Der Europäische Schuldentilgungsfonds. Verpasste Chance oder Vorschlag ohne Sachverstand?

Theorie und Empirie von Verschuldungskrisen am Beispiel der Eurozone


Seminararbeit, 2014

30 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Problemlage - die Euro-Schuldenkrise

3. Was ist der Europäische Schuldentilgungsfonds?

4. Argumente für und gegen den Schuldentilgungsfonds
4.1 Argumente für den Europäischen Schuldentilgungsfonds
4.2 Argumente gegen einen Europäischen Schuldentilgungsfonds

5. Simulation anhand eines Beispiellandes

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Die nachfolgende Arbeit für das Seminar: „Theorie und Empirie von Verschuldungskrisen am Beispiel der Eurozone“ setzt sich mit dem konzeptionellen Vorschlag eines Europäischen Schuldentilgungsfonds auseinander.

Dieser Vorschlag aus dem Jahr 2011 stammt vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und konzentriert sich neben der Einführung einer nationalen Schuldenbremse in der Europäischen Union, auf einen befristeten Plan zum Schuldenabbau in Europa. Zudem ist er eine Reaktion auf die 2011 gravierender gewordene Staatschuldenkrise, die durch die Weltwirtschaftskrise offengelegt wurde. Umgesetzt wurde der Tilgungsfonds jedoch bis heute nicht und es ist sehr unwahrscheinlich, dass dies in nächster Zukunft geschieht. Daraus leitet sich auch die Forschungsfrage ab, der im Verlaufe dieser Seminararbeit nachgegangen werden soll: „Europäischer Schuldentilgungsfonds – Verpasste Chance oder Vorschlag ohne Sachverstand?“

Hierzu werde ich zunächst im folgenden Kapitel auf den geschichtlichen Hintergrund eingehen vor dem der Tilgungspakt steht (Kapitel 2) und danach den Tilgungsfonds in seinen Einzelheiten präsentieren (Kapitel 3). Kapitel 4 stellt die Pro- und die Contra-Seite vor und gegenüber. In Kapitel 5 werde ich dann mithilfe aktueller Daten und Kriterien des Konzepts ein Szenario entwickeln, welches eine Einführung des Schuldentilgungsfonds zum 01. Januar 2014 vorsieht. Speziell gehe ich dabei auf Italien ein. Abschließend versuche ich dann die Forschungsfrage zu beantworten und einen kleinen Ausblick aufzuzeigen (Kapitel 6).

2. Problemlage - die Euro-Schuldenkrise

Um das folgende Konzept eines Europäischen Schuldentilgungsfonds zu verstehen, muss zunächst der historische Hintergrund beleuchtet werden, vor dem dieser Vorschlag steht.

Der Vorschlag des Sachverständigenrates für einen europäischen Schuldentilgungsfonds stammt aus dem Jahr 2011, als nicht nur in Europa Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu spüren waren. Im Zuge dessen wurde auch von einer „Eurokrise“ gesprochen. Dies beschreibt jedoch die Situation zu ungenau, so dass der Begriff „Staatsschuldenkrise im Euroraum“ daher treffender ist (Kalb 2012, S. 3).

Laut Schmidt und Weigerts Artikel: „Weathering the Crisis and Beyond: Perspectives for the Euro Area” (Schmidt und Weigert 2013) fußt diese aktuelle „systemische“ Krise in Europa auf drei Säulen:

1. Die Staatsschuldenkrise: Ein Überschuss an Staatsschulden verschiedener Mitgliedsstaaten, deren Regierungen Schwierigkeiten haben, diese zu finanzieren.
2. Die Bankenkrise: Angeschlagene Banken in einigen Mitgliedsstaaten haben wertlose Papiere in ihrem Portfolio und zudem unzureichend Eigenkapital, um schwere Schocks zu widerstehen.
3. Die Wirtschaftskrise: Unzureichende Wettbewerbsfähigkeit der Länder, vor allem in der Peripherie der Eurozone (Schmidt und Weigert 2013, S. 4 ff.).

