Globalisierung als Folge der Weltinformationsgesellschaft


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

31 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung und Annäherung
2.1. Globalisierung
2.2. Die globale Informationsgesellschaft

3. Der globale Kommunikationsraum
3.1. Globale Kommunikation
3.2. Globale Medien
3.3. Das Internet – Globalität und Dezentralität

4. Internet und Politik
4.1. Netzpolitik
4.2. Politische Kommunikation im Internet
4.3. Politische Öffentlichkeit im Internet
4.4. E-Votes
4.5. Transnationale Demokratie

5. Schlußbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Wir leben in einer brandneuen Welt der Gleichzeitigkeit. Die Zeit hat aufgehört, der Raum ist dahingeschwunden. Wir leben heute in einem globalen Dorf.“[1]

Diese Vision eines „global village“ formulierte Marshall McLuhan bereits 1967, also in Zeiten eines Systemkonfliktes, der die Welt in zwei Hälften teilte und noch lange vor der Existenz des Internet. Die elektronische Schalttechnik, so McLuhan, verstricke die Menschen tief ineinander, die elektronische Interdependenz forme die Welt zu einem globalen Dorf um. Mit der rasanten Diffusion der interaktiven Informations- und Kommunikationsmedien und der Öffnung des eisernen Vorhanges haben die grenzüberschreitenden Interaktionen und Interdependenzen ein bis vor kurzem ungeahntes Niveau erreicht. Jedoch verlaufen die eng miteinander verwobenen Megatrends Informatisierung und Globalisierung von Wirtschaft, Kultur und Politik weitaus weniger reibungslos und problembehafteter als dies McLuhans Metapher vielleicht erwarten läßt.

Einige dieser Problemlagen sollen in der folgenden Betrachtung thematisiert werden. Es ist zunächst nötig, daß die in öffentlicher und wissenschaftlicher Debatte inflationär verwendeten Termini „Globalisierung“ und „(globale) Informationsgesellschaft“ eine begriffliche und inhaltliche Annäherung erfahren. Hierauf sollen einige wesentliche Strukuren des globalen Kommunikationsraumes skizziert werden. Zentral sind hierbei die starken Kommunikationsungleichheiten rund um den Globus sowie eine fortschreitende Kommerzialisierung im Medienbereich, die viele Probleme für das politische System nach sich ziehen und die Notwendigkeit einer Medien- und Kommunikationspolitik deutlich machen, die über den nationalstaatlichen Rahmen hinausgeht. Abschließend werden Entwicklung und das Kommunikationspotential des Internet vorgestellt, das durch seine globale und dezentrale Struktur zu dem Medium der globalen Informationsgesellschaft zu werden scheint. Dieser Teil leitet gleichsam zu dem Themenfeld „Internet und Politik“ über, das gegenwärtig sehr kontrovers diskutiert und Thema vielzähliger Publikationen ist. Nach einigen Ausführungen über „Netzpolitik“, in der die politische Einflußmöglichkeit bei der Gestaltung des Netzes hinterfragt werden soll, steht die Nutzung der Online-Medien bei der politischen Kommunikation und die erwarteten Konsequenzen für die politische Öffentlichkeit im Mittelpunkt. Diese wird, in Anbetracht mangelnder empirische Erkenntnisse, mit ebenso vielen Hoffnungen wie Befürchtungen in bezug auf die Auswirkungen für politisches System und Demokratie erwartet. Auf diese Frage aufbauend, soll abschließend noch die Frage erörtert werden, und welche Ansätze das Internet im bezug auf direktdemokratische Verfahren und für eine Verankerung einer transnationalen Demokratie bietet.

