Evangelische Diasporagemeinden und die Weltweite Kirche

NETS Theological Research Papers - Volume Three


Forschungsarbeit, 2014

24 Seiten, Note: none


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Gründe für die Mitgliedschaft in Diasporagemeinden
Sprachliche Gründe
Kulturelle Gründe
Gesellschaftliche Gründe
Theologische Gründe
Missiologische Gründe

Herausforderungen für Diasporagemeinden
Missiologische Herausforderungen
Gesellschaftliche Herausforderungen
Geografische Herausforderungen
Rekrutierung von Mitarbeitern als Herausforderung

Diasporagemeinden aus biblisch-historischer Sicht

Lösungsansätze

Bibliografie

Einleitung

Der in den letzten Jahren zu verzeichnende Anstieg an globalen Migra- tionsströmen hat erhebliche Auswirkungen auf die weltweite Kirche. Ge- meinden afrikanischer, lateinamerikanischer und asiatischer Christen findet man heutzutage in fast jeder größeren europäischen Stadt. Viele dieser neuen Migrationskirchen sind charismatischer oder pflingstlerischer Prä- gung.[1] Im Gegenzug gibt es aber auch mehr traditionelle deutsch-, eng- lisch-, niederländisch- oder schwedischsprachige Auslandsgemeinden in vielen Teilen der Welt. Im Jahr 2008 wurde zum Beispiel eine deutsch- sprachige evangelische Gemeinde in den Vereinigten Arabischen Emiraten gegründet. Die Entstehung dieser Gemeinde wurde vom Institut zur Er- forschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) der Uni- versität Greifswald begleitet.[2] Die Gemeinde trifft sich in einer anglika- nischen Kirche, die auch Gastgeber für tamilische, koreanisch- und afri- kaanssprachige Christen ist.

Neben diesen klassischen Migrationsgemeinden gibt es sogenannte Minderheitengemeinden. Ihre Mitglieder sind überwiegend Angehörige nationaler ethnischer Minderheiten. Dazu zählen zum Beispiel die Gemein- den der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland im südlichen Dänemark, die Kirchengemeinden der dänischen Staatskirche in Schles-

wig-Holstein, die protestantischen Gemeinden im deutschsprachigen Ost- belgien, die Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia (ELKIN-DELK) und die des Chrischona-Gemeinschaftswerkes (CGW) im südlichen Afrika.

Was bewegt Christen solche Migrations- und Minderheitengemeinden (Diasporagemeinden) zu gründen oder ihnen beizutreten? Was sind die Herausforderungen für solche Gemeinden? Welche Chancen haben sie? Wie sind solche Gemeindeformen aus biblisch-historischer Sicht zu be- urteilen? Um diese Fragen soll es in diesem Artikel gehen.

Gründe für die Mitgliedschaft in Diasporagemeinden

Die Gründe warum Christen sich zu Diasporagemeinden halten sind sehr vielschichtig. Sie können in fünf Kategorien eingeteilt werden: sprach- liche, kulturelle, gesellschaftliche, theologische und missiologische Grün- de.

Sprachliche Gründe

Diasporagemeinden bilden oftmals das einzige Forum für Migranten oder nationale Minderheiten Gottesdienste in ihrer Muttersprache zu feiern und an anderen kirchlichen Veranstaltungen teilzunehmen ohne sich einer Fremdsprache bedienen zu müssen. Dies ist insbesondere wichtig, wenn sie die dominierende Sprache ihrer Umwelt nicht oder nur ungenügend spre- chen. Da viele Migranten sich nur vorübergehend im Gastland aufhalten, gibt es oft keinen zwingenden Grund oder auch keine Möglichkeit die nationale Sprache so zu erlernen, dass man sich sicher in ihr fühlt. Aber auch Angehörige einer nationalen Minderheit, die die Nationalsprache gut oder sogar fließend beherrschen, verweisen immer wieder auf die Bedeutung der eigenen Muttersprache für ihren Glauben. Die Muttersprache, so das Argument, ist die Sprache des Herzens in der es einfacher fällt geistliche Lieder zu singen, zu beten, in der Bibel zu lesen und sich auszu- tauschen. Walter Sparn spricht von dem Recht, das Christen haben, die Bibel in ihrer jeweiligen Muttersprache zu lesen:

Gott spricht. Und er spricht nicht hebräisch, griechisch oder gar la- teinisch, sondern spricht unsere Muttersprache. Im Blick auf diese Heilige Schrift ist völlig klar, dass jeder einzelne Christ das Recht auf eine muttersprachliche Fassung hat; ihm diese seine Bibel wegzuneh- men oder gar zu verbieten (auch das ist schon vorgekommen), ist ein Raub eines Stücks seiner Heimat.[3]

Kulturelle Gründe

Diasporagemeinden sind aber nicht nur Orte an denen Christen in ihrer Muttersprache Gottesdienste feiern können. Sie fungieren oftmals auch als eine Art kulturelle Oase für Menschen mit einem gleichen oder ähnlichen ethno-kulturellen Hintergrund oder Lebensweg. Für sie ist die Kirchengemeinde der Ort, der sie an ihr Heimat- oder Herkunftsland und ihre eigene Kultur und Geschichte erinnert. In einer Brochüre der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Titel Ein Stück zuhause finden heisst es dazu:

Auslandsleben bedeutet Veränderung. Eine fremde Kultur, ein neuer Lebensstil, unbekannte Menschen, die langsam zu Vertrauten oder Freunden werden. In der ersten Zeit nach der Ankunft sind Sie mit Orientieren und Organisieren beschäftigt. Es gibt Momente, in denen alles Fremde einenn förmlich überrollt. Ein Ansprechpartner fehlt meist – denn die Freunde zuhause sind weit weg und könnten die Sorgen vielleicht auch nicht verstehen. Schließlich bedeutet ein Aus- landseinsatz doch Abenteuer und Abwechslung. Schön, wenn Sie in solchen Momenten wissen, dass es ein Stück Heimat auch in der Fremde gibt, wo sie Menschen in ähnlichen Lebenssituationen begeg- nen können. In den weltweit 140 deutschsprachigen evangelischen Gemeinden im Ausland treffen Sie auf andere deutsche Expatriates. Erfahrungsaustausch ist ein zentrales Anliegen der Gemeinden und ihrer Mitglieder...[4]

Oftmals trägt die Kirchengemeinde dazu bei die eigene Kultur nicht nur zu pflegen, sondern sie auch an die nächste Generation weiterzugeben. Dies geschieht z.B. durch den gemeindeeigenen Kindergarten, Sprachkurse oder das Feiern von traditionellen Festen (z.B. Sankt Martin, Karneval, Oktober- fest etc.). An solchen Veranstaltungen nehmen dann auch Menschen teil, die sonst keine Verbindung zur Kirche haben.

Gesellschaftliche Gründe

Es gibt jedoch manchmal auch Situationen in denen Christen gar keine andere Wahl haben als sich an eine Diasporagemeinde zu halten. Dies ist z.B. in Ländern der Fall in denen das Christentum kaum vertreten ist. In anderen Ländern mag es zwar viele Kirchen geben, diese werden jedoch aufgrund historischer Entwicklungen von verschiedenen nationalen Bevölkerungsgruppen dominiert, die wiederum Migranten und Angehörige nationaler Minderheiten nicht im Blick haben. In einigen Fällen erfüllen Migrations- und Minderheitengemeinden auch die Funktion von Zufluchtsstätten in denen Christen Schutz von unterschiedlichen Formen der Diskriminierung erfahren.

