Das Komische bei Loriot


Essay, 2005

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Das Komische bei Loriot

Aufsatz

1. Theorien des Komischen (Komik der Herabsetzung vs. Komik der Heraufsetzung, Freuds Witztheorie)
2. Das Komische in verschiedenen Medien (Literatur, Theater, Film, Fernsehen), Kabarett
3. Das Besondere an der Komik Loriot's (Betonung auf Humor, das Spezifische der Komik im Fernsehen)

Um zu verstehen, warum die Fernsehsendungen von Loriot (Cartoons, Telecabinett) Lachen hervorrufen, ist es wichtig herauszufinden, auf welchen Grundlagen das Werk von Loriot basiert und welcher Stilmittel es sich bedient. Da diese Stilmittel die Komik erzeugen, muss man sich zunächst mit dem allgemeinen Konzept des Komischen beschäftigen. Des weiteren werden spezifische Auswirkungen des Komischen in verschiedenen Medien dargestellt. Das Genre Kabarett bekommt dabei eine besondere Betonung, da es sich Ähnlichkeiten mit den Fernsehsendungen von Loriot feststellen lassen. Die Besonderheiten der Komik bei Loriot werden letztendlich herausgearbeitet.

Es gibt mehrere Theorien und Ansätze zur Komik. In seinem Überblick über die geläufigen Komik-Theorien unterscheidet Jauß (1976) zwischen der Komik der Herabsetzung eines heroischen Ideals und der Komik der Heraufsetzung des materiell Leiblichen der menschlichen Natur. Die Komik der Herabsetzung stellt einen Helden oder eine Norm in Frage. Der komische Held ist dabei nicht an sich selbst komisch, sondern vor einem Horizont bestimmter Erwartungen oder Normen. So ist die Komik der Herabsetzung eine der Gegenbildlichkeit, die Vergleichen und Abgrenzen voraussetzt. Die Herabsetzung schließt ein, dass der Betrachter, der den komischen Helden an Normen misst und an diesen als scheiternd erkennt, sich überlegen fühlt. Da der Held in eine komische Situation versetzt wird, identifiziert sich der Betrachter für ein Moment nicht mit ihm, fühlt sich hingegen überlegen gegenüber dem Helden, der ihm sonst überlegen ist.

Der zweite Aspekt des Komischen ist etwas komplizierter zu fassen. Diese Komik entspringt dem Freisetzen und Bejahen unterdrückter Kreatürlichkeit. Jauß nennt sie auch "groteske Komik", denn das Groteske kennzeichnet, was den Reiz dieser Art Komik ausmacht: das Aufheben aller Grenzen, das Mischen, Durcheinandergehen, ohne sich um Gebote, Sitten und Normen zu kümmern. Dabei verschwindet der Abstand zwischen Rezipienten und Helden durch die Befreiung des Sinnlichen, durch das Sich-Durchsetzen des Lustprinzips und das Freisetzen der Affekte. In dieser Art von Komik fehlt das intellektuelle Moment des Vergleichens und Abgrenzens, sie manifestiert sich meistens körperlich.

Schematisch kann man diese beiden Arten von Komik so unterscheiden: eine Komik der Herabsetzung artikuliert sich im Verlachen, d.h. einem "Lachen über" und wird theoretisch als Inkongruenz- bzw. Kontrastkomik bestimmt. Eine Komik der Heraufsetzung artikuliert sich im grotesken Lachen, d.h. einem "Lachen mit" und wird theoretisch als Komik des Freisetzens der Affekte, des Bejahens des Kreatürlichen bestimmt.