2. Begriffsbestimmung und Annäherung

2.1. Globalisierung

„Globalisierung“ ist in erster Linie ein wirtschaftliches Phänomen. Dies äußert sich in einer zunehmenden internationalen Warenproduktion, einem wachsender Welthandel von Gütern und Dienstleistungen und einen nahezu ungehinderten Finanz- und Kapitalverkehr, was fast alle Staaten, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, in ein komplexes System mit wechselseitigen Abhängigkeiten verwickelt hat. Die Weltwirtschaft wird nicht länger als Konglomerat aus länderspezifischen Märkten, sondern als eine über die Ländergrenzen hinweg verknüpfte Gesamtheit von Märkten aufgefaßt, auf denen nicht nur mächtige Transnationale Konzerne (TNCs), sondern auch Regionen und Standorte miteinander konkurrieren.[2] Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß nahezu alle Bereiche von Staat, Gesellschaft und Lebenswelt durch die Folgen wirtschaftlicher Globalisierung betroffen sind und ihrerseits selbst Globalisierungstendenzen aufweisen. Es handelt sich somit bei der Globalisierung um einen multidimensionalen Prozeß, der entgegen einer Verkürzung auf rein ökonomische Aspekte als „Globalisierung im Plural“ verstanden werden muß.[3] Dies zeigt sich auch in der wissenschaftlichen Debatte, in der nach wie vor ein einheitliches Verständnis darüber fehlt, was mit „Globalisierung“ konkret beschrieben werden soll. „Globalization... means precisely whatever the user says it means.“[4] formulieren Barnet / Cavanagh in Anbetracht der vielfältigen heterogenen Ansätze von Beschreibung und Analyse.[5] Robejsek bemüht sich daher um eine möglichst breit angelegte Arbeitsdefinition, in der er Globalisierung als einen Prozeß bezeichnet,

- bei dem die Anzahl der Interaktionen ansteigt, die grenzüberschreitend ausgerichtet sind,
- das ökonomische und politische Handeln seinen territorialen Charakter verliert und sich in Räumen abspielt, die sich über die nationalstaatlichen Grenzen hinaus ausweiten.
- Gleichzeitig nimmt das gesellschaftliche Bewußtsein um die Interdependenzen in der Welt, die als Einheit existiert, zu.[6]

Die Ursachen von Globalisierung sind ebenso vielschichtig wie der Prozeß selbst. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei staatlichem Handeln zu, das durch Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Liberalisierung und innerstaatlichen Deregulierung Globalisierungsprozesse begünstigt und forciert. Als notwendige aber nicht hinreichende Bedingung gelten auch fortschreitende technischen Modernisierungen. Es sind Innovationen im Transport- und Infrastrukturbereich sowie die hier im Mittelpunkt stehenden revolutionären Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechniken, die zeitliche Grenzen minimieren und räumliche Entfernungen gewaltig schrumpfen lassen.[7] Der enge Zusammenhang von informationstechnischen Entwicklungen und den Globalisierungsprozessen wird besonders deutlich, wenn man auf einer sehr grundlegenden Ebene gesellschaftliche Interaktionen als Austauschbeziehungen betrachtet, die sich in den Dimensionen von Materie, Energie und Information vollziehen. Der Umstand, daß immer mehr Informationen auf globalen Niveau abgewickelt werden, läßt sich unmittelbar auf die weltweite Ausbreitung der Massen- und Individualkommunikation zurückzuführen.[8]

Die politische Folgen, die sich aus der Globalisierung ergeben sind gravierend: Die primär nationalstaatlich organisierte Politik verliert in dem Maße an Einfluß, wie sich die transnationalen Interaktionen über den Globus ausdehnen. Ein Autonomieverlust der Nationalstaaten und eine Steuerungskrise der repräsentativen Demokratie sind die Folge, da die Versuche zur Rückgewinnung politischer Gestaltungsfähigkeit oftmals nur unter Inkaufnahme von Einbußen an demokratischer Partizipation und Kontrolle gelingen. Wo es der Politik gelingt, sich etwa durch die Schaffung internationaler und supranationaler Einrichtungen grenzüberschreitend zu organisieren, kann sie zwar Steuerungsfähigkeit zurückerobern, dies aber oft für den hohen Preis eines Legitimationsdefizites.[9] Beck bezeichnet es als „Demokratie-Dilemma im Zeitalter Globalisierung“, daß

im Rahmen der demokratisch legitimierten, nationalstaatlichen Politik zunehmend Nicht-Entscheidungen politisch legitimiert werden, (während) ...im transnationalen Rahmen der „Nicht-Politik“ nicht demokratisch legitimierte Entscheidungen von transnationaler Reichweite und Durchschlagskraft getroffen werden.[10]

