Was beeinflusst Resilienz? Eine Fallstudie mit jungen Erwachsenen


Bachelorarbeit, 2014

55 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung, Ziel und Fragestellung

2 Zum Begriffsumfang und Inhalt der Resilienz
2.1 Definition: Resilienz
2.2 Risiko- und Schutzfaktoren im Resilienzkonzept
2.3 Ressourcen bei der Bewältigung von Stress

3 Darstellung der eingesetzten Methoden
3.1 Forschungsinteresse
3.2 Methodenportfolio
3.3 Die narrative Interviewform
3.4 Transkription
3.5 Begründung der Auswahl der Methodik

4 Empirischer Abschnitt der Arbeit
4.1 Begründung der Fallauswahl
4.2 Durchführung und Erläuterung des Interviewleitfadens

5 Auswertung der Ergebnisse
5.1 Einfluss von Risiko- und Schutzfaktoren im biografischen Prozess der Interviewperson 1
5.2 Einfluss von Risiko- und Schutzfaktoren im biografischen Prozess an einem Fallbeispiel 2

6 Vergleich der Ergebnisse
6.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Fallbeispiele in Bezug auf die Resilienz
6.2 Der Einflussfaktor Schule bei den vorliegenden Fallbeispielen

7 Fazit und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang
9.1 Hypothesen des Interviews
9.2 Transkripte
9.2.1 Transkript 1
9.2.2 Transkript 2

Kurzfassung

Thema: Eine Fallstudie mit jungen Erwachsenen - Was beeinflusst Resilienz?

Die hier vorgestellte Arbeit ist eine Bachelorarbeit der Universität Hamburg für Forschung, Lehre und Bildung, im Studiengang Lehramt/ Erziehungswissenschaften.

Der Schwerpunkt des Studiengangs liegt in dem Fachbereich der Erziehungswissenschaften.

Diese Bachelorarbeit behandelt die Fragestellung „Was beeinflusst Resilienz?“. Sie setzt sich aus einer theoretischen Analyse, sowie die Betrachtung von zwei Fallstudien zusammen.

1 Einleitung, Ziel und Fragestellung

Die vorliegende Arbeit stellt zwei Fallstudien dar, die im Rahmen der Bachelorarbeit entstanden sind. Der Gegenstand dieser Studien ist die Resilienzforschung und deren Beeinflussung, was der Forschung von biografischen Prozessen zugeordnet werden kann. Die Ergebnisse wurden mithilfe von eines narrativen Interviews und einer Literaturrecherche erhoben und stellen den Versuch dar, die Einflüsse in Bezug auf die Resilienz anhand von Fallbiografien näher zu beschreiben und zu vergleichen. Mittelpunkt dieser Arbeit sind zwei Personen, die weitestgehend als resilient bezeichnet werden können und deren Zuschreibung als resilient im Verlauf der Arbeit nochmals verfestigt wird. Es stellte sich der Autorin der vorliegenden Bachelorarbeit oft die Frage, weshalb es widerstandsfähige Personen gibt und weshalb anderen Personen die kleinsten Widerstände Schwierigkeiten bei der Bewältigung bereiten. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Einblick in die biografischen Prozesse resilienter Personen zu verschaffen und deren Risiko- und Schutzfaktoren darzustellen. Die Informationen, die sich anhand der qualitativen Forschungsmethode des narrativen Interviews ergaben, wurden in Bezug auf die Risiko- und Schutzfaktoren, aber auch in Bezug auf die Schule gefiltert. Eine Eingrenzung der Thematik bot hierbei die Literaturrecherche. Die theoretischen Grundlagen lieferten die Anhaltspunkte der vorliegenden Arbeit. Der empirische Teil bietet darauf aufbauend eine Vertiefung der Themen an.

Zu Beginn der vorliegenden Arbeit wird eine theoretische Grundlage geschaffen. Hierzu wird unter dem Kapitel des Begriffsumfangs und Inhalt der Resilienz der Begriff der Resilienz näher erläutert. Anschließend findet eine Darstellung der Risiko- und Schutzfaktoren statt. Im dritten Kapitel erfolgt die Darstellung der eingesetzten Methoden, die zur Bearbeitung des theoretischen als auch des empirischen Abschnitts herangezogen wurden. Das vierte Kapitel stellt den empirischen Teil der Arbeit dar. Hierbei wird die Durchführung der Interviews beschrieben. In dem Abschnitt der Auswertung der Ergebnisse werden die Einflüsse von Risiko- und Schutzfaktoren im biografischen Prozess bei beiden Fallstudien dargestellt und im folgenden Kapitel anschließend miteinander verglichen. Die Schule als ein Einflussfaktor wird aus beiden Fallbeispielen herausgearbeitet. Abschließend finden ein Fazit und ein Ausblick in Bezug auf die Beantwortung der Fragestellung der vorliegenden Arbeit statt.

2 Zum Begriffsumfang und Inhalt der Resilienz

In diesem theoretischen Abschnitt wird ein die Begrifflichkeit der Resilienz weitestgehend allgemein definiert. Dabei werden mehrere Definitionen zusammengestellt. Des Weiteren werden Risiko- und Schutzfaktoren im Resilienzkonzept dargestellt. Eine Ergänzung der Schutzfaktoren findet durch eine Darstellung von Ressourcen statt, die bei der Bewältigung von Stressoren ebenfalls eine relevante Rolle spielen.

2.1 Definition: Resilienz

„Der Begriff der Resilienz leitet sich aus dem Englischen resilience ab und bedeutet Spannkraft, Widerstandsfähigkeit und Elastizität.“1 Diese allgemeine Definition stellt einen Erklärungsansatz des umfassenden Begriffes der Resilienz dar. Die Begrifflichkeit der Resilienz kann aus unterschiedlichen Wissenschaftszweigen, zum Beispiel dem Ökosystem, technischen Systemen, den Wirtschaftswissenschaften und der Psychologie und ähnlichen Disziplinen, wie der Pädagogik, auf der das Augenmerk dieser Bachelorarbeit liegt, erklärt werden.

Im Vergleich zu Untersuchungen ungünstiger psychosozialer Lebensbedingungen und deren Auswirkungen beschäftigt sich die Resilienzforschung mit dem Phänomen von Personen, die eine Widerstandskraft gegen ungünstige psychosoziale Lebensbedin- gungen aufzeigen.2 Risikofaktoren, aber auch diverse traumatische Erfahrungen, führen bei Personen, die als resilient bezeichnet werden können, zu keinen psychischen Störungen.3 Sie überstehen Erlebnisse, bei denen andere Personen psychische Erkran- kungen entwickeln würden.

Die kindliche Entwicklung wird durch soziale, psychologische und biologische Risikofaktoren beeinflusst.4 Weshalb manche junge Erwachsene jedoch eine Stabilität gegen diese Risikofaktoren aufzeigen, ist der Gegenstand der Untersuchung der Resilienzforschung.

Aus entwicklungspsychologischer Perspektive betrachtet, sind im Kindes- und Jugendalter Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Die Bewältigung solcher Aufgaben kann bei den Personen zu Erfolg oder Misserfolg führen. Hierbei spielen jedoch die Risikofaktoren eine große Rolle. Fillip und Aymanns greifen hier die Begrifflichkeit der „erfolgreichen Bewältigung“ auf.5 Die Bewältigung diverser Krisen wird durch Fillip und Aymanns durch eine Wiederanpassung erklärt. Hierbei wird die Rückkehr der krisenbewältigenden Person zur Normalität betrachtet. Im Vergleich zu anderen Umgängen mit kritischen Lebensereignissen prallen Krisen an resilienten Personen ab.6 Eine ähnliche Beschreibung der Resilienz bezüglich der Wiederanpassung wird durch von Hagen und Röper aufgegriffen. So beschreiben diese in Anlehnung an Luthar und Cicetti (2000) die Widerstandsfähigkeit als einen dynamischen Prozess.7 Eine Charakterisierung dieses dynamischen Prozesses findet „durch positive Adaptation trotz ungünstiger psychosozialer Ausgangsbedingungen“8 statt. Demzufolge können sich Personen, die als resilient bezeichnet werden können, an jede Veränderung, die einen Einfluss auf ihre psychische Gesundheit haben könnte, anpassen und damit neue Bewältigungsschemata herstellen.

„Resilienz ist kein Charaktermerkmal, sondern das Endprodukt von Pufferungsprozessen, welche Risiken und belastende Ereignisse zwar nicht ausschließen, es aber dem Einzelnen ermöglichen, mit ihnen erfolgreich umzugehen.“9

Vergleichbar mit der Begrifflichkeit des Prallens erwähnt Werner bei ihrer Definition der Resilienz den Begriff der Pufferung. Ähnlich wie die zuvor erwähnten Definitionsansätze der Resilienz ist auch bei Werner erkennbar, das Resilienz ein Ergebnis positiver Bewältigung von Krisen sein kann.

Wie schon mehrmals erwähnt, kann die Resilienz als ein dynamischer Prozess betrachtet werden, bei dem eine resiliente Person durch eine Adaptation an neue Gegebenheiten schwierige Situationen bewältigt. Auch die Entstehung neuer Schemata, die als ein Erklärungsansatz für die erfolgreiche Bewältigung diverser Lebenskrisen gesehen werden können, begegnet uns in verschiedenen Definitions- und Erklärungsansätzen der Resilienz. Diese zwei Erklärungsansätze werden durch Fillip und Aymanns wie folgt zusammengefasst:

„[…] ist in dieser Betrachtung meist impliziert, dass Krisen und kritische Lebensereignisse letztlich einer (positiven) Entwicklung der Betroffenen förderlich seien. Indem die kritische Auseinandersetzung mit kritischen Lebensereignissen gleichbedeutend damit ist, dass das Personen-Umwelt-Gefüge in ein neues Gleich- gewicht überführt werden muss, mag sich dieses neue Gleichgewicht auf einem qualitativ höheren Niveau einstellen: Die Person ist aus der Krise letztlich „gestärkt“ hervorgegangen.“10

Des Weiteren führen Fillip und Aymanns noch Folgendes an:

„Indes kann man hier noch in eine ganz andere Richtung spekulieren: Da kritische Lebensereignisse ein hohes Maß an Neuartigkeit aufweisen und von Verhaltensunsicherheit und zuweilen gar von Orientierungsverlust begleitet sind, ist es nicht minder wahrscheinlich, dass kritische Lebensereignisse weniger Ver- änderungen erzeugen denn zu einer Stabilisierung individueller Verhaltens- dispositionen führen.“11

Demzufolge wird das Phänomen des Abprallens durch die sogenannte Stabilisierung individueller Verhaltensdispositionen erklärt.

Beginnend mit den Entwicklungskrisen im Kindes- und Jugendalter wird der Mensch lebenslang von Krisen betroffen sein. Auch Veränderungen jeglicher Gewohnheiten oder aber traumatische Erlebnisse können jederzeit im Leben eines Menschen auftreten. Um diese Krisen oder Aufgaben zu bewältigen, benötigt der Mensch Stärke. Über die Definition der Resilienz kann anhand mehrerer Theorien eine immer wieder auftauchende Begrifflichkeit festgelegt werden: Die Widerstandsfähigkeit. Dieser Begriff erscheint in nahezu allen dargestellten Definitionsansätzen, wird jedoch unterschiedlich weitergeführt. Dabei werden Begriffe wie das Abprallen oder das Puffern zur näheren Beschreibung genutzt. Dass resiliente Personen ihre Handlungs- schemata an neue Lebenskrisen adaptieren, ist ebenfalls eine der Gemeinsamkeiten der aufgeführten Definitionsansätze. Resiliente Personen erholen sich zügiger von trauma- tischen Lebensereignissen und Krisen als Personen, die nicht als resilient bezeichnet werden können. Dies ist jedoch relativ. Es kann nur in Relation betrachtet werden, inwiefern eine Verhaltensnormalisierung als zügig oder eine Lebenskrise als schnell bewältigt gesehen werden kann.12

Die Faktoren, die widerstandsfähiges Verhalten auslösen oder aber zu traumatischen Erlebnissen führen können, werden im Folgenden näher erläutert. Auch die möglichen Gründe dafür, weshalb manche Personen resilient und andere Personen schneller ver- wundbar sind und Misserfolge bei der Bewältigung von Lebenskrisen aufzeigen, wer- den geschildert.

2.2 Risiko- und Schutzfaktoren im Resilienzkonzept

Unter den Risiko- und Schutzfaktoren sind stabilisierende, aber auch destabilisierende Faktoren gemeint, welche die negativen Effekte ungünstiger Lebensumstände und traumatischer Erlebnisse meinen.13 Dabei können die Risikofaktoren nach negativem oder positivem Effekt kategorisiert werden. Ein negativer Effekt allein kann nicht als Risikofaktor gesehen werden. Erst eine Konstellation mehrerer negativer Effekte kann als Risikofaktoren gesehen werden. Dies resultiert daraus, dass positive Effekte bei einer additiven Betrachtung einen negativen Effekt schwächen können.14

Unter den Risikofaktoren sind belastende traumatische Erlebnisse wie zum Beispiel der Tod einer nahestehenden Person, Krankheitsfälle oder eben Lebensereignisse, die ein Potenzial für eine Vulnerabilität bieten. Die Eigenschaften, die eine resiliente Person von einer nicht resilienten Person unterscheiden, sind die Schutzfaktoren, die auf resiliente Personen zutreffen. Durch die Schutzfaktoren, die im Folgenden näher erläutert werden, bilden resiliente Personen ihre Widerstandskraft.

In Bezug auf die Untersuchungen der Risiko- und Schutzfaktoren in Hinblick auf die Resilienz wurden diverse Studien durchgeführt. Die sogenannten Längsschnittstudien untersuchen mögliche Gemeinsamkeiten von Schutzfaktoren, die zur erfolgreichen Bewältigung von Lebenskrisen förderlich sind.

Eine der sogenannten Längsschnittstudien ist die Kauai-Längsschnittstudie, die mit 698 Kindern, die auf der der Insel Kauai in Hawaii geboren wurden, durchgeführt wurde.15 Die Eignung dieser Kinder für eine Längsschnittstudie zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass ein Teil von ihnen aus Gründen wie chronischer Armut, geburtsbedingten Komplikationen oder disharmonische Familien ein hohes Entwick- lungsrisiko aufzeigte.16 Die Gruppe, die sich für die Untersuchung eignete, stellt ein Drittel der Kinder dar, da diese sich zu Personen mit normativem Verhalten entwickelten. Aus dieser Längsschnittstudie ergaben sich Schutzfaktoren, die im Folgenden in Bezugnahme weiterer Blickwinkel näher dargestellt werden.

Werner erwähnt in erster Linie die Relevanz der schützenden Faktoren im Kind. Dabei finden charakteristische Zuschreibungen statt, die auf Kinder mit Risikofaktoren als schützenden Faktor zutreffen. Bei der Unterteilung der Entwicklungsstufen erwähnt Werner beispielsweise bei Säuglingen, dass diese sich als besonders aktiv, gutmütig und liebevoll kennzeichnen.17 Als Kleinkind und im Erwachsenenalter sind diese Personen auffallend antriebsvoll. Die mentale Ausgeglichenheit ist ebenfalls ein Charak- teristikum, das von Werner als schützender Faktor im Kind bezeichnet wird.18 Diese durch Werner gekennzeichnete Unterteilung der schützenden Faktoren im Kind erfährt bei Fillip und Aymanns eine Unterteilung in weitere Charakteristika. Die Schutz- faktoren, die eine Person vor den Risikofaktoren bewahrt, werden durch Fillip und Aymanns auch als personale Ressourcen bezeichnet.19

So erwähnen diese den Optimismus und Pessimismus.20 Eigenschaften wie die Bejahung des Lebens oder eine positive Grundhaltung, die aus dem Optimismus resultieren, können als Schutzfaktoren gezählt werden. Eine pessimistische Einstellung jedoch kann als ein Risikofaktor betrachtet werden, der zu einer Vulnerabilität führen kann.21 Weitere Eigenschaften der von Fillip und Aymanns dargestellten personalen Ressourcen, die mit den durch Werner erwähnten lebensbegünstigenden Eigenschaften übereinstimmen, sind zum Beispiel die Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Die Hoffnung als Schutzfaktor stellen Fillip und Aymanns wie folgt dar:

„Hoffnung im Angesicht dramatisch verschlechterter Lebensbedingungen, etwa im Umgang mit schweren Erkrankungen, aufrechterhalten zu können, heißt ja, dass die Person die Bindung an hochvalente Ziele (noch) nicht aufgegeben hat und wünschenswerte Zustände oder Ereignisse verloren haben. Zielbindungen erlauben es, das Leben auch in extrem belastenden Lebenslagen (noch) als lebenswert ansehen zu können.“22

So kann die Hoffnung besonders bei erwachsenen Personen als ein lebensbegünstigender Faktor gesehen werden. Die Hoffnungslosigkeit hingegen stellt einen Risikofaktor dar, da sie bei dem Ausgangspunkt einer Bewältigungsbemühung einen eher ungünstigen Ausgangspunkt darstellt.23

Der Einfluss der Intelligenz wurde in allen Längsschnittstudien berücksichtigt. Diese ergaben eine positive Korrelation zwischen der Intelligenz und schulischen Kompe- tenzen mit der individuellen Widerstandsfähigkeit.24 Die Intelligenz ermöglicht den Kindern und auch im späteren Verlauf des Alters eine realistische Einschätzung stresserzeugender Lebensereignisse und besitzen ein breiteres Handlungs- und Bewältigungsrepertoire. Die Relevanz der Widerstandsfähigkeit findet auch bei Fillip und Aymanns Erwähnung. Die Widerstandskraft und Kontrollüberzeugung stellen eine der personalen Ressourcen bei der Bewältigung von Lebenskrisen dar.25

Die Autoren beschreiben die Wahrnehmung der widerstandsfähigen Personen bei der Konfrontation mit unerwarteten oder unbekannten Lebensereignissen. Diese Konfrontationen stellen für den widerstandsfähigen Menschen die Charakteristika des Lebens dar und befähigen ihn, flexibel zu reagieren.

„[…] die Wahrnehmung von Veränderungen als Herausforderung (und weniger als eine Bedrohung), resultierend aus der Überzeugung, dass es eher Veränderung und weniger Stabilität sei, was einen normalen Lebensrhythmus auszeichne.“26

Die Kontrollüberzeugung hingegen wird durch die Autoren wie folgt aufgeführt:

Internale Kontrollüberzeugungen sind verbunden mit der Einschätzung der eigenen Person als aktivem und bestimmendem Subjekt über Ereignisse und Geschehnisse des eigenen Lebens, externale Kontrollüberzeugungen reflektieren die Einschätzung, dass äußere Umstände oder mächtige andere Personen (powerful others) für das eigene Geschick verantwortlich sind.“27

Die Annahme, die Kontrolle über das eigene Leben zu haben, animiert eine Person zur aktiven Mitgestaltung ihrer Lebensumstände. Dies kann als ein Schutzfaktor gesehen werden, da die eigene Kontrollfähigkeit eine personale Ressource darstellt. Die Meis- terung von negativen Lebensereignissen führt bei betroffenen Personen, die eine internale Kontrollüberzeugung haben, zum Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten.28 Die externale Kontrollüberzeugung hingegen kann als ein Risikofaktor gesehen werden, da diese Personen eine passive Haltung in Bezug auf die Meisterung neuer Lebensereignisse einnehmen.

Die von Werner genannten Schützenden Faktoren im Kind (lebensbegünstigende Eigen- schaften) können durch die weiteren Ausführungen Fillip und Aymanns bezüglich der personalen Ressourcen ergänzt werden. Dies stellt das Selbstwertgefühl, Selbstwirk- samkeit und Struktur des Selbstkonzepts dar. Ein hohes Selbstwertgefühl kann als ein Puffer gegen negative Erfahrungen gesehen werden. Dies wird durch die Autoren als eine „ unerschöpfliche Quelle positiver Emotionen “ 29 beschrieben, die bei der Bewältigung von negativen Ereignissen eine Ressource für den Betroffenen darstellen. Die Selbstwirksamkeit hingegen wird wie folgt dargestellt: „Es sind also Überzeu- gungen einer Person, über die Kompetenzen zu verfügen, die zur Erreichung erwünschter Ziele nötig sind.“30 Des Weiteren ergänzen die Autoren Folgendes: „So scheint ein hohes Vertrauen in die Wirksamkeit eigenen Tuns und insbesondere in die eigenen Bewältigungsfähigkeiten eine zentrale Ressource im Umgang mit kritischen Lebensereignissen darzustellen.31

Ebenso wie bei einem hohen Selbstwertgefühl besitzt die Person bei einer hohen Selbstwirksamkeit das Vertrauen in sich und ihre eigenen Fähigkeiten, angestrebte Ziele durch das eigene Tun zu erreichen.32

Unter den begrenzen Aufführungen E. Werners bezüglich der schützenden Faktoren, erwähnt er unter anderem die Familie als einen schützenden Faktor. Die Bindung zu mindestens einer stabilen Person in der Lebenswelt des Kindes ist von großer Bedeutung. Diese Bindung behält ihre Relevanz, auch wenn das Familienleben des Kindes als eher psychopathisch oder disharmonisch bezeichnet werden kann.33 Die Bezeichnung der stabilen Person findet auch bei Lösel und Bender in Anlehnung an Lösel und Bliesener ihre Verwendung. So erwähnen diese „eine stabile emotionale Beziehung zu mindestens einem Elternteil oder einer anderen Bezugsperson.“34 Des Weiteren ergänzen diese die Relevanz eines positiven Erziehungsklimas, welches sich durch eine positive Unterstützung kennzeichnet.35

Ein weiterer Schutzfaktor, der in der Resilienzliteratur häufig erwähnt wird, ist Religiosität. In der Kauai-Längsschnittstudie beispielsweise wurde festgestellt, dass die Spiritualität den widerstandsfähigen Kindern Stabilität gibt sowie ein Gefühl, dass ihr Leben Sinn und Bedeutung hat, dass sie die Fähigkeit der Zuversicht besitzen, dass sich Negatives zum Positiven wenden kann.36 Der Glaube hilft besonders bei Kindern mit dem Risikofaktor der Überlebenden von Kriegen oder Naturkatastrophen. Der Glaube gibt ihnen Stärke und Halt, ähnlich wie bei der Hoffnung. Die Erklärung dafür, weshalb die Religiosität einen so relevanten Stellenwert unter den Schutzfaktoren besitzt, ist dass die Spiritualität auf wichtige existenzielle Fragen eine Antwort geben kann. Risikofaktoren wie zum Beispiel der Tod von Nahestehenden oder andere Schicksals- schläge können durch Antworten, die der Glaube auf existenzielle Fragen bereithält, beantwortet werden. Fillip und Aymanns führen folgende Erklärung zur Beziehung zwischen der Spiritualität und der Widerstandskraft auf:

„Gebete und die Hinwendung zur Religion können ebenso eine Bewältigungsstrategie sein wie die Suche nach Trost in einer religiösen Gemeinschaft. Demnach unterscheiden sich religiöse von nichtreligiösen Menschen in der Bewältigung negativer Ereignisse: Sie nutzen mehr soziale Unterstützung, die sie vor allem aus den Glaubensgemeinschaften beziehen, sie zeigen eher ein offensives, problembezogenes Handeln und bewerten negative Ereignisse letztlich positiv - etwa als Prüfung, Quelle von Erkenntnis oder von Kraft.“37

Ähnlich wie bei der Hoffnung oder dem Optimismus, der ebenfalls von Fillip und Aymanns erwähnt wird, gibt die Spiritualität innere Stärke und Widerstandskraft. Als ein weiterer Schutzfaktor kann die soziale Umwelt gesehen werden. Diese kann auch als schützender Faktor in der Gemeinde bezeichnet werden. Unter diesem Aspekt können Lehrer, Nachbarn, Verwandte oder ältere Mitglieder innerhalb der Gemeinde gesehen werden, die eine Widerstandsfähigkeit fördern können.38 Die Kennzeichen und Bedingungen der Gemeinde sind beispielsweise eine hohe Qualität der Nachbarschaft oder aber eine Verbindung zu fürsorglichen Gleichaltrigen.39 Eine Erklärung dafür, dass eine Gemeinde und die Beziehungen innerhalb der Gemeinde als Schutzfaktoren gesehen werden können ist, dass diese Personen als Unterstützung dienen können. Personen, die älter sind, können aufgrund ihres Erfahrungsrepertoires zu neuen Bewälti- gungsstrategien verhelfen. Die Rolle des Lehrers, vor allem aber des Lieblingslehrers, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, da dieser ein positives Rollenmodell für das Risikokind sein kann.40 Auch die Schule als Schutzfaktor ist nicht zu unterschätzen. So kann festgehalten werden, dass bei einem Ausgangspunkt einer psychopathischen Familie positive Erfahrungen in der Schule den Stress im Elternhaus reduzieren können.41

Die Risikofaktoren, die eine effektive Bewältigung lebenskritischer Ereignisse erschwe- ren, wie beispielsweise traumatische Erlebnisse, disharmonische Familienverhältnisse oder aber Krankheitsfälle, können zu einer Destabilisierung des weiteren Lebens führen.42 Die genannten Faktoren jedoch können bei Betroffenen als Schutz und Hilfe- stellung dienen. Resiliente Personen zeichnen sich unter anderem durch die Eigenschaft aus, diese Angebote sinnvoll zu nutzen und somit einen Schutz zu gewährleisten.

2.3 Ressourcen bei der Bewältigung von Stress

„Epistemische Resilienz kann gestärkt werden und will genährt sein - dafür braucht es Ressourcen, die als Quellen für ‚Kraft von innen‘ dienen können.“43 Die Darstellung der Resilienz kann nur im Zusammenhang mit der Kraft, die resiliente Personen besitzen, erfolgen. Neben den genannten Schutzfaktoren gibt es weitere Res- sourcen, die zur Förderung der psychischen und physischen Gesundheit eines Menschen beitragen.44 In Anlehnung an eine Untersuchung von Daryl R. Conner, bei der die Resilienz im Zusammenhang mit dem Management von Veränderungen dargestellt wurde, werden durch Bilinski die Ressourcen von erfolgreichen Menschen dargestellt.45

Als positive Einstellungen einer Person, die als Schutz vor negativen Lebensereignissen dienen, können Selbstvertrauen und Optimismus gezählt werden. Dabei sieht die Person, dass das Leben voller Möglichkeiten ist.46 Die Fokussierung auf klare Zielsetzungen ist für Bilinski ebenfalls ein Faktor, der sich bei erfolgreichen Menschen als besonders wichtig erwiesen hat.47 Als eine weitere Ressource wird durch Bilinski die Flexibilität aufgeführt. Trotz der erwähnten Fokussierung auf ein Ziel sind erfolgreiche Personen auch in der Lage, bei unerwarteten Situationen spontan und angemessen zu reagieren.48 Dadurch können beispielsweise Enttäuschungen vermieden werden. Das flexible Handeln findet jedoch in einem organisierten Rahmen statt. Das Planen und Handeln der von Bilinski als erfolgreich bezeichneten Personen sind strukturiert.49

Die von Bilinski dargestellten Ressourcen beziehen sich in erster Linie auf erfolgreiche Menschen. Doch nicht alle Personen, die erfolgreich sind, können als resilient bezeichnet werden und nicht alle resilienten Personen als erfolgreich. Eine eher allgemeinere Darstellung der Ressourcen findet durch Welter-Enderlin statt. In ihrer Darstellung fällt die Relevanz von Beziehungen stark auf. So erwähnt sie beispielsweise die Entwicklung von guten Beziehungen zu Vertrauenspersonen oder Beziehungen, die auf Gegenseitigkeit angelegt sind, als Schutzfaktoren für die Entstehung der Resilienz.50 Die Rolle und die Relevanz der sozialen Umwelt stellt Welter-Enderlin wie folgt dar:

„Es wäre vermessen, von allen Menschen zu erwarten, dass sie sich widrigen Ereignissen selbstverständlich stellen. Die Forschung zeigt, dass auch in unserer Kultur Unterschiede in der Bewältigung schwieriger Lebensumstände bestehen. Neben bereits erwähnten persönlichen Merkmalen spielen soziale Umstände eine wichtige Rolle.“51

Retzlaff unterteilt die Ressourcen zu einer differenzierten Darstellung in fünf Untergruppen. Eine davon bilden die individuellen Ressourcen, die familiären Ressour- cen, die sozialen Ressourcen, die externen Ressourcen und die Zeit als Ressource. 52 Auch Retzlaff legt einen Fokus auf die sozialen Gegebenheiten.

[...]


1 Fröhlich-Gildhoff, Klaus; Rönnau-Böse, Maike: Resilienz, Stuttgart 2014, S. 9.

2 Vgl. Hagen, Cornelia von/Röper, Gisela: Resilienz und Ressourcenorientierung - Eine Bestands- aufnahme, in: Fooken, Insa/Zinnecker, Jürgen (Hrsg.): Trauma und Resilienz. Chancen und Risiken lebensgeschichtlicher Bewältigung von belasteten Kindheiten, Weinheim 2009, S. 15.

3 Ebd.

4 Vgl. Werner, Emmy E.: Entwicklung zwischen Risiko und Resilienz. In: Opp, Günther/Fingerle, Mi- chael (Hrsg.): Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. 2. Aufl. München 2007, S. 25.

5 Vgl. Fillip, Sigrun Heide/Aymanns, Peter: Kritische Lebensereignisse und Lebenskrisen. Vom Umgang mit den Schattenseiten des Lebens, Stuttgart 2010, S. 19.

6 Vgl. ebd., S. 19.

7 Vgl. von Hagen/Röper 2009, S. 15.

8 Ebd.

9 Werner, Emmy E.: Risiko und Resilienz im Leben von Kindern aus multiethnischen Familien. Ein Forschungsbericht. In: Zander, Margherita (Hrsg.): Handbuch Resilienzförderung, Wiesbaden 2011, S. 33.

10 Fillip/Aymanns 2010, S. 100.

11 Ebd., S. 100; Hervorhebung i. Orig.

12 Vgl. von Hagen/Röper 2009, S. 15.

13 Vgl. ebd., S. 17.

14 Vgl. Wright, Sara 2008: Die Bedeutung der frühen Bindungserfahrungen für die Entwicklung von Resilienz, unveröff. Diplomarbeit Univ. Hamburg, S. 11.

15 Vgl. Werner 1999, S. 26.

16 Vgl. Werner 1999, S. 26.

17 Vgl. ebd., S. 27.

18 Ebd.

19 Vgl. Fillip/Aymanns 2010, S. 271

20 Vgl. ebd., S. 273.

21 Vgl. ebd., S. 275.

(noch) nichts an Zugkraft für sie

22 Fillip/Aymanns 2010, S. 281, Hervorhebung i. Orig.

23 Ebd.

24 Vgl. Werner 1999, S. 28.

25 Vgl. Fillip/Aymanns 2010, S. 283.

26 Ebd.

27 Ebd., S. 284, Hervorhebung i. Orig.

28 Vgl. Werner 1999, S. 28.

29 Fillip/Aymanns, S. 301.

30 Ebd., S. 302.

31 Ebd.

32 Vgl. ebd..

33 Vgl. Werner 1999, S. 28.

34 Vgl. Lösel, Friedrich/Bender, Doris: Von generellen Schutzfaktoren zu differentiellen protektiven Prozessen: Ergebnisse und Probleme der Resilienzforschung, in: Opp, Günther/Fingerle, Michael (Hrsg.): Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz, München 1999, S. 37.

35 Vgl. ebd.

36 Vgl. Werner 1999, S. 29.

37 Fillip/Aymanns 2010, S. 271.

38 Vgl. Werner 1999, S. 30.

39 Vgl. Wright 2008, S. 13.

40 Werner 1999, S. 30.

41 Vgl. ebd.

42 Fillip/Aymanns 2010, S. 267.

43 Sedmak, Clemens: Innerlichkeit und Kraft. Studie über epistemische Resilienz, Freiburg im Breisgau 2013, S. 293.

44 Vgl. Fillip/Aymanns 2010, S. 267.

45 Vgl. Bilinski, Wolfgang: Phönix aus der Asche. Resilienz - wie erfolgreiche Menschen Krisen für sich nutzen, Freiburg 2010, S. 65.

46 Bilinski 2010, S. 65.

47 Ebd.

48 Ebd.

49 Ebd.

50 Welter-Enderlin, Rosmarie: Resilienz und Krisenkompetenz. Kommentierte Fallgeschichten, Heidelberg 2010, S. 20.

51 Ebd., Hervorhebung i. Orig.

52 Vgl. Retzlaff, Rüdiger: Familienstärken. Behinderung, Resilienz und systemische Therapie, Stuttgart 2010, S. 85-87.

Ende der Leseprobe aus 55 Seiten

Details

Titel
Was beeinflusst Resilienz? Eine Fallstudie mit jungen Erwachsenen
Hochschule
Universität Hamburg  (Erziehungswissenschaften)
Autor
Jahr
2014
Seiten
55
Katalognummer
V289189
ISBN (eBook)
9783656895404
ISBN (Buch)
9783656895411
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
resilienz, eine, fallstudie, erwachsenen
Arbeit zitieren
Ebru Ekin (Autor:in), 2014, Was beeinflusst Resilienz? Eine Fallstudie mit jungen Erwachsenen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/289189

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