Es gibt einige Ansätze zur Inkongruenz- bzw. Kontrasttheorie des Komischen. Thomas Hobbes (1650) sieht im Lachen eine Demonstration von Überlegenheit. Wir lachen über die Schwächen Anderer, weil wir uns dadurch unserer guten Meinung von uns selbst versichern. Im 18. Jhs wird das Lachen als Innewerden eines Missverständnisses erklärt, als Resultat komischer Inkongruenz oder Kontrastivität verstanden, als Inkongruenz von Erwartung und Erfüllung, von Gegenstand und Begriff, von Ansehen und Aussehen, von Selbsteinschätzung und Sicht der Anderen. Eine subtile Ausführung der Theorie der Kontrastkomik hat Henri Bergson vorgelegt (1900). Er untersucht die Frage, warum gewisse Dinge auf uns komisch wirken und was wir als lachhaft bewerten. So wie auch Hobbes definiert er das Lachen als Auslachen. Für ihn hat das Lachen eine Kontrollfunktion innerhalb der Gesellschaft, die den Einzelnen dazu ermahnt, flexibel auf sich verändernde Umstände zu reagieren. Es richtet sich generell gegen verträumte und zerstreute Menschen, die dem Leben nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen. Der Gesellschaft ist jede Erstarrung des Körpers oder des Verstandes verdächtig, weil sie das Zeichen von mangelnder Lebendigkeit ist. Erstarrte und zerstreute Menschen drohen, sich vom Zentrum der Gesellschaft zu lösen, „exzentrisch“ zu werden. Die Gesellschaft fasst die Isolierung des Einzelnen als Gefährdung ihrer selbst auf und reagiert mit dem strafenden Auslachen. Man lacht nicht nur über einen stolpernden, also zerstreuten Menschen, sondern auch über harmlose körperliche Missbildungen, weil man mit der physischen Abnormität festsitzende schlechte Gewohnheiten assoziiert. Diese Hässlichkeit wirkt starr und damit komisch und steht im Gegensatz zur fließenden Bewegung, die wir als lebendige Norm empfinden. Ein Gesicht, das wir als schön wahrnehmen, ist beweglich und veränderbar, es spiegelt das Innenleben des Menschen wider. Daher rührt auch der komische Effekt der Karikatur, in der es keine visuelle Harmonie geben kann. Die Karikatur erfasst eine angelegte Disproportion, übertreibt sie und macht sie so überdeutlich. So sind auch die wiederholten Gebärden eines Redners komisch, wenn sie automatisch und mechanisch wirken, wenn sie die Aufmerksamkeit des Zuschauers vom Inhalt der Rede ablenken. Alle wiederkehrenden Gebärden, die nicht mit dem Seelenleben verbunden sind, sind an sich komisch.

Von diesem Standpunkt des Lebendigen gelangt Bergson zu einer Aufstellung komischer Mittel: Wiederholung von Worten, Sätzen, Umständen; Umkehrung bestimmter Erscheinungen (betrogener Betrüger, Richter als Angeklagter, Kind, das die Eltern belehrt); Interferenz mehrerer Ereignisreihen aus verschiedenen Situationen (z.B. in der komischen Verwechslung).

Hegel unterscheidet zwischen dem Lächerlichen und dem Komischen. Dabei wird das Lächerliche als Kontrast, Widerspruch zwischen Schein und Sein, Ideal und Wirklichkeit, Anspruch und Wert, Zweck und Mittel, Gehalt und Form definert. Das Komische beschreibt er als "Wohlgemutheit" und über eigene Widersprüche erhabene Haltung, was das Komische auf Humor einschränkt.

Die zweite Art von Komik, die Komik der Heraufsetzung, ist von dionysischen Zügen geprägt und, im Gegensatz zu den intellektuellen Vorgang der ersten Art, löst eine unhemmbare Lust aus. Diese Art von Komik löst Grenzen auf und verletzt alle Regeln des Verstandes, der Vernunft oder der Sitte, und tendiert so zu form- und regellosen Ausdrücken. Das 'groteske' Lachen erhebt nicht und grenzt nicht ab, sondern schmilzt ein, so hat es als sein leitendes Prinzip die Struktur der Übertretung. Diese Art von Komik hat einen wesentlich unbewussten, nicht intellektuellen, sondern körperlichen Charakter, wobei sich der Mensch von Unterdrücktem und Verdrängtem durch einen körperlichen Akt des Lachens befreit. Diese Art Komik wurde in den Theorien oft vernachlässigt oder negativ beschrieben.

