Untersuchung der pelagischen und benthischen Protozoengemeinschaft in geologisch jungen Seen Westgrönlands


Diplomarbeit, 2013

53 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Material und Methoden
2.1. Beprobungsgebiet
2.2. Probenahme an Seen in West-Grönland
2.3. Kultivierung von Protozoen
2.4. Gänsekotproben
2.5. Tierfellabstriche
2.6. Morphologische Untersuchung
2.7. Statistische Auswertung

3. Ergebnisse
3.1. Morphologische Analyse der Protozoengemeinschaft
3.1.1. Artenverteilung in den Seen
3.1.2. Schmelzwasserproben
3.1.3. Gänsekotproben
3.1.4. Tierfellabstriche
3.2. Korrelationen
3.3. Vergleichende Analyse von Arten-/Gattungenzusammensetzungen

4. Diskussion

5. Zusammenfassung

6. Danksagung

7. Quellenangaben

8. Anhang
8.1. Tabellen: Rohdaten kultivierter Proben, Vollständige Artenlisten (Tabellen I-III) Aliquotproben, Gänsekotproben, Tierfellabstriche
8.2. Rohdaten biotischer und abiotischer Faktoren (Tabelle IV)
8.3. Zusammensetzung WC-Medium
8.4. Abbildungen der untersuchten Gewässer
8.5. Rohdaten Korrelationen und Signifikanzen

Hinweis

*1) Leider beinhalten diese und andere Teile der Arbeit Daten (Rohdaten, Abbildungen), deren Urheberrecht nicht bei der Autorin liegt. Da von den Rechteinhabern kein Einverständnis zu deren Veröffentlichung in diesem Rahmen vorliegt, dürfen sie hier nicht enthalten sein. Um diese Informationen einzusehen ist nicht nur das Einverständnis der Autorin sondern auch der anderen Rechteinhaber notwendig. Hierzu kann sich an die zuständigen Abteilungen der Universität Aarhus (Professor Erik Jeppensen) sowie der Universität zu Köln (Professor Hartmut Arndt) gewandt werden. Entsprechende Textabschnitte sind gelöscht und mit *1) gekennzeichnet worden, sofern sie fremde Rechte verletzen, oder kursiv geschrieben worden, insofern sie mit den betreffenden Daten zusammenhängen.

1. Einleitung

Diese Studie beinhaltet die erste Untersuchung der pelagischen und benthischen Protozoengemeinschaft in geologisch jungen Seen Westgrönlands, unter Einfluss der globalen Erwärmung. Hierbei wird unter anderem versucht, die Rolle hydrologischer und biotischer Faktoren zu beurteilen, zu denen Leitfähigkeit, Tiefe, Größe, Temperatur, pH-Wert, organische Belastung, Bakterienzahl und Fischbestand zählen. Von Interesse ist dabei auch, inwieweit sich die Artenzusammensetzung mit steigendem Alter der Seen unterscheidet, und ob sich die vorgefundene Biodiversität aufgrund der zunehmenden Nährstoffanreicherung und Organismenmigration erhöht. Außerdem soll überprüft werden, ob sich in der Zusammensetzung der Nahrungsgewebe Hinweise für eine Bottom-Up- oder Top-Down-Kontrolle ergeben, da in vorangegangenen Ansätzen beide Möglichkeiten in Betracht gezogen wurden (Jeppesen et al., 2003, Worm et al., 2002).

