Spartenübergreifende Segmentierung von Vertriebspartnern zur wertorientierten Vertriebssteuerung

Eine Analyse der Talanx AG im deutschen Maklermarkt


Diplomarbeit, 2011

97 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung
1.3. Gang der Untersuchung

2. Wertorientierte Kundensegmentierung als Instrument für eine effektive Vertriebssteuerung
2.1. Ziele und Aufgaben wertorientierter Kundensegmentierung
2.1.1. Anforderungen an Kundensegmentierungskriterien
2.1.2. Nutzen der Kundensegmentierung
2.1.3. Kundenwert als Steuerungsgröße
2.2. Bedeutung der Kundensegmentierung für die Vertriebssteuerung
2.3. Ausgewählte Ansätze zur Kundensegmentierung
2.3.1. Eindimensionale Verfahren
2.3.2. Mehrdimensionale Verfahren
2.3.3. Multidimensionale Data-Mining-Verfahren
2.3.4. Bewertung der untersuchten Ansätze zur Kundensegmentierung

3. Optimierung der Vertriebssteuerung der Talanx AG
3.1. Vertriebsstrukturen der Talanx AG
3.2. Diskrepanzen der aktuellen Vertriebssteuerung
3.3. Restrukturierung der Vertriebssteuerung der Talanx AG
3.4. Optimierung der Vertriebssteuerung durch ein Kundensegmentierungskonzept

4. Implementierung des Segmentierungskonzepts im Talanx-Konzern
4.1. Segmentierung des Vertriebspartnermarktes des Talanx-Konzerns
4.2. Implementierung des Scoring-Modells zur Kundensegmentierung
4.2.1 Ablauf der Implementierung
4.2.2. Vertriebspartneranalyse und Maklerbefragung zur Ermittlung der fehlenden Daten
4.2.3. Umsetzung des Scoring-Modells
4.2.4. Anwendungsbeispiel des Scoring-Modells
4.3. Aus der Kundensegmentierung resultierende Betreuungsmaßnahmen

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vorgang der Segmentierung und Kategorisierung

Abbildung 2: Kundenwert als mehrdimensionales Konstrukt

Abbildung 3: Bestimmungsfaktoren des Kundenwertes

Abbildung 4: Ausgewählte Methoden der Kundensegmentierung

Abbildung 5: Mehrstufige Kundendeckungsbeitragsrechnung

Abbildung 6: Umsatzbetrachtung mittels der Lorenzkurve

Abbildung 7: Berechnung des Customer-Lifetime-Values

Abbildung 8: Kundenwachstum-relativer-Lieferanteil-Portfolio

Abbildung 9: Kundenattraktivitäts-relativer-Lieferantenanteil-Portfolio

Abbildung 10: Clusterbildung bei hierarchischen Clusterverfahren

Abbildung 11: Beziehung zwischen Inputneuron und Outputneuronen

Abbildung 12: Erregerzentrum auf der Neuronenkarte

Abbildung 13: Bildung von Erregerzentren sowie die Anpassung an das Neuronennetz

Abbildung 14: Auszug aus der derzeitigen Konzernstruktur der Talanx AG

Abbildung 15: Auszug aus Talanx Organisationsstruktur nach Restrukturierung ..

Abbildung 16: Berechnungsblatt zur Ermittlung des Scorewerts

Abbildung 17: Formel zur Ermittlung des Punktwerts

Abbildung 18: Zusammensetzung des Gesamtscorewerts eines Vertriebspartners

Abbildung 19: Segmentierung der Vertriebspartner anhand des Scorewerts

Abbildung 20: Neue Betreuungsstruktur anhand der Scorewerte

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beispielrechnung des Customer-Lifetime-Values

Tabelle 2: Rechenbeispiel eines Scoring-Modells

Tabelle 3: Bewertung der Kundensegmentierungsansätze

Tabelle 4: Bewertungskriterien der Kundenwert-Dimensionen

Tabelle 5: Gesamtscorewerte der geprüften Vertriebspartner

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Der Kundenwert aus Unternehmenssicht wird zumeist anhand monetärer Mess- größen, wie dem Umsatz, quantifiziert. Jedoch ist diese Betrachtungsweise nicht zielorientiert, da der Umsatz des Kunden von den durch ihn verursachten Kosten übertroffen werden könnte. Zudem ist der Kundenwert ein mehrdimensionales Konstrukt, welches zunehmend von qualitativen Merkmalen geprägt wird. So kön- nen bspw. auch Cross-Selling-Aktivitäten oder Weiterempfehlungen zum Wert ei- nes Kunden für ein Unternehmen beitragen. Es stellt sich demnach die Frage, ob eine monetäre Betrachtungsweise als alleinige Entscheidungsgrundlage für die Vertriebssteuerung dienen sollte, da hierbei zu viele relevante Einflussfaktoren un- berücksichtigt bleiben. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, wurde eine Viel- zahl von Modellen zur wertorientierten Kundensegmentierung entwickelt. Sie ver- suchen auf verschiedene Arten, den Kundenwert unter Berücksichtigung zahlrei- cher Einflussgrößen zu ermitteln und die Kunden auf dessen Basis zu segmentie- ren. Der Vertriebssteuerung gelingt es dadurch die unterschiedlichen Segmente ihrem Wert entsprechend zu bedienen, was sich sowohl auf die Effizienz als auch die Effektivität der Kundenbeziehung positiv auswirkt.

1.1. Problemstellung

Der Talanx-Konzern, eine der größten Versicherungsgruppen Deutschlands, vollzieht derzeit eine Restrukturierung, um eine stärkere Kundenorientierung zu erzielen. Im Zuge dessen soll auch die Vertriebssteuerung optimiert werden, da sie zurzeit nur eine bedingt wertgerechte Betreuung ihrer Kunden - der Vertriebspartner - vornimmt. Die Kunden werden lediglich mittels unzureichender Merkmale kategorisiert, was unausgeglichene Betreuungsstrukturen zur Folge hat. Dadurch erhalten nicht alle Vertriebspartner eine Betreuung, die ihrem tatsächlichen Wert für den Talanx-Konzern gerecht wird. Zur Behebung dieses Problems soll ein spartenübergreifendes und wertorientiertes Kundensegmentierungskonzept in die Vertriebssteuerung des Talanx-Konzerns implementiert werden.

