Die Rolle des Hauses in Guy de Maupassants „Le Horla“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A) „Le Horla“ als „Conte Fantastique“ 3

B) „Le Horla“ als phantastischer Text 4

C) „Le Horla“ im Diskurs des 19.Jahrhunderts 8

D) Die Rolle des Hauses 11

I. Das Haus im Text 12

II. Das Haus als Verbindungsstelle zu Werken der „Schwarzen Romantik“ 14

III. Das Haus als Repräsentation der Psyche des Erzählers 17

E) Die Verbindung von „Le Horla“ zu anderen Werken Maupassants 22

F) Literaturverzeichnis 23

A) „Le Horla“ als „Conte Fantastique“

Die 1860 veröffentlichte Novelle „Le Horla“ von Guy de Maupassant steht ganz im Zeichen der Gattung „Conte Fantastique“, die im 19.Jahrhundert auch durch andere Autoren wie Nerval und Nodier in Frankreich große Beliebtheit erlangte. Maupassant gilt als Meister dieser literarischen Gattung, die vor allem durch die wachsende internationale Verbreitung von Autoren wie E.T.A. Hoffmann und Edgar Allan Poe beeinflusst wurde. [1] In besonderer Anlehnung an diese beiden Autoren wurden in den „Contes Fantastiques“ viele Motive aus Schauerromanen und der Schwarzen Romantik neu aufbereitet und durchgespielt. Dennoch unterscheiden sich viele dieser Werke in ihrer Darstellung entscheidend von ihren Vorgängern: Die dargestellte Welt ist möglichst realistisch gehalten und wird vom Übernatürlichen durchbrochen, welches durchgehend als Bedrohung empfunden wird.[2] Außerdem kann sich keine der Welten, weder die realistische noch die Übernatürliche im Werk durchsetzen - für dieses Phänomen prägte Todorov den Begriff der „phantastischen Literatur“. In diesem Kontext wird „Le Horla“ im weiteren Text noch genauer betrachtet.

Gleichzeitig rekurrieren viele dieser phantastischen Novellen auf die Diskurse ihrer Zeit, also des 19.Jahrhunderts. Die Auseinandersetzung mit der Aufklärung und dem komplementär dazu entstehenden Okkultismus als Erklärungsmodell für übernatürliche Ereignisse ist ein häufiges Merkmal der „Contes Fantastiques“. Dem gegenüber steht eine sozusagen modernere Beglaubigungsstrategie des übernatürlichen Ereignisses im Text: Die psychologische beziehungsweise psychopathologische Deutung.[3] Hierbei spielt die Etablierung neuer wissenschaftlicher Disziplinen, vor allem die Vorläufer der modernen Psychologie eine große Rolle. „Le Horla“ enthält, wie später noch genauer untersucht werden wird, Bezüge zu beiden Beglaubigungsstrategien der „Conte Fantastique“.

Mit besonderem Augenmerk auf die Verbindungen der Novelle „Le Horla“ zur phantastischen Literatur, nach Todorov, und die Einbindung in die wissenschaftlichen Vorgänge des 19.Jahrhunderts werden im Folgenden Analysemodelle zum besseren Verständnis des Werks vorgestellt.

Der Aspekt der Novelle dem sich diese Arbeit besonders widmet ist das Haus. Welche Rolle es in „Le Horla“ spielt, seine Bedeutung für den Handlungsverlauf, für die Figuren und die Gattung der „Conte Fantastique“ wird in Bezug zu den untersuchten Deutungsmodellen gesetzt und untersucht.

B) „Le Horla“ als phantastischer Text

Der Struktur der Novelle „Le Horla“ lässt sich besonders gut anhand der Theorie Todorovs zur phantastischen Literatur beschreiben. Schließt diese doch eher minimalistisch angelegte Gattung die meisten Werke mit übernatürlichen Ereignissen aus, so wurde „Le Horla“ von Todorov selbst als der letzte phantastische Text bezeichnet.[4]