Die positiven Bestimmungen der Komik der Heraufsetzung leitet Baudelaire (1855) aus der Analyse der Überlegenheitskomik her, indem er der Komik der Heraufsetzung einen schöpferischen Charakter zuschreibt statt nachahmenden oder vergleichenden der Komik der Herabsetzung. Die 'absolute Komik' bestimmt sich aus sich selbst und nicht in Relation zu einem Anderen (einer Idee oder Norm). Sie lässt sich nicht herleiten, sondern nur intuitiv erfassen, sie kann sich nicht begründen, sondern nur im Vollzug des sofortigen Lachens beglaubigen. Baudelaire versucht, das unmittelbare Moment der Komik zu fassen, allerdings entzieht sich das absolut Komische oft der Erfassung in einem in sich schlüssigen Diskurs. Wie Baudelaire untersucht auch Nietzsche diese Art von Komik und führt sie weiter zum Herausgehen aus Sicherheiten, wo die längst begründeten Wahrheiten nicht mehr als solche gelten. Auch Bataille stellt Lachen als Grenzüberschreitung heraus, im Lachen wird der Einbruch des Unbekannten erfahren, es findet die Begegnung mit dem Ungreifbaren statt.

In seinem Buch über Rabelais (1945) entwickelt Bachtin eine Theorie der doppelten Grenzüberschreitung. Zum Einen wird die Grenze der Literatur bzw. des tradierten Kulturbegriffs überschritten, da das nicht kulturisierte, nicht "gesittete" Phänomen des Karnevals zur Debatte steht. Das führt zu der zweiten Grenzüberschreitung, die darin besteht, dass nicht die Kultur der Herrschenden im Blick ist, sondern die inoffizielle Kultur des Volkes, die karnevalistische Lachkultur, wie sie Bachtin nennt. Dabei spielt das Körperliche eine entscheidende Rolle: Körperfunktionen und -teile werden herausgestellt und übertrieben dargestellt. Das karnevalistische Lachen hat so die Züge des Grotesken: Vermischen des Unpassenden, Profanation und Umkehrung; aber diese Züge werden als etwas Fröhliches gefasst, nicht als etwas Düsteres.

Die Witztheorie von Freud (1905) ist an die ödipale Beziehungskonstellation angelehnt. Mit einem Witz wird die Verdrängung außer Kraft gesetzt und die Triebwünsche befriedigt, deswegen behandeln Witze meistens tabuisierte Themen. Die Grundstruktur des Witzes besteht aus drei Elementen: dem Witzerzähler, dem Witzzuhörer und dem Objekt, über das der Witz gemacht wird. Dieses verlachte Objekt wird von dem Erzähler begehrt, der Zuhörer wird dabei als Konkurrent angesehen. Da das Objekt der Begierde nicht zu erreichen ist bzw. zu sein scheint, versucht der Begehrende den Konkurrenten durch Bestechung in Form vom Witz auf seine Seite zu ziehen. Der Witz macht das begehrte Objekt lächerlich, und wenn der Zuhörer lacht, wird er zum Komplizen gemacht und die Situation entspannt sich. Das Komische wird sowohl bei Freud, als auch bei Stierle (1976), in seiner Mehrstimmigkeit und Ambiguität präsentiert, und so heben diese Ansätze die oben aufgeführte Opposition von Komik der Herabsetzung und Komik der Heraufsetzung auf.

Wie dieser Überblick zeigt, ist eine systematische Darstellung von Theorien des Komischen problematisch, weil es zum Einen eine Fülle von vollkommen unterschiedlichen Ansätzen gibt und zum Anderen das Phänomen Lachen generell nur schwierig zu klassifizieren ist; jeder Versuch, das Lachen zu systematisieren, deckt die Bandbreite des Lachens nur unzureichend ab.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Komische bei Loriot
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft)
Veranstaltung
Das Komische
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V285208
ISBN (eBook)
9783656851240
ISBN (Buch)
9783656851257
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
komische, loriot
Arbeit zitieren
LL.M., MA Irina Giertz (Autor:in), 2005, Das Komische bei Loriot, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285208

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