1.2. Zielsetzung

Die vorliegende Arbeit soll die Notwendigkeit einer wertorientierten Kundenseg- mentierung verdeutlichen und einen Überblick über vorhandene Ansätze verschaf- fen. Darauf aufbauend, soll ein geeignetes Modell zur wertorientierten Segmentie- rung der Vertriebspartner gefunden werden, um hierdurch die Vertriebssteuerung des Talanx-Konzerns zu optimieren. Besonderer Fokus soll auf die Entwicklung und die Implementierung eines auf den Talanx-Konzern zugeschnittenen Modells im Rahmen eines Segmentierungskonzepts sowie daraus resultierende Betreu- ungsmaßnahmen gelegt werden.

1.3. Gang der Untersuchung

Das nachfolgende Kapitel 2. befasst sich zunächst mit der wertorientierten Kundensegmentierung als Instrument für eine effektive Vertriebssteuerung. Neben den Zielen und Aufgaben wertorientierter Kundensegmentierung wird deren Bedeutung für die Vertriebssteuerung verdeutlicht. Abschließend erfolgt eine Untersuchung und Bewertung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung.

Kapitel 3. erläutert die Vertriebsstrukturen der Talanx AG und geht auf ihre Diskrepanzen ein. Daraus lassen sich die anschließend beschriebenen Optimierungsmöglichkeiten ableiten, welche im Rahmen der Restrukturierung des Konzerns umgesetzt werden sollen. Aufbauend auf den in Kapitel 2. erworbenen Kenntnissen über Kundensegmentierungsmodelle, soll ein solches für die Verwendung in der Talanx AG ausgewählt werden.

Der darauf folgende Hauptteil der Arbeit befasst sich mit der Umsetzung eines spartenübergreifenden Segmentierungskonzepts im Talanx-Konzern. Dazu wird eingangs der relevante Markt definiert. Dem folgt eine detaillierte Beschreibung des favorisierten Modells zur Kundensegmentierung sowie seiner Implementierung. Anschließend wird die Funktionsweise des Modells anhand eines Anwendungsbei- spiels verdeutlicht. Zuletzt werden aus der Kundensegmentierung resultierende Maßnahmen beleuchtet, die die derzeitigen Diskrepanzen der Vertriebssteuerung im Talanx-Konzern beheben sollen und somit als Handlungsempfehlung dienen.

2. Wertorientierte Kundensegmentierung als Instrument für eine effektive Vertriebssteuerung

Um ein Verständnis für eine Segmentierung von Vertriebspartnern zur wertorien- tierten Vertriebssteuerung zu erhalten, werden in diesem Kapitel zunächst die Zu- sammenhänge zwischen Marktsegmentierung, Kundensegmentierung, Kundenwert sowie Vertriebssteuerung erläutert. Besonderer Fokus wird dabei auf die Kunden- segmentierung und dessen Nutzen gelegt. So werden zunächst der Ablauf der Kundensegmentierung sowie die Anforderungen an Kundensegmentierungskrite- rien thematisiert. Darauf folgt eine Darstellung ausgewählter theoretischer Kunden- segmentierungsansätze, um die Spannweite der Segmentierungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies legt den Grundstein für die darauf aufbauende vergleichende Bewertung der ausgewählten Segmentierungsmodelle hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile und ihrer Anwendbarkeit.

2.1. Ziele und Aufgaben wertorientierter Kundensegmentierung

Bislang existiert in der Literatur keine einheitliche Definition des Begriffs Kunden- segmentierung. Zudem kollidiert der Begriff oftmals mit dem verwandten Begriff Marktsegmentierung. Diese Begriffe sind jedoch aufgrund ihres unterschiedlichen Bedeutungsinhalts zu differenzieren. Während die Marktsegmentierung einen vor- erst anonymen Markt mit vielen potentiellen, aber unbekannten Kunden betrachtet, stützt sich die Kundensegmentierung auf die Aufteilung bereits bestehender Kun- den in Kategorien entsprechend ihrer Bedürfnisse.1 So lassen Kundengruppen ei- nerseits eine einheitliche Bearbeitung des Segments und andererseits eine effizien- te Differenzierung zu.2 Das nachfolgende Schaubild soll den Vorgang der Markt- segmentierung und der Kundensegmentierung verdeutlichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vorgang der Segmentierung und Kategorisierung Quelle: Eigene Darstellung.

Unter Marktsegmentierung wird folglich die Aufteilung des Marktes anhand der Bedürfnisse der Marktteilnehmer verstanden. So werden Marktteilnehmer zu Segmenten zusammengefasst, die hinsichtlich ihrer Merkmale in sich homogen und untereinander heterogen sein sollen. Dies bedeutet, dass segmentintern eine große Übereinstimmung der Segmentierungsmerkmale herrscht, die einzelnen Segmente jedoch möglichst unterschiedlich gehalten sind.

Die Kundensegmentierung zielt hingegen auf eine Kategorisierung von Kunden hinsichtlich ihres Werts für ein Unternehmen ab. Um die Kundensegmentierung vorzunehmen, muss folglich zunächst der Wert eines Kunden ermittelt werden. Dieser umfasst neben monetären, quantitativen Ausprägungen auch nicht- monetäre, qualitative Aspekte, die den Kundenwert beeinflussen.3 Der Kundenwert baut darauf auf, dass nicht alle Kunden den gleichen Wert für die Erreichung der Ziele eines Unternehmens besitzen. Folglich bietet es sich an, Kunden mit gleichar- tigem, bzw. ähnlichem Wert zu bündeln, um anschließend die einzelnen Kunden- gruppen differenziert zu bearbeiten.4 Dadurch sollen die einzelnen homogenen Kundengruppen sinnvoll und entsprechend ihrer Wertigkeit für das Unternehmen betreut werden. So werden wichtige Kunden, wie bspw. Key Accounts5 durch einen umfassenden Service betreut, während Kunden, die einen geringeren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten, lediglich einen Basis-Service beziehen.6 Im Verlauf dieser Arbeit soll unter dem Begriff ‚Kundensegmentierung’ die Kategorisierung der Kunden hinsichtlich ihres Kundenwerts verstanden werden.