Im Folgenden soll sich auf die erste Säule (Staatsschuldenkrise) konzentriert werden, auch wenn alle drei sich gegenseitig beeinflussen. So führt die geringe Wettbewerbsfähigkeit der Peripherieländer dazu, dass das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern geringer ausfällt als im Kern (Schmidt und Weigert 2013, S. 4). Schon unmittelbar nach Ausbruch der Weltfinanzkrise stieg die Arbeitslosenzahl in einigen Ländern an (Bieling 2012, S. 21). Ein solcher Anstieg wiederum führt dazu, dass die Staaten verhindern müssen, in eine Rezession zu geraten. Zusätzlich kommt noch hinzu, dass die angeschlagenen Banken zwar meist die Gläubiger der Staaten sind, aber selbst mit Hilfspaketen vom Staat gerettet werden müssen, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. Dies erhöht schließlich die Schuldenlast nur noch mehr. Die Europäische Zentralbank (EZB) kann nur oberflächlich für Stabilität sorgen, indem sie die Linie zwischen Fiskal- und Geldpolitik verschwimmen lässt (Schmidt und Weigert 2013, S. 4). Diese Interventionen der EZB lösen aber auf Dauer nicht alle Probleme, sodass ein „Teufelskreis“ entsteht (Schmidt und Weigert 2013, S. 6).

Angefangen hat die Krise, laut Schmidt und Weigert, daher schon mit der Einführung des Euro (1999). Dort passten sich die nominalen Zinsen sehr schnell an das deutsche Niveau an, was damals als unbedenklich schien, da durch den einheitlichen Wechselkurs zwischen den Euro-Ländern (Schmidt und Weigert 2013, S. 5), keine weiteren Realignments wie in den Jahren zuvor nötig wurden (Feuerstein 2013). Als Folge dessen flossen billige Kredite aus den Kernländern (z.B. Deutschland) an die Randgebiete des Euros (z.B. Portugal, Spanien, Irland). Angefeuert durch die überdurchschnittlichen Inflationsraten in diesen Ländern stieg die Nachfrage nach Krediten mit sehr niedrigen Zinsen (Schmidt und Weigert 2013, S. 5). Die Finanzminister der Eurozone nutzten diese Gelegenheit und weiteten ihre Schulden aus, was zuerst auch zu einem wirtschaftlichen Boom in den südlichen Ländern führte (Wentzel und Beck 2012, S. 27). Gerade Griechenland hatte sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor eine große Nachfrage, sodass sich Griechenlands Schulden im Ausland häuften. In der gleichen Zeit verlagerte sich die Wirtschaft auf nicht-handelbare Güter und die Reallöhne stiegen stärker als die Wirtschaft. Diese Kombination „musste zum Desaster führen“ (Schmidt und Weigert 2013, S.6).

Somit begann auch die Krise Ende 2009 in Griechenland, damals aber noch als regionales Problem (Schmidt und Weigert 2013, S.6). Nicht zuletzt aufgrund der damaligen Fehleinschätzungen, wie z.B. die Wim Duisenbergs, der der Meinung war, dass die Wirtschaft Griechenlands „viel zu klein wäre, um irgendeine Gefahr für die großen Euro-Länder zu bedeuten“ (Wentzel und Beck 2012, S. 27). Doch schon 2010 wurde die Krise schlimmer und schien den gesamten Euroraum zu bedrohen. Es hieß, dass einige Länder Probleme hätten, ihre Staatsanleihen auf dem Markt zu verkaufen und deshalb höhere Zinsen anbieten mussten. Die Zinsen für griechische Staatspapiere stiegen binnen vier Monaten von 6% auf 25% (Wentzel und Beck 2012, S. 28). Die Interventionen der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) schienen nicht ausreichend zu sein, um die Finanzmärkte zu beruhigen. So dass nun auch Portugal und Irland unter strikten Auflagen gerettet werden mussten. Irland z.B. nur deshalb, da durch die ausgelöste Unsicherheit die Zinsen zur Refinanzierung der Schulden angestiegen waren und dem Land nur der Weg ins EFSF-Programm (Europäische Finanzstabilitätsfazilität) möglich war. In Spanien hingegen sind die öffentlichen Schulden zweitrangig, da dort der Finanz- und Bankensektor in Schwierigkeiten ist, der aber wiederum vom öffentlichen Sektor gestützt wird. Die Zinsen steigen weiter, doch eine strikte Konsolidierungspolitik könnte mehr schaden als nützen (weniger Steuereinnahmen, mehr zu zahlende Sozialleistungen durch Arbeitslosigkeit) (Schmidt und Weigert 2013, S.6f.). Erfahrungsgemäß konnte sich aber ein Staat ohne Wirtschaftswachstum noch nie aus einer Staatsschuldenkrise befreien (Kalb 2012, S. 6). Die Wirtschaftsstruktur müsse daher exportorientierter ausgerichtet werden, da durch die gemeinsame Währung, das Mittel der Abwertung fehlt. Dies ist jedoch ein langwieriger Prozess (Schmidt und Weigert 2013, S.6f.).

