Karen Duves „Dies ist kein Liebeslied“. Vergleich mit Hartmann von Aues "Der Arme Heinrich" und Goethes "Die Leiden des Jungen Werther"


Hausarbeit, 2013

16 Seiten, Note: 2,6

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1. Pop-Literatur und Adoleszenzroman

2. Hauptteil
2.1 Struktur
2.2 Sprache und Stil

3. Anne Strelau
3.1 Annes Beziehung zu sich selbst
3.1.1 Annes Verständnis von Liebe und Sexualität
3.1.2 Annes Verhältnis zu ihrem Körper
3.2 Anne in ihrer Familie
3.2.1 Annes Beziehung zu ihrer Mutter
3.2.2 Annes Beziehung zu ihrer Vater
3.2.3 Annes Beziehung zu ihrer Schwester
3.3.Annes Beziehung zu ihren Freunden

4. Intertextuelle Bezüge im Roman

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Ihnen vorliegenden Hausarbeit befasse ich mich im ersten Teil mit einer exemplarischen Textanalyse des Romans Dies ist kein Liebeslied von Karen Duve. Die Grundlage für meine Hausarbeit beruht auf dem Seminar „Adoleszenz in der Jugendliteratur und ihren medialen Adaptionen“ und fachbezogener Literatur. Ziel meiner Ausarbeitung ist es im zweiten Teil näher auf die oben genannte Fragestellung einzugehen. Meine Stellenangaben im Verlauf des Textes beruhen auf Inhalten des Buches Dies ist kein Liebeslied von Karen Duve in der 1. Auflage von 2004.

In Dies ist kein Liebeslied rekapituliert die 30 jährige übergewichtige Anne Strelau auf einem Flug nach London zu dem Mann, in den sie seit zwölf Jahren verliebt ist, ihr bisheriges Leben, welches bislang von unerfüllten Wünschen, Hoffnungen, Freund- und Liebschaften, sowie Nahrungsentzug und Drogenmissbrauch geprägt war. Eine genaue Textanalyse schließt an.

1.1. Pop-Literatur und Adoleszenzroman

Das genannte Buch behauptet schon in seinem Titel „kein Liebeslied“ zu sein und wird somit nicht der Gattung des Liebesromans zugeordnet. Es lässt sich dem Genre des Adoleszenzromans und der Pop-Literatur zuordnen. (vgl. Bartel 2006, 90)

Die deutsche Literatur erhielt Ende der neunziger Jahre durch erfolgreiche Debüts einen Aufbruch einer neuen Autorengeneration. Um diese neue Art von Literatur besser herausstellen zu können, nannte man diese Pop-Literatur (vgl. Gansel 2003, 234). Der Begriff der Pop-Literatur war in der zweiten Hälfte der 1990er Jahren einer der meist verwendeten Begriffe innerhalb des deutschsprachigen Literaturbetriebs und darüber hinaus. (vgl. Degler/Paulokat 2008, 7) Man versuchte den Sammelbegriff für Literatur mit Inhalten wie Sex, Drogen und Musik genauer zu beschreiben, was sich jedoch als schwierig erwies. Ute Paulokat (vgl. 2006, 33) sagte zu dem Begriff der Pop-Literatur, dass es in den letzten Jahren innerhalb des Literaturbetriebs kaum einen umstritteneren Begriff gab, der die Gemüter so erhitzte und zu Diskussionen anregte. Katharina Rutschky bezeichnet die Pop-Literatur als eine „auf den Abschied von der unschuldigen Kindheit und dem Eintritt in die Welt der Erwachsenen“ thematisierte Literatur und sieht als „Urbild“ der Popromane Goethes „Werther“ an. (vgl. Gansel 2003, 236) „Mit dem Hinweis auf das Alter der Autoren und ihre Art von „wacher Weltwahrnehmung“ sind Bezüge zum Beginn vorangegangener Autorengenerationen hergestellt. Man kann die literarische Reihe zurückgehen bis zu Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ (1776).“ (Gansel 2003, 234) „Die Autoren damals – wie die jungen Autoren heute – erzählen über eine Phase, zu denen sie nur einen geringen Abstand haben, beziehungsweise die sie selbst gerade erleben, sie erzählen über ihre Jugend und Adoleszenz1 und dies als Betroffene.“ (Ebd., 234) Schon „in der Romantik finden sich jene für die Adoleszenz wichtigen Themen der Identitätssuche junger Helden in der fantastischen Novelle.“ (Ebd., 215) Gansel und Wagner sehen die neue deutsche Pop-Literatur im Kern als Adoleszenzliteratur an, da eine Reihe von Texten dieser Literatur für den modernen Adoleszenzroman2 stehen. (vgl. ebd., 236, vgl. Wagner 2007, 16) Typisch für den Poproman sind der starke Aspekt der Mündlichkeit und die tagebuchähnliche Erzählweise sowie die Ich-Findung des Protagonisten, welche am Beispiel von Pop abgehandelt wird (vgl. Gansel 2003, 234/241). So auch in dem Roman Dies ist kein Liebeslied, in dem die Protagonistin Anne mit sechs Musik-Kassetten von sechs unterschiedlichen Männern auf ihrer Reise nach London ihre bisheriges Leben Revue passieren lässt. (Wenn du dir von einem Mann eine Kassette aufnehmen lässt, erfährst du mehr über ihn, als wenn du mit ihm schläfst. 47)