Durch eine wertorientierte Segmentierung werden somit werthaltige Segmente identifiziert, um nachgelagerte segmentspezifische Maßnahmen zu ermöglichen.7 So versteht sich wertorientierte Kundensegmentierung als Strategie zur Betreuung der Kunden gemäß ihren unterschiedlichen Wertigkeiten für das Unternehmen.8 Aufgrund stetiger Marktveränderungen sollte die Kundensegmentierung keine ein- malige Handlung darstellen, sondern als voranschreitender Prozess angesehen werden.9 Besonderes Augenmerk ist der Auswahl der Segmentierungskriterien zu schenken, da unter Verwendung ungeeigneter Kriterien keine zielorientierte Seg- mentierung durchgeführt werden kann. „Im Rahmen der Kundensegmentierung wird [demnach] .. auf Größen abgestellt, mit denen die Kundenwertigkeit beurteilt werden kann.“10 Um sicherzustellen, dass geeignete Segmentierungskriterien zur Segmentierung herangezogen werden, müssen die nachfolgend beschriebenen Anforderungen an Kundensegmentierungskriterien beachtet werden.

2.1.1. Anforderungen an Kundensegmentierungskriterien

Im Rahmen der Kundensegmentierung werden Kundengruppen mit Hilfe von Krite- rien bestimmten Segmenten zugeteilt, um diese entsprechend ihrem Kundenwert separat behandeln zu können. Da die Kriterien vielseitiger Natur sein können, sollte sich die Auswahl der Kriterien an den übergeordneten Zielen der Vertriebssteue- rung richten. Oft führt jedoch erst eine Kombination verschiedener Segmentie- rungskriterien zu einer adäquaten Abgrenzung der Segmente.11 Das Portfolio der Kriterien sollte so gewählt werden, dass die Kriterien sich voneinander abgrenzen und die einzelnen Kundengruppen gemeinsame Charakteristika aufweisen,12 also eine Heterogenität zwischen den Segmenten und eine Homogenität innerhalb der Segmente besteht. Folgende Anforderungen an Kriterien zur Kundensegmentierung sind zu erfüllen:13

Messbarkeit:

Die Segmentierungskriterien sollten mit den vorhandenen Methoden messbar sein, um Informationen über ihre Größe, Kaufkraft und andere Merkmale zu erhalten. Besonders bei qualitativen Kriterien, wie z.B. dem Cross-Selling14 -Potential, müssen daher geeignete Messmethoden ange- wandt bzw. entwickelt werden, da sich die Messung nicht-monetärer Krite- rien oftmals schwierig gestaltet.

Aussagefähigkeit:

Die gewählten Segmentierungskriterien sollten eine ausgeglichene Be- rücksichtigung sowohl quantitativer als auch qualitativer Aspekte gewähr- leisten. Zudem dürfen sie nicht allein auf vergangenheitsorientierten Infor- mationen beruhen, sondern eine zukunftsorientierte Sichtweise erlauben. Um zielorientierte Handlungsempfehlungen ableiten zu können, müssen die gewählten Kriterien valide sein.

Wirtschaftlichkeit:

Der Nutzen, der sich aus der Segmentierung ergibt, muss die Kosten für die Informationsbeschaffung der Kundeneigenschaften so decken, dass ein profitables Kosten-Nutzen-Verhältnis entsteht. Zudem muss überprüft werden, ob sich eine gezielte Bearbeitung eines durch die Kundensegmen- tierung entstandenen Segments lohnt.

Um den Kundenwert zu bestimmen und eine segmentspezifische Bearbeitung der Kunden zu gewährleisten, ist ein optimales Portfolio zielgerichteter Segmentie- rungskriterien notwendig. Für die Identifikation, die Erhaltung und den Ausbau der Kundenbeziehung bildet der Kundenwert eine zentrale Größe,15 weshalb seine möglichst genaue Erfassung von großer Bedeutung ist. Diese kann jedoch nur ge- lingen, wenn die ausgewählten Segmentierungskriterien geeignet sind, den Kun- denwert zu ermitteln. Dazu ist die Beachtung der zuvor erläuterten Anforderungen an Segmentierungskriterien unerlässlich. Bei korrekter Anwendung stellt die wert- orientierten Kundensegmentierung somit einen großen Nutzen für das Unterneh- men dar.

2.1.2. Nutzen der Kundensegmentierung

Nachhaltiges Wachstum zu generieren gilt als Maxime von Wirtschaftsunterneh- men.16 Die Basis dafür ist die Ausrichtung des Unternehmens an den Bedürfnissen seiner Kunden, denn „…nur so kann langfristig der Gesamtwert aller Kunden und damit die Profitabilität des Unternehmens gesteigert werden.“17 Die Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden weckt nicht nur deren Loyalität, sondern wirkt sich langfristig auch monetär aus. So kann sich neben einer loyalen Kundenbeziehung auch eine profitable Kundenbeziehung etablieren.18 Jedoch sind bestimmte Kunden für ein Unternehmen profitabler als andere. Daher wäre eine pauschale Befriedi- gung der Bedürfnisse aller Kunden unprofitabel. Um diesem Umstand Abhilfe zu verschaffen, bedienen sich Unternehmen der Kundensegmentierung. Sie verhilft zu einer optimalen Verteilung von finanziellen und personellen Mitteln, indem sie den Kunden eine wertgerechte Allokation der Ressourcen zuspricht. Als Grundlage für eine optimale Verwendung von Unternehmensressourcen wird der Kundenwert herangezogen.19 So wird sichergestellt, dass das Unternehmen nicht in unprofitable Kunden investiert und deren Wert für das Unternehmen größer ist, als die jeweili- gen Aufwendungen. Anhand des Kundenwerts kann eine bestmögliche Kategori- sierung der Kunden vorgenommen werden, wodurch das Unternehmen Wettbe- werbsvorteile gewinnen kann.20 Zudem dient die Kundensegmentierung der opti- malen Ausschöpfung von Kundenpotentialen, da spezifisch auf die Bedürfnisse der Kunden eingegangen werden kann.21 Ein weiteres Ziel der Kundensegmentierung ist die Erhöhung und Intensivierung der Kundenbindung, die durch eine gezielte Kundenbearbeitung erreicht werden kann.22 Die Grundlage dafür bildet die Ermittlung des Kundenwerts.