Längst ist bekannt, dass auch die früher als gänzlich lebensfeindlich wahrgenommene Umgebung von Schnee, Eisseen und Gletschern ein Biom darstellt, das besonders frei lebenden, einzelligen Organismen aller acht großen Eukaryotengruppen (Adl et al., 2012) eine Lebensgrundlage bietet, und in dem sie eine entscheidende Rolle spielen (Anesio & Laybourn-Parry, 2011). Dabei haben speziell heterotrophe Einzeller durch ihre bakteriophage Lebensweise einen wichtigen Einfluss auf die innere Dynamik terrestrischer und aquatischer Ökosysteme (Adl & Grupta, 2006, Arndt et al., 2000, Azam et al., 1983). Sie prägen das Nahrungsnetz gemeinsam mit Bakterien vor allem in oligotrophen und ultraoligotrophen Gewässern, wie sie in der Arktis verbreitet sind, entscheidend (Rautio et al., 2011). In Anbetracht des schnell fortschreitenden Gletscherrückgangs und der besonders intensiven Klimaerwärmung vor Ort scheint eine Erhebung der Protozoengemeinschaft besonders dringend. Im Rahmen dieser Arbeit bietet sich die seltene Gelegenheit, sehr junge arktische Gewässersysteme (Briner et al., 2011) zu untersuchen und ihre sukzessive Besiedlung durch Protozoen miteinander zu vergleichen.

Die gewählten Seen befinden sich im Rückzugsgebiet des rasch abschmelzenden Sermeq Kujalleq-Gletschers in Westgrönland, wenige Kilometer von der Diskobucht entfernt (Thomas et al., 2011). Sie haben ein Alter von 1-150 Jahren und waren vor dem Rückgang des Gletschers mit Eis bedeckt (Briner et al., 2011). Es handelt sich um nahe nebeneinander liegende, limnische Gewässer mit einer Tiefe von 1,0m bis 50m und, zum Zeitpunkt der Beprobung, einer Temperatur zwischen 0°C und maximal 12°C, je nach Tiefe. Die Umgebung ist durch niedrige Diversität von Säugetieren (Bee & Hall, 1956) und ausgeprägte Fragmentierung der Vegetation (Sitte et al., 2002), sowie eingeschränkte Produktivität charakterisiert (Laybourn-Parry, 2009). Aufgrund der geographischen Lage sind Oberflächengewässer den größten Teil des Jahres über zugefroren und weisen überwiegend eine ausgeprägte Oligotrophie auf (Jeppesen et al., 2003). Die Ermittlung der Diversität eines Habitats ist einer der zentralen Aspekte in der ökologischen Forschung (Johnson et al., 1996), wobei das Protozooplankton eine wichtige Rolle spielt. Daher wurden aus insgesamt 30 der beschriebenen Seen Proben genommen, um sie hinsichtlich ihrer Zusammensetzung von Flagellaten- und Ciliatenarten sowie Amöben zu beurteilen und mögliche Unterschiede im Kontext des Alterungsprozesses zu erkennen. Untersucht wurden Vertikalmischproben aus benthischem und pelagischem Süßwasser, sowie angereicherte, Bouin-fixierte Proben.

Neuere Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass es sich in solchen Fällen nicht, wie früher angenommen, um eine linear vorhersagbare Entwicklung handelt, sondern im Einzelnen wesentlich komplexere Zusammenhänge beachtet werden müssen (Hulot et al., 2000, Jeppesen et al., 2010). Daraus ergaben sich für diese Studie folgende Fragen:

- Ist dieser Prozess langsamer als in anderen Gewässern, aufgrund der niedrigen Produktivität und der breitengradbedingt kurzen Vegetationsperiode? Oder ist er kurz, weil diese Faktoren für die Besiedlung durch Protozoen weniger erheblich sind als Besiedlungswege wie „Long Distance Dispersal“ (LDD), die aufgrund der Fähigkeit zur Bildung leichter, widerstandsfähiger Zysten zu rascher Kolonialisierung eines Biotops führen können (Brown & Hovmoller, 2002)? Führen die geringen Fluktuationen zu höherer Diversität als an anderen Standorten, oder unterliegen die Protozoengemeinschaften denselben Dynamiken wie höhere Organismen in der Arktis, so dass die extremen Bedingungen zur Dominanz weniger Spezialisten führen (Hillebrand, 2004)? Sind die Nahrungsnetze arm an trophischen Ebenen oder können komplexe Beziehungen vorgefunden werden, und wenn ja, ab welchem Alter der Gewässer?
- Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Ermittlung von Besiedlungswegen. Welche Alternativen zur Erschließung neuer Gebiete werden sich als am Wichtigsten herausstellen, wie entstehen Gemeinschaften? Untersucht werden dabei die faunistischen Parallelen zwischen der Protozoendiversität der Seen und derer von Schnee (Akbayir, 2009, Al-Maarri, 2010) und Eisbohrkernen (Jullmann, 2010) aus derselben Region, sowie Luft von verschiedenen Standorten (Alder, 2010, Feldmann, 2007, Fluess, 2009, Selse, 2010). Besonders die globalen Windströmungen sind schon lange als Verbreitungsvektor bekannt, da sie, neben großen Staubwolken und Pollen, auch Organismen und Zysten mit sich führen können. So sind sie imstande, Partikel in mehreren Kilometern Höhe über Landmassen und Ozeane zu transportieren und dabei Organismen und Nährstoffe als Besiedlungsgrundlage gleichzeitig einzutragen (Kellogg & Griffin, 2006).
- Bereits aus früheren Untersuchungen sind auch Tiere als Transportvektoren nicht nur für Bakterien, sondern ebenfalls für Einzeller bekannt, daher gibt es Studien zu ihrem Vorkommen in Fell, Gefieder und im Verdauungstrakt verschiedener Arten (Maguire 1959, 1963, Figuerola & Green, 2002, Finlay & Clarke, 1999, Schlichting 1978). Aus diesem Grund wurden Protozoen aus Haaren ansässiger Tiere, wie Moschusochsen (Ovibos moschatus), sowie Kot der dort sehr häufig an den Ufern anzutreffenden Scharen Grönland-Blässgänse (Anser albifrons flavirostris), kultiviert und bestimmt (Kurm, unveröffentlicht). In ihrem Verdauungssystem könnten Protozoen in Form von Zysten überdauern und über lange Strecken hinweg in neue Gebiete eingetragen werden. Dazu könnte ihr Kot einen wichtigen Eutrophierungseinfluss für die nahen Gewässer darstellen. Hier stellt sich die Frage, welche Protozoenarten sich jeweils finden, und damit zusammenhängend, welche der Eintragsmöglichkeiten eine Rolle bei der Neubesiedelung spielen.
- Nicht zuletzt hinterlässt das abschmelzende Eis durch Abrasion des Untergrunds und im Inneren gefrorenen Staub anorganische Nährstoffe, zu denen Stickstoff und Phosphor zählen. Diese zuvor nicht oder kaum verfügbaren Mineralien können nun von Bakterien zum Wachstum genutzt werden (Mindl et al. 2007), daher wäre es möglich, dass sie die Grundlage für ein Bottom-up kontrolliertes Nahrungsnetz bilden (Wollrab, 2012). Das Eis selbst ist dabei keineswegs steril, sondern enthält ebenfalls Bakterien und Protozoenzysten, wie verschiedenen Analysen gezeigt haben (Akbayir, 2009, Jullmann, 2010, Sazhin, 2004), und darf deshalb als Besiedlungsweg nicht außer Acht gelassen werden.
- Letztlich bietet die Sequenzierung einzelner Arten die Möglichkeit, sie mit Vorkommen an anderen Standorten zu vergleichen, um Unterschiede oder Ähnlichkeiten aufzudecken. Aufgrund der vielfältigen Formen, die auch innerhalb einer Art auftreten können, ist es nicht ausreichend sie ausschließlich anhand äußerlicher Charakteristika wie Morphotypen zu unterscheiden (Bass et al. 2007, Weisse 2008). Handelt es sich bei den vorgefundenen Arten eher um endemische, stark angepasste Spezialisten, oder finden sich vor allem Kosmopoliten, wie oft angenommen wird (Rogerson & Detwiler, 1999)? Die untersuchten Ökosysteme sind einfach strukturiert, so dass die Ausbildung von Kleinsthabitaten und unterschiedlichen Gemeinschaften nur eingeschränkt möglich ist. Das, sowie das Fehlen von Beschränkungen und die vielfältigen Verbreitungsmöglichkeiten könnten eine Erklärung für die bislang nur geringe Zahl beschriebener Arten liefern (Bass et al., 2007). Ist auch an einem solchen Extremstandort die so genannte „Ubiquitous Dispersal Hypothesis“ (Baas-Becking 1931, Finlay 1998) haltbar? Trifft es zu, dass Protozoen durch ihre leicht zu transportierenden Zysten universal verbreitet sind und überall dort leben, wo sie günstige Bedingungen vorfinden (Bass et al., 2007), oder gibt es dafür an einem solch entlegenen Standort Grenzen? Denn die These, dass es zu den global verbreiteten in geringerer Zahl auch endemische Arten gibt (Foissner, 2007), die über nur begrenzte Verbreitungsgebiete verfügen, existiert ebenfalls (Bass et al., 2007).