2. Hauptteil

Der Titel des Buches ist ein aus dem englischen übersetzter Song („This is not a love song“) der Band Public Image Unlimited. Hierbei handelt es sich um einen von vielen Verweisen auf andere Texte, sog. Intertexte im Roman. Die Autorin verweist schon im Vorwort darauf, dass es Textstellen geben wird, indem Bücher und Filme schlampig zitiert werden werden (5). Diese Texte „unterlegen die Handlung mit einer deutlichen Metaebene und ziehen sich als Spuren von Literatur, Popmusik, Markennamen, Fernsehen und Film durch den Text“ (Bartel 2006,96). Duve macht Anmerkungen zum „armen Heinrich“ und zu Goethes „Werther“, welche später noch aufgegriffen werden. Zudem nimmt die Popmusik eine große Rolle im Roman wie bereits schon im genannten Titel des Buches ein. Es gibt Verweise auf David Bowie, Nick Cave und andere Songwriter (47-49).

2.1 Struktur

Das erste Kapitel des Romans Dies ist kein Liebeslied beginnt und endet mit der ersten Rückblende des Romans. Die Autorin verzichtet auf eine Einleitung, sie führt den Leser schon mit den ersten beiden Sätzen mit einer sich sofort auflösenden Feststellung in das Geschehen ein. (Mit sieben Jahren schwor ich, niemals zu lieben. Mit achtzehn tat ich es trotzdem. 7) Der Schluss ist offen, es wird nicht ausdrücklich erwähnt, wie sich Anne weiterhin verhält. In dem Roman findet sich eine lineare Zeitstruktur3. Die erzählte Haupthandlung von Anne findet im „Jetzt“ statt und die Rückblenden aus ihrer Kindheit/Jugend in der Vergangenheit. Das zweite Kapitel wird durch das Wort Jetzt mit der Gegenwart eingeleitet. (Jetzt sitze ich also in diesem Flugzeug. 9) Folgend wechseln nun immer Gegenwart und Rückblenden miteinander. Auffällig ist, dass die Rückblenden jedoch weit aus mehr Umfang haben als die Erzählung aus der Gegenwart. Zudem sind die Rückblenden zeitlich strukturiert und geordnet.

