„El Sur“ von Jorge Luis Borges: Eine Analyse


Hausarbeit, 2013

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Biografie von Jorge Luis Borges

3. „El Sur“
3.1 Inhalt
3.2 Interpretationsmöglichkeiten
3.3 Intertextualität
3.3.1 „Martín Fierro“
3.3.2 „Geschichten aus 1001 Nacht“
3.4 Parallelismen und Dichotomien
3.5 Fantastische Elemente

4. Merkmale von Borges Literatur in „El Sur“

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In dieser Hausarbeit soll die Erzählung „El Sur“ von Jorge Luis Borges analysiert werden. Der Verfasser selbst sagt über dieses Werk, es sei „acaso [...] mi mejor cuento“[1]. Einer der möglichen Gründe, warum der Autor selbst an dieser Erzählung so viel Gefallen findet, wäre, dass der erste Teil der Erzählung mehrere autobiografische Elemente enthält. Zwischen Dahlmann und Borges herrscht der gleiche Konflikt des gemischten Blutes: die Großmutter von Borges stammte aus England, Dahlmann hatte deutsche Vorfahren. Die kreolischen Vorfahren von Borges kommen aus dem Norden, die von Dahlmann aus dem Süden. Dahlmanns Großvater mütterlicherseits kämpfte gegen Indios und starb bei einem Kampf an der Grenze von Buenos Aires; der Großvater von Borges starb bei der Revolution von 1874.[2] Borges erkrankte, genau wie Dahlmann, im Jahr 1939 an Sepsis. Diese Parallelen zwischen Borges und Juan Dahlmann könnten ein möglicher Grund für seine Vorliebe für „El Sur“ sein. Ein weiterer Grund der dafür spricht, wäre, dass verschiedene seiner literarischen Charakteristika in dieser Erzählung zusammenfließen, doch dazu mehr in Gliederungspunkt vier. Im Rahmen dieser Arbeit soll zunächst kurz auf die Biografie des Autors eingegangen werden, da das Leben des Schriftstellers oft eine große Rolle in Bezug auf sein Werk spielt. Folglich soll eine kurze Zusammenfassung von „El Sur“ gegeben werden. Da sich die Erzählung jedoch nicht nur chronologisch und „realistisch“ lesen lässt, wird die Analyse auch auf verschiedene Interpretationen eingehen. Borges war ein sehr belesener Mensch und seinem Werk ist zu entnehmen, dass er ein großer Literaturexperte war. Die Referenzen auf andere Texte dürfen in „El Sur“ nicht außer Acht gelassen werden, da diese verschiedene Interpretationen ermöglichen. Da die Verweise auf „Martín Fierro “ und „ Geschichten aus 1001 Nacht“ in der Erzählung eine nicht unbedeutende Rolle spielen, wird in zwei Gliederungspunkten der Einfluss dieser Werke auf „El Sur“ und deren jeweilige Bedeutung analysiert. Bei einer näheren Betrachtung der Erzählung fällt auf, dass das narrative Netz von Borges auf verschiedenen Dichotomien und Parallelismen aufbaut, auf welche folglich näher eingegangen wird. Anschließend soll die Frage beantwortet werden, ob Borges der „Fantastik“ zugeordnet werden kann oder nicht. Außerdem soll in dieser Arbeit noch ein Überblick über typisch borgessche Merkmale gegeben werden, bzw. aufgeführt werden, wie seine Werke miteinander verknüpft sind und welche Themen seine Literatur durchziehen. Eine kleine Zusammenfassung und Antwort auf entstandene Fragen werden den Schluss dieser Arbeit abrunden.

