Satzebene Bedeutungen zu differenzieren Unter diesem phonologischen, d.h. sprachfunktionalem Blickwinkel werden sie aber meist als Prosodie bezeichnet.

Gegenstand der Untersuchung dieser Proseminararbeit wird der Wortakzent sein, so dass auf diese prosodische Eigenschaft noch etwas genauer eingegangen werden soll, ehe das Akzentsystem der betrachteten Sprachen Bosni(aki)sch/ Kroatisch/Serbisch konkret analysiert werden wird.

Der Wortakzent, auch Betonung, bzw. akcent/ akcenat/ naglasak, ist die Hervorhebung einer Silbe gegenüber anderen Silben eines Wortes.

Man unterscheidet:

- dynamischer Akzent: die Akzentuierung erfolgt durch die Erhöhung der Intensität (des Atemdruckes) auf der entsprechenden Silbe
- temporaler Akzent: die Hervorhebung der Silbe erfolgt durch einen Dauerunterschied der Silbe gegenüber den anderen Silben
- musikalischer oder melodischer Akzent: die Hervorhebung wird durch eine Veränderung der Tonhöhe erreicht. Sprachen mit diesem Akzenttyp werden Tonsprachen genannt.

Die Tonsprachen werden unterteilt in

- Tonsprachen im strengen Sinne, bei denen auf jeder (oder fast jeder) einzelnen Silbe eines Wortes eine Tonbewegung erfolgt, und in
- gemäßigte Tonsprachen, die denen die Tonbewegung nicht für jede einzelne Silbe, sondern für das Wort als Ganzes festgelegt ist.

Des Weiteren kann die semantisch-distinktive Funktion des Akzentes, auf Wortebene Bedeutungen zu unterscheiden, auch dadurch realisiert werden, dass der Akzent verschiedene Positionen innerhalb eines segmental identischen Wortes einnimmt, sofern dieses in der betrachteten Sprache möglich ist.

Man unterscheidet Sprachen mit

- gebundenem oder vorhersagbarem Akzent, der keine Bedeutungsdifferenzierung bewirkt
- freiem oder nicht-gebundenem Akzent, der phonologische Relevanz haben kann
- beweglichem Akzent, so bezeichnet von Tošović (2010a: 405), oder bedingt freiem Akzent, bei denen der Akzent bestimmte Positionen nicht einnehmen kann, aber ansonsten frei ist und semantisch-differenzierende Funktion übernimmt.

3. Das klassische Akzentsystem des BKS

3.1. Das Vierakzentsystem des BKS

Die BKS-Sprachen sind gemäßigte Tonsprachen mit beweglichem Akzent. Dieser musikalische, auch als polytonisch bezeichnete Akzent ist obligatorisch an die Tonquantität (Vokalquantität) gebunden, mit anderen Worten, das BKS-Akzentsystem kombiniert immer zwei Arten von prosodischen Eigenschaften:

- die Tonqualität (Steigen oder Senken) und
- die Tonquantität (Dauer).

Außerdem kann im BKS die Tonquantität unabhängig von der Tonqualität nicht nur innerhalb des Wortakzentes sondern auch außerhalb desselben als sogenannte nachtonige Länge (postakcenatska dužina/ zanaglasna duljina) realisiert werden.

Daraus ergibt sich ein fünfgliedriges prosodisches System, das aus vier Akzenten und einer unbetonten Länge besteht:

1 lang steigend (dugouzlazni) mit der Kennzeichnung: ́
2 kurz steigend (kratkouzlazni) mit der Kennzeichnung: `
3 lang fallend (dugosilazni) mit der Kennzeichnung: ̂
4 kurz fallend (kratkosilazni) mit der Kennzeichnung: ̏
5 Länge (dužina) mit der Kennzeichnung: ̅

Diese fünf Typen sollen kurz beschrieben und mit Beispielen erläutert werden.

Typ 1: lang steigend

Die betonte Silbe ist lang und weist einen steigenden Tonverlauf auf, die nachfolgende Silbe beginnt mit der gleichen Tonhöhe und diese fällt danach ab, z. B. národ „Volk“, rúka „Hand“, poč étak „Beginn“, oslobo đ énje „Befreiung“

Typ 2: kurz steigend

Die betonte Silbe ist kurz und weist einen steigenden Tonverlauf auf, die nachfolgende Silbe beginnt mit der gleichen Tonhöhe, die danach abfällt. z. B. nòga „Fuß“, òtac „Vater“, govòriti „sprechen“

Typ 3: lang fallend

Die betonte Silbe ist lang und hat einen fallenden Tonverlauf, die Tonhöhe der nachfolgenden Silbe ist tiefer als die Tonhöhe am Ende der vorausgehenden Silbe.

z. B. grâd „Stadt“, zlâto „Gold“, mâjka „Mutter“

Typ 4: kurz fallend

Die betonte Silbe ist kurz und hat einen fallenden Tonverlauf, die Tonhöhe der nachfolgenden Silbe ist tiefer als der Tonverlauf am Ende der vorausgehenden Silbe.

z. B. sȁn „Schlaf,Traum“, bȁba „Großmutter“, kȕ ća „Haus“

Typ 5: unbetonte nachtonige Länge

Eine oder mehrere Silben nach der betonten Silbe weisen als Vokalquantität eine Länge auf.

z.B. mnogo žénā „viele Frauen“, dòka ̄ za ̄ no ̄ st „Erwiesenheit“

3.2. Regeln für den Akzent im BKS

In den Monografien von Kunzmann-Müller (1999: 28) und Tošović (2014: 406-408) sind sehr detailliert Regeln beschrieben, die für die Positionierung des bedingt-freien Akzentes innerhalb eines Wortes gelten. Sie werden im Weiteren in zusammengefasster Form und unter dem Gesichtspunkt der weiter unten betrachteten akzentuellen Unterschiede der drei Sprachen dargelegt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Das Akzentsystem des Bosnischen, Kroatischen und Serbischen
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz  (Institut für Slawistik)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
23
Katalognummer
V292621
ISBN (eBook)
9783656897989
ISBN (Buch)
9783656897996
Dateigröße
608 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Slawistische Sprachwissenschaft, Akzentsystem im B/K/S
Arbeit zitieren
Ursula Prunč (Autor:in), 2013, Das Akzentsystem des Bosnischen, Kroatischen und Serbischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292621

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