Als gangbaren Weg aus diesem Dilemma wird weniger die Errichtung eines Weltstaates als vielmehr verschiedene Modelle einer „Global Governance“ favorisiert, die neben einer Verdichtung von staatlich organisierten Multilateralismus vor allem für ein enges Zusammenwirken staatlicher und nicht-staatlicher Akteure von der lokalen bis zur globalen Eben plädieren. Angesichts der gegenwärtigen weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Machtverhältnisse betonen auch die Verfechter die Schwierigkeiten der Realisierung dieses Ansatzes.[11]

Viel wird davon abhängen, auf welche Weise Globalisierung im soziokulturellen Bereich entwickeln wird. Die lange Zeit vorherrschenden Befürchtungen einer von der US-Kulturindustrie dominierten „McWorld-Culture,“[12] wird zunehmend die durch Erwartung einer „Glokalisierung“[13] relativiert, bei der sich eine entstehende globale Kultur jeweils mit den vielen nationalen und regionalen Besonderheiten vermischt. Grundsätzlich ist dem Postulat Habermas zuzustimmen, der das „Bewußtsein einer kosmopolitischen Zwangssolidarisierung“[14] für notwendig hält, da sich nur auf diesem Weg, das Selbstverständnis global handlungsfähiger Akteure dazu wandeln könnte, daß sie sich „zunehmend als Mitglieder einer Gemeinschaft verstehen, die alternativlos zur Kooperation und damit zur gegenseitigen Interessensberücksichtigung genötigt sind.“[15]

2.2. Die globale Informationsgesellschaft

In weiten Teilen der Welt führen seit nunmehr drei Jahrzehnten technische Entwicklungen im Bereich der Massen- und Individualkommunikation zu einer weitgehenden Umgestaltung des gesellschaftlichen Kommunikationssystems. Auf der einen Seite hat sich durch die sukzessive Verfügbarkeit von Satelliten- und Kabelfernsehen die Palette audiovisueller Medien erheblich verbreitert. Zum anderen sind durch die rasante Verbreitung des Personal Computers und dem Zusammenwachsen von Telekommunikation und Informatik in einem vergleichsweise kurzen Zeitintervall völlig neue Formen technisch vermittelter interpersonaler Kommunikation entstanden. Kernelement dieser Entwicklung ist das Internet, das als dezentrales, weltumspannendes Netzwerk das Kommunikationspotential moderner Industriegesellschaften auf ein noch vor kurzem ungeahntes Niveau hebt und so zu dem Symbol einer globalen Informationsgesellschaft zu werden scheint.[16]

Der Bedeutungszuwachs der neuen Informations- und Kommunikationsmedien wirft zwangsläufig Fragen nach ihren Implikationen für die Gesellschaft auf. Um den von Daniel Bell[17] bereits Mitte der 70er Jahre geprägte Begriff der „Informationsgesellschaft“ wird eine kontroverse Debatte geführt, der eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte und Untersuchungskriterien zugrunde liegen.[18]

Flusser beantwortet die Frage nach der Bedeutung der Informationsgesellschaft folgendermaßen:

Meint man mit „Informationsgesellschaft jene soziale Struktur, in welcher das Herstellen, Verarbeiten und Verteilen von Informationen eine zentrale Stellung einnimmt, dann muß die Antwort so lauten: Die Informationsgesellschaft ist seit einigen Jahren im Entstehen, sie taucht aus der Industriegesellschaft auf und beginnt diese zu verdrängen. Meint man hingegen mit „Informationsgesellschaft jene Daseinsform, in der sich das existentielle Interesse auf den Informationsaustausch mit anderen konzentriert, dann wird die Antwort ganz anders zu lauten haben.[19]

