Konfessionswahl in Deutschland


Seminararbeit, 2003

15 Seiten, Note: sehr gut 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Konfliktlinienmodell von Lipset und Rokkan

3. Entwickelung der konfessionellen bzw. religiösen Konfliktlinie
3.1 Entstehung und Entwickelung der konfessionellen Konfliktlinie
3.2 Parteiensystem und konfessionelle Konfliktlinie nach 1945
3.3 Wandel von der konfessionellen zur religiösen Konfliktlinie ?
3.4 Veränderungen durch den Beitritt der fünf neuen Länder

4. Auflösungstendenz des konfessionell-religiösen Cleavage

5. Zusammenfassung

6. Literaturangaben

1. Einleitung

Das Wahlverhalten der Deutschen hat sich verändert. Die Wählerschaft ist flexibler geworden. Spielten früher langfristigen Faktoren, wie die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bei der Wahlentscheidung die wichtigste Rolle, hat man es nun mit einem ständig wachsenden Anteil von Wählern zu tun, die sich eher an mittel- bzw. kurzfristigen Faktoren orientieren. Aktuelle Themen und Ereignisse gewinnen für die Wahlentscheidung immer stärker an Bedeutung und die Zahl der wechselbereiten Wähler steigt. Dies war nicht immer so. In der Vergangenheit hat unter anderem die konfessionelle Bindung der Wähler die Wahlentscheidung langfristig beeinflusst.

In dieser Arbeit geht es um die konfessionellen Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten in der deutschen Wählerschaft und deren Auswirkungen auf das Wahlverhalten. Im Mittelpunkt steht dabei der Verlauf und die Entwicklung der konfessionellen bzw. religiösen Konfliktlinie und ihre Wandlung.

Im zweiten Kapitel wird mit der Erläuterung des Konfliktlinienmodells von Lipset und Rokkan zunächst ein theoretischer Rahmen zur Erklärung der Konfessionswahl geschaffen. Kapitel 3 stellt dann die Entwicklung der konfessionellen bzw. religiösen Konfliktlinie dar. Hierbei wird genauer auf die historische Entstehung und Entwicklung der konfessionellen Konfliktlinie eingegangen. Danach wird das Parteiensystem und die konfessionelle Konfliktlinie nach 1945 betrachtet. Die Frage nach dem Wandel von der konfessionellen zu einer religiösen Konfliktlinie und die Veränderungen durch den Beitritt der fünf neuen Länder bilden den Abschluss des dritten Kapitels. Kapitel 4 enthält die Darstellung der Auflösungstendenz des konfessionell-religiösen Cleavages . Zum Abschluss werden in der Zusammenfassung die Ergebnisse dargestellt und Ausblicke gegeben.

Da der „Cleavage“-Begriff in dieser Arbeit zentral ist, wird er an dieser Stelle kurz erläutert: Cleavages sind zentrale gesellschaftliche Konfliktlinien, entlang derer sich die Gruppeninteressen allmählich organisieren (vgl. Falter/Schoen 1999: 457 ).

2. Das Konfliktlinienmodell von Lipset und Rokkan

Dieser makrosoziologische Ansatz, der 1967 von Seymor Martin Lipset und Stein Rokkan entwickelt wurde, geht von „grundsätzlichen Konflikten in einer Gesellschaft aus, die es in einer Demokratie im Gleichgewicht zu halten gilt“ (Roth 1998: 26). Durch diese Konflikte bilden sich „langandauernde Koalitionen und gesellschaftliche Großgruppen“ (Falter/Schumann/Winkler 1990: 8) wie zum Beispiel die Gewerkschaften oder die Kirche. Diese Konfliktlinien werden als „Cleavages“ bezeichnet. Die Cleavages haben sich aufgrund „tiefgreifender historischer Konflikte im Verlaufe der Nationalstaatenbildung, der Reformation und der Säkularisierung sowie der industriellen und sozialen Revolution herusgebildet (Falter/Schumann/Winkler 1990: 8).

Lipset/Rokkan zufolge gibt es vier grundlegende Cleavages (Lipset/Rokkan 1967: 14 )

1. Zentrum vs. Peripherie: Dies beschreibt den Konflikt zwischen herrschender, zentraler Elite und der regionalen Peripherie.
2. Kirche vs. Staat: Hier besteht ein Konflikt zwischen den historisch erworbenen Privilegien der Kirche und dem säkularisierenden Machtanspruch des Staates.
3. Landbesitzer vs. Industrieunternehmer:Hier herrscht ein Konflikt zwischen Agrarinteressen und Industrieinteressen.
4 . Kapital vs. Arbeit: Dies beschreibt den heute noch in fast allen europäischen Staaten wirksamen Konflikt zwischen Arbeiter und Unternehmer.

Nach Lipset und Rokkan haben sich von diesen zentralen gesellschaftlichen Konfliktlinien ausgehend allmählich verschiedene Interessenorganisationen wie zum Beispiel die Parteien gebildet. Das Verhalten des Wählers ist nun davon abhängig in welcher Konfliktsituation er steht.