Die gemeinsame Währung ist es auch, die den sog. „PIIGS-Staaten“ (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien; auch GIIPS-Staaten genannt) (Kalb 2012, S. 3), weitere Probleme bereitet. So sei es „kein Zufall“, dass eben diese Staaten über eine „chronisch“ negative Leistungsbilanz verfügen, während Länder wie Deutschland enorme Handelsüberschüsse (Exporte > Importe) erzielen (Kalb 2012, S. 6f.). Ende 2011 beschloss daher die Europäische Union, in Form der Europäischen Kommission, des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments das sog. „Six-Pack“, bestehend aus fünf Verordnungen und einer Richtlinie, durch die der Stabilitäts- und Wachstumspakt reformiert werden soll. Im Fokus sind auch Ungleichgewichte der Leistungsbilanz, die nun sanktioniert werden können (Kalb 2012, S. 7, Bieling 2012 S. 20). Dieses Ungleichgewicht zugunsten Deutschlands sei einer von vielen Gründen, dass es den Krisenländern an Konkurrenzfähigkeit mangele. Einige Stimmen meinen sogar, dass Deutschland seine Produkte bewusst in die Peripherieländer verkaufe und diese so tiefer in die Schuldenfalle treibe (Kalb 2012, S. 6f.). Doch für Deutschland ergibt sich dadurch, dass inländische Ersparnisse im Ausland angelegt werden, dass es sich auch weiter gegenüber dem Ausland verschuldet. Trotz allem profitiere Deutschland insgesamt von der Staatsschuldenkrise (Kalb 2012, S. 7).

Das „Systemische“ an der Krise ist nun, dass aufgrund des höheren Risikos eines Staatsbankrotts durch das Fehlen wichtiger geldpolitischer Instrumente, von vorn herein höher war, als in vergleichbaren Krisen (Schmidt und Weigert 2013, S.9). Zudem sind die Lösungsmöglichkeiten in diesem Fall begrenzt. Sechs wirtschaftspolitische mögliche Auswege (Inflation, Währungsabwertung, Ausstieg aus der Währungsunion, „Bail Out“, Sparen und ungeregelter Bankrott) haben alle ihre Haken. Übermäßiges Gelddrucken der EZB führe zu einer Inflation. Diese führt zu einer nominalen Abwertung der Staatsschulden, würde aber ebenfalls das Einkommen der EU-Bürger entwerten und sei somit sozial nicht durchführbar. Eine Währungsabwertung, wäre aufgrund der Leistungsbilanzdefizite einiger Länder logisch, aber, wie schon erwähnt, durch die festen Wechselkurse innerhalb der Währungszone unmöglich. Der Austritt Griechenlands aus der Währungsunion ist zwar „kein Tabu mehr“ (Caesar 2012, S. 13), aber würde enorme Kosten zur Folge haben. Eine neue griechische Währung würde massiv gegenüber dem Euro abgewertet werden müssen und vor der Einführung würden die Griechen ihr Vermögen im Ausland anlegen. Dies würde die Schuldenkrise nur noch mehr verschärfen. Eine Möglichkeit des „Bail Outs“ (Haftungsübernahme von Verbindlichkeiten durch die EU oder eines Mitgliedsstaates für einen anderen Mitgliedsstaat) schließt der Arbeitsvertrag der EU in Artikel 125 rigoros aus. Ähnlich wäre es bei der Emission von Eurobonds. Die krisengebeutelten Länder, könnten sich auf Kosten der reicheren Nachbarn zu niedrigen Zinsen weiter verschulden. Ein hartes Sparprogramm hat sicherlich seine Vorteile, jedoch kann es sein, dass es für Griechenland zu dem Zeitpunkt schon zu spät war und sparen alleine nicht ausreichend wäre. Die letzte Möglichkeit, die des ungeregelten Bankrotts, sei schwer prognostizierbar, gerade auch was Haftungs- und Eigentumsfragen anginge (Wentzel und Beck 2012, S. 28f.). Diese wirtschaftspolitischen Unsicherheiten im Jahr 2011 führten dazu, dass die Zukunft der Europäischen Währungsgemeinschaft bedroht war, die Zinsen immer weiter stiegen und somit das Auseinanderbrechen des Euroraums eine „self-fulfilling“-prophecy zu sein schien (Schmidt und Weigert 2013, S.9).

Diese prekäre Lage im Jahr 2011 war der Ausgangspunkt für mehrere Überlegungen aus dieser Situation wieder herauszukommen. Ein europäischer Schuldentilgungspakt war nur einer von diesen Lösungsansätzen. Im folgenden Kapitel soll er nun weiter erläutert werden.

