Just in Time (JIT) und Just in Sequence (JIS). Konsequenzen auf die Fertigungs- und Lieferprozesse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Just in Time / Just in Sequence
1.1 Historie
1.2 Begriff
1.3 Ziele

2 Konsequenzen auf die Beschaffungsprozesse
2.1 Teilewahl
2.2 Lieferanten-Abnehmer-Beziehung
2.3 Lieferantenwahl und JIT/ JIS-Verträge
2.4 Lieferantenanbindung und Integration von Logistikdienstleistern
2.5 Produktionssynchrone und sequenzgenaue Beschaffung

3 Konsequenzen auf die Fertigungsprozesse
3.1 Prozessstandardisierung und Fertigungssegmentierung
3.2 Informations- und Fertigungssteuerung
3.3 Rüstzeitreduzierung
3.4 Instandhaltung

4 Konsequenzen auf die Distributionsprozesse

5 JIT/JIS-orientiertes Qualitätsmanagement

6 JIT/JIS-orientiertes Personalmanagement

7 Probleme

8 Wirkungspotentiale
8.1 Bestands-, Liquiditäts- und Produktivitätswirkungen
8.2 Zeit- und Flexibilitätswirkungen
8.3 Qualitäts-, Kosten- und Leistungswirkungen
8.4 Wettbewerbswirkungen

Quellenverzeichnis

1 Just in Time / Just in Sequence

Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten, sinkende Stückzahlen, höhere Variantenvielfalt, Losgröße Eins, kürzere Produktlebenszyklen, kürzere Entwicklungszeiten, ganzheitliches Denken. Diese Liste an Schlagworten aus dem Logistik-Umfeld lässt sich beliebig verlängern, steht sie doch für den zunehmenden Druck, dem Unternehmen im Wettbewerb ausgesetzt sind.

Just in Time (JIT) und in jüngerer Zeit auch Just in Sequence (JIS) stellen einen Ansatz dar, auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren, ohne auf der Kostenseite die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Die vorliegende Arbeit stellt die Konsequenzen dar, welche die Umsetzung von JIT/JIS-Verfahren auf die verschiedenen Prozesstypen im Unternehmenskontext hat. Unter Lieferprozessen werden dabei Beschaffungs- und Distributionsprozesse verstanden. Es wird in der Regel von einem Produktionsunternehmen ausgegangen, welches Teile beschafft, ein Produkt fertigt und dieses im Anschluss an die Kunden liefert.

Im Folgenden wird kurz der inhaltliche Aufbau dargestellt. Die sich anschließenden Abschnitte des Kapitel 1 geben einen Überblick über die Geschichte, eine Begriffsbestimmung und eine Aufgliederung der Ober- und Nebenziele von JIT/JIS. In Kapitel 2 werden die Auswirkungen auf die Gestaltung der Beschaffungsprozesse dargestellt, welchem sich in Kapitel 3 die Fertigungsprozesse anschließen. Kapitel 4 spricht die Distributionsprozesse an. Qualitäts- und Personalmanagement spielen eine Sonderrolle, da sie auf alle genannten Prozesse wirken. Sie sind Gegenstand von Kapitel 5 und 6. Kapitel 7 behandelt mögliche Probleme im JIT/JIS-Kontext und Kapitel 8 skizziert potentielle Wirkungen von JIT/JIS-Realisationen.

Teilweise sind in den Abschnitten Beispiele genannt, welche die Praxisrelevanz verdeutlichen sollen. Häufig bestehen jedoch zwischen beschriebener Idealvorstellung und realer Umsetzung Unterschiede.

1.1 Historie

JIT geht auf das Toyota Production System (TPS) des japanischen Automobilherstellers zurück [GÖRG94, S. 5].

Kapitalknappheit und der kleine differenzierte Absatzmarkt im Japan der Nachkriegszeit verhinderten die Realisierung einer Massenfertigung nach amerikanischem Vorbild. Die Fertigung einer großen Teilevielfalt in kleinen Mengen erforderte die Entwicklung neuer effizienter Verfahren für Produktion und Beschaffung.

Es sollten die Vorteile handwerklicher Fertigung mit denen der Fließbandfertigung verbunden werden, ohne deren Nachteile zu akzeptieren. Tab. 1 zeigt idealisiert auf, wie das TPS diese Vorteile verknüpfen sollte. Verschwendung in Form von Überproduktion, hohen Beständen, Wartezeiten, Produktionsfehlern, langen Transportwegen und Verwendung ungeeigneter Betriebsmittel sollte darüber hinaus vermieden werden [URBA98, S. 11].

Es wurde eine Produktionssteuerung nach dem Supermarktprinzip (Pull- oder Holprinzip) eingeführt: der Verbraucher entnimmt aus einem vorhandenen Sortiment genau die Menge, die er braucht. Bei Unterschreiten eines vorab definierten Mindestbestandes wird nachgefüllt.

Übertragen auf den Produktionsprozess stellt sich das Prinzip so dar, dass erst dann produziert wird, wenn im nachgelagerten Prozess ein Bedarf besteht. Die konkrete Steuerung im TPS geschah per KANBANS (jap.: Karte). Es handelte sich also um eine erste Form der Produktion auf Abruf.

Tab. 1: Toyota Production System [URBA98, S. 10]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unterstützt wurde diese durch eine Intensivierung und Systematisierung der Zusammenarbeit mit den Zulieferern. Bereits in den 60er Jahren hatte Toyota eine außergewöhnlich niedrige Fertigungstiefe von ca. 15 % [VAHR98, S. 270]. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die durchschnittliche Fertigungstiefe der Fahrzeughersteller aktuell bei etwa 25 %. 1980 lag dieser Wert noch über 35 % [HART03].

Des Weiteren wurden Prozesse mit dem Ziel einer geringen Fehlerquote möglichst einfach gehalten. Das Streben nach permanenter Verbesserung (jap.: Kaizen) sowie eine Beachtung von Humanisierungsgesichtspunkten spielten ebenfalls bereits eine Rolle. Insgesamt bestand das TPS aus einzelnen Komponenten, die sich gegenseitig unterstützten und verstärkten [GÖRG94, S. 11].

Ausgelöst vom internationalen Erfolg japanischer Produkte und nicht zuletzt der Ölkrise begann in den 70er Jahren in Nordamerika und in den 80er Jahren in Europa ein Umdenken. Flexible Fertigungs- und Beschaffungsprozesse nach japanischem Vorbild wurden adaptiert. Der Begriff JIT fand erstmalige Verwendung bei General Motors. Vorreiter blieb damit die Automobilindustrie [URBA98, S. 12f.]

1.2 Begriff

Wörtlich übersetzt heißt JIT „gerade zur rechten Zeit“ oder „nicht zu früh und nicht zu spät“ [DELF98, S. 205]. Jedoch kann eine Anspielung auf den passenden Zeitpunkt eines Prozesses den Inhalten von JIT nicht gerecht werden. Auch eine Gleichstellung mit produktionssynchroner Beschaffung oder mit dem KANBAN-System schafft das nicht.

In der Literatur sind bezüglich des Begriffs JIT klare Abgrenzungen selten. Insbesondere ist das Verhältnis zu den Begriffen Lean Management und Lean Production zu nennen. Diese werden inhaltlich häufig synonym gebraucht, wobei Unterschiede allenfalls in der Weite der Auslegung liegen. Häufig werden von Einzelimplementierungen generalisierende Aussagen getroffen, was unter JIT einzuordnen ist [GÖRG94, S. 5].

Die Definition des Begründers des TPS, Taiichi Ohno, lautet: „Just in Time bedeutet, dass in einem Fliessverfahren die richtigen Teile, die zur Montage benötigt werden, zur rechten Zeit und in der benötigten Menge am Fließband ankommen. Ein Unternehmen, dass diesen Teilefluss durchgehend praktiziert, kann sich einem Null-Lagerbestand annähern“ [TRAE94, S. 31].

Eine jüngere Definition von Wildemann lautet: „Just in Time ist eine neue Produk­tions- und Logistikstrategie. Unter der Forderung der Bedarfserfüllung zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Qualität und Menge am richtigen Ort erfolgt da­bei eine Neuorganisation des betrieblichen Ablaufs, die sich auf den Material- und Informationsfluss erstreckt. Ziel ist es dabei, die Aktivitäten des Wertschöpfungsprozesses eng an den Marktbedürfnissen auszurichten, um eine kundennahe Produktion zu ermöglichen“ [URBA98, S. 13]

Hervorzuheben ist, dass sich JIT nicht auf den Produktionsbereich beschränkt, sondern alle Funktionsbereiche einer Unternehmung einbezieht. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Konsequenzen auf Entwicklung, Beschaffung Distribution sowie daraus resultierende potentielle Effizienzwirkungen angesprochen. Dies verdeutlicht, dass die gesamte logistische Kette Gest­altungsobjekt von JIT ist. Eine weitere Dimension erhält der Begriff, wenn er als kontinuierlicher Prozess aufgefasst wird. Im Sinne von Kaizen wird ausgehend von einem Ist-Zustand permanent ein Idealzustand angestrebt [URBA98, S. 13f.]. JIT muss daher als Unternehmensphilosophie oder spezifische Denkhaltung aufgefasst werden [DELF98, S. 205].

In der gängigen Literatur wird JIS nicht als eigenständiger Begriff geführt. Er findet vorwiegend in Fallstudien Verwendung, wo er für die Erweiterung der JIT-Philosophie zur Realisierung reihenfolgegenauer Lieferungen eingesetzt wird.

1.3 Ziele

Die Philosophie hat prinzipiell zwei Oberziele:

1. die Erhöhung des Lieferservicegrades als Marktkomponente und
2. die Reduktion der Logistikkosten als Kostenkomponente.

„Erhöhung des Lieferservicegrades“ ist dabei als Summe folgender Unterziele zu verstehen: Reduktion der Lieferzeit, Verbesserung der Lieferfähigkeit, Erhöhung der Liefertreue, Erhöhung der Lieferflexibilität, Verbesserung der Lieferqualität und Verbesserung der Informationsbereitschaft.

Die Lieferzeit ist der Zeitraum zwischen Bestellungseingang und Auslieferung. Lieferfähigkeit ist ein Ausdruck für die Übereinstimmung der gelieferten Mengen mit den bestellten. Liefertreue ist der Maßstab für die Zuverlässigkeit der Lieferung zum zugesagten Termin. Mit Lieferflexibilität wird die Anpassungsfähigkeit an modifizierte Kundenwünsche in Bezug auf Produktspezifikationen oder geänderte Liefertermine nach Bestellungseingang ausgedrückt. Lieferqualität steht wiederum für die Übereinstimmung von gelieferter und bestellter Qualität und Informationsbereitschaft gibt die Möglichkeit des Kunden an, sich über den Bearbeitungsstand seines Auftrages zu informieren [URBA98, S. 23].

Teilweise in Konflikt zum Lieferservicegrad befindet sich das zweite Oberziel Kostenreduktion.

Unter Logistikkosten sind Lagerkosten, System- und Steuerungskosten, Handlingskosten, Transportkosten, Qualitätskosten und Personalkosten einzuordnen.

Besonders hervorzuheben sind dabei die Lagerkosten, die direkt mit der von JIT/JIS angestrebten Bestandsreduzierung zusammenhängen. Zu ihnen zählen Kosten für Lagerpersonal, Lagerräume und Hilfsmittel, Kosten für Verderb der Ware sowie Steuern, Versicherung und Zinsen [THOM90, H 16.3, S. 2]. System- und Steu­e­rungs­kos­ten umfassen alle Kosten für die Planung, Steuerung und Kontrolle des Materialflusses sowie für die Gewährleistung der Betriebsbereitschaft und System­unterhaltung. Handlingskosten fallen für Verpackung, Kennzeichnung und Kommissionierung an. Transportkosten entstehen im Rahmen der zwischen- und innerbetrieblichen Beschaffung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Halb- und Fertigfabrikaten. Zu den Qualitätskosten zählen Fehlerverhütungs-, Prüf- und Fehlerfolgekosten. Personalkosten entstehen über die Lagerpersonalkosten hinaus für alle mit der Logistik im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten.

Grundsätzlich steht etwa eine Maximierung des Servicegrades im Widerspruch zu einer Minimierung der Logistikkosten. Im Sinne der ganzheitlichen Betrachtung von JIT/JIS sind Konflikte dahingehend zu lösen, dass die resultierende Wertschöpfung möglichst hoch ist. Dies gelingt durch die Orientierung an einem weiteren Unterziel, das sowohl markt- als auch kostenorientiert ist - die Reduzierung der Durchlaufzeit. Im Rahmen dieser Arbeit ist damit die auftragsbezogene Durchlaufzeit gemeint, die sich von der Auftragserteilung bis zur Übergabe des Produkts an den Kunden erstreckt [URBA98, S. 24-26].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Ober- und Nebenziele von JIT/JIS; in Anlehnung an [URBA98, S. 25]

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Just in Time (JIT) und Just in Sequence (JIS). Konsequenzen auf die Fertigungs- und Lieferprozesse
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Lehrstuhl für BWL und Wirtschaftsinformatik Prof. Thome)
Veranstaltung
Logistische Aufgaben und Prozesse
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V28970
ISBN (eBook)
9783638306096
Dateigröße
696 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aufarbeitung des aktuellen Wissenstands im Bereich Just-in-Time/Just-Sequence-Beschaffung und Produktion. Aktuelle Verfahren, Probleme und Beispiele.
Schlagworte
JIT/JIS, Verfahren, Konsequenzen, Fertigungs-, Lieferprozesse, Logistische, Aufgaben, Prozesse
Arbeit zitieren
Arndt Nikolaus Loh (Autor:in), 2003, Just in Time (JIT) und Just in Sequence (JIS). Konsequenzen auf die Fertigungs- und Lieferprozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28970

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