1*)

Spätere, über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehende Analysen mit molekularbiologischen Methoden werden notwendig sein, um die Zahl und Zugehörigkeit der gefunden Spezies genauer zu ermitteln. Dazu zählen insbesondere die Sequenzierung der rDNA einzelner Arten und ihre Einordnung in phylogenetische Zusammenhänge zur Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse. Ob und wie viele neue Spezies dann identifiziert werden können, mag auch einen kleinen Ausblick darauf bieten, wie groß unsere Unkenntnis der tatsächlichen Artenzahl von Protozoen, insbesondere der Flagellaten, noch ist.

2. Material und Methoden

2.1. Beprobungsgebiet

Der Ort der Probenahme befindet sich in Westgrönland, östlich der Diskobucht und etwa 50 Kilometer von der Stadt Ilulissat entfernt (bei 69° N 49° W). Dort verläuft der nach ihr benannte, 40 Kilometer lange Eisfjord, sowie landseitig der Gletscher Sermeq Kujalleq, der zu den aktivsten Gletschern der Welt gehört, und bis zum Anfang dieses Jahrhunderts eine Fließgeschwindigkeit von ca. 20m/d aufwies. Seit 2004 zeigen neuerliche Messungen jedoch eine deutliche Zunahme der Geschwindigkeit auf ca. 40m/d, sowie einen starken Rückzug der Gletscherzunge ins Landesinnere (Maas et al., 2006). Im Gegensatz zu vorher, als sich die Massenzunahme durch Schneefall und der Abtransport des Wassers über Fjorde und kalbende Gletscher die Waage hielten, registrieren Wissenschaftler seit 1990 einen deutlichen Massenverlust und ein Ausdünnen der Eisschicht in dieser Region (Krabill et al., 1999). Im Falle des für diese Arbeit relevanten Gletschers beträgt die ausbalancierte Entladung beziehungsweise der für die Aufrechterhaltung der Masse notwendige Schneefall 30km3 /a (Thomas et al., 2011). Die hier ausgesuchten Seen eignen sich in besonderem Maße für eine Studie, da sie durch diesen Prozess erst seit kurzer Zeit eisfrei sind. Ursächlich dafür ist der Klimawandel, der hier zu einer deutlich stärkeren Erwärmung als in anderen Teilen der Welt führt (Huntington & Fox, 2004). Aufgrund dessen hat die ohnehin schon sehr hohe Geschwindigkeit des Eisfjords in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Ebenso sorgt er für einen kontinuierlichen Rückgang des Eispanzers um etwa 35km in den letzten 150 Jahren, der wiederum zur Entstehung unzähliger Süßwasserseen führt (Briner et al., 2010).