2. Biografie von Jorge Luis Borges

Am 24. August 1899 wird Jorge Francisco Isidoro Luis Borges Acevedo in Buenos Aires geboren. Sein Vater ist Anwalt und Dozent für Psychologie und weckt bei seinem Sohn früh das Interesse für Literatur. Schon mit sechs Jahren ist Jorge Luis Borges entschlossen Schriftsteller zu werden.[3] Im Jahr 1914 tritt die Familie eine Reise nach Europa an. Auf Grund des Beginns des 1. Weltkriegs zieht die Familie nach Genf, wo Borges Französisch, Latein und Deutsch lernt.[4] 1919 geht die Familie nach Spanien. Dort kommt der Autor mit der Avantgarde­Bewegung des Ultraísmo in Kontakt und lernt Schriftsteller wie z. B. Juan Ramón Jiménez kennen. 1921 kehrt er nach Buenos Aires zurück, organisiert dort Avantgarde-Aktivitäten, durch welche er eine moderne Form des criollismo einführen möchte.[5] In den folgenden Jahren wirkt er bei der Organisation der Zeitschrift „Sur“ mit und gründet 1922 die Zeitschriften „Proa“und „Bug“[6] In dieser Zeit schreibt er vorwiegend Gedichte und Essays. 1935 erscheint „Historia universal de la infamia” und 1936 “Historia de la eternidad”.[7] In den darauf folgenden Jahren widmet er sich hauptsächlich der fantastischen Literatur und im Jahr 1944 erscheint die erste Ausgabe von „Ficciones“. In dieser Zeit arbeitet er in einer Bibliothek und verfasst mit seinem Freund Adolfo Bioy Casares und Silvina Ocampo zusammen u.a. „Antología de la literatura fantástica“. 1950 unterrichtet er als Dozent für Englische Literatur und wird zum Präsident des argentinischen Schriftstellerverbandes gewählt. Nach dem Sturz der Regierung Perón, welcher der Autor kritisch gegenüberstand, wird Borges zum Direktor der Nationalbibliothek ernannt. 1960 wird der Gedichtband „El hacedor“ veröffentlicht, welcher eine Mischung aus Gedichten und Essays darstellt. Obwohl er immer mehr sein Augenlicht verliert, diktiert er noch kurze Texte und gibt Interviews. In den 70er und 80er Jahren bereist Borges diverse Länder, u. a. Griechenland, Island und Großbritannien. Im Jahr 1985 zieht er nach Genf, wo er am 14. Juni 1986 verstirbt.

3. El Sur

Die Erzählung „El Sur“ von Jorge Luis Borges erscheint zum ersten Mal in der Zeitschrift „La Nación“ im Jahr 1953 und wird drei Jahre später in die zweite Ausgabe von „Ficciones“ eingebunden.[8] Zunächst wird der Inhalt kurz zusammengefasst. Die Erzählung lässt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu, welche im Folgenden kurz dargestellt werden. Anschließend wird noch auf Intertextualität, insbesondere auf „Martin Fierro“ und „Geschichten aus 1001 Nacht“ eingegangen. Des Weiteren findet eine kurze Analyse der Dichotomien und Parallelismen des Textes statt. Abschließend soll untersucht werden, ob „El Sur “ der Fantastik zugeordnet werden kann oder nicht.

3.1 Inhalt

„El Sur“ erzählt die Geschichte von Juan Dahlmann. Im ersten Abschnitt erfährt der Leser etwas über den familiären Hintergrund des Protagonisten: sein Großvater väterlicherseits, Johannes Dahlmann, kam 1871 nach Argentinien und war evangelischer Priester, während hingegen sein Großvater mütterlicherseits, Francisco Flores, in einer Schlacht an der argentinischen Grenze verstorben war. Juan Dahlmann fühlt sich argentinisch und dem romantischen Tod von Francisco Flores hingezogen.[9] Von diesem hatte er auch eine Estancia im Süden Argentiniens geerbt, es jedoch bedauerlicherweise nie geschafft dorthin zu fahren. In den letzten Tagen des Jahres 1939 hat er einen Unfall: nachdem er sich ein Exemplar von „ Geschichten aus 1001 Nacht“ von Weil gekauft hatte, hastet er in aller Eile die Treppen zu seiner Wohnung hinauf und stößt sich dabei den Kopf an einem offen stehendem Fenster. Er hat sich eine blutige Wunde zugefügt und nachdem er acht Tage Zuhause im Fieberwahn verbringt, begibt er sich ins Krankenhaus. Dort erfährt er nach einigen Untersuchungen, dass er beinahe an einer Blutvergiftung gestorben wäre. Um sich zu erholen, beschließt Dahlmann zu seiner Estancia im Süden zu fahren. Im Zug wird ihm mitgeteilt, dass der Zug an einer ihm unbekannten Station vorher halten wird. Er akzeptiert diesen Umweg und sucht eine Ladenschänke auf, um sich dort eine Droschke zu mieten, mit welcher er zu seiner Estancia fahren möchte. In der Schänke angekommen, beschließt er vor seiner Weiterfahrt noch etwas zu essen. Dort befinden sich ein alter Gaucho und drei betrunkene Männer. Während des Essens versucht er in seinem Buch weiterzulesen, jedoch bewerfen ihn die drei Männer mit Brotkügelchen. Er möchte dieser Konfrontation aus dem Weg gehen und ist dabei die Ladenschänke zu verlassen, als der Besitzer ihn mit seinem Namen anspricht und ihn bittet zu bleiben und nicht auf diese Männer Rücksicht zu nehmen. Nachdem der Besitzer Dahlmanns Namen genannt hatte, möchte er sich nicht mehr zurückziehen. Vorher hatten die Trunkenbolde einen Unbekannten ohne Namen beleidigt, jetzt aber geht es gegen seinen Namen und seine Person. Die drei fordern ihn zum Duell auf und nachdem der Besitzer betont, dass Dahlmann unbewaffnet sei, wirft ihm der alte Gaucho einen Dolch zu. Dahlmann kann nicht gut mit einem Dolch umgehen und spürt, dass sein Schicksal besiegelt ist. In Gedanken an den vorigen Krankenhausaufenthalt und die damit verbundenen Schmerzen verspürt er jedoch keine Angst und stellt sich dem Kampf.