3. Was ist der Europäische Schuldentilgungsfonds?

Der Europäische Schuldentilgungsfonds ist ein konzeptioneller Vorschlag des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (im Folgenden „Sachverständigenrat“ genannt). Die Aufgabe des Sachverständigenrates ist es unter anderem, die wirtschaftliche Lage und deren „absehbare Entwicklung“ darzustellen (sachverstaendigenrat-wirtschaft.de 2014). Hierzu veröffentlicht das Gremium, bestehend aus „fünf Mitgliedern, die über besondere wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und volkswirtschaftliche Erfahrungen verfügen müssen“ (sachverstaendigenrat-wirtschaft.de 2014), jährlich im November ein Jahresgutachten. In seinem Jahresgutachten 2011/12 reagierte der Sachverständigenrat auf die bis dahin entstandene Vertrauenskrise im Euroraum und vor allem auf die Beschlüsse des Europäischen Gipfels vom 26. Oktober 2011 (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 5). Dieser sieht beispielsweise vor, dass Griechenland einen Schuldenschnitt von 50% und zudem ein Hilfsprogramm in Höhe von 130 Milliarden Euro erhält. Zusätzlich sollte mithilfe einer Hebelung auf eine Billion Euro, die Kreditvergabekapazität der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) erhöht werden, um die Refinanzierung betroffener Länder zu erleichtern (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 5). Der Sachverständigenrat sieht in den Beschlüssen jedoch zum einen nur einen „Zeitgewinn“ für Griechenland (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 6) und zum anderen eröffnete es der Politik aber die Möglichkeit, einen ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 185). So muss in Zukunft die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen in der Währungsunion unter zwei Aspekten erfolgen. Kurzfristig eine Verhinderung einer Systemkrise und längerfristig benötigt die Währungsunion einen Mechanismus, der für eine fiskalische Disziplin bei den Mitgliedsstaaten sorgt (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 7). Die Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 führten zwar auch zu einer Entspannung an den Finanzmärkten, jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es wieder zu einer Verunsicherung kommt. „Spätestens dann“ (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 9) sollen andere Schritte geprüft werden, um die Glaubwürdigkeit des Schuldenabbaus zu signalisieren. Hierzu stellt der Sachverständigenrat den Schuldentilgungspakt vor. Hauptaspekte dieses Modells sind ein gemeinsamer Tilgungsfonds und „verbindliche nationale Schuldenbremsen“, die die Staatsverschuldung, entsprechend des Maastrichter Vertrags, unter 60 % senken soll. Als Anreiz sich diesem Pakt anzuschließen, bietet er den Teilnehmerländern die Möglichkeit, sich über diesen gemeinsamen Fonds zu refinanzieren. Zusätzlich ist dieser Fonds aufgrund der festen Tilgungsverpflichtungen zeitlich begrenzt und schafft sich somit nach Tilgung der vergemeinschafteten Schulden ab. Darin unterscheidet sich der Tilgungsfonds „ganz erheblich von Eurobonds“ (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 9) als auch vom Vorschlag mit „blue“ und „red bonds“ (Sachverständigenrat 2012, S. 7).

Der Schuldentilgungspakt ist demnach wie folgt aufgebaut: Staatsschulden, die den Referenzwert von 60 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) eines Landes übersteigen und damit über den Grenzen des Maastrichter Vertrages liegen, sollen in einen gemeinsamen Tilgungsfonds ausgelagert werden. Für diesen Teil der Staatsschulden haften nun alle Teilnehmerländer gemeinsam. Zum Abbau dieser Schulden wird länderspezifisch ein Konsolidierungspfad festgelegt, so dass die in den Fonds ausgelagerten Schulden vom Teilnehmerland in einem Zeitraum zwischen 20 und 25 Jahren getilgt werden (Sachverständigenrat 2011 Ziffer 10, Ziffer 188). Für die Staatsschulden unterhalb der Marke von 60% des BIP eines Landes, soll dann eine sogenannte „Schuldenbremse“ eingeführt werden (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 10). Diese begrenzt die Neuverschuldung eines Mitgliedsstaates und ist schon seit 2009 in Deutschland verfassungsrechtlich verankert (Hein und Truger 2013, S. 3; Janeba 2012, S. 363). In der Schweiz gibt es sie seit 2001, so dass man dort schon eine längerfristige Wirkung absehen kann (efv.ch 2014).

