Fallgruben und Wachstumschancen in der Paarkommunikation


Studienarbeit, 2014

29 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1) Einführung

2) Hauptteil
2.1 „Du verstehst mich nicht“: Wie wir miteinander sprechen - Beispiele misslungener Dialoge unter kommunikationspsychologischen Aspekten
2.1.1 Die Garderobe (Loriot)
2.1.2 Das Ei (Loriot)
2.1.3 Sach- und Beziehungsebene
2.2 „Wenn zwei sich streiten…“: wie wir aneinander vorbeikommunizieren und was das mit unserer Beziehung macht
2.2.1 Schulz von Thun
2.2.2 Fallgruben: Gefahren destruktiver Kommunikation
2.3 „… freut sich der Dritte“: Kommunikation in der Beratung
2.3.1 Carl Rogers
2.4 „…und Ihre Lieblingsfarbe?“: Chancen & Grenzen in der Paarberatung
2.4.1 Die Eheberatung (Loriot)

3) Ausblick
3.1 Aufbruch (Loriot)

4) Quellen

Vorwort

„Alles Gescheite ist schon einmal gedacht worden, man muss nur versuchen, es immer wieder neu zu denken“ – in diesem Goetheschen Sinne ist auch der Ansatz dieser Arbeit zu verstehen: Zu allen Zeiten und in allen Kulturen haben Menschen und mithin gerade auch Paare miteinander kommuniziert, sich missverstanden, gestritten, verbal verletzt. Vieles ist darüber geschrieben worden, die Regale in der Abteilung „Lebenshilfe“ sind voll mit Ratgebern zu Themen à la Mars & Venus.

Der Ansatz dieser Arbeit bezieht sich weniger auf die (angeblichen) geschlechtstypischen kommunikativen Eigenheiten. Um den psychischen Einfluss des Wortes und nonverbaler Signale auf Beziehungen soll es in dieser Arbeit in erster Linie gehen: Wie kann man/frau sich vor kommunikativer Manipulation und verbaler Verletzung schützen? Wie können destruktive Strukturen in der Paarkommunikation aufgedeckt und folglich vermieden werden? Wie wichtig ist Empathie für ein Kommunikationsverständnis? Welche Rolle spielt der Humor in der Kommunikation? Und was bedeutet das alles letztlich für die Beratung?

Um das große Thema Kommunikationspsychologie fassbarer – also verständlicher! – zu machen, werde ich im Folgenden auf Beispiele zurückgreifen, die exemplarisch für alle Paarkommunikation stehen sollen: Loriots „Szenen einer Ehe“. Niemand hat die sprachlichen Fallgruben in der menschlichen Kommunikation zwischen Mann und Frau treffender präzisiert als der unerreichte Altmeister des „tiefenpsychologischen Humors“. Sicher, Männer und Frauen passen nicht zusammen – solange sie immer wieder in dieselben fettigen Sprachnäpfe treten.

Ich wünsche allen Paaren einen achtsamen Umgang miteinander – mit Worten und Gesten, die beflügeln und Kraft geben und einander wertschätzen, anstatt zu verletzten und zu zerstören, was lebensnotwendig ist: weise Beziehungen.

1) Einführung

„Jenseits der Stille“: Warum wir nie nicht-kommunizieren oder Watzlawicks Erbe Ein Mann, ein Wort – eine Frau, ein Wörterbuch? Dem hinlänglich bekannten Sprachwitz möchte ich hinzufügen: Kommunikationsfallen zwischen Männern und Frauen – eine Enzyklopädie. Tatsächlich gibt es unzählige Untersuchungen über das Sprachverhalten von Menschen, die in „Beziehung“ zueinander stehen. Um die Kommunikationsaspekte in der Paarbeziehung soll es in dieser Arbeit in erster Linie gehen, wobei aber die heterogene Form nur als klassisches Paradigma gelten soll. Ob Mann-Frau, Mann-Mann, Frau-Frau: Die Kommunikationsfallen finden sich in jeder „Beziehungs-Form“. Der (sprachlichen) Einfachheit halber sprechen wir im Folgenden vom Paar schlicht als „Er“ und „Sie“.