2.1.3. Kundenwert als Steuerungsgröße

Der Kundenwert - auch ‚customer value’ genannt - wird in der wissenschaftlichen Literatur aus zwei Perspektiven betrachtet. Zum einen existiert der Kundenwert aus Kundensicht und zum anderen aus Sicht des Unternehmens. Da im Kontext dieser Arbeit lediglich der Kundenwert aus Unternehmenssicht relevant ist, soll hier auf diesen eingegangen werden.

Unternehmen ziehen den Kundenwert heran, um den wirtschaftlichen Wert eines Kunden, bzw. einer Geschäftsbeziehung zu beschreiben.23 In der Literatur besteht weitestgehend der Konsens, dass der Kundenwert ein mehrdimensionales Gebilde darstellt.24 Demnach kann die Struktur des Kundenwerts als ein Konstrukt mit drei maßgeblichen Ebenen interpretiert werden; die Personen-, die Sach- und die Zeit- ebene:25

- Die personelle Ebene befasst sich mit der Entscheidung, ob ein einzelner Kunde (individuell) oder ein Kundensegment (kumuliert) als Bewertungs- grundlage herangezogen werden soll.
- Die sachliche Ebene befasst sich mit den heranzuziehenden Bewertungs- maßen für den Kundenwert. Diese können entweder monetärer oder nicht- monetärer Natur sein, oder beides vereinen. So werden bspw. Größen wie Umsatz oder Loyalität erhoben.
- Die Zeitebene definiert den zeitlichen Betrachtungswinkel des Kunden- wertkonstruktes. Unterschieden wird zwischen einer Zeitpunkt- und einer Zeitraumbetrachtung; so kann der Kundenwert für einen bestimmten Zeit- punkt oder für die Dauer der Geschäftsbeziehung erhoben werden. Dem- zufolge wird zwischen periodenbezogenen, periodenübergreifenden und vergangenheits- (retrospektiv) oder zukunftsbezogenen (prospektiv) Betrachtungsweisen differenziert.

Nachfolgende Abbildung spiegelt die drei Ebenen des Kundenwerts wider:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kundenwert als mehrdimensionales Konstrukt

Quelle: In Anlehnung an Eberling (2002), S. 37.

Frühe Ansätze zur Kundenbewertung definieren den Kundenwert zumeist eindimensional über statische monetäre Größen wie bspw. Umsatz oder die Kundendeckungsbeitragsrechnung.26 Heutige Kundenbewertungen greifen die Mehrdimensionalität des Konstrukts auf und betonen neben monetären Größen vor allem qualitative Faktoren, bzw. nicht-monetäre Größen.27 Auf diese Weise werden die vielfältigen Dimensionen des Kundenwerts in die Betrachtung integriert und somit ein umfassenderes Abbild des Kundenwerts ermittelt.

Um den Kundenwert zu bestimmen, ist es unerlässlich, den Kunden entsprechend seiner quantitativen und qualitativen Bedeutung für das Unternehmen zu betrach- ten. Der Kundenwert lässt sich in die direkten Beiträge des Kunden zum Unter- nehmenserfolg, also den Wert aus der unmittelbaren Geschäftsbeziehung (Markt- potential), und in die indirekten Beiträge, die durch das Ressourcenpotential des Kunden gekennzeichnet sind, aufgliedern.28 Die Bestimmungsfaktoren Marktpotential und Ressourcenpotential setzen sich aus verschiedenen Indikatoren zusammen. Sie bilden monetäre sowie nicht-monetäre Erfolgsbeiträge und die gegenwärtige und zukünftige Rentabilität des Kunden ab.29 Die Struktur des Kundenwertes wird in der folgenden Abbildung veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Bestimmungsfaktoren des Kundenwertes Quelle: In Anlehnung an Rudolf-Sipötz (2001), S. 95.

Unter ‚Marktpotential’ wird der Verkaufserfolg verstanden, den ein Unternehmen durch einen Kunden während der Geschäftsbeziehung erzielen kann. Dieser lässt sich in vier Determinanten unterteilen; das Ertrags-, das Entwicklungs-, das CrossSelling- und das Loyalitätspotential:30

- Unter dem Ertragspotential eines Kunden wird sein gegenwärtiger monetä- rer Beitrag zum Unternehmenserfolg verstanden. So können bspw. Grö- ßen wie der derzeitige Umsatz oder der Deckungsbeitrag eines Kunden erhoben werden.
- Aufbauend auf dem Ertragspotential fokussiert das Entwicklungspotential die künftigen Erträge eines Kunden. So können zu den bereits erzielten Deckungsbeiträgen auch zukünftige Deckungsbeiträge prognostiziert wer- den. Dabei müssen jedoch Anpassungen, wie z.B. die Inflationsrate be- rücksichtigt werden.
- Das Cross-Selling-Potential zeigt Möglichkeiten, dem Kunden im Rahmen der Geschäftsbeziehung weitere Leistungen aus anderen Produktberei- chen oder Sparten zu vermitteln. So können Kundenpotentiale besser ausgeschöpft werden.
- Als Loyalitätspotential wird die Bereitschaft eines Kunden zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung verstanden. Zudem spiegelt die Loyalität das Ver- trauen des Kunden in das Unternehmen sowie seiner Zufriedenheit mit diesem wider.