Die unterschiedlichen Interpretationen einer Informationsgesellschaft lassen sich schwerpunktmäßig auf zwei Idealtypen zurückführen, von denen der eine ein primär humanistisches und der andere ein primär ökonomisches Begriffsverständnis verkörpert. Im Sinne der erstgenannten Betrachtungsweise zeichnet sich der Übergang der modernen Gesellschaft zur Informationsgesellschaft vor allem dadurch aus, daß die Informationsexplosion in der Alltagswelt und die technisch induzierte Neuordnung von Kommunikationsbeziehungen prinzipiell allen Gesellschaftsmitgliedern in allen Lebensbereichen neue Möglichkeiten der Selbstentfaltung, Emanzipation und Partizipation eröffnen. In der ökonomiezentrierten Lesart steht die Informationsgesellschaft für ein Entwicklungsstadium, in dem die Ressource Information zusammen mit der Informationstechnik als Mittel ihrer Bereitstellung gleichbedeutend, oder sogar mit einem Übergewicht neben die überkommenden Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital getreten ist, wodurch sich neue Chancen zur Bewahrung und Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstandes ergeben.[20]

Der ökonomische Ansatz dominiert zumeist auch die politischen Konzepte um die Perspektiven der Informationsgesellschaft.[21] In nahezu allen Industrieländern wird der Aufbau von nationalen Informationsinfrastrukturen verstärkt vorangetrieben, die Möglichkeit zur einer aktiven, mehrdimensionalen Gestaltung bleibt aber oftmals auf die Sicherung eines freien Marktes zur Entfaltung des wirtschaftlichen und technologischen Fortschritts beschränkt. Weitgehend ausgeblendet bleiben in einem solchen auf technische und ökonomische Indikatoren verkürzten Blickwinkel ebenso viele wünschenswerte Perspektiven wie Konfliktpotentiale für die übrigen Bereiche der Gesellschaft. Die Informationstechnik fungiert in der Hoffnung auf Arbeitsplätze und Wohlstandsmehrung geradezu als Trumpfkarte in einer globalen Standortkonkurrenz, in der vor allem die Entwicklungsländer noch mehr als bisher hoffnungslos unterlegen sind. Die Entwicklung führender Industrieländer hin zu Informationsgesellschaften hat dazu geführt, daß das ökonomische Ungleichgewicht zwischen entwickelten und Entwicklungsländern zunehmend auch als ein Informations-Ungleichgewicht wahrgenommen wird.[22]

Obwohl dem Ausbau einer Globalen Informationsinfrastruktur (GII) die Rede geführt wird, bleiben die sich daraus ergebenen Konsequenzen in den politischen Konzepten weitgehend unberücksichtigt. Angesichts globaler Medien- und Informationsmärkte, auf denen zunehmend machtvolle, global agierende Medienkonzerne tätig sind und Programm- und Informationsinhalte nach vorwiegend kommerziellen Gesichtspunkten steuern und vor allem der rasanten Entwicklung des Internets, durch das prinzipiell jede Person mit Internetzugang weltweit auf Informationen zugreifen kann, werden eine Reihe von Fragen anders gestellt werden müssen. Von der Politik muß nicht allein die Frage der ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen beantwortet werden, entscheidende Bedeutung wird den Fragen nach der Begründbarkeit und Durchsetzbarkeit von Normen und Wertvorstellungen zur demokratischen Gestaltung einer globalen Informationsgesellschaft zukommen müssen.[23]