Dabei geht es nicht um generelle Unterschiede zwischen Mann und Frau – dafür benötigten wir mehrere Enzyklopädien bzw. Bibliotheken. Es geht vor allem um ein paarbezogenes Kommunikationsverhalten, das Missverständnisse impliziert.

Was bedeutet das alles für die Praxis in der Paarkommunikation? Soll Sie mehr wie Er reden oder Er eher wie Sie? Sollen beide einen Kompromiss finden und sich irgendwo in der goldenen (Sprach)mitte treffen? Nein – aus kommunikationspsychologischer Sicht gibt es keine geschlechtsspezifischen Regeln. Aber es gibt genderunabhängige Kommunikationsregeln, die Ihm und Ihr das Miteinander erleichtern – und so überhaupt erst die Basis schaffen für eine innige Beziehung.

Watzlawick: „Man kann nicht nicht-kommunizieren“

Wer über Kommunikation(sstörungen) spricht, kommt an einem Autor nicht vorbei: Paul Watzlawick hat sich auf mögliche Paradoxien und Störungen menschlicher Kommunikation spezialisiert und mit folgendem Zitat Berühmtheit erlangt: „Man kann nicht nicht-kommunizieren“.

Der Philosoph und Psychoanalytiker hat mit seinen Axiomen und Theorien unser Verständnis über Kommunikation radikal und nachhaltig verändert. Der österreichisch-amerikanische Kommunikationswissenschaftler war zugleich Philosoph, Soziologe und Psychotherapeut, seine Arbeiten hatten auch Einfluss auf die allgemeine Psychotherapie. Im deutschsprachigen Raum wurde er vor allem durch seine populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Kommunikationstheorie bekannt. Grund genug, einige der populären Ansichten und Einsichten des radikalen Konstruktivisten und Kommunikationsphilosophen bereits an dieser Stelle in der Einleitung kurz vorzustellen, denn auf Watzlawicks Annahme beruht der Hauptteil der vorliegenden Arbeit:

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold – oder umgekehrt?

Grundlegend geht Watzlawick davon aus, dass wir auch ohne Worte jederzeit im Austausch mit unseren Mitmenschen stehen - ob wir wollen oder nicht. Wir senden unentwegt Botschaften. Watzlawick hat deutlich gemacht, dass zu einer Botschaft immer ein Sender und ein Empfänger gehören. Das klingt zunächst banal, bedeutet aber auch, dass eine Botschaft demnach viel mehr enthält als eine Botschaft: Die Interpretation der - zum Beispiel verbalen - Botschaft hängt nicht nur von der bloßen sachlichen Information, sondern auch von der Beziehung zwischen Sender und Empfänger der Nachricht ab.

So lautet Watzlawicks 2. Axiom: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt.“[1] Sobald zwei Personen einander wahrnehmen, kommunizieren sie miteinander, da dann jedes Verhalten kommunikativen Charakter hat. Watzlawick versteht Verhalten jeder Art, das ein Gegenüber hat, als Kommunikation. Da Verhalten kein Gegenteil hat, man sich also nicht nicht verhalten kann, ist es auch unmöglich, nicht zu kommunizieren. Dieses Axiom ist auch bekannt als „Metakommunikatives Axiom“[2]. Wir kommunizieren also auch nonverbal und unbewusst. Und genau daraus können sich vielfältige Kommunikationsprobleme ergeben.

2) Hauptteil

2.1 „Du verstehst mich nicht“: Wie wir miteinander sprechen - Beispiele misslungener Dialoge unter kommunikationspsychologischen Aspekten

Eines der möglichen Kommunikationsprobleme ist die so genannte inkongruente Botschaft. Das bedeutet, dass die verbale Äußerung nicht zu Mimik, Gestik und/oder Körperhaltung (non-verbale Kommunikation) des Senders der Nachricht passt. Als Beispiel soll ein Dialogausschnitt aus Loriots „Garderobe“ herhalten:

2.1.1 Die Garderobe (Loriot)

Ein Paar macht sich ausgehfertig, Er bindet seine Fliege, Sie steht vor dem Spiegel und hält sich diverse Abendkleider vor den Körper.

Sie: Wie findest du mein Kleid?