3.2 Interpretationsmöglichkeiten

Borges liebt das Spiel mit dem Leser, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass sich „El Sur “ auf verschiedene Art und Weise lesen und interpretieren lässt. Sogar er selbst bemerkt in einem Interview „[.. ,]es posible leerlo como directa narración de hechos novelescos y también de otro modo.”[10] Da die Erzählung tatsächlich unterschiedlich interpretiert wurde, sollen im Folgenden die bekanntesten Interpretationen kurz dargestellt werden. Phillips sieht in „El Sur“ einen doppelten Tod: zum einen, den Tod im Krankenhaus und zum anderen, den Tod im Kampf mit den Compadritos im Süden. Er ist der Ansicht, dass Dahlmann, während seines „Todeskampfes“ im Krankenhaus halluziniert und sich die Reise nur einbildet um einen Tod zu sterben, wie er ihn sich immer erwünscht hat. Ein Hinweis darauf findet sich im ersten Absatz der Erzählung, in welchem angemerkt wird, dass Dahlmann -wenn er sich zwischen seinen beiden Abstammungen entscheiden müsste- „eligió el de ese antepasado romántico, o de muerte romántica“[11]. Auch Antonio Fama vertritt diese These. Für ihn steht der Wunsch Dahlmanns (nach einem romantischen Tod) im Vordergrund und er betrachtet den zweiten Teil der Erzählung als Abbild des ersten, nur, dass in diesem die Ereignisse mit den Wünschen Dahlmanns zusammenhängen. Als Beweis dafür nennt er die Dualität der Erzählung (siehe 3.4) und das Zitat „era como si al mismo tiempo fuera dos hombres“[12]. Gruber und Altrudi analysieren in ihrem Artikel „El Sur de Borges - ¿la muerte real o la muerte elegida (o soñada)?“ inwiefern der zweite Teil als Traum interpretiert werden kann. Sie stimmen mit Famas Meinung überein, dass der zweite Teil ein Abbild des ersten darstellt, führen jedoch als Gegenargument das Zitat „a la realidad gustan las simetrías y los leves anacronismos“[13] entgegen, wodurch Borges augenscheinlich wieder zur realistischen Lesesweise hinführen möchte. Eine weitere Variante die Erzählung zu deuten ist, dass Dahlmanns Reise in den Süden

[...]


[1] Borges,1995:120

[2] Irby,1968:34

[3] Oviedo, 1995:18

[4] Manguel, 2013:368

[5] Oviedo, 1995:19

[6] Manguel, 2013:368

[7] Manguel, 2013:370

[8] Brescia, 2011:68

[9] Zepp, 2003:55

[10] Irby, 1968:33/34

[11] Borges, 1995:195

[12] Borges, 1995:199

[13] Borges, 1995:198

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
„El Sur“ von Jorge Luis Borges: Eine Analyse
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Romanistik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V285043
ISBN (eBook)
9783656857969
ISBN (Buch)
9783656857976
Dateigröße
762 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jorge Luis Borges, El Sur, Interpretation, Literatur
Arbeit zitieren
Elisa Pezzullo (Autor:in), 2013, „El Sur“ von Jorge Luis Borges: Eine Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285043

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