Das ‚Ressourcenpotential’ sieht die Kundenbeziehung als Objekt für künftige Investitionen. Neben direkten Beiträgen zum Unternehmenserfolg liefert der Kunde auch einen indirekten Erfolgsbeitrag, indem er dem Unternehmen als Ressource zur Verfügung steht.31 Zum Ressourcenpotential zählen die Determinanten Referenz-, Informations-, Kooperations- und Synergiepotential.32

- Das Referenzpotential zielt auf die Einflusswirkung von Kunden durch Wei- terempfehlungen auf potentielle Kunden ab. So könnte sich bspw. die Empfehlung eines Stammkunden positiv auf den zukünftigen Geschäfts- verlauf auswirken.
- Für das Informationspotential werden sämtliche Informationen herangezo- gen, die ein Unternehmen von einem Kunden erhalten kann. Diese können zum zukünftigen Unternehmenserfolg, etwa für die Optimierung von Ver- triebsprozessen oder die Verbesserung der Produktqualität, genutzt wer- den.
- Das Kooperationspotential spiegelt die Bereitschaft eines Kunden, dem Unternehmen Ressourcen wie z.B. Mitarbeiter oder Sachleistungen zur Verfügung zu stellen wider. Zum Kooperationspotential gehören sämtliche Synergien und Wertsteigerungspotentiale, die im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit erzielt werden können.
- Das Synergiepotential umfasst die internen Verbundeffekte, die durch ei- nen Kunden im Unternehmen verursacht werden können. Darunter fallen Verbundwirkungen im Kundenstamm, bspw. durch das Management von Key Account Kunden.

Für eine umfassende Bewertung des Kunden sind rein monetäre Größen, wie Um- satz oder Deckungsbeitrag nicht ausreichend, da diese lediglich eine vergangen- heits- und gegenwartbezogene Bewertung eines Kunden zulassen. Daher sollten die herkömmlichen Größen um zukunftsbezogene, nicht-monetäre Größen ergänzt werden.33 Besonders im Vertrieb ist der Kundenwert von maßgeblicher Bedeutung, da Kunden gemäß ihrem Wert für das Unternehmen betreut werden sollten. Eine gleichsame Betreuung aller Kunden verursacht enorme Kosten, die durch eine wertorientierte Segmentierung der Kunden vermieden werden könnten.

2.2. Bedeutung der Kundensegmentierung für die Vertriebssteuerung

Die Kundensegmentierung ist für die Vertriebssteuerung, also für die operative Umsetzung strategischer Vertriebsziele, von großer Bedeutung. Sie verhilft der Vertriebssteuerung zur strategischen Akquisition und Führung von Kundenbezie- hungen.34 Der Vertrieb ist eine eigenständige Organisationseinheit im Unterneh- men, die unter anderem eine ganzheitliche Kundenbetreuung zur Aufgabe hat.35 „Der Vertrieb … umfasst alle Funktionen und Tätigkeiten, Methoden, und Instru- mente, Strukturen und Abläufe (Prozesse), Funktionalitäten und Systeme zur Ge- winnung von Aufträgen (Umsatzgenerierung), zur Kundensicherung und zur Wa- renbereitstellung.“36 Unter Vertriebssteuerung wird die stetige Steuerung sämtlicher Vertriebsaktivitäten nach den Bedürfnissen des Kunden verstanden. Sie unterstützt eine nachhaltige Steigerung der Vertriebsleistung37 und somit auch des Unterneh- menserfolgs.

Die strikte Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kunden birgt jedoch das Risiko, sämtliche Kunden mit den gleichen Maßnahmen bzw. Vorzügen zu bedienen, ob- wohl nicht alle einen gleichsamen Wertbeitrag für das Unternehmen leisten. So lohnt es bspw. nicht, einen Kunden mit einer intensiven Betreuung zu versehen, der kein Interesse an einer weiteren Geschäftsbeziehung hat und somit keinen Wert mehr für das Unternehmen darstellt. In einem solchen Fall könnte das Unter- nehmen durch eine wertorientierte Kundensegmentierung erhebliche Ressourcen einsparen. Zudem birgt eine fehlende Kundensegmentierung die Gefahr, dass Sy- nergie- und Kooperationspotentiale vernachlässigt werden. So könnte die Un- kenntnis über den unmittelbaren Wert des Kunden evtentuell eine unzureichende Betreuungsintensität eines profitablen Key Accounts zur Folge haben. Um einer- seits Synergie- und Kooperationspotentiale auszuschöpfen und andererseits eine ressourcenschonende bzw. effiziente Kundenbeziehung zu erreichen, ist die Kenntnis über den Kundenwert unerlässlich. Somit stellt die wertorientierte Kun- densegmentierung ein wesentliches Instrument für die Vertriebssteuerung dar. Durch die Kundensegmentierung können den Kunden operative Ressourcen kos- tenorientiert zugeteilt werden, um sie entsprechend ihres Inputs für das Unterneh- men zu betreuen. Ohne die Segmentierung ist eine optimale Ressourcenallokation nicht möglich, da keine nutzenorientierte Unterscheidung zwischen den Kunden vorgenommen werden kann und somit finanzielle Mittel in wenig profitable Kunden fließen könnten.38 Zur Messung des Kundenwerts findet sich in der Literatur eine Vielzahl von Kundensegmentierungsverfahren, welche im Folgenden untersucht werden.