Er: Welches? (desinteressierter Gesichtsausdruck)

Sie: Das ich anhabe

Er: Besonders hübsch (sieht gar nicht richtig hin)

Sie: Oder findest du das Grüne schöner? (sehnt sich offenbar nach authentischem Feedback und fordert ihn heraus) ((…))

Er: Nein

Sie: Was…nein?(herausfordernde Haltung)

Er: Ich finde es nicht schöner, als das, was du anhast (erklärt nur die Bedeutung seines „neins“, bleibt neutral)

Sie: Du hast gesagt, es stünde mir so gut (vorwurfsvolle Haltung)

Er: Ja, das steht dir gut (hörbar genervt)

Sie: Warum findest du es dann nicht schöner? (fordert Auseinandersetzung mit ihrem Anliegen)

Er: Ich finde das, was du anhast, sehr schön, und das andere steht dir auch gut

Sie: Ach! Dies hier steht mir also nicht so gut? (geht in die Konfrontation)

Er: Doch…auch (windet sich, es ist ihm anzusehen, dass er das Gesagte nicht so meint, sondern die Unterhaltung am liebsten beendet hätte)

(Nach einigem Hin und Her ihrerseits - und mehreren vorgeschlagenen Kleidern mit und ohne Schößchen - kommt der Satz, den sie am Anfang hören wollte, wenn er von entsprechendem liebevollen Blick begleitet gewesen wäre)

Er: Ich finde, du siehst toll aus in dem, was du anhast! (leider unterstreicht sein Gesichtsausdruck das Gesagte überhaupt nicht)

Sie: Komplimente helfen mir im Moment überhaupt nicht! (doch, genau das würde ihr helfen)

(Nun geht es weiter mit Kleid A, B oder C, was er wann gesagt und angeblich gemeint hat, bis er einen letzten Versuch unternimmt, die Wogen zu glätten, indem er sie mit einen Kosewort anredet)

Er: Liebling, du kannst doch…

Sie: (unterbricht ihn) …Ich kann mit dir über Atommüll reden, über Ölkrise, Wahlkampf und Umweltverschmutzung, aber über…nichts… Wichtiges!

Der Dialog endet mit ihrem Streitangebot, der Leser erfährt nicht, wie der Abend ausgegangen ist. Vermutlich hat sie immer noch kein Kleid an, er die Fliege inzwischen wieder abgebunden, die Opern- oder Theaterkarten verfallen – und es herrscht Ehekrise.

Was ist hier schiefgelaufen? Warum kann so eine schlichte Frage wie „Wie findest du mein Kleid“ zu einem Beziehungsstreit führen? Zum Einen, weil die Frage weniger schlicht ist, als sie aufgefasst wird: Sie wünscht sich Beachtung oder Bewunderung – auf jeden Fall Anerkennung von Ihrem Gatten. Es geht ihr nicht um das Kleid an sich, sondern um ein ehrlich gemeintes Kompliment von ihm (dazu mehr, wenn Friedemann Schulz von Thun zu Wort kommt). Sie kommuniziert auf der Beziehungsebene. Er beantwortet die Sachebene und bezieht sich nur auf das Kleid. Andererseits ist die Kommunikation auch deshalb misslungen, weil sein Ausdruck nicht zum Gesagten passt. Sie ist inkongruent:

Für den Empfänger einer inkongruenten Nachricht ist es schwer, angemessen zu reagieren, weil nicht klar ist, ob nun der verbale oder non-verbale Anteil der Nachricht maßgeblich ist. Sendet jemand inkongruente Botschaften aus, spricht dies häufig für „inneres Kuddelmuddel“ beim Sender. (Sie hört, dass ihr Kleid schön ist, aber sie sieht seinen desinteressierten Ausdruck.)

Wenn verbale und non-verbale Kommunikation auseinanderlaufen, spricht man also von inkongruenten Botschaften. Diese wieder in eine Balance zu bringen, erfordert vom Sender einen achtsamen Umgang mit eigenen Emotionen – oder ein intensives Training im Sichverstellen (Letzteres wäre, zumindest für den Ansatz dieser Arbeit, äußerst destruktiv und ist daher keine echte Alternative für das Üben in gelungener Kommunikation). So variantenreich sich verbale Botschaften verhalten können, so wenig lässt sich non-verbale Kommunikation manipulieren. Zu non-verbaler Kommunikation zählen Mimik, Gestik und Körperhaltung. Oft sagt die non-verbale Kommunikation mehr aus als die verbale Äußerung selbst, zumal einem die körperlichen Signale häufig nicht bewusst sind.