3. Der globale Kommunikationsraum

3.1. Globale Kommunikation

Global wirksame Kommunikationstechniken sind kein neues Phänomen. Bereits 1924 konnte der englische König George V. anläßlich der Weltausstellung stolz demonstrieren, daß ein von ihm abgeschicktes Telegramm in 80 Sekunden rund um die Welt ging. Über Transkontinental- und Transatlantikkabel ist internationaler Nachrichtenverkehr bereits seit mehr als hundert Jahren technisch ohne Zeitverzug möglich, blieb allerdings noch lange auf wenige machtvolle Akteure begrenzt. Was die Entwicklung der letzten Jahrzehnte auszeichnet, ist vor allem die neugewonnene Chance für einzelne Bürger, sich mit überschaubaren Kosten an der globalen Kommunikation zu beteiligen.[24]

Ein Entwicklungsschub bei den Übertragungsmöglichkeiten wurde seit den 60er Jahren durch den Einsatz von Satelliten ausgelöst. Durch Kommunikationssatelliten mit den entsprechenden Bodenstationen und Empfangsgeräten konnte ein globales Telekommunikationsnetz aufgebaut werden, das die internationale Übermittlung von Daten, Text, Sprache und Bildern erlaubt. Die Satelliten bilden das infrastrukturelle Rückgrat des globalen Fernsehnetzes, indem sie eine Vielzahl von Programmen an Kabelkopfstationen oder über eine kleine Parabolantenne direkt zum Zuschauer senden. In Deutschland erhalten inzwischen mehr als drei Viertel der Haushalte ihr TV-Bild direkt oder indirekt von Satelliten, ungefähr ein Drittel der übertragenen Programme kommen hierbei von außerhalb der nationalen Grenzen.[25] Ebenso wurde in den westlichen Industrieländern das Fernsprechnetz nahezu flächendeckend ausgebaut und durch die Einrichtung von Telex-, Teletex- und Datennetzen ergänzt. Vor einigen Jahren wurde mit dem Aufbau von ISDN (Integrated Services Digital Network) begonnen, über das auf der Basis der bestehenden Telefoninfrastruktur auch Texte, Daten und Festbilder übermittelt werden können, was nun auch die Grundlage für das globale Computernetzes bildet.[26]

Parallel zur Kommunikationsreichweite ist auch die Anzahl der verfügbaren Kommunikationsmittel pro Kopf stark gewachsen. So liegt z.B. die Ausstattung der bundesrepublikanischen Haushalte mit Empfangsgeräten für die Massenmedien Radio und Fernsehen seit den 70er Jahren bei über 90%. Ebenso hoch ist die individuelle Verfügbarkeit des Telefons, die durch die rasante Verbreitung des Mobiltelefons in jüngerer Zeit noch einmal vergrößert wurde. Durch den starken Zuwachs von Personal Computern mit privaten und beruflichen Umfeld scheint hier eine ähnlich flächendeckende Verbreitung bevor zu stehen.[27] Parallel dazu ist das Informationsangebot exponentiell angewachsen und übersteigt bei weitem die Nachfrage, die jedoch auch, teilweise angebotsinduziert, stetig zunimmt. So hat in der Bundesrepublik die durchschnittlich aufgewandte Zeit für die Medien Tageszeitung, Hörfunk und Fernsehen pro Tag von 3,13 Stunden 1964 auf 4,92 Stunden 1985 zugenommen, was einer Steigerung von 157,2% entspricht. Der Anteil des Zeitbudgets für die tägliche Nutzung dieser drei Medien an der gesamten Freizeit ist dabei von 55% auf 64% angestiegen.[28]