2.3. Ausgewählte Ansätze zur Kundensegmentierung

Aufgrund der Mehrdimensionalität und Komplexität des Kundenwerts ist seine Messung eine umfangreiche Aufgabe. Es existieren zahlreiche Modelle bzw. An- sätze, die sich mit dieser Messung sowie weiterführenden Maßnahmen zur Kun- densegmentierung befassen. Bei der Entscheidung für eines der Modelle ist stets darauf zu achten, dass der Aufwand zur Bestimmung des Kundenwerts den Nutzen nicht übersteigt.39 Die unterschiedlichen Modelle verfolgen verschiedene Herange- hensweisen zur Kundenwertermittlung. In jedem Fall liegt ihnen jedoch eine be- stimmte Anzahl von Segmentierungskriterien zu Grunde. Diese sollten die in Kapi- tel 2.1.1. beschriebenen Anforderungen an Segmentierungskriterien berücksichti- gen. Die Anzahl der zur Segmentierung verwendeten Kriterien spiegelt die Anzahl ihrer Dimension wider.40 So wird zwischen eindimensionalen, mehrdimensionalen und multidimensionalen Kundensegmentierungsansätzen unterschieden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Ausgewählte Methoden der Kundensegmentierung Quelle: In Anlehnung an Keuper, Hogenschurz (2008), S. 301.

Nachfolgend werden zunächst eindimensionale Verfahren, wie die Kundende- ckungsbeitragsrechnung, die ABC-Analyse und der Customer-Lifetime-Value, un- tersucht. Anschließend werden die mehrdimensionalen Modelle anhand des Sco- ring-Modells und der Kundenportfolioanalyse dargestellt. Darauf folgend wird mit- tels der Clusteranalyse und des Modells der Self-Organizing-Feature Maps eine Untersuchung der multidimensionalen Ansätze vorgenommen. Abschließend er- folgt eine vergleichende Bewertung der untersuchten Modelle hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile und ihrer Konformität mit den Anforderungen an Segmentierungskri- terien.

2.3.1. Eindimensionale Verfahren

Als eindimensionale Verfahren bezeichnet man Kundensegmentierungsansätze, die auf Basis nur eines Kriteriums durchgeführt werden. Zu den eindimensionalen Verfahren zählen unter anderem die Kundendeckungsbeitragsrechung, die ABC- Analyse und das Customer-Lifetime-Value-Modell. Die eindimensionale Kunden- segmentierung basiert auf Daten, die dem Rechnungswesen vorliegen, wie z.B. Umsatz oder Deckungsbeitrag je Kunde. Da für die Anwendung dieser Modelle keine weiteren Daten ermittelt werden müssen, werden sie in der Praxis häufig an- gewandt.41 Bei eindimensionalen Verfahren können die Kunden anhand eines Kri- teriums verglichen und durch die Segmentierung bspw. in drei verschiede Klassen eingeteilt werden. Ein Modell, das diese Herangehensweise anhand des Kriteriums ‚Deckungsbeitrag’ verfolgt, ist das Kundendeckungsbeitragsrechnungs-Modell.

Kundendeckungsbeitragsrechnung:

Die zu den eindimensionalen Verfahren gehörende Kundendeckungsbeitragsrech- nung dient zur Berechnung des Werts einer Kundenbeziehung. Dies wird durch die Gegenüberstellung von Umsatzerlösen und Kosten ermöglicht.42 „Wie die Bezeich- nung bereits impliziert, wird die Betrachtung bei der Kundendeckungsbeitragsrech- nung nicht auf den Umsatz beschränkt, sondern berücksichtigt auch die kundenbe- zogenen Kosten bei der Analyse.“43 Folglich werden bei dieser Methode die Kun- den entsprechend ihrem monetären Beitrag zum Unternehmenserfolg segmentiert. Der Deckungsbeitrag stellt dabei die Differenz zwischen Erlösen und variablen Kosten dar, die einem Kunden zugerechnet werden können. Das Unternehmen sollte stets einen maximalen Deckungsbeitrag anstreben, damit dieser langfristig kostendeckend wirkt und nach Möglichkeit Gewinn erzielt.44 So lässt sich die Profi- tabilität eines Kunden für ein Unternehmen mit Hilfe der Kundendeckungsbeitrags- rechnung überprüfen.

Der Deckungsbeitrag stellt den Betrag dar, der zur Deckung der fixen Kosten zur Verfügung steht. Er berechnet sich aus der Differenz zwischen dem erzielten Um- satz und den variablen Kosten. Um den Kundendeckungsbeitrag im Sinne dieses Modells zu ermitteln, erfolgt eine mehrstufige Berechnung des Deckungsbeitrags.

Eine fortführende Subtraktion bestimmter Kosten führt dabei zur jeweils nächsten Deckungsbeitragsstufe. Zunächst wird der Deckungsbeitrag I aus der Summe der verkauften Produkte und der direkt zurechenbare variablen Kosten (z.B. individuel- le Werbung) ermittelt. Für die Ermittlung weiterer Deckungsbeitragsstufen werden Gemeinkosten, also nicht direkt zurechenbare Kosten (z.B. kundenübergreifende Werbung) aufgeschlüsselt. Deren Subtraktion vom Deckungsbeitrag I führt zum Deckungsbeitrag II. Demnach ist der Kundendeckungsbeitrag die Summe der pro- duktbezogenen Deckungsbeiträge der gesamten verkauften Produkte abzüglich der vom Kunden verursachten Kosten.45 Die Deckungsbeitragsrechnung kann na- hezu beliebig über vielfältige Ebenen fortgeführt werden, indem weitere Gemein- kosten aufgeschlüsselt und subtrahiert werden. Die in Abbildung 5 schematisch aufgeführte Kundendeckungsbeitragsrechnung zeigt eine weiterführende, schritt- weise Ermittlung der ersten drei Deckungsbeitragsstufen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Mehrstufige Kundendeckungsbeitragsrechnung Quelle: Entnommen aus: Köhler (2005), S. 424.