Aus dieser geringen Anzahl von Konflikten folgt auch eine geringe Anzahl von Parteien und somit auch eine hohe Stabilität bei der Zuordnung von Wählern und Parteien. Lipset und Rokkan sprechen daher von „eingefrorenen Parteisystemen“. Sie verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass in vielen europäischen Parteisystemen die Parteiorganisationen selbst älter sind als die meisten Wähler (vgl. Lipset/Rokkan 1967: 50 ). Die Konfliktlinien sind mit unterschiedlichem Gewicht wirksam und „ zeigen ihre politische Prägekraft am deutlichsten an der Wahlurne“ (Falter/Schoen 1999: 458 ) So gibt es in Deutschland zwei dominierende Cleavages: Der Klassenkonflikt Arbeit vs. Kapital, von dem eher die SPD als Partei der deutschen Arbeiterbewegung profitiert und der konfessionelle Konflikt, von dem eher die Unionsparteien begünstigt werden. Dieses konfessionelle Cleavage geht zurück auf den Kampf zwischen Kirche und Staat im 19. Jahrhundert, wobei dieses seinen Niederschlag fand in der „Gründung der Zentrumspartei als politische Vertretung der Katholiken“ (Falter/Schoen 1999: 457). Nach dem 2. Weltkrieg übernahmen die Unionsparteien diese politische Vertretung der Katholiken, jedoch eher als überkonfessionelle Partei ,wodurch sich eine Wandlung der konfessionellen Konfliktlinie in eine religiöse Konfliktlinie abzeichnete. Diese Entwicklung, wie auch die Entstehung und der Verlauf der konfessionellen Konfliktlinie werden im Kapitel 3 ausführlicher dargestellt.

3. Entwicklung der konfessionellen, bzw. religiösen Konfliktlinie

3.1 Entstehung und Entwicklung der konfessionellen Konfliktlinie

Um das Phänomen „Konfessionswahl“ erklären zu können, wird im Folgenden auf die Entstehungsgeschichte und den Verlauf der konfessionellen Konfliktlinien bis 1933 eingegangen.

Der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten begründet seine Entstehung bereits in der Reformation im 16. Jahrhundert (vgl. Mielke 1991: 140). Eine Zuspitzung erfuhr der Konflikt im 19. Jahrhundert. Die allmählich einsetzende Säkularisierung, durch welche die Religion „ihre gesellschaftsintegrierende Funktion verliert“ (Schmitt 1989: 51), schaffte „die Deckungsgleichheit von konfessionellen und staatlichen Zugehörigkeit prinzipiell ab“ (Schmitt 1989: 28). Katholische Bevölkerungsteile kamen so unter die Verwaltung von Staaten mit evangelischen Kirchenherren. „Der Protestantismus identifizierte sich immer stärker mit der staatlichen Gewalt, was einerseits bewirkte, dass die wichtigsten Ämter im Militär, in den Behörden und in den Ministerien zunehmend von Protestanten besetzt wurden, andererseits, dass die evangelischen Kirchen immer stärker in die staatlichen Strukturen eingebunden wurden (Gauly 1991: 46). Die Katholiken fühlten sich durch diese Entwicklung , welche die Voraussetzung für die Entstehung des deutschen Katholizismus schaffte, bedroht. „Der Staat wurde zum Geburtshelfer des deutschen Katholizismus“ (Schmitt 1989: 31).

Seinen Höhepunkt erlebte der konfessionelle Konflikt während des Kulturkampfes ab 1871. Bismarck versuchte die Rechte der Katholiken einzuschränken und die Katholiken gewaltsam in den preußisch-protestantischen Nationalstaat, in welchem sie in der Minderheit waren, zu integrieren (vgl. Schmitt 1989: 32). Doch dies bewirkte das Gegenteil. Der Katholizismus wurde zu einer politischen Einheit, was durch die Gründung der Zentrumspartei 1870 verdeutlicht wurde. Von nun ab hatte das Zentrum bis 1933 erheblichen Anteil an der Gestaltung des deutschen Parteiensystems. Auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes 1874 war es der Zentrumspartei gelungen „die katholische Bevölkerung gegen staatliche Maßnahmen, die hergebrachte Rechte der katholischen Kirche verletzten, zu mobilisieren“ (Pappi 1985: 264). Bei der Reichstagswahl 1874 wählten 60 Prozent der Katholiken das Zentrum, insgesamt bekam das Zentrum 27,9 Prozent der Stimmen (vgl. Pappi 1985: 264). Für die Protestanten „blieb der konfessionelle Gegensatz sekundär, da es keinen Konflikt gab“ (Schmitt 1989: 49). Dadurch bildete sich auch keine nennenswerte Partei des Protestantismus. Nach 1874 waren die Protestanten sich jedoch darüber einig, dass das Zentrum nicht mehr wählbar war (vgl. Pappi 1985: 265, Schmitt 1989: 51). „Eine konfessionelle Konfliktlinie zwischen Katholiken und Protestanten hatte sich im Wahlverhalten herausgebildet“ (Pappi 1985: 265). Es war aber im eigentlichen Sinne kein Konflikt zwischen den beiden großen Konfessionen, „sondern zwischen dem katholischen Episkopat und dem Zentrum auf der einen Seite und der staatlichen Autorität und dem Liberalismus auf der anderen Seite (Pappi 1985: 265). Mit dem Abflauen des Kulturkampfes wurde auch die Unterstützung des Zentrums geringer. Es blieb jedoch eine stabile Beziehung zwischen der katholischen Bevölkerung und dem Zentrum bis zum Ende des 2. Weltkrieges. So ist es kein Zufall, „daß die Nationalsozialisten in der Endphase der Weimarer Republik ihre soziale Basis in erster Linie in den evangelischen Landgebieten finden konnten“ (Winkler 1992: 95).

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Konfessionswahl in Deutschland
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Politikwissenschaft)
Note
sehr gut 1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V28648
ISBN (eBook)
9783638303668
Dateigröße
550 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Konfessionelles Wählerverhalten der Deutschen, Erklärungsmodelle für Wählerverhalten
Schlagworte
Konfessionswahl, Deutschland
Arbeit zitieren
Kai Adam (Autor:in), 2003, Konfessionswahl in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28648

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