Während die Menschen in den westlichen Ländern weitgehend in den globalen Kommunikationsraum und einen (multi-)medialen Alltag eingebunden sind, stellt sich die Situation in den Entwicklungsländern völlig anders da. Die Kommunikationsmittel finden sich hier in erster Linie die urbanen Ballungszentren, während ihre Verbreitung im agrarisch geprägten Hinterland oftmals gegen Null strebt. Die Nutzung von Massen- und Individualkommunikationsmittel bleibt zumeist Privileg einer kleine Elite, während ärmere Bevölkerungsschichten hieran kaum partizipieren können. Vor allem der afrikanischen Kontinent ist benachteiligt, in dem zwar zwölf Prozent der Weltbevölkerung leben, sich aber gegenwärtig nur zwei Prozent der weltweit verfügbaren Festleitungen (Asien 13%, Lateinamerika 6%) finden. 1995 kamen auf 1000 Einwohner nur elf Telefonanschlüsse, wobei diese Durchschnittszahlen noch durch extreme regionale Unterschiede (Südafrika: 1000 Ew/150 Ta) verzerrt sind. Allein in Manhattan existieren mehr Telefonanschlüsse als im ganzen Afrika südlich der Sahara, wo mehr als die Hälfte aller Menschen noch nie ein Telefongespräch geführt haben.[29]

Hier wird der Zusammenhang zwischen der Kommunikationsinfrastruktur und dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand eines Landes deutlich. Auch wenn sich die Situation für die ärmeren Länder durch regionale Kommunikationssatelliten partiell verbessert hat, ist eine Überwindung des Kommunikationsungleichgewichtes zwischen Nord und Süd auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, sondern könnte sich durch den Einsatz computervermittelter Kommunikation noch verschärfen. Hierfür sprechen nicht nur ökonomische und technisch-infrastrukturellen Gründe, sondern auch der hohe Analphabetismus sowie hohe Sprachbarrieren durch die zahlreichen Nationalsprachen und Dialekte.[30]

[...]


[1] M. McLuhan; Quentin Fiore: Das Medium ist Message, Frankfurt am Main 1984, S. 63, (Amerikanischer Originaltitel: The Medium is the message, 1967).

[2] Vgl.: N. Walter: Globalisierte Kapitalmärkte – Ende nationaler Wirtschaftspolitik, in: D. S. Lutz (Hg.): Globalisierung und nationale Souveränität, Baden-Baden 2000, S. 179-188, hier S. 180ff.

[3] Vgl.: A. Pinzani: Demokratisierung als Aufgabe, URL im Internet: http://www.dasparlament.de/html/suche_anzeigen_text.cfm?ID=3894.

[4] J. R. Barnet; J. Cavanagh: Global Dreams, New York 1994, S. 14.

[5] Für eine kurze Zusammenfassung der Debatte, Siehe: P. Robejsek: Globalisierung – Eine kritische Untersuchung der Tragfähigkeit eines populären Konzepts, in: D. S. Lutz (Hg.): Globalisierung und nationale Souveränität, Baden-Baden 2000, S. 61-85.

[6] ebda., S. 66.

[7] Vgl.: P. Robejsek, a. a. O., S. 66ff.

[8] Vgl.: O. Winkel: Kommunikation, neue Medien und Globalisierung, in: R. Robert: Bundesrepublik Deutschland – Politisches System und Globalisierung, Münster, New York, München, Berlin 200, S. 201-220, hier S. 208ff, im folgenden zitiert als: O. Winkel, a. a. O., „Globalisierung“.

[9] Vgl.: ebda., S. 208.

[10] U. Beck: Das Demokratie-Dilemma im der Zeitalter der Globalisierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Band 38 1998, S. 3-11, hier S. 3.

[11] Vgl.: F. Nuscheler: Globalisierung und Global Governance, in: D. S. Lutz (Hg.), a. a. O., S. 301-317, hier S. 304f.

[12] Siehe: S. Handschuh-Heiß: Auf dem Weg zur MCWorld-Culture?, in: H. Reimann: Weltkultur und Weltgesellschaft, Opladen 1997, S. 44-78.

[13] „Glokalisierung“ ist ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen „Globalisierung“ und „Lokalisierung“ zusammensetzt, Siehe: R. Robertson: Globalization, London 1992.