Die Erzählerin der Geschichte stellt auch gleichzeitig die Hauptfigur des Romans dar. Somit kann der Erzähler auch nur das mitteilen, was die Figur weiß. Anne erzählt aus ihrem Leben in der ersten Person, dabei wechselt sie zwischen zwei Perspektiven, der jungen und der erwachsenen Anne. Es handelt sich um eine sog. Interne Fokalisierung4 mit zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. Die erwachsene Anne beschreibt in einem Beispiel, wie das Flugzeug zur Landung ansetzt und was sie vermutet, was geschehen wird. (Hemstedt zu treffen, wird mich heilen. Man weiß, wie solche Wiedersehen ausgehen. Die Enttäuschung ist unvermeidbar. Er hat gar keine Chance. Selbst wenn er ein Ausbund an Tugend, Schönheit und Geschmack sein sollte, wird er es nicht mit dem Idealbild aufnehmen können, das mein zügelloses Herz von ihm angefertigt hat. 118) Sie weiß es jedoch nicht, genauso wenig wie der Leser. Bei den Erlebnissen der jungen Anne handelt es sich dementsprechend um eine Nullfokalisierung5, da die erwachsene Anne ja bereits weiß, was passiert ist. Auch die Erzählzeit der jungen und der erwachsenen Anne wechselt. Die junge Anne erzählt im Präteritum, während die erwachsene Anne im Präsens erzählt. So bildet der Roman zwei Erzählebenen, deren Wechsel durch Kapitelüberschriften deutlich gemacht wird. Der Flug Annes von Hamburg nach London und die folgende Handlung ist die eine Ebene, die Rahmenhandlung, die andere, die Binnenhandlung, entsteht durch Erinnerungen in Annes Kindheit und Jugend.

2.2 Sprache und Stil

„Dies ist kein Liebeslied gehört zu jener aggressiven Art Literatur, die vor allem trügerisch ist … vulgär, spielerisch und subversiv.“ (Finger 1999, oA) Die Sprache, die die Autorin ihrer Protagonistin verleiht, ist eher schnoddrig und brutal. Karen Duve übertreibt, kontrastiert und überzeichnet, dabei setzt sie Stilmittel wie z.B. Metaphern, Paradoxen und Antithesen ein. Sie verwendet Kombinationen, die der Leser nicht erwartet. (Diesmal brach ich ihm nicht das Herz, sondern bloß das Schlüsselbein. 45) Brechen wird hier als Metapher angewandt, zum einen für das Brechen des Schlüsselbeins zum anderen für das gebrochene Herz. Sie verwendet einfache Satzkonstruktionen, die sie mit unerwarteten sprachlichen Ausreißern kombiniert. (Ich schloss kurz die Augen, und als ich sie wieder öffnete, war alles um mich herum viel deutlicher, viel heller, und der Sparglobus meines Bruders leuchtete. So musste es sein, wenn man im Lichtblitz einer Atombombe stand, kurz bevor der Rauchpilz aufstieg und alles verglühte. 167) So wird beispielsweise ein Musikstück, welches für die Protagonisten positiv ist, mit einer Atombombe verglichen, die durchgehend negativ konnotiert ist. Auch bei den Themen Liebe und Sexualität verwendet Duve oft Metaphern. (Genau genommen war Liebe auch bloß eine Krankheit, die man willentlich herbeiführte. Und sie ließ sich verhindern indem man den Infektionsherd mied. 166), (Hemstedt beugte sich aus seinem Sessel zu mir herüber und streichelte mit den Fingerrücken sachte über meine Wange. Ich habe einmal eine Geschichte gelesen, in der jemand sich an einem Kaktus verletzt. Es ist ein ganz besonderer Kaktus, wenn man einen seiner Stacheln in der Haut hat und man zieht ihn nicht sofort heraus, dann arbeitet sich der Stachel ganz von selbst durch den Körper vor, bis zum Herzen, und wenn er das Herz erreicht hat, stirbt man. So eine Berührung war das. 198) In beiden Szenen beschreibt die Protagonisten Liebe als etwas Unschönes, sie wird mit etwas schmerzhaften und einer tödlichen Krankheit verglichen.