Da nicht alle teilnehmenden Länder sofort mit Einführung des Schuldentilgungspaktes ihre Schuldenlast in den Fonds auslagern können, sieht der Pakt eine fünfjährige „Roll-in-Phase“ vor. Diese soll „Anreize zur fiskalischen Disziplin“ setzen (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 10). Am Ende dieser Phase bestünden die Staatsschulden eines Teilnehmerlandes nur noch aus den Schulden über 60% des BIP, die ausgelagert wurden und denen unterhalb dieser Grenze. Für diese es weiterhin individuell haftet. Die gemeinsame Haftung des Fonds selbst wird trotzdem nur dann relevant, wenn das Teilnehmerland nicht in der Lage ist, diese Schulden selbst zu tilgen (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 10). Das heißt, wenn auch die hinterlegten Sicherheiten nicht mehr ausreichten, um den Zahlungen nachzukommen. Außerdem sieht der Schuldentilgungspakt vor, dass nach Ablauf der Roll-in-Phase, die Schulden eines Staates betragsmäßig nach oben begrenzt werden und innerhalb der vorgegebenen Frist sich der Staat dazu verpflichtet hat, diese zurückzuzahlen (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 189).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verschuldungsraten in der Eurozone (2013)

Durch diese Aufteilung und der gemeinsamen Haftung entstehen auf dem europäischen Finanzmarkt „sichere Anleihen“ (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 11, Ziffer 189), von denen aber nur diejenigen Länder profitieren, die sich für diesen Schuldentilgungspakt qualifizieren. Von den 18 der mittlerweile 28 EU-Mitgliedsstaaten, die in der Eurozone sind, können nur neun diesen Fonds in Anspruch nehmen: Die Teilnahme am Schuldentilgungspakt ist allen Mitgliedsländern des Euro-Raums offen, solange sie sich noch nicht in einem anderen Anpassungsprogramm befinden (Sachverständigenrat 2012, S. 4). Dies wäre 2011 nur für Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Malta, die Niederlande, Österreich, Spanien und Zypern möglich gewesen (Doluca et al. 2012, S. 2), da Griechenland bereits in einem Anpassungsprogramm (Rettungspakete der sog. „Troika“) involviert ist (Caesar 2012, S. 11). Portugal und Irland wurden ebenfalls schon von bilateralen Krediten finanziert (Sachverständigenrat 2012, S. 4).

Damit der Schuldentilgungsfonds die angestrebte Glaubwürdigkeit erreicht werden kann, fordert der Sachverständigenrat die Einhaltung fünf wichtiger Kriterien:

1. Die Einführung einer nationalen Schuldenbremse in den Verfassungen der betroffenen Länder, welche sich an den Vorgaben des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts orientieren soll. Die Neuverschuldung darf maximal nur noch 0,5% des BIP betragen. Dies soll dann jährlich vom Europäischen Rechnungshof als unabhängige Instanz überprüft werden (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 12). Bei einem Verstoß wäre eine sofortige Strafzahlung an den Fonds fällig, welche in Form von Einbehaltung von Zentralbankgewinnen entrichtet werden kann (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 190).

2. Der Konsolidierungspfad jedes Landes soll individuell angepasst sein, so dass in einem Zeitraum von 20 bis 25 Jahren der Schuldenstand die 60%-Hürde unterschreitet (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 190). Sollte sich ein Land nicht an die individuellen Konsolidierungsverpflichtungen halten, muss die Möglichkeit gegeben sein, dass die gemeinsame Haftung durch den Fonds aufgehoben wird und das Land dann wieder den Mechanismen der internationalen Finanzmärkte ausgesetzt ist (Sachverständigenrat 2011, Ziffer 12, Ziffer 190).

[...]

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Der Europäische Schuldentilgungsfonds. Verpasste Chance oder Vorschlag ohne Sachverstand?
Untertitel
Theorie und Empirie von Verschuldungskrisen am Beispiel der Eurozone
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
30
Katalognummer
V287651
ISBN (eBook)
9783656878889
ISBN (Buch)
9783656878896
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Euro, Staatschuldenkrise, Eurokrise, Grexit, Schuldenbremse, Sachverständigenrat, Italien, Griechenland, Europa, Tilgungsfonds, Europäische Union, Schuldenabbau, Keynes, VWL, Staatsanleihen, EZB, Bundesbank, Europäischer Schuldentilgungsfonds
Arbeit zitieren
Matthias Fett (Autor:in), 2014, Der Europäische Schuldentilgungsfonds. Verpasste Chance oder Vorschlag ohne Sachverstand?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287651

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