Was aber macht das, nach Todorov, Phantastische im Text aus? Hierfür werden erst einmal die Forderungen von Todorov an einen Text betrachtet. Er stellt drei wichtige Merkmale heraus: Die Welt in die das Phantastische Ereignis eindringt ist immer die reale Welt des impliziten Autors und Lesers, außerdem soll der implizite Leser und meist auch die Figuren im Text unfähig sein zu entscheiden, ob sich phantastische Phänomen in dieser Realität oder in einer anderen Welt stattfindet. Abschließend soll der phantastische Text klar markieren, dass er eine poetische oder allegorische Lesart ausschließt, in der phantastische Ereignisse als solche überlesen werden könnten.[5] In diesen drei Merkmalen sieht Todorov die zu untersuchenden Aspekte eines Werkes als hinreichend beschrieben an, da sie den verbalen Aspekt der Perspektive und des Stils, den semantischen durch die Wiederkehr und Kombinationen bestimmter Themen, sowie den syntaktischen durch Beziehung der einzelnen Teile des Textes zueinander abdecken. [6] Außerdem muss noch hervorgehoben werden, dass der phantastische Text vor allem als Grenze zwischen zwei anderen, von Todorov so benannten, Textgattungen definiert: Als Grenze zwischen dem Unheimlichen und dem Wunderbaren. [7] Beiden Genres können weit mehr Texte als der Phantastischen Literatur zugeordnet werden, denn sie unterscheiden sich von ihr hauptsächlich durch die Auflösung des phantastischen Ereignisses. In Werken die der Unheimlichen Literatur angehören wird das phantastische Ereignis, das kurzzeitig die Naturgesetzte der fiktiven, aber real gestalteten Welt durchbricht, letztlich auf natürliche Ereignisse wie Täuschung oder Geisteskrankheit zurückgeführt und die Welt kehrt wieder in ihren Ausgangszustand zurück.[8] Diese fiktive Welt scheint in der Wunderbaren Literatur nur solange die Reale des Lesers zu sein, bis sich durch das phantastische Ereignis herausstellt, dass in ihr andere Naturgesetze herrschen, durch die das Ereignis bedingt wird.[9] Am weitesten entfernt sind diese beiden Gattungen von ihrer Grenze, der Phantastik, wenn der Leser die natürliche oder übernatürliche Lösung den Text hindurch nicht anzweifelt wie etwa bei einem Krimi oder einem Märchen, bei denen keine Grenzüberschreitung der im Werk dargestellten Naturgesetze erwartet wird. Anders verhält es sich bei den Gattungen des Vermischt Wunderbaren und Vermischt Unheimlichen, in denen sich meist erst am Ende die Ambiguität des Textes auflöst.

Auf den ersten Blick lässt sich Todorovs Aussage über „Le Horla“ bestätigen: Schon durch die Bezeichnung Novelle lässt sich eine allegorische und poetische Lesart des Textes ausschließen und auch die Form der Tagebuchnovelle verlangt eindeutig eine realistische Lesart. Ebenso leicht lässt sich die realistische Weltdarstellung des Textes bestätigen. Durch die Tagebucheinträge sind alle Ereignisse an feste Daten gebunden und auch der Handlungsraum ist durch präzise und in der Realität überprüfbare Ortsangaben wie Rouen, Paris oder Mont Saint-Michel definiert. Auch die wenigen gesellschaftlichen Ereignisse an denen der Erzähler während seines Aufenthalts in Paris teilnimmt, der Theaterbesuch und der Ruderer-Ball authentifizieren die Welt, in der sich die Geschichte abspielt.

Doch wie verhält es sich mit der Ambiguität des Textes? Die Figur, also der Erzähler kommt bald zu einer Entscheidung: Das von ihm „Horla“ getaufte übernatürliche Wesen existiert in der Realität, ja hat sogar schon immer existiert.[10] Doch kann sich der Leser am Ende endgültig entscheiden? Hierzu muss gesagt werden, dass durch die Tagebuchform der Leser die fiktive Welt nur aus der Perspektive des Erzählers sieht, sich also auf keine objektive Instanz für seine Entscheidung berufen kann. Und diese subjektive Sicht des Erzählers muss sehr bald stark angezweifelt werden: Der Erzähler selbst befürchtet im Laufe der Handlung immer wieder wahnsinnig geworden zu sein und bietet somit dem Leser eine weitere Erklärungsstrategie für die Vorgänge im Text an.[11] Ob nun durch den Wahnsinn oder durch den Horla beherrscht: Der Erzähler kann also durchaus als unglaubwürdig bezeichnet werden.


[1] Lederer S.146.
[2] Blüher S.146.
[3] Blüher S.145.
[4] Wehr: S.186.
[5] Todorov 1972: S.33.
[6] Ebd.: S.33.
[7] Ebd.: S.43.
[8] Ebd. S.43f.
[9] Ebd. S.49ff.
[10] Maupassant: S.24.
[11] Ebd.: S.10, S.18.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Rolle des Hauses in Guy de Maupassants „Le Horla“
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
24
Katalognummer
V287839
ISBN (eBook)
9783656879084
ISBN (Buch)
9783656879091
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Guy de Maupassant, Le Horla, Phantastik, Haus
Arbeit zitieren
Sophie Strohmeier (Autor:in), 2013, Die Rolle des Hauses in Guy de Maupassants „Le Horla“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287839

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