Der Deckungsbeitrag I verrechnet lediglich die kundenbezogenen Einzelkosten, wie bspw. Produkt- und Auftragskosten. Dadurch wird der tatsächliche Erfolgsbeitrag eines Kunden innerhalb einer Periode dargestellt. Er bietet die Basis für künftige Entscheidungen über die Aufrechterhaltung bzw. Fortführung der Geschäftsbezie- hung. Der Deckungsbeitrag II und die übrigen nachfolgenden Stufen des De- ckungsbeitrages nehmen eine Verteilung der Gemeinkosten nach Schlüsseln auf die Kunden vor. Daher werden die Kosten nicht vollständig verursachungsgerecht zugeordnet und es entsteht eine Proportionalisierung der Fixkosten. Der De- ckungsbeitrag II integriert die Beanspruchung von Ressourcen des Unternehmens in die Berechnung.46

Die weitere Aufschlüsselung des Kundendeckungsbeitrags ist in der Literatur um- stritten. Für die Ermittlung des Deckungsbeitrags III werden Kosten, wie bspw. kundenbezogene Rabatte, Kosten für die Anreise zum Kunden, Mailing-Kosten, etc. einkalkuliert.47 Die dem Kunden zurechenbaren Verkaufskosten, z.B. Spesen, werden vom Deckungsbeitrag III abgezogen, um den Deckungsbeitrag IV zu erhal- ten. Um den Deckungsbeitrag V zu berechnen, werden die dem Kunden zurechen- baren Service- und Logistikkosten in Abzug gebracht.48 Im Gegensatz zum De- ckungsbeitrag I, bei dem der direkt zurechenbare Fixkostenblock in Abzug gebracht wird, kommt bei den anderen Deckungsbeitragsstufen neben den variablen Kosten eine anteilige Kostenschlüsselung der Fixkosten zur Anwendung.49 Aufgrund des nicht zu vernachlässigenden Berechnungsaufwands steht Pufahl der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung kritisch gegenüber.50 Jedoch kann eine weitere Auf- schlüsselung der Fixkosten durchaus berechtigt sein, da sie eine genauere Analyse der Kundenbeziehungen ermöglicht. So kann ein Kunde bspw. einen positiven De- ckungsbeitrag I, jedoch einen negativen Deckungsbeitrag II aufweisen.51

Vorteilhaft an der Kundendeckungsbeitragsrechnung ist zum einen die Relativie- rung der Einzelkosten und zum anderen die Möglichkeit, durch die stufen- spezifischen Informationen, fundierte Entscheidungen zur Kundensteuerung zu treffen.52 Mit Hilfe der Kundendeckungsbeitragsrechnung können detaillierte Aus- sagen hinsichtlich der Wertigkeit eines Kunden für ein Unternehmen getroffen wer- den. So demonstriert sie, welche Kunden profitabel für das Unternehmen sind. Zu- dem kann sie mit anderen Verfahren, wie z.B. der ABC-Analyse (Vgl. Seite 20) kombiniert werden.53 Ein gravierendes Problem hingegen stellt die Zuordnung von Kosten auf die einzelnen Kunden dar, weil die Kosten dem Kunden verursa- chungsgerecht zugeordnet werden müssen.54 Zudem werden aufgrund der mone- tären Betrachtungsweise qualitative Größen wie z.B. Cross-Selling-, Entwicklungs- oder Referenzpotential, nicht berücksichtigt,55 so dass die Ergebnisse der Kunden- deckungsbeitragsrechnung nur bedingt aussagekräftig sind. Demnach werden bspw. Weiterempfehlungen vom Kunden A in dessen Umsatz nicht berücksichtigt, wenn beim Kunden B erzielte Erlöse auf eine Weiterempfehlung vom Kunden A zurückzuführen sind. Der Ausweis der Erlöse ist nur bei Kunde B sichtbar. Ein wei- terer Nachteil ist, dass kundenbezogene Gemeinkosten, bspw. das Gehalt eines Key Account Managers, der mehr als einen Key Account betreut, oder die Kosten für Messestände, nicht genau zugeordnet werden können.56 Da das Kundende- ckungsbeitragsmodell ein vergangenheitsbezogenes Verfahren ist, wird das Ent- wicklungspotential der Kunden nicht abgebildet. So kann z.B. aus der Größe ‚De- ckungsbeitrag’ allein keine zukünftige Geschäftsentwicklung prognostiziert werden.

ABC-Analyse:

Ein gebräuchlicher und klassischer Ansatz zur Kundensegmentierung ist die ABC- Analyse. Aufgrund ihrer einfachen Handhabung erfährt sie eine häufige Anwen- dung in der Praxis.57 Für die ABC-Analyse werden zumeist die Kriterien Umsatz oder Deckungsbeitrag je Kunde herangezogen,58 wobei die umsatzbezogene ABC- Analyse in der einschlägigen Literatur die bevorzugte Variante darstellt. Mit Hilfe der ABC-Analyse werden Kunden hinsichtlich ihres Beitrages zum Geschäftserfolg eingeteilt.59 Die ABC-Analyse nimmt eine Klassifizierung der Kunden in drei, manchmal auch mehr Umsatzklassen vor und schreibt diesen - je nach Wertbei- trag - die Buchstaben A, B oder C zu. Als A-Kunden werden Kunden bezeichnet, die für ein Unternehmen von sehr großer Bedeutung sind, wie z.B. Key Accounts. Kunden der Kategorie C stellen Kunden dar, die keinen großen Wertbeitrag für das Unternehmen aufweisen. Zwischen den A- und den C-Kunden liegen die B- Kunden, welche einen mittleren Wertbeitrag leisten.60 In der Praxis ergibt sich oftmals eine bestimmte Relation zwischen den Kunden und dem erzielten Umsatz, die sich mit Hilfe der Pareto-Regel61 erklären lässt.62 Demnach generieren 20% der Kunden 80% des Umsatzes, bzw. Gewinns.63 Diese 20% der Kunden generieren somit den Großteil der Erlöse und sind folglich als A-Kunden zu bezeichnen. Einen entsprechend geringeren Beitrag zum Gesamterfolg tragen die B- und C-Kunden bei, obwohl sie den Großteil der Kunden ausmachen.