Einem Menschen, der mir unsympathisch ist, trete ich unbewusst mit ablehnender Körperhaltung gegenüber (z. B. Verschränken der Arme vor der Brust), um deutlich zu machen, dass ich Distanz zu ihm wünsche. Diese abwehrende Körperhaltung kann auch nicht durch freundliche Worte wie „Herzlich willkommen!“ oder „Schön, dich zu sehen!“ kompensiert werden. Verbale Sprache und Worte kann man gezielt steuern, bei der Körpersprache, die eben meist unbewusst abläuft, ist dies deutlich schwieriger.

„Wo allerdings der Wunsch besteht, jenseits von Manipulation (…) sich eine Welt der klaren, ehrlichen, herrschaftsfreien Beziehungen aufzubauen, dort gehört der offene Appell (…) zu den tragenden Säulen einer solchen Kommunikation“, liest man bei Kommunikationspapst Friedemann Schulz von Thun.[3]

Viele Appelle kommen allerdings auf ganz leisen Sohlen angeschlichen und werden als solche gar nicht erkannt. Und dann gibt es noch die so genannte „beziehungsbedingte Appell-Allergie“[4], unter der nicht nur unsere Loriot-Figuren leiden.

2.1.2 Das Ei (Loriot)

Das Ehepaar sitzt am Frühstückstisch. Der Ehemann hat sein Ei geöffnet und beginnt nach einer längeren Denkpause das Gespräch.

Er: Berta!

Sie: Ja?

Er. Das Ei ist hart.

Sie: -.

Er: Das Ei ist hart.

Sie: Ich habe es gehört.

Er: Wie lange hat das Ei denn gekocht?

Sie: Zuviel Eier sind gar nicht gesund.

Er: Ich meine, wie lange dieses Ei gekocht hat?

Sie: Du willst es doch immer viereinhalb Minuten haben.

Er: Das weiß ich.

Sie: Was fragst du denn dann?

Er: Weil dieses Ei nicht viereinhalb Minuten gekocht haben kann.

Sie: Ich koche es aber jeden Morgen viereinhalb Minuten.

Er: Wieso ist es dann mal zu hart und mal zu weich?

Sie: Ich weiß es nicht, ich bin kein Huhn.

Er: Ach!

Er: Und woher weißt du, wann das Ei gut ist?

Sie: Ich nehme es nach viereinhalb Minuten heraus, mein Gott.

Er: Nach der Uhr – oder wie?

Sie: Nach Gefühl. Eine Hausfrau hat das im Gefühl.

Er: Im Gefühl? Was hast du im Gefühl?

Sie: Na ich habe es im Gefühl, wenn das Ei weich ist.

Er: Aber es ist hart. Vielleicht stimmt da mit deinem Gefühl was nicht.

( Jetzt folgt eine Schimpftirade ihrerseits, in der sie ihr Hausfrauendasein beklagt. Jeglicher Versuch seinerseits, das Gespräch auf eine Sachebene zu lenken, scheitert. Und schließlich endet das Gespräch am Frühstückstisch alles andere als sachlich:)

[...]


[1] Quelle: http://www.paulwatzlawick.de/axiome.html (Stand: 30.7.2014)

[2] Ebd.

[3] In: Miteinander reden – Störungen und Klärungen“, S. 245

[4] Ebd., S. 214

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Fallgruben und Wachstumschancen in der Paarkommunikation
Hochschule
ALH Akademie für ganzheitliche Lebens- und Heilweisen
Veranstaltung
Abschlussarbeit Studium Psychologische Beratung
Note
2
Autor
Jahr
2014
Seiten
29
Katalognummer
V287777
ISBN (eBook)
9783656881520
ISBN (Buch)
9783656881537
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
psychologische beratung, psychologie, kommunikation, schulz von thun, watzlawik, loriot, paarkommunikation
Arbeit zitieren
Magistra Renja Lüer (Autor:in), 2014, Fallgruben und Wachstumschancen in der Paarkommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287777

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