[14] J. Habermas: Jenseits des Nationalstaates, in: U. Beck (Hg.): Politik der Globalisierung, Frankfurt am Main 1997, S. 67-84, hier S. 77.

[15] ebda., S. 77f.

[16] Vgl.: G. Holland, G. Wiest: Computer und Telekommunikation: ein neues globales Kommunikationsnetz, in: H. Reimann (Hg.), a. a. O., S. 316-333, hier S. 316f.

[17] Siehe: D. Bell: Die nachindustrielle Gesellschaft, Frankfurt am Main 1975.

[18] Die wesentlichen Konzepte sehen die Informationsgesellschaft als information economy, postindustrielle Gesellschaft, Dritte Welle oder digitalisierte Industriegesellschaft. Für eine Übersicht, Siehe: A. Bühl: Die virtuelle Gesellschaft, Opladen / Wiesbaden 1997, S. 33-48.

[19] V. Flusser: Verbündelung oder Vernetzung, in: Kursbuch Neue Medien. Trends in Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Kultur, Mannheim 1995, S. 15-23, hier S. 15.

[20] Vgl.: O. Winkel, a. a. O., „Globalisierung,“ S. 207f.

[21] Siehe z.B.: BMWi: Info 2000. Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft. Bericht der Bundesregierung, Bonn 1996.

[22] Vgl.: J. H. Harms: Informationsgesellschaft im internationalen Vergleich, in: J. Tauss; J. Kolbeck, J. Mönikes (Hg.), Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, Baden Baden 1996, S. 481-520, hier S. 481ff.

[23] Vgl.: J. Tauss, J. Kollbeck, J. Mönikes: Wege in die Informationsgesellschaft, in: J. Tauss; J. Kollbeck; J. Mönikes (Hg.), a. a. O., S. 14-80, hier , S. 26f.

[24] Vgl.: O. Jarren; W. A. Meier: Globalisierung der Medienlandschaft und ihre medienpolitische Bewältigung: Ende der Medienpolitik oder neue Gestaltungsformen auf regionaler und nationaler Ebene?, in: P. Donges; O. Jarren; H. Schatz (Hg.): Globalisierung der Medien, Opladen, Wiesbaden 1999, S. 231-249, hier 233.

[25] Vgl.: H. J. Kleinsteuber, B. Thomas: Politikvermittlung im Zeitalter von Globalisierung und medientechnischer Revolution, in: U. Sarcinelli: Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft, S. 209-229, S. 214ff, im folgenden zitiert als: H. J. Kleinsteuber; B. Thomas, a. a. O., „Politikvermittlung“.

[26] Vgl.: G. Holland; G. Wiest, a. a. O., S. 318f.

[27] K. Merten: Chancen und Risiken der Informationsgesellschaft, in J. Tauss; J. Kolbeck, J. Mönikes (Hg.), a. a. O., S. 82-96, hier S. 86f.

[28] Vgl.: ebda., S. 88f.

[29] Vgl.: S. Brüne: Die afrikanische Informationsgesellschaft, in: P. Donges; O. Jarren; H. Schatz (Hg.), a. a. O., S. 211-227, hier S. 217f.

[30] Vgl.: G. Holland; G. Wiest, a. a. O., S. 321ff.

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Details

Titel
Globalisierung als Folge der Weltinformationsgesellschaft
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Weltpolitik zwischen Globalisierung und Fragmentierung
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
31
Katalognummer
V28863
ISBN (eBook)
9783638305242
ISBN (Buch)
9783640783939
Dateigröße
563 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hauptseminararbeit gibt einen Überblick über die Globalisierung der Medien und die politischen Folgen, die sich daraus auf nationalstaatlicher Ebene ergeben.
Schlagworte
Globalisierung, Folge, Weltinformationsgesellschaft, Hauptseminar, Weltpolitik, Globalisierung, Fragmentierung, Medien, Medienevolution
Arbeit zitieren
Björn Erichsen (Autor:in), 2000, Globalisierung als Folge der Weltinformationsgesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28863

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