Karen Duve spielt mit der Sprache, ganz entgegen der Lesererwartung. Es entsteht eine Situation, die die Protagonistin erlebt, bei der man meint, dass sie sich wohlfühle. Plötzlich, wie aus heiterem Himmel erlebt der Leser eine Wendung. (Zwei Bänke vor mir saß der einzige gutaussehende Junge […] und war vom Hals abwärts gelähmt. 182) Es entstehen immer wieder Brüche, die den Leser irritieren und verblüffen. (Mein Therapeut war in die Knie gegangen und hatte seinen Sohn so herzlich umarmt […]. Was hast du denn da? Oha, ein richtiges Gewehr. Er hatte sich hinter seinen Sohn gehockt. […] Beide hatten ein Auge zugekniffen, so dass die Sozialpädagoginnen und Taxifahrer vor lauter Rührung schmunzeln mussten. […] Wollen wir damit Mami erschießen? 233) Die anfänglich einfühlsame Kommunikation bricht abrupt ab. Die Autorin benutzt eine Art Verfremdungseffekt, welcher u.a. Kontrastierungen und Brüche hervorhebt. Wie aus dem Nichts tauchen durch diese gezielten Kontrastierungen vollkommen neue Bilder auf. (Ich wollte noch einmal nach dem Lied fragen […] ließ meine Haare vor sein Gesicht hängen und küsste ihn lange auf den Mund, damit er gegen einen Baum fuhr. Dann würde ich eine Querschnittslähmung bekommen […]. 138)

3. Anne Strelau

Anne Strelau, Anfang dreißig, 117 kg schwer auf dem Weg nach London zu ihrer Jugendliebe Peter Hemstedt, im Gepäck sechs Musikkassetten, von sechs unterschiedlichen Männern aufgenommen. Auf dem Weg nach London rekapituliert die Protagonisten ihr gesamtes Leben, welches hauptsächlich von ihrem Gewicht bestimmt war. Sie erzählt von ihren Diätversuchen, von ihrer Freundschaft zu Axel und von den unglücklichen Beziehungen mit anderen Männern, der Liebe zu Peter und spricht über ihre Familie. Sie erinnert sich an die Drogen und Appetitzügler sowie an die abgebrochene Ausbildung zur Steuerinspektorin (der Traumberuf ihres Vaters) und an den Job als Taxifahrerin. Im Flugzeug erhofft sich Anne nach ihrer Landung endlich das zu hören, was sie sich schon lange von Peter wünscht, dass er sie liebt. Am Ende des Romans kommt es zur ersehnten Liebesnacht von Anne mit Peter, aber nicht zu den ersehnten Worten, das Ende bleibt für den Leser offen.

[...]


1 Adoleszenz bezeichnet die Phase des Erwachsenwerdens, besonders den Lebensabschnitt nach beendeter Pubertät (DUDEN)

2 Der Adoleszenzroman beschäftigt sich mit Erwachsenwerden junger Menschen. Die Handlung beschränkt sich größtenteils auf das Individuum mit seinen speziellen Problemen wie z.B. „Ablösungs-, Selbstfindungs- bzw. Identitätsproblemen.“ (vgl. Ewers 1992, 291)

3 Die Protagonisten beschreibt ihr Leben von der Kindheit an mit sieben Jahren bis hin zum Erwachsen sein mit 31 Jahren.

4 Bei der internen Fokalisierung werden nur Inhalte aus dem Blickwinkel einer einzigen Person erzählt, das was die Person nicht weiß, kann sie auch nicht erzählen (vgl. Genette 1994, 117ff.).

5 Bei der Nullfokalisierung handelt es sich um einen allwissenden Erzähler (auktorialer Erzähler), welcher Einblick und Überblick in die Gefühlswelt des Protagonisten hat (vgl. Genette 1994, 117ff.).

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Karen Duves „Dies ist kein Liebeslied“. Vergleich mit Hartmann von Aues "Der Arme Heinrich" und Goethes "Die Leiden des Jungen Werther"
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
2,6
Jahr
2013
Seiten
16
Katalognummer
V287117
ISBN (eBook)
9783656908173
ISBN (Buch)
9783656908180
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karen Duve, Bildungsroman, Adoleszenzroman, Pop-Literatur
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Karen Duves „Dies ist kein Liebeslied“. Vergleich mit Hartmann von Aues "Der Arme Heinrich" und Goethes "Die Leiden des Jungen Werther", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287117

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