Die ABC-Analyse kann anhand der so genannten Lorenzkurve visualisiert werden. Wie in Abbildung 6 zu sehen, stellt die Steigung der Kurve das Maß der Umsatzkonzentration dar.64

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Umsatzbetrachtung mittels der Lorenzkurve Quelle: Entnommen aus: Schneider, Hennig (2008), S. 1.

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1 Vgl. Bruhn (2004), S. 43.

2 Vgl. Freter (2008), S. 59.

3 Vgl. Friederichs-Schmidt (2003), S. 22.

4 Vgl. Freter (2008), S. 54.

5 Key Accounts (dt. Schlüsselkunden) sind die wichtigsten, bzw. ertragsreichsten Kunden für ein Unternehmen.

6 Vgl. Dannenberg, Zupancic (2008), S. 86.

7 Vgl. Friederichs-Schmidt (2006), S. 185.

8 Vgl. Friederichs-Schmidt (2003), S. 31.

9 Vgl. Freter (2008), S. 57.

10 Krafft, Rutsatz (2003), S. 283.

11 Vgl. Olbrich (2006), S. 47.

12 Vgl. Schmoll (2006), S. 64.

13 Vgl. Kotler, Bliemel (2001), S. 386; Meffert, Bruhn (2006), S. 154; Freter (2008), S. 361 f; Homburg et al. (2008), S. 35; Schmidt-Wilke (2004), S. 215.

14 Cross-Selling bezeichnet Umsätze, bzw. Deckungsbeitrage, die in anderen Produktbereichen des Anbieters erzielt wurden.

15 Vgl. Conze (2007), S. 53.

16 Vgl. Haunerdinger, Probst (2006), S. 24.

17 Müller et al. (2008), S. 296.

18 Vgl. ebd., S. 296.

19 Vgl. Krafft, Albers (1999), S. 1.

20 Vgl. Becker (1994), S. 261.

21 Vgl. Friederichs-Schmidt (2006), S. 185.

22 Vgl. Freter (1994), S. 733.

23 Vgl. Krafft (2007), S. 44.

24 Vgl. Rudolf-Sipötz (2001), S. 22; Cornelsen (2000), S. 38 f; Friederichs-Schmidt (2006), S. 20; Gelbrich, Wünschmann (2006), S. 583 ff; Henseler, Hoffmann (2003), S. 17 ff.

25 Vgl. Krafft, Rutsatz (2003), S. 283, Eberling (2002), S. 36 f.

26 Vgl. z.B. Plinke (1989), S. 306 f.

27 Vgl. Hommel (2003), S. 518.

28 Vgl. Belz, Bieger (2004), S. 101.

29 Vgl. Rudolf-Sipötz (2001), S. 94.

30 Vgl. Rudolf-Sipötz (2001), S. 95 f, 104 f.; Link, Hildebrand (1997), S. 163; Cornelsen (2000), S. 172, Backhaus (2003), S. 168 f.

31 Vgl. Rudolf-Sipötz (2001), S. 108.

32 Vgl. Cornelsen (2000), S. 186; Rudolf-Sipötz (2001), S. 113; Freter (2008), S. 360; Pufahl et al. (2006), S. 93, Backhaus (2003), S. 168 f.

33 Vgl. Rudolf-Sipötz (2001), S. 93 f, 131.

34 Vgl. Friederichs-Schmidt (2006), S. 185.

35 Vgl. Seider (2006), S. 34.

36 Vgl. Winkelmann (2010), S. 36.

37 Vgl. Schmoll (2006), S. 147.

38 Vgl. Krafft (2007), S. 228 ff.

39 Vgl. Friederichs-Schmidt (2006), S. 185 f.

40 Vgl. Kotler, Bliemel (2001), S. 417.

41 Vgl. Krafft (2007), S. 75.

42 Vgl. Jung (2007), S. 447.

43 Henseler, Hoffmann (2003), S. 28.

44 Vgl. Auer (2004), S. 243.

45 Vgl. Erichsen (2007), S. 119.

46 Vgl. Krenz (2006), S. 143 f.

47 Vgl. Köhler (2005), S. 424; Ehrmann (2004), S. 117.

48 Vgl. Becker (1994), S. 117.

49 Vgl. Cornelsen (2000), S. 109.

50 Vgl. Pufahl (2010), S. 162f.

51 Vgl. Götze (2010), S. 162.

52 Vgl. Bauer et al. (2006), S. 174.

53 Vgl. Haller (2010), S. 112.

54 Vgl. Freter (2008), S. 366 ff.

55 Vgl. Jung (2007), S. 447.

56 Vgl. Henseler, Hoffmann (2003), S. 30.

57 Vgl. Krafft (2007), S. 75.

58 Vgl. Freter, (2008), S. 396.

59 Vgl. Schmoll (2006), S. 66.

60 Vgl. Schneider, Hennig (2008), S. 1.

61 Die Pareto-Regel besagt, dass 80% eines bestimmten Outputs durch 20% eines bestimmten Inputs erreicht werden. Die verbleibenden 20% des Outputs fallen somit auf 80% des Inputs.

62 Vgl. Reinecke, Keller (2007), S. 85.

63 Vgl. Pepels (2007a), S. 289.

64 Vgl. Jung (2007), S. 446.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Spartenübergreifende Segmentierung von Vertriebspartnern zur wertorientierten Vertriebssteuerung
Untertitel
Eine Analyse der Talanx AG im deutschen Maklermarkt
Note
2,1
Autor
Jahr
2011
Seiten
97
Katalognummer
V285277
ISBN (eBook)
9783656870456
ISBN (Buch)
9783656870463
Dateigröße
2055 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
effizientes Vertriebsmanagement, Vertriebsteuerung, Vertriebspartnersegmentierung, Vertriebspartnerkategorisierung Versicherungsvertrieb, Wertorientierte Segmentierung, Maklervertrieb, Steuerung
Arbeit zitieren
Regina Klaus (Autor:in), 2011, Spartenübergreifende Segmentierung von Vertriebspartnern zur wertorientierten Vertriebssteuerung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285277

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