Sprachmischungen im frühen bilingualen Spracherwerb


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ein oder zwei Sprachsysteme?
2.1. The unitary-language hypothesis
2.2. The differentiated-language hypothesis
2.3. Die Annahme einer pre-grammatischen Phase

3. Code-switching

4. Die Rolle des sprachlichen Inputs durch Eltern und Umwelt

5. Schlußfolgerung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In vielen Untersuchungen zum bilingualen Erstspracherwerb wurde festgestellt, dass Kinder, die von Geburt an zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, in den ersten Lebensjahren auffällig häufig die Sprachen mischen, die hohe Mischrate jedoch mit zunehmenden sprachlichen Kenntnissen rapide abnimmt.

Kontroverse Hypothesen für diese frühen Sprachmischungen führten in der Wissenschaft zu Diskussionen und ein immer wieder auftauchendes Thema ist, ob mehrsprachigen Kindern zu Beginn des Spracherwerbs überhaupt bewußt ist, dass sie es mit mehr als einer Sprache zu tun haben .

Anhänger der sogenannten “one-system hypothesis” oder auch “one-language hypothesis” sehen die Sprachmischungen als Beweis, dass die Sprachsysteme des Kindes anfangs noch fusioniert sind und sich erst mit der Entwicklung der grammatischen Kompetenz voneinander differenzieren. Befürworter der “two-system hypothesis” oder “differentiated-language hypothesis” weisen jedoch diese Argumentation zurück und zeigen, dass bilinguale Kinder von Geburt an die Fähigkeit besitzen, die Sprachen zu unterscheiden.

Ein mehrsprachiges Kind muss aber auch eine pragmatische Kompetenz entwickeln, in dem es lernt, sich der 'richtigen' Sprache im 'richtigen' Kontext zu bedienen, d. h. sich dem Gesprächspartner oder dem Gesprächskontext anzupassen. Dies gilt nicht nur für “einsprachige” Situationen, in der das Kind die Sprache des Gesprächspartners wählt, sondern auch für bilinguale Gesprächssituationen, in der die Gesprächsbeteiligten die selben Sprachen beherrschen und zwischen diesen wechseln können. Solche Sprachwechsel können innerhalb eines Dialoges, eines Satzes oder eines Wortes auftreten, was in der Sprachwissenschaft als “Code-switching” bezeichnet wird. Um es korrekt anzuwenden, müssen allerdings gewisse soziologische, pragmatische und grammatische Regeln befolgt werden.

Demnach könnte “fehlerhaftes” Code-switching ebenfalls eine Ursache für die vermehrten Sprachmischungen sein, da die Sprachen aufgrund noch nicht erworbener Kompetenzen auch in einem unangebrachten Kontext gemischt werden. Code-switching setzt jedoch zwei differenzierte Sprachsysteme voraus.

In der vorliegenden Arbeit sollen einige Untersuchungen betrachtet werden, die sich mit Sprachmischungen bilingualer Kinder während des frühen Spracherwerbs beschäftigt haben. Dabei wird Bilingualismus oder auch Mehrsprachigkeit als Ergebnis eines natürlichen Prozesses verstanden, nämlich als der gleichzeitige Erwerb zweier oder mehr Sprachen noch vor dem 3. Lebensjahr (McLaughlin 1984).

Während der erste Teil die Frage behandelt, inwiefern mehrsprachige Kinder anfangs zwischen den Sprachen unterscheiden können und ob die Sprachmischungen aufgrund eines fusionierten Systems zustande kommen, soll im zweiten Teil der Begriff Code-switching näher erläutert und der Bezug zum sprachlichen Verhalten bilingualer Kinder hergestellt werden. Als gesonderter Aspekt wird zudem die Rolle des Inputs durch Eltern und Umwelt aufgeführt.

Am Ende der Arbeit werden die verschiedenen Annahmen noch einmal zusammengefasst, um zu einer persönlichen Schlußfolgerung zu gelangen, warum bei mehrsprachigen Kindern am Anfang der Sprachentwicklung häufiger Sprachmischungen auftreten als mit fortschreitender Entwicklung.

2. Ein oder zwei Sprachsysteme?

Seit über dreißig Jahren werden Forschungen zur Sprachentwicklung mehrsprachiger Kinder unternommen, doch bis heute konnte noch keine Hypothese wirklich zufriedenstellend bewiesen werden. Hauptüberlegung ist vor allem, wie das Kind die Sprachen verarbeitet und ob es sie voneinander trennen kann. Einige meinten anhand der Menge der Sprachmischungen, die in den ersten Stadien der bilingualen Sprachentwicklung zu beobachten sind, beweisen zu können, dass das Kind anfangs nicht in der Lage ist, die Sprachen auseinander zu halten (z.B. Volterra und Taeschner 1978, Redlinger und Park 1980). Lange Zeit anerkannt, wurde die unitary-language hypothesis gerade im letzten Jahrzehnt stark kritisiert und es setzte sich mehr und mehr die Auffassung durch, dass Kinder sehr wohl die Sprachen trennen können (z.B. Genesee 1989, Meisel 1989). Doch auch die differentiated-language hypothesis ist nicht als endgültiges Ergebnis anzusehen. In jüngsten Untersuchungen wird eine Interaktion und Abhängigkeit der beiden Sprachsysteme angenommen (“Interdependent Development Hypothesis”, siehe z.B. Paradis und Genesee 1996) . Zudem wurde die Existenz von nur einem Sprachsystem soweit wieder aufgegriffen, als dass eine sogenannte “pre-grammatische” Phase vorgeschlagen wurde (z.B. Dechar und Quay, 1998), d.h. eine Phase, in der die grammatische Entwicklung noch nicht eingesetzt hat und somit auch noch keine Differenzierung der Sprachen.

Bis auf die Annahme einer gegenseitigen Beeinflussung der Sprachsysteme sollen im folgenden Abschnitt verschiedene Hypothesen zur grammatischen Differenzierung im bilingualen Spracherwerb näher erläutert werden.

2.1. The unitary-language hypothesis

Befürworter dieser These gehen davon aus, dass ein mehrsprachiges Kind in den ersten Stadien seiner Sprachentwicklung nicht zwischen den verschiedenen Sprachen unterscheiden kann und die Sprachsysteme von daher eine Einheit bilden.

Redlinger und Park sprechen von “an initial mixed stage in language production consisting in indiscriminate combinations of elements from each language” (1980, S.337). Mit Hilfe einer systematischen Analyse haben sie versucht, die Beziehung zwischen Sprachmischungen, Alter und der linguistischen Entwicklung aufzuzeigen.

„(...) the speech data was divided into periods, each containing the speech samples from two adjacent home visits. The MLUs [= mixed language utterances] were calculated separately for each session and then averaged together for each period“. (Seite 339)

Für jede Periode wurden die auftretenden Sprachmischungen in Prozent ausgedrückt. Die hohe Mischrate in der frühen Phase der Entwicklung wurde dabei als Evidenz für eine noch nicht vorhandene Differenzierung gesehen.

„These findings suggest that the subjects were involved in a gradual process of language differentiation and are in agreement with those of previous investigators supporting the one system approach to bilingual acquisition." (S. 344)

Redlinger und Park müssen jedoch in ihrem Ergebnis berücksichtigen, dass es unter den vier Kindern, die sie beobachtet haben, auch eines gab, bei dem kaum Sprachmischungen auftraten. In Anbetracht, dass dessen Eltern sich streng an die Regel “eine Person, eine Sprache” hielten, kommt der Sprachtrennung im unmittelbaren Umfeld des Kindes mehr Bedeutung zu. Wenn die Sprachen nach Personen getrennt werden, scheinen die Kinder sie schneller und leichter zu differenzieren. Hierzu Redlinger und Park (S.351): (...) „ it was noted that a separation of language by person or the lack of it may affect the speed and ease with which a bilingual child learns to differentiate the languages“.

Die Forschungen von Volterra und Taeschner beziehen sich auf zwei in Italien bilingual italienisch und deutsch aufwachsenden Mädchen, bei denen die strikte Trennung der Sprachen nach Personen eingehalten wurde. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich jedoch mehr auf die Art der Sprachmischungen als auf die Menge.

In ihrem Aufsatz “The aquisition and development of language by bilingual children” (1978) beschreiben sie den bilingualen Erstspracherwerb als ein Modell bestehend aus drei Phasen, in denen sich die beiden fusionierten Sprachsysteme nach und nach voneinander trennen und zu einem eigenen System werden.

Demnach verfügt das Kind in der ersten Phase nur über ein einziges lexikalisches Systems, welches Wörter beider Sprachen beinhaltet. Ein Wort aus einer Sprache hat meistens keinen Korrespondenten mit der selben Bedeutung in der anderen Sprache.

In der zweiten Phase ist das Kind in der Lage, zwischen den zwei lexikalischen Systemen zu unterscheiden, wendet jedoch immer nur - auch wechselnd - die Grammatik einer Sprache an.

Die dritte Phase hat das Kind erreicht, wenn es fähig ist, zwischen beiden Sprachen vollständig zu unterscheiden, d. h. sowohl in lexikalischer als auch in syntaktischer Hinsicht. Die Sprachen sind jedoch noch an Personen gebunden. Erst wenn das Kind in der Lage ist, die Sprachen unabhängig von bestimmten Gesprächspartnern zu benutzen, kann man sagen, dass es bilingual ist (S. 311).

Volterra und Taeschner bringen die Sprachmischungen bilingualer Kindern in Verbindung mit der stufenartig ablaufenden Differenzierung der Sprachsysteme, womit man die allmähliche Abnahme der Mischungen begründen könnte.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Sprachmischungen im frühen bilingualen Spracherwerb
Hochschule
Universität Hamburg  (Romanistik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
21
Katalognummer
V28945
ISBN (eBook)
9783638305891
Dateigröße
563 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprachmischungen, Spracherwerb
Arbeit zitieren
Julia Loewe (Autor:in), 2001, Sprachmischungen im frühen bilingualen Spracherwerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28945

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