Theologische Gründe

Weniger verbreitet, aber dennoch wichtig sind theologische Gründe warum sich Christen zu Diasporagemeinden halten. In diesen Fällen sind es bestimmte theologische Überzeugungen und Traditionen, die sie anziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich bei der Diasporagemeinde um eine konfessionell geprägte Gemeinde handelt. Die vertraute Gottesdienstliturgie, das Angebot des Konfirmandenunterrichts für Jugendliche oder grundlegende Glaubensüberzeugungen geben schließlich den Ausschlag für die Gemeinde-Mitgliedschaft. So legt zum Beispiel die Deutsch Refor- mierte Kirche zu Kopenhagen sehr viel Wert auf ihre reformierte Prägung in einem traditionell lutherischen Umfeld. Der Pfarrer schreibt folgendes über die Kirche:

Doch unsere Kirche ist weltweit eine der ältesten reformierten Kir- chen, die als reformierte Kirche gebaut wurde und die immer noch als Kirche genutzt wird. Und als solche ist sie typisch! Der Kirchraum drückt aus, worum es im reformierten Gottesdienst geht: Im Zentrum stehen Kanzel und Abendmahltisch, die versammelte, hörende Ge- meinde sitzt im Halbkreis um dieses Zentrum. Das Wort Gottes steht also nicht nur gedanklich, sondern auch deutlich sichtbar in der Mitte. Und wenn ein Kind getauft wird, dann steht die Taufschale auf dem Abendmahltisch.[5]

Missiologische Gründe

Nun gibt es aber auch missiologische Gründe warum Christen sich bewusst einer Diasporagengemeinde anschließen oder solche Gemeinden von ihnen gegründet werden. Im Zentrum steht hierbei die Überzeugung, dass man als Migrations- oder Minderheitengemeinde die eigenen ‘Landsleute’ besser mit dem Evangelium erreichen kann als dies andere Kirchen können. Da man die gleiche Sprache spricht und mit den kulturellen Eigenheiten bestens vertraut ist, so das Argument, hat man einen natürlichen Vorteil was Evangelisation, Diakonie und seelsorgerliche Begleitung angeht. Missionswissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang vom Homogenitäts- prinzip. Cla Reto Famos kommentiert:

Schon in der Missionsbewegung des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat man immer wieder die Erfahrung gemacht, dass dort die Gemeinden am schnellsten Wachsen, wo schon Christen der gleichen Ethnie präsent sind ... Das daraus abgeleitete Homogenitäts- prinzip stellt ein wichtiges und zugleich sehr umstrittenes Element der Bedürfnis- und Zielgruppenorientierung dar. Es geht von der Beo- bachtung aus, dass die Menschen eher geneigt sind, sich dem christ- lichen Glauben zuzuwenden, wenn sie dabei keine Rassen-, Klassen- oder Sprachbarrieren überwinden müssen. Damit zusammen hängt die Beobachtung, dass Gemeinden mit einer homogenen Struktur ein grösseres Wachstum verzeichnen können.[6]

Herausforderungen für Diasporagemeinden

Es gibt also gute Gründe warum Christen Teil einer Diasporagemeinde sind. Dies bedeutet aber nicht, dass solche christliche Gemeinden sich keinen Problemen und Herausforderungen gegenüber gestellt sehen. Was für die Gründe gilt, gilt auch für die Probleme und Herausforderungen: sie sind sehr vielschichtig.

[...]


[1] Vgl. Heinemann, 208ff.

[2] Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste, 5.

[3] Sparn, 31.

[4] Pressestelle der Evangelischen Kirche in Deutschland.

[5] Bargheer, 3.

[6] Famos, 60.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Evangelische Diasporagemeinden und die Weltweite Kirche
Untertitel
NETS Theological Research Papers - Volume Three
Note
none
Autor
Jahr
2014
Seiten
24
Katalognummer
V285613
ISBN (eBook)
9783656856818
ISBN (Buch)
9783656856825
Dateigröße
758 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
evangelische, diasporagemeinden, weltweite, kirche, nets, theological, research, papers, volume, three
Arbeit zitieren
Dr. Thorsten Prill (Autor:in), 2014, Evangelische Diasporagemeinden und die Weltweite Kirche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285613

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