Die 30 ausgewählten Seen sind ebensolche Restseen, mit einem Alter zwischen 1-2 und 50 Jahren (Seen 1-20) sowie 50-150 Jahren (ab See 21), und liegen in einem Areal von ungefähr 150km2 (vgl. Abbildung 1). Die Altersschätzung wurde aufgrund der Lage der Seen und der Gletscherrückzugsbewegung getroffen. Die Seen 1-27 befinden sich auf einem Wall, 254-389 Meter über dem Meeresspiegel, die übrigen Gewässer sind etwas westlich davon tiefer in einer Ebene verortet.

Seen- und Beprobungsnummer entsprechen einander, nicht vorhandene Nummern gehören zu Seen, die aufgrund der Gelände- oder Zeitverhältnisse nicht beprobt werden konnten. Sie weisen unterschiedliche Trophiezustände und Sichttiefen auf und haben eine Tiefe zwischen 1,0 und 50 Metern. Die nähere Umgebung zeigt sich wie in der Einleitung beschrieben, auf die Besiedlung durch Gänse wird in einem eigenen Unterpunkt eingegangen (vgl. 2.4. Gänse).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Großer Ausschnitt: Satellitenaufnahme des Probegebiets Nähe Ilulissat

(google, Grafiken © 2013 TerraMetrics), kleiner Ausschnitt: Kartographische Übersicht des Probeorts, einzelne Seen rot nummeriert (Jeppesen et al., 2012)

2.2. Probenahme an Seen in West-Grönland

Die Probenahme fand zwischen dem 10.08.2012 und dem 28.08.2012 an den angegebenen Stellen (vgl. 2.1. Beprobungsgebiet) statt. Zu dieser Zeit betrug die maximale Tagestemperatur der Luft 17,2 und die minimale Tagestemperatur 0,0°C, zeitweise fielen Niederschläge (National Climatic Data Center). Die Wasserproben wurden, soweit möglich, als eine einzelne 50l Vertikalmischprobe vom Boot aus mit einem Friediger-Sammler entnommen und dann daraus je 100 sterile Eppendorfgefäße (Eppendorf AG, Hamburg, Deutschland) zu 1ml gefüllt. Diesen wurde ein sterilisiertes Korn Amaranth (Amaranthus) als Kohlenstoffquelle für die natürliche Bakterienpopulation zugegeben. War die Beprobung vom Boot aus nicht möglich, wurde sie vom Ufer aus durchgeführt. Zwei Gewässer (Seen mit der Nummer 15 & Nummer 20) wurden durch Schmelzwasser-Rinnsale gespeist, daher wurden aus diesen auch je 100 x 1ml Schmelzwasserproben entnommen. Dazu wurden aus den ersten 27 Seen je 5ml Sediment mit Flüssigkeit entnommen, um einen Einblick in die Besiedlung des Interstitials zu erhalten. Zusätzlich wurde eine Handzentrifuge (VWR International, Radnor, PA, USA) mit 1000 Umdrehungen/min verwendet, in der je 90ml Seewasser 1 Minute lang zentrifugiert wurden, um Ciliaten zu konzentrieren, diese später mit Boulin-Lösung zu fixieren und zu bestimmen (Kurm, unveröffentlicht). Außerdem wurden Daten zum Vorkommen von Fischen (Salvelinus alpinus), Daphnien und anderen Makroinvertebraten, Algen, Makrophyten und Moosen gesammelt, sowie die Parameter Wassertemperatur, Tiefe, Sichttiefe, Sauerstoffgehalt, Leitfähigkeit, und die Konzentration anorganischer Nährstoffe (Phosphor, Stickstoff) jedes Sees bestimmt (Jeppesen et al., unveröffentlicht, 1*). Schließlich wurde die Bakteriendichte der einzelnen Gewässer erhoben (Jürgens, unveröffentlicht, 1*).

Der Transport der Proben fand nach Seen geordnet gekühlt in Thermoboxen statt, um die Temperatur- und Lichtschwankungen durch externe Einflüsse so gering wie möglich zu halten. Zwischenlagerungen an den jeweiligen Aufenthaltsorten fanden bei 10°C statt.

