Evolutionäre Sozialpsychologie und Xenophobie


Hausarbeit, 2001

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Evolutionäre Sozialpsychologie nach Archer
2.1 Kurzer Überblick über die Grundannahmen
2.2Erklärung altruistischen Verhaltens und Xenophobie
2.3 Anmerkungen

3 Sozialbiologie nach Irenäus Eibl-Eibesfeldt
3.1 Kulturelle und stammesgeschichtliche Evolution
3.2 Altruismus
3.3 Xenophobie und Eigengruppe
3.4 Anmerkungen

4 Etablierte und Außenseiter- nach Norbert Elias /John L. Scotson
4.1 Anmerkungen

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Rahmen des Themas Rassismus aus sozialpsychologischer Perspektive behandelten wir auch die evolutionäre Sozialpsychologie nach Archer. Diese Thematik fand ich aus zweierlei Gründen interessant: Zum einen ermöglicht dieser Ansatz neue Perspektiven auf gesellschaftliche Problematiken und im Bereich der Sozialpsychologie zu verortende Thematiken. Zum andern scheint diese Perspektive aber auch verengt, da die Erklärung menschlichen Verhalten mit Verzicht der Berücksichtung sozialer, erzieherischer, kultureller und politischer Aspekte auskommt. Archer entwirft ein Modell, nach dem der Mensch, von seinen archaischen Genen getrieben, überall gleich “funktionieren“ müsste, unabhängig in welchem gesellschaftlichem System er lebt. Die Zurückführung der Bedeutung von etwa pro- und asozialem, fremdenfeindlichem und tolerantem, misanthropischem und philanthropischem Verhalten auf Reproduktionsbegrifflichkeiten scheint, wenn die Annahme nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch andere „Mechanismen“ als angeborene (die Möglichkeiten sind unzweifelhaft angeboren) greifen, nicht hinreichend entwickelt. Da Archers Argumentationen keine Stellungsnahmen und Lösungsmöglichkeiten (die es aus seiner Perspektive auch nicht gebe kann, es sei denn über Genmanipulation) für die Szenarien, die er beschreibt, enthalten, könnte man seine Annahmen auch als Legitimation zur Fremdenfeindlichkeit bis hin zur Massenvernichtung, da diese als Handlungsmuster genetisch fixiert sind, (falsch?) interpretieren.

Die Aufgabe in dieser Arbeit ist im Wesentlichen eingegrenzt auf die Thematiken Altruismus, Eigen und Fremdgruppenidentifizierung und damit zusammenhängender Xenophobie. Aspekte wie die Herkunft des Urmenschen (aus Afrika) und der damit zusammenhängenden „wirklichen“ genetischen Verwandtschaft, Völkerwanderungen und „rassische“ Vermischungen (außer kurzes Beispiel, s.u. bei Elias/Scotson), Untersuchungen zur Identifikation mit der Eigen- bzw. Fremdgruppe nach recht „willkürlichen“ geschichtlichen (z.B. als Kriegsergebnisse oder Unionen) Verschiebungen von Nationalgrenzen (z.B. Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands) oder auch der die natürliche Auslese verlassenden Sozialstaat (da „Schwache“ und „Kranke“ mit versorgt werden) müssen aus Gründen des Umfanges außen vor bleiben.

Zuerst werde ich versuchen, Archers Annahmen (grober Überblick, Altruismus, Xenophobie) kurz vorzustellen. Die entwickelten Problematiken werden aus einer nicht so radikalen Position, der Sozialbiologie, überarbeitet. Abschließend wird die Eigen und Fremdgruppendebatte unter Berücksichtung der erarbeiteten Problemfelder näher beleuchten.

2 Evolutionäre Sozialpsychologie nach Archer

2.1 Kurzer Überblick über die Grundannahmen

Archer und die Evolutionspsychologie gehen von der Theorie der natürlichen Auslese (Mutation und Selektion) aus. Über diese Grundgedanken, mit entsprechenden Theorien und Hypothesen angereichert, wird versucht die menschliche (besonders seine soziale) Natur zu erklären. Es werden also soziale Erlebens- und Verhaltensweisen in den heutigen Gesellschaftsformen generalisierend (naturgesetzlich) aus der phylogenetischen Anpassung des Menschen (des Urmenschen bis zu unseren Ahnen) an die Umwelt abgeleitet. Im Vordergrund steht die Verbreitung des eigenen genetischen Materials und daran richtet sich menschliches und tierisches Verhalten aus. Das Verhalten, das die „besten“ Reproduktionsvorteile bringt, setzt sich durch, da aus diesem die meisten Nachkommen hervorgehen. Dasjenige Gen, welches diese Verhaltensweisen hervorruft, verbreitet sich so über Generationen am weitesten in der entsprechenden Gattung.

2.2 Erklärung altruistischen Verhaltens und Xenophobie

Wie kann man sich nun Hilfeverhalten erklären, wenn damit die eigene Existenz und mit dieser das genetische Material gefährdet wird, bzw. man seine eigene „Fitness“ verringert (bei Vergrößerung der „Fitness“ eines anderen Individuums)?

Moderne Darwinisten sehen in den Genen die eigentlichen Selektionseinheiten – statt in den Organismen oder in der ganzen Spezies, wie es die klassische Evolutionstheorie tat (siehe auch Dawkins: Das eigensüchtige Gen). Der Organismus ist nur noch der Träger der genetischen Information und seine Funktion liegt in der Weitergabe dieser Informationen auf die nächste Generation. Aus dieser genetischen Perspektive muss Altruismus auch (genetisch) eigennützlich sein.

Auf Grund dieser Überlegungen kommt Archer zu dem Konzept der Gesamtfitness, und auf den Menschen angewandt, erklärt sich so, warum direkte Blutsverwandtschaft in allen menschlichen Kulturen eine so entscheidende Rolle spielt. Deshalb ist altruistisches Verhalten gerade bei genetisch nahen Verwandten anzutreffen, da damit die Chance erhöht wird, Anteile der eigenen genetischen Informationen zu erhalten. Somit erweißt sich der Verwandtschaftsgrad als entscheidende Größe, ob mit altruistischen Verhaltensweisen gerechnet werden kann oder auch nicht. Da der Mensch nicht ausschließlich mehr in kleinen sippenhaften Verbänden lebt, sondern sein Leben oft in größere kulturelle Rahmenbedingungen eingebettet ist, werden nach Archer die altruistischen Angebote durch Eigengruppen- und damit einhergehender Fremdgruppenbildung erweitert (wie in der Kleingruppe). Wichtig ist nun, dass die Wahrscheinlichkeit, mit einem der Gruppenmitglieder verwandt zu sein, in der Eigengruppe höher sein muss, so dass bei Angeboten zur Hilfe die Wahrscheinlichkeit, Anteile der eigenen Erbinformationen zu „retten“ und somit die „Gesamtfitness“ zu steigern, sehr hoch sein muss. Daher ist bei denen nicht zur Eigengruppe gehörenden Individuen (genetische Wahrscheinlichkeit der Verwandtschaft müsste geringer sein) mit weniger altruistischen Handlungen zu rechnen. Nun versucht Archer Feindlichkeiten gegenüber anderen Gruppen und deren Mitgliedern aus genau diesen genetischen Reproduktionsgründen zu erklären.

Danach wird die Eigengruppenbildung (mit notwendigerweise diskriminierter Fremdgruppe) sowie die Xenophobie (nach Archer Fremdenfeindlichkeit) als natürliches, evolutionär begründetes Phänomen vorgestellt. Diese Verhaltensweisen, so die Annahme, haben sich unter den Bedingungen entwickelt, denen die menschlichen Vorfahren ausgeliefert waren (in der Kleingruppe) und die ob sie die Fitness vergrößern oder nicht immer noch präsent sind. Nun werden nach Archer auch geschichtliche und aktuelle Ereignisse wie Massenvernichtungen, Vertreibungen, Folterungen u.s.w. erklärbar, da der Mensch neben Gründen der Gesamtfitness eine sehr starke Tendenz zur Identifikation mit der Eigengruppe und zum negativen (aber auch zum positiven- Anm. des Verfassers) Stereotypisieren der Mitglieder der Fremdgruppe besitzt. Ich habe Archer so verstanden, dass die genetisch kontrollierte Gruppenidentifizierung das eigentliche Selektionskriterium bei altruistischen Angeboten ist und an die Stelle der Blutsverwandtschaft tritt:

„es gibt ganz unterschiedliche Kriterien dafür, wen man töten und wem man helfen soll. Menschen können in „wir“ und „die“ unterteilt werden auf der Grundlage von Erscheinungsbild, Religion, Sitten und Gebräuchen, Wohnort, Sprache oder Sexualität.“(Archer 1997,S.34 Sozialpsychologie- eine Einführung).

2.3 Anmerkungen

Der Mensch als soziales und kulturelles Wesen ist, so meine Annahme, als Teil seiner sozialen Identität auf die subjektive Zuordnung zu Gruppen angewiesen ist.

Warum deshalb feindliches Verhalten gegenüber Gruppenfremden entstehen soll bleibt schleierhaft, denn innerhalb eines Gesellschaftssystems rechnet sich der Mensch immer wieder wechselnden und mehreren Gruppen zu und ohne diese Fähigkeit wäre eine arbeitsteilige Gesellschaft nicht entstanden und möglich. Nach welchen Kriterien diese Gruppenidentifizierungen(am genetischen Verwandtschaftsverhältnis vorbei) und damit verbundenen Fremden- feindlichkeiten berechnet (steigend mit der genetischer Wahrscheinlichkeit mit dem Fremden nicht verwandt zu sein)werden eröffnet Archer nicht. Die wesentlichste Frage aber bleibt hätte es überhaupt zur Bildung von Großgesellschaften kommen können oder müsste der Mensch nicht immer noch in kleinen Sippenhaften Verbänden leben, wäre Fremdenfeindlichkeit genetisch fixiert? Der Übergang von den Kleingruppen zu größeren Verbänden bleibt ungeklärt.

Das Massenvernichtung, Folterungen usw. nicht mehr mit evolutionär sinnvollem, genetisch eigennützlichem Verhalten erklärt werden können ist offensichtlich, denn die jeweiligen Gruppenidentifizierungen laufen am genetischen Verwandtschaftsverhältnis vorbei z.B. weltweite Religionen, Sitten und Gebräuche, Wohnort, Sprache, Sexualität, Berufe, soziale Klassen, Ideologien oder auch Allianzen in Kriegen, Unionen, Gründung von Nationalstaaten. Es müssen also neben den angeborenen Verhaltensmöglichkeiten(wie Fremdenfeindlichkeit) auch andere Phänomene mitwirken die zur Eigen- und Fremdgruppenidentifizierung und damit- nicht notwendigerweise- zusammenhängender Fremdenfeindlichkeit führen.

Die biologische Evolution wurde und deshalb sind auch die Selektionsgesetze aus dem Tier- und Pflanzenreich nicht ohne weiteres auf gesellschaftliche, soziale Problematiken zu übertragen, von einer kulturellen Evolution (z.B. Sprachen, Fähigkeit zur kulturellen Gesellschaftsbildung) beeinflusst- nach dem sie aus der biologischen hervorging. Dies muss einen Vorteil in der Anpassung an Umweltverhältnisse gehabt haben(von der Kleingruppe zu größeren Verbänden) und somit einen evolutionären Selektionsvorteil dargestellt haben. Wäre Fremdenfeindlichkeit in die Phylogenese als Anpassungsvorteil genetisch fixiert eingegangen, wäre es nicht zu Bildung von größeren Verbänden gekommen. Gesellschaftliche, geschichtliche Faktoren wie Traditionen, Lebensweisen, Religion, Sprache, Nationalgrenzen und die daraus folgenden Möglichkeiten zu sozialen- und Gruppenidentifikationen welche über, unter anderem, kulturelle, gesellschaftliche Erziehung und Sozialisation vermittelt werden, bilden in der Massengesellschaft einen Großteil der sexuellen Auslese(wenn es in diesem Kontext noch sinnvoll ist die Terminologie aus der Evolutionstheorie zu nutzen).

Das heißt natürlich nicht das angeborene Dispositionen und damit zusammenhängende menschliche Möglichkeiten überschätzt, bzw. vernachlässigt oder gar ignoriert werden dürfen, aber ich glaube das gerade soziale, gesellschaftliche Phänomene ausschließlich aus dieser Perspektive nicht geklärt werden können(ohne Berücksichtigung der gesellschaftlichen Vermittlungsinstanz ). Aggressive, zerstörerische Fremdenfeindlichkeit zeigen vor allem bei relativ humaner gesellschaftlicher Konzeption(z.B. wie in Deutschland)nur die wenigsten (zumindest offen oder bewusst).Hier zeigt sich meiner Meinung nach deutlich der Einfluss gesellschaftlicher und individueller Faktoren(unabhängig von deren Inhalten).Also scheint Fremdenfeindlichkeit nicht angeborenen, sondern eher gesellschaftlichen Faktoren( Traditionen, Normen usw.) zu unterliegen. Der Mensch wird in eine Kultur bzw. Gruppe hineingeboren, diese stellt sozusagen seine Umwelt dar, welcher er aber nicht passiv ausgeliefert ist. Der Mensch hat u.a. die Fähigkeit kulturelle Moral, Normen, Traditionen, Werte, Gruppenzugehörigkeiten usw. zu hinterfragen und zu ändern. Allerdings tragen angeborene Verhaltensmöglichkeiten wie z.B. Opportunismus und Konformität, durch entsprechende Erziehung und Sozialisation beeinflusst, oftmals mehr Früchte.

Im Weiteren möchte ich diese Problematiken aus einer anderen Perspektive ergänzen (u.a. auch den reziproken Altruismus, denn ich bei Archer nicht direkt erwähnt habe) und näher beleuchten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Evolutionäre Sozialpsychologie und Xenophobie
Hochschule
Hochschule Zittau/Görlitz; Standort Görlitz  (Kommunikationspsychologie)
Veranstaltung
Sozialpsychologie
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
18
Katalognummer
V28981
ISBN (eBook)
9783638306201
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Evolutionäre, Sozialpsychologie, Xenophobie, Sozialpsychologie
Arbeit zitieren
Arndt Keßner (Autor:in), 2001, Evolutionäre Sozialpsychologie und Xenophobie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28981

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Evolutionäre Sozialpsychologie und Xenophobie



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden