Psychiatrische Praxis und psychische Störungen. Definition, Kritik und Soziale Arbeit in der Psychiatrie


Akademische Arbeit, 2008

23 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Psychiatrische Praxis
1.1 Was ist eine psychische Störung?
1.2 Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen
1.2.1 Diagnostik und Therapie psychischer Störungen
1.2.2 Psychiatrische Versorgung in der BRD
1.2.3 Kritik am psychiatrischen Versorgungssystem
1.3 Soziale Arbeit in der Psychiatrie
1.3.1 Aufgaben eines Sozialarbeiters nach PsychPV
1.3.2 Soziale Psychiatrie

2. Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

1. Psychiatrische Praxis

In dieser Arbeit soll dem Leser ein Überblick über das psychiatrische Versorgungssystem und die unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten psychischer Störungen gegeben werden. Hierzu wird eingangs der Begriff der psychischen Störung anhand psychologischer und soziologischer Ansätze definiert. Im Anschluss daran wird anhand eines Schaubildes die psychiatrische Versorgungsstruktur veranschaulicht. Darauf folgend wird ein Bezug zur Sozialen Arbeit hergestellt und die Versorgungsstruktur kritisch analysiert.

Zunächst einmal ist zu sagen, dass es die Psychiatrie so nicht gibt, der Begriff kann mehrere Bedeutungen haben, welche in diesem Kapitel erläutert werden.

Die Psychiatrie als Teilgebiet der Medizin befasst sich mit Störungen des Erlebens und mit Veränderungen menschlichen Verhaltens. Die Psychopathologie ist die Wissenschaft von den krankhaften Veränderungen des Seelenlebens und bildet die wissenschaftliche Grundlage der Psychiatrie. (vgl. Häcker/Stapf 1998, S. 691) Charakteristisch für die Psychiatrie als medizinische Disziplin ist ihre Verortung zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften, welche in den unterschiedlichen Wurzeln wie z.B. Neurobiochemie, Physiologie, Pharmakologie, bzw. Psychologie und Soziologie begründet ist. Das Ziel der Psychiatrie ist es, die Wahrnehmungs-, Erlebens- und Kontaktfähigkeit des Individuums wiederherzustellen, bzw. aufrechtzuerhalten. Aufgaben der Psychiatrie sind die Diagnostik, Therapie, Erforschung und Prävention psychischer Störungen. (vgl. Klosinski 2005, S. 1446)

Der Begriff Psychiatrie kann laut Margret Dörr (vgl. Dörr 2005, S. 12 f.) in drei unterschiedlichen Zusammenhängen betrachtet werden. Zunächst ist Psychiatrie ein Fachgebiet der Medizin und befasst sich mit Prävention, Diagnose, Intervention, und Erforschung mentaler Störungen. Ein Kritikpunkt an der medizinischen Disziplin Psychiatrie ist, dass sie versucht, das Phänomen „Krankheit“ einseitig physiologisch zu erklären und zu behandeln ohne die subjektive Sichtweise und die sozialen Bezüge der Betroffenen zu berücksichtigen.

Des Weiteren sei die Psychiatrie als eine psychiatrische Klinik ein konkreter sozialer Ort. An diesem Ort wirken sowohl medizinische Theorie und Praxis zusammen. Die institutionalisierte Organisationsform Klinik habe zu einem großen Teil dazu beigetragen, dass sich die medizinische Disziplin Psychiatrie gesellschaftlich etabliert hat. (vgl. Dörr 2005, S. 12) Für Dörr ist die Psychiatrie eine der „[…] härtesten Formen manifester sozialer Kontrolle und institutioneller Verwahrung […]“ (ebd.) in der sich Menschen befinden, die „[…] aus welchen Gründen auch immer, zu Adressaten klinisch-psychiatrischer Forschung und psychiatrischer Praxis geworden sind.“ (ebd.)

Ebenfalls ist Psychiatrie laut Dörr als eine soziale Institution zu sehen, die als Antwort auf soziale Fragen entstanden und damit ein Resultat des Zusammenwirkens von gesellschaftlichem Bedarf und gesellschaftlichen Ressourcen ist. Damit kann Psychiatrie „als gesellschaftliche Organisierung psycho-sozialen Leids“ (Dörr 2005, S. 13) betrachtet werden.

1.1 Was ist eine psychische Störung?

In diesem Abschnitt wird dem Leser der Begriff psychische Störung erläutert, indem verschiedene Definitionen des Begriffs vorgestellt werden. Der Begriff der psychischen Störung ist schwer zu definieren, da er je nach wissenschaftlichem Standpunkt als Krankheit, Normabweichung, Störung oder individuelle Bewältigungsmöglichkeit angesehen wird. Es existieren hier defizitorientierte Erklärungsansätze neben ressourcenorientierten Sichtweisen, die verändertes psychisches Erleben und Verhalten als Bewältigungsmöglichkeit für schwierige Lebenslagen ansehen.

Zimbardo und Gerrig (vgl. 1999, S.602 f) verwenden sieben Kriterien, um eine Verhaltensweise oder eine psychische Funktion als gestört zu bezeichnen:

1) Leiden oder Behinderung
Eine Person ist in ihren psychischen Funktionen so eingeschränkt, dass sie leidet und dadurch in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt ist.
2) Unangepasstheit
Eine Person gerät mit ihrem Verhalten in Konflikt mit den Zielen anderer Menschen oder den Bedürfnissen der Gemeinschaft.
3) Irrationalität
Eine Person handelt so, dass es auf andere Menschen nicht nachvollziehbar ist.
4) Unvorhersehbarkeit
Eine Person verhält sich von Situation zu Situation unberechenbar.
5) Unkonventionalität/statistische Seltenheit
Eine Person verhält sich sehr unüblich und verletzt soziale Regeln.
6) Unbehagen beim Beobachter
Eine Person ruft bei einer anderen Person das Gefühl von Bedrohung oder Beunruhigung hervor.
7) Verletzung der gesellschaftlichen Standards

Eine Person verletzt moralische Normen, also die Erwartungen Anderer, wie man sich verhalten sollte.

Der Psychiater und Professor für Psychiatrie Klaus Dörner definiert psychische Störungen phänomenologisch als „[…] psychische Erkrankungen, die grundsätzlich als allgemein-menschliche Ausdrucksmöglichkeiten für bestimmte Problemsituationen […]“ (Dörner et al. 2002, S.20) angesehen werden können.

Ebenso sieht dies Hilde Schädle-Deininger (1996, S.34), für die eine „[…] psychische Erkrankung […] als krisenhafte Zuspitzung einer besonderen biographischen Entwicklung zu sehen ist.“ So ist auch Schädle-Deininger der Meinung, dass die Entwicklung psychischer Symptome ein Versuch des Betroffenen ist, „[…] sich vor einer unerträglich gewordenen Situation zu schützen.“ (1996, S.34) und diese damit der Person ermöglichen, sich zurückzuziehen, Verantwortung abzugeben und Tabus auszusprechen. (vgl. ebd.)

Dörner et al. gehen davon aus, dass eine erhöhte Kränkbarkeit eine von mehreren Voraussetzungen für die Entstehung psychischer Störungen darstellt. Kränkbarkeit kann nach Dörner et al. (vgl. 2002, S.20)

a) auf der Körperebene (z.B. Menschen mit hirnorganischen Schädigungen)

b) auf der Beziehungsebene (z.B. Menschen mit Persönlichkeits- Abhängigkeits- oder psychosomatischen Störungen) oder

c) der Ich-Ebene (z.B. Menschen, die Probleme mit schizophrenen Methoden beantworten) bestehen.

Neben der erhöhten Kränkbarkeit werden angeborene oder neu erworbene biologische Einflüsse (z.B. durch Vergiftungen) und psycho-soziale Bedingungen wie ein ungenügendes soziales Netzwerk sowie defizitäre individuelle Bewältigungsmöglichkeiten als Gründe für die Entstehung einer psychischen Störung herangezogen. Die Entstehung einer psychischen Störung ist damit immer multikausal und muss daher auch multiprofessionell und interdisziplinär behandelt werden.

Der Versuch, den Begriff der psychischen Störung zu definieren ist schwierig, weil er genau so viele Fragen aufwirft, wie er beantwortet, so Comer. (vgl. 1996, S.3) Die größte Schwierigkeit beim Versuch dieser Definition besteht darin, dass der Begriff Störung selbst relativ ist, da er immer von den Werten und Normen einer bestimmten Gesellschaft abhängt. (vgl. Comer 1996, ebd.) Psychische Abweichungen und „normales“ menschliches Verhalten gehen fließend ineinander über und sind von großen transkulturellen Schwankungen abhängig, d.h. Verhalten, das in einer Kultur der Norm entspricht, kann in einer anderen als unnormal gelten. (vgl. Klosinski 2005, S. 1447, Comer 1996, S.4)

Auch wenn es keine einheitliche Definition psychischer Störungen gibt, lassen sich jedoch bei den meisten Definitionen gleiche Merkmale, wie Devianz, Leidensdruck, Beeinträchtigung und Gefährdung feststellen. Demnach sind gestörte Erlebens- und Verhaltensmuster solche, die in einem bestimmten Kontext von der Norm abweichen oder solche, die die betroffene Person belasten und sie unter Leidensdruck setzen. Ebenso gelten bestimmte Verhaltensmuster als gestört, welche die Person im Alltag beeinträchtigen oder so dysfunktional werden, dass sie alltägliche Handlungen nicht mehr wirksam ausführen kann oder unter Umständen sogar andere Menschen oder sich selbst gefährdet. (vgl. Comer 1996, S. 3) Da sich der Begriff Störung nach den jeweiligen gültigen gesellschaftlichen Normen richtet, plädiert Comer für das Bewusstsein über die Uneindeutigkeit und die Subjektivität der Kriterien, was als abweichend gilt und was nicht. (vgl. Comer 1996, S.4)

Die Beschreibung der psychischen Störungen und ihrer Symptome ist traditionell der Gegenstand der Psychopathologie, einer psychiatrischen Unterdisziplin und somit medizinisch orientiert. Da die Erstellung einer Diagnose einer psychischen Störung sich vor allem an den Symptomen orientiert, die der Person Probleme bereiten, kann man sagen, dass die problemorientierte, pathogenetische Perspektive in der psychiatrischen Praxis nach wie vor eine große Rolle spielt.

Der Begriff der psychischen Störung hat heute in der Psychiatrie, der klinischen Psychologie und der Psychotherapie die älteren Begriffe der psychischen Krankheit theoretisch abgelöst, jedoch werden sie vor allem in der psychiatrischen Praxis noch verwendet. Im Gegensatz zum Krankheitsbegriff wirkt der Begriff der psychischen Störung nicht so stigmatisierend und leistet damit einen Beitrag, eventuelle Diskriminierungen zu vermeiden.

Es lässt sich also sagen, dass es keine einheitliche Definition des Begriffes psychische Störung gibt, da sich psychische Abweichungen durch eine Vielzahl von Merkmalen auszeichnen, die bei jedem Menschen in unterschiedlichem Maße auftreten und es daher schwer fällt, die für die psychischen Störungen charakteristischen Merkmale von vornherein festzulegen.

Wünschenswert wäre eine stärker ressourcenorientierte Sicht auf das veränderte psychische Verhalten eines Menschen, als eine funktionale Reaktion auf Veränderungen innerhalb eines Systems.

1.2 Behandlung von Menschen mit psychischen Störungen

Die Behandlungsmöglichkeiten des psychiatrischen Systems haben sich wie das System selbst im Verlauf der Geschichte stetig verändert und weiterentwickelt. Nach Bosshard et al. (2007, S. 26 ff.) lassen sich vier Wendepunkte in der Geschichte der Psychiatrie festmachen. Zunächst die stark sozialpolitisch motivierte Schaffung von „Irrenanstalten“ (Bosshard et al. 2007, S. 27) während der Industrialisierung als eine Möglichkeit, Andersartige von den so genannten Normalen abzugrenzen und fernzuhalten. Ein aufkeimendes psychologischpädagogisches Konzept, das die „Insassen“ (Bosshard et al. 2007, ebd.) zu nützlichen Gesellschaftsmitgliedern erziehen sollte, konnte sich jedoch nicht gegen die medizinische Vorherrschaft der Ärzte und ihre Methoden durchsetzen. Ein weiterer Wendepunkt gegen Anfang des 20. Jahrhunderts war die Entstehung der Psychoanalyse und damit die Erweiterung der bisherigen Behandlungsmöglichkeiten Psychopharmakotherapie, Elektro-Krampf-Therapie, Schlafentzug etc. um psychotherapeutische Interventionsangebote. (vgl. ebd., S.27 f.)

Die Psychologen konnten sich jedoch erst nach der Psychiatrie-Enquête[1] im Jahr 1975 in Deutschland die ihren Platz im therapeutischen Team der Psychiatrie sichern. Es stellte sich heraus, dass die psychologische Sichtweise auf psychische Abweichung einen größeren Einfluss auf die weniger institutionalisierten Arbeitsbereiche der Psychiatrie hatte. Auch ließen sich schichtenspezifische Unterschiede feststellen. So war die Psychotherapie Angehörigen sozial höherer Schichten eher zugänglich als denen sozial niedriger Schichten, die überwiegend mit somatischen Behandlungsmöglichkeiten therapiert wurden. (vgl. Bosshard et al. 2007, S.28 f.)

Der Einfluss utilitaristischer[2] Konzepte wie der Eugenik[3] und der Rassenhygiene unter der Macht der Nationalsozialisten in Deutschland stellt einen weiteren Wendepunkt in der Psychiatriegeschichte dar. Zwangssterilisierungen sowie die Tötung psychisch kranker Menschen wurden von den Nationalsozialisten offiziell bis 1941 durchgeführt und durch das Gesetz „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ legitimiert. Im Hinblick darauf, dass die Genetik eine der am stärksten geförderten Wissenschaft ist, muss der Umgang mit psychisch Kranken in Zeiten von knappen sozialwirtschaftlichen Ressourcen in Bezug auf utilitaristische Maßnahmen auch heute wieder kritisch überprüft werden. (vgl. ebd., S.29 ff.)

Die Einbeziehung einer sozialen Dimension durch die Sozialwissenschaften stellt seit den 1960er Jahren einen weiteren Wendepunkt dar. Ihr Ziel ist es, durch soziologische Analysen, sozialwissenschaftliche Diskurse und sozialpolitische Reformbestrebungen das naturwissenschaftlich-medizinische Krankheitsmodell, die ärztliche Dominanz und die vorherrschende stationäre Behandlungsart der Klinik durch interdisziplinäre Behandlungsmethoden zu ersetzen. (vgl. Bosshard et al. 2007, S. 31 f.)

1.2.1 Diagnostik und Therapie psychischer Störungen

Nach Zimbardo/Gerrig (1999, S.603) ist der Sinn einer psychologischen Diagnose darin zu sehen, dass sie zu einer präzisen Benennung der psychischen Störung führt. Um eine psychische Störung zu diagnostizieren, wird ein beobachtbares Verhaltensmuster in ein differenziertes und fundiertes diagnostisches System eingeordnet.

Die medizinischen Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV bestimmen als diagnostische Instrumente sowohl den rechtlichen Rahmen als auch die finanzielle Absicherung einer Behandlung und damit auch die Bedingungen von „[...] bio-psycho-sozialen Interventionen im (sozial-) psychiatrischen Versorgungsnetz [...]“ (Dörr 2005, S. 79).

Dieses psychiatrische Versorgungsnetz wird dem Leser im weiteren Verlauf dieser Arbeit unter Punkt 1.2.2 vorgestellt.

Die beiden weltweit gebräuchlichsten Diagnosesysteme sind das bereits genannte DSM-IV und das ICD-10. (vgl. Zimbardo/Gerrig 1999, ebd.) Bei der vierten Fassung des Diagnostischen und Statistischen Handbuches psychischer Störungen (DSM-IV) der Vereinigung Amerikanischer Psychiater (APA) handelt es sich um ein multiaxales Klassifikationssystem, welches aus fünf Achsen besteht. Bei der zehnten Fassung der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden hingegen psychische Störungen in zehn Gruppierungen unterteilt. Das DSM-IV klassifiziert, definiert und beschreibt mehr als 200 psychische Störungen. Es konzentriert sich auf die Beschreibung von Symptomen und Störungsverläufen. (vgl. Zimbardo/Gerrig 1999, S. 604) Um eine vollständige individuelle Diagnose zu bekommen, muss eine Person auf allen fünf Achsen eingestuft worden sein. Die fünf Achsen sollen zur Ermutigung der Psychiater führen, psychologische, soziale und physische Faktoren, die mit einer Störung verbunden sein können, zu berücksichtigen. (vgl. Zimbardo/Gerrig 1999, ebd.)

Das Ziel von Diagnosesystemen ist es, die Verständigung zwischen Psychologen und Psychiatern zu erleichtern, indem eine weit verbreitete, knappe Sprache benutzt wird. Eine Diagnose sollte idealerweise zur Klärung über die Ursachen einer Störung beitragen. Des Weiteren soll eine gute Diagnose einen Vorschlag für eine angemessene Behandlung beinhalten. (vgl. Zimbardo/Gerrig 1999, S. 604)

Zur Veranschaulichung werden in der nachfolgenden Tabelle einige Diagnosen in Anlehnung an das ICD-10 vorgestellt .

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung 1: Psychische und Verhaltensstörungen nach ICD-10 (vgl. WHO 07, Bosshard et al. 2007, S.22)

Psychische Störungen äußern sich symptomatisch in veränderten Emotionen, Gedanken, veränderter Wahrnehmung, verändertem Verhalten oder körperlichem Empfinden. Die Entstehung und Bewältigung psychischer Störungen wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Die bereits erwähnte Kränkbarkeit spielt neben erblichen Belastungen, dem individuellen Bewältigungsspielraum mit den jeweiligen Ressourcen, dem Eingebundensein in ein soziales Netz und der subjektiven Einschätzung der eigenen Situation eine große Rolle für die Therapie und die Rehabilitation psychisch gestörter Menschen.

Da es im Gegensatz zu vielen somatischen Krankheiten so gut wie nie möglich ist, die Ursachen für eine psychische Störung zu identifizieren, ist es dementsprechend kaum möglich, eine den Ursachen der Krankheit vollkommen entsprechende Therapie zu finden. Daher werden in der Praxis unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten kombiniert, um das bestmögliche Ergebnis bei der Bewältigung der spezifischen psychischen Störung zu erreichen.

In Anlehnung an Dörner et al. (2002, 561 ff.) können folgende therapeutische Interventionsformen in Einrichtungen der Psychiatrie unterschieden werden:

1) Somatotherapie

Diese zielt auf Veränderungen auf der Ebene des Körpers ab. Je nach Krankheitsbild können Verfahren wie die Behandlung mit Psychopharmaka[4], Schlafentzugsbehandlung, Lichttherapie, Elektro-Krampf-Therapie (EKT) verordnet werden.

2) Psychotherapie

Psychotherapeutische Verfahren wie Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie nach Rogers oder die Tiefenpsychologische Methode nach Freud zielen auf Veränderungen psychischer Vorgänge ab.

3) Soziotherapie

Methoden wie die sozialarbeiterische Beratung werden angewandt, um dem Klienten bei der Integration in sein soziales Umfeld zu helfen oder neue soziale Netze zu knüpfen.

Dazu kommen Entspannungsverfahren (z.B. Qi-Gong, Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen) und andere komplementäre Therapieformen. Hier sind unter anderem die Psychoedukative Gruppenarbeit, Arbeits-, Beschäftigungs- und Ergotherapie, das Training lebenspraktischer Kompetenz zu nennen, die den Klienten bei der Bewältigung ihrer individuellen Defizite helfen sollen und ihnen ihre Ressourcen veranschaulichen.

[...]


[1] 1975 lagen die Ergebnisse der von der Bundesregierung beauftragten Befragung zur Lage der Psychiatrie in der BRD in Form des Abschlussberichts „Psychiatrie-Enquête“ vor, in dem die Verhältnisse in den psychiatrischen Krankenhäusern und dem gesamten Versorgungssystem benannt wurden. (vgl. Dörr 2005, S.143 f.)

[2] Utilitarismus: philosophische Lehre, die sich nach dem Prinzip der Nützlichkeit richtet, gut ist, was nützlich ist

[3] Eugenik: Verhütung erbschädigender Einflüsse durch die Förderung der Träger „guter“ Gene

[4] Chemische Substanzen zur Unterdrückung unerwünschter Symptome. Es wird unterschieden zwischen Neuroleptika zur Verringerung psychotischer Symptome, Antiparkisonmitteln zur Unterdrückung extrapyramidaler Nebenwirkungen, Anxiolytika/Tranquilizer zur Beruhigung und Lösung von Angstzuständen, Hypnotika zur Schlafförderung, Thymoleptika zur Behandlung depressiver Zustände (vgl. Dörner et al. 2002, S. 576 ff.).

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Psychiatrische Praxis und psychische Störungen. Definition, Kritik und Soziale Arbeit in der Psychiatrie
Hochschule
Universität zu Köln
Note
2,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V289171
ISBN (eBook)
9783656893264
ISBN (Buch)
9783656906933
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
psychiatrische, praxis, störungen, definition, kritik, soziale, arbeit, psychiatrie
Arbeit zitieren
Bianca Wippich (Autor:in), 2008, Psychiatrische Praxis und psychische Störungen. Definition, Kritik und Soziale Arbeit in der Psychiatrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/289171

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