2.3. Kultivierung von Protozoen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Tissue Culture Plates, Kulturflaschen (Sarstedt) und Eppendorfgefäße(Eppendorf).

Zunächst wurden die 1ml-Proben sofort nach ihrer Ankunft in Deutschland zusammen mit jeweils 1ml autoklaviertem WC-Frischwasser-Medium (Guillard & Lorenzen, 1972, vgl. Anhang 8.3. Zusammensetzung WC-Medium) nach Seen geordnet an der Sterilbank in 24er Tissue Culture Plates (Sarstedt, Nümbrecht, Deutschland) überführt (vgl. Abbildung 2). Bei einer ersten Durchsicht unter dem Mikroskop wurden sie in die Kategorien „Leer“, „Nur Zysten“ und „Lebendige Protozoen“ unterteilt. Aus Proben der letzten beiden Kategorien wurden je 10µl Flüssigkeit unter sterilen Bedingungen zusammen mit 20ml WC-Medium und einem Weizenkorn zur Anregung des Bakterienwachstums in 50ml-Kulturflaschen (Sarstedt, Nümbrecht, Deutschland) angesetzt (vgl. Abbildung 2). Diese „Liquid Aliquot Methode“ (LAM) genannte Methode eignet sich besser zur Einschätzung der Artenvielfalt eines Beprobungsgebiet als die Betrachtung fixierter Proben, da sie die Beobachtung einer Entwicklung über einen längeren Zeitraum erlaubt. Um den Bedingungen ihres natürlichen Standorts möglichst nahe zu kommen, wurden die Aliquotproben bei 10°C in einer Kühlkammer gelagert. Die verwendeten Kulturflaschen verfügen über luftdurchlässige Verschlusskappen, die die Sauerstoffzufuhr gewährleisten, und nichtsdestotrotz Kontamination von außen vermeiden. Die Proben wurden in regelmäßigen Abständen unter dem Mikroskop begutachtet und die vorgefundenen Organismen bestimmt. Im Falle der Flagellaten wurden zu diesem Zweck Größe, Anzahl, Position und Länge der Flagellen sowie Bewegungsform evaluiert. Außerdem wurden in zweifelhaften Fällen Spezialisten für die jeweiligen Gruppen zu Rate gezogen.

2.4. Gänsekotproben

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Anser albifrons (Omar Runolfsson, Wikipedia, Creative Commons Attribution 2.0 Generic license), Habitus und Kotpellets

In den Sommermonaten besiedeln verschiedene Gänsearten die Seen und Ufer arktischer Gewässer, um dort zu brüten. In der Kommune Qaasuitsup, zu der auch das Beprobungsgebiet gehört, handelt es sich nahezu ausschließlich um Grönland-Blässgänse (Anser albifrons flavirostris), deren Exkremente in unterschiedlicher Menge im Umkreis der Seen zu finden waren (Malecki et al. 2000, Sharony, 2008) (vgl. Abbildung 3). Da diese einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Eutrophierung der Gewässer leisten könnten, und außerdem einen Vektor zur Verbreitung von Protozoen darstellen (Bull, 2004), wurden an den ersten beiden Seen mehrere Kotproben genommen. Diese wurden mit WC-Medium bei Raumtemperatur angesetzt und kultiviert, um die qualitative Zusammensetzung der Protozoen­gemeinschaft zu ermitteln und mit derer der Seen zu vergleichen.

Aufgrund der großen Strecken, die wilde Gänse in ihrer Eigenschaft als Zugvögel zurücklegen, wurden auch zwei Kotproben von Kanadagänsen (Branta canadensis) aus Köln gesammelt, einer Art, die saisonal ebenfalls in Grönland vorkommt. Hierdurch soll festgestellt werden, ob es Überschneidungen in den Protozoengemeinschaften der Gänse je nach Art und Standort gibt, oder es sich um gänzlich verschiedene Zusammensetzungen handelt. Diese Proben wurden unter den gleichen Bedingungen kultiviert wie der Gänsekot aus Grönland.

2.5. Tierfellabstriche

Abgesehen von Gänsen stellen auch andere Tiere Vektoren für den Protozoeneintrag dar (Green & Figuerola, 2005), aus diesem Grund wurden bei einer Exkursion im Jahre 2010 im selben Gebiet auch Proben vom Fell frisch erlegter Moschusochsen (Ovibos moschatus) sowie eines Rentieres (Rangifer tarandus) genommen (vgl. Abbildung 4). Dazu wurden sterile Einmalhandschuhe und frisch aus der Packung entnommene Zellstofftücher verwendet. Mit diesen wurde ein Abstrich des Fells genommen, um sie daraufhin steril verpackt nach Deutschland zu transportieren. Dort wurden sie eingefroren und später mit WC-Medium (Guillard & Lorenzen, 1972) abgespült. Die daraus resultierende Flüssigkeit wurde unter den gleichen Bedingungen wie die oben beschriebenen Gewässerproben sowie zusätzlich bei Raumtemperatur kultiviert, und die vorgefundenen Protozoen bestimmt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Rangifer tarandus (Alexandre Buisse, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

2.6. Morphologische Untersuchung

Alle vorgefundenen Protozoen wurden zunächst mithilfe eines inversen Mikroskops (Zeiss Axiovert S100 mit den Objektiven 100-, 200-, 400- und 630fache Vergrößerung, Carl Zeiss AG, Oberkochen, Deutschland) unter Verwendung von Phasen-Kontrast-Optik betrachtet, und dann so weit wie möglich nach morphologischen Kriterien bestimmt. Das verwendete Mikroskop macht das Öffnen der Kulturflaschen überflüssig und verhindert so mögliche Kontaminationen. Die vorgefundenen Protozoen wurden der Einteilung nach Adl (2012) folgend Morphotypen zugeordnet. Als Bestimmungsliteratur und -schlüssel wurden Jeuck & Arndt (2013), Streble & Krauter (2006) und Smirnov & Goodkov (1999) verwendet und, sofern möglich, konkrete Gattungen und Arten determiniert.

2.7. Statistische Auswertung

Zur statistischen Auswertung der Daten wurden die Programme Microsoft Excel 2002 (Microsoft Corporation, Redmond, USA), PAST (Palaeontological Statistics, Geological Museum Copenhagen), R 3.0.1 (The R Foundation for Statistical Computing) und R-Commander 1.9-6 (John Fox) verwendet.

Zunächst wurde für ausgewählte Datensätze der Rang-Korrelationskoeffizient Spearmans Rho (ρ) berechnet. Korrelationskoeffizienten | ρ | < 0,2 wurden als Indikator für keine feststellbare, 0,2 ≤ | ρ | < 0,4 für schwache, 0,4 ≤ | ρ | < 0,6 für mäßige und 0,6 ≤ | ρ | für hohe Korrelation betrachtet. Als Signifikanzniveau wurde der Standardwert 0,05 gewählt. Darauf folgend wurde jeweils die Signifikanz ermittelt, wobei Korrelationskoeffizienten, deren p-Werte über dem Signifikanzniveau lagen für die weitere Auswertung nicht berücksichtigt wurden. Diese Korrelationen wurden jeweils noch einmal mit den um statistische Ausreißer bereinigten Werten durchgeführt, es sei denn es standen weniger als 10 Werte einer Variablen zur Verfügung. Dabei wurde jeder Wert als Ausreißer betrachtet, der um das 1,5fache des 0,25-0,75-Quartilabstands außerhalb desselben lag. Hiernach wurde mittels der Minimum-Quadrat-Methode zu ausgewählten Variablenpaaren, die eine mindestens mäßige oder hohe Korrelation aufwiesen, eine Regressionsgerade errechnet, und dazu die entsprechende Formel sowie das Bestimmtheitsmaß angegeben (vgl. 3.2. Korrelationen). 1*)

3. Ergebnisse

3.1. Morphologische Analyse der Protozoengemeinschaft

3.1.1. Artenverteilung in den Seen

Aufgrund der Druck- und Temperaturunterschiede während des Transports durch Hubschrauber und Flugzeuge gingen einige Einzelproben verloren, so dass schlussendlich 2957 Aliquot-Proben à 1ml zur Auswertung zur Verfügung standen (vgl. Anhang 8.1. Tabellen: Rohdaten kultivierter Proben, Vollständige Artenlisten (Tabellen I-III) Aliquotproben, Gänsekotproben, Tierfellabstriche [Tabelle I ist aufgrund des Umfangs in dieser Version nicht enthalten]). In 1664 davon, also 56,3%, konnten, entweder sofort oder aus kultivierbaren Zysten, lebende Protozoen nachgewiesen werden. In nur 7,4% der Proben (218) wurden Zysten gefunden, die später nicht kultiviert werden konnten. Es fanden sich sowohl Proben mit einer, als auch mit mehreren kultivierbaren Spezies. Insgesamt konnten mittels Mikroskop 25 Morphotypen oder Morphospezies identifiziert werden, wobei die Gruppe der farblosen Chrysomonaden der Gattung Spumella am häufigsten, Paraphysomonas sp. am zweithäufigsten auftrat, gefolgt vom Kinetoplasten Rhynchomonas nasuta (vgl. Abbildung 5). Bei 93,7% der vorgefundenen Protozoen handelte es sich um Flagellaten, bei 5,0% um Amöben, und bei nur 1,3% der kultivierten Organismen um Ciliaten. Unter den Amöben waren solche des Vannella -Typs am häufigsten, der einzig vorhandene Ciliat wurde als Cinetochilum sp. identifiziert. Morphospezies, die sich nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit bestimmen ließen, werden fortan mit „? Speziesname sp.“ bezeichnet. In prozentualen Zahlen wiedergegeben stellte sich die Verteilung der Morphotypen und -spezies in den beprobten Seen folgendermaßen dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Zeigt die Verteilung der kultivierbaren Morphotypen und -spezies in der Gesamtzahl der Seen.

Errechnete man die Konstanz (relativer Anteil der Stichproben, d.h. Seen, in dem das Taxon auftritt) der Morphotypen über die Seen, zeigte sich ein leicht verändertes Bild, bei dem die dominierenden Organismen teilweise die Plätze wechselten, da Rhynchomonas nasuta in Bezug auf die Gesamtzahl der Seen häufiger als Paraphysomonas sp. auftrat (vgl. Abbildung 6). Dazu fand folgende Formel Anwendung (Tümpling & Friedrich, 1999):

[...]

Ende der Leseprobe aus 53 Seiten

Details

Titel
Untersuchung der pelagischen und benthischen Protozoengemeinschaft in geologisch jungen Seen Westgrönlands
Hochschule
Universität zu Köln  (Zoologisches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
53
Katalognummer
V289091
ISBN (eBook)
9783668116832
ISBN (Buch)
9783668116849
Dateigröße
1385 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Für einige Teile dieser Arbeit (insb. Abbildungen und Rohdaten) liegt das Urheberrecht bei Dritten, sodass diese in dieser Version nicht enthalten sind. Die Untersuchungsergebnisse der Arbeit sind jedoch trotzdem gut verständlich und nachvollziehbar.
Schlagworte
Protozoen, Flagellaten, Amöben, Grönland, Arktis, Zoologie, Protista, Flagellata, Klimawandel
Arbeit zitieren
Carolina Neuy (Autor:in), 2013, Untersuchung der pelagischen und benthischen Protozoengemeinschaft in geologisch jungen Seen